Archiv | Dezember, 2011

Kirsten Dunst und „ihr“ Stalker

12 Dez

Stein des Anstoßes für diesen Beitrag war der Artikel auf Spiegel Online, indem geschildert wurde, wie die Schauspielerin Kirsten Dunst sich „erfolgreich“ gegen einen Stalker vor einem Gericht in Los Angeles (USA) wehrte. Im Wesentlichen ging es um ein Verbot, sich Dunst auf ca. 100 Metren räumlich zu nähern.

Ich nehme diesen Vorgang zum Anlass, auf den deutschen Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) hinzuweisen. Dieser steht im 18. Abschnitt des BT und ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 lit. b) JAG NW (theoretisch) tauglicher Prüfungsstoff in der ersten Prüfung. Insbesondere in mündlichen Prüfungen dürften sich Fragen anbieten, die auf der Schnittstelle von Straf- und Verfassungsrecht liegen, da der Tatbestand entsprechende Probleme aufweist, die auch ohne vertiefte Kenntnisse durch Auslegung ermittelt werden können.

Das Wichtigste ist zunächst natürlich die Lektüre der Vorschrift. § 238 StGB beschreibt in Abs. 1 recht vielgestaltig Verhaltensweisen, welche das „typische“ Stalking darstellen. So heißt es auch in dem SpOn-Beitrag, Dunst wurde mit „50 Briefen bombardiert“ und mindestens fünf mal habe der Stalker in einem Auto vor ihrer Haustür gewartet, bzw. Dunst´Mutter vor deren Haustüre abgepasst. Da der Straftatbestand sich als Instrument zur Flankierung des zivilrechtlichen Schutzes vor Nachstellungen (vgl. etwa Gewaltschutzgesetz) versteht, reicht die Vornahme der dort beschriebenen Handlungen allerdings noch nicht aus. Problematisch ist insbesondere, dass die Tathandlungen bisweilen für sich genommen zunächst einmal nicht sozial inadäquat erscheinen (sich irgendwo aufhalten; Telefonieren; SMS versenden etc.). Daher müssen diese Handlungen „unbefugt“ und „beharrlich“ vorgenommenen werden. Der Täter muss also eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag legen, was im Einzelfall zu eruieren sein dürfte; eine wiederholte Tatbegehung ist demnach Voraussetzung, aber nicht alleine ausreichend. Zudem müssen die Tathandlungen bei dem Opfer zu einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ führen. Dass diese Formulierung der Ausfüllung bedarf ist klar. Fraglich ist, was darunter zu verstehen ist? Maßgeblich soll die Opfersicht sein. Hier soll den Ausschlag geben, dass eine überdurchschnittliche Belästigung vorliegt. Nicht ausreichend sollen regelmäßig hinzunehmende und bloß belästigende Beeinträchtigungen sein….hier ist die Argumentation am Einzelfall gefragt.

Überaus problematisch ist in diesem Zusammenhang auch § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB (eine andere vergleichbare Handlung). Bei dieser Formulierung deutet sich ein Konflikt mit dem für das Strafrecht so bedeutsamen Bestimmtheitsgrundsatz an. Empfehlenswert ist hier die Lektüre des Beschlusses des BGH aus dem November 2009 (mit zust. Anm von Gazeas; NJW 2010, 1680ff.). In dieser Entscheidung hat der BGH sich erstmals zum § 238 StGB geäußert und in einem obiter dictum den Auffangtatbestand in Nr. 5 als iHa den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtlich sehr bedenklich eingestuft (die hL hält Nr. 5 für verfassungswidrig; vgl. bei Gazeas S. 1685 mwN).

Essenz: zumindest die Problemkreise des Wortlauts der Norm und die Bedenken iHa Nr. 5 und das Bestimmtheitsgebot sollte man in der Prüfung beherrschen. Für deutsche Gerichte könnte sich der konkrete Fall auch noch stellen….Kirsten Dunst besitzt nämlich (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit und „könnte sich vorstellen, mal in Berlin zu leben“. Dann müsste ihr französischer Stalker auch nicht mehr sein Hab und Gut veräußern, um kostspielige Anreisen in die USA zu finanzieren…

OLG Karlsruhe vom 18.10.2011 (1 U 28/11) – Der „Schockschaden“

12 Dez

Das OLG Karlsruhe hat in seinem Urteil vom 18.10.2011 (1 U 28/11) entschieden, dass „eine Ersatzpflicht für psychisch vermittelte Beeinträchtigungen – hier der Unfalltod naher Angehöriger – nur dann bejaht wird, wo es zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen von einiger Dauer kommt, die die auch sonst nicht leichten Nachteile eines schmerzlich empfundenen Trauerfalls für das gesundheitliche Allgemeinbefinden erheblich übersteigen und die deshalb auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden. Die Gesundheitsbeschädigung muss also nach Art und Schwere über das hinausgehen, was nahe Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden.“

Schockschäden stellen einen Klassiker des Deliktsrechts insbesondere bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB dar und sollten daher von Rechtsstudenten beherrscht werden. Bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 BGB bietet sich grundsätzlich folgendes Schema an:

1. Rechtsgutsverletzung

2 Verletzungshandlung

3. haftungsbegründende Kausalität

a. Äquivalenztheorie

b. Adäquanztheorie

c. Schutzzweck der Norm

4. Rechtswidrigkeit

5. Verschulden

6. Schaden

7. haftungsausfüllende Kausalität

Gehen wir von dem Fall aus, dass die Ehefrau bei einem Verkehrsunfall verstorben ist und dadurch ein medizinisch fassbarer, den Ehemann beeinträchtigender Schockschaden entstanden sein könnte.

Das Problem ist zunächst im Rahmen der Rechtsgutsverletzung zu verorten. Da es hier um eine Rechtsgutverletzung beim Anspruchsteller gehen muss, ist zu hinterfragen, ob ein Schockschaden eine Rechtsgutsverletzung darstellen kann. Hier greift nun die Formel des OLG Karlsruhe ein, nach der nicht jeder Schockschaden zu einer deliktisch relevanten Verletzung führt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Beeinträchtigung dem allgemeinen Lebensrisiko entzieht, nachhaltige traumatische Auswirkungen entfaltet und die objektive Erforderlichkeit einer ärztlichen Behandlung begründet, sodass die Auswirkungen einer Gesundheitsschädigung gleichzustellen sind.

Die Verletzungshandlung ist in der Schädigung des nahen Angehörigen zu sehen. Fraglich ist jedoch, ob auch eine haftungsbegründende Kausalität gegeben ist. Die Schädigung des nahen Angehörigen kann nicht weggedacht werden, ohne dass die Rechtsgutsverletzung in ihrer konkreten Gestalt – also der Schockschaden – entfiele. Auch liegt es – aus der objektiven Sicht eines verständigen Dritten – nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Tod eines nahen Angehörigen zu traumatischen Auswirkungen bei Verwandten, insbesondere beim Ehemann oder bei den Kindern, führt. Zweifeln könnte man jedoch am Schutzzweck der Norm. Die Schädigung der Ehefrau stellt ein Verhalten mit primär haftungsbegründender Wirkung zugunsten derselben dar. Der Ehemann ist lediglich mittelbar betroffen. Fraglich ist, ob der Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB  neben unmittelbaren Beeinträchtigungen auch mittelbare wie diejenigen des Ehemanns umfasst. In diesem Zusammenhang wird von einer psychisch vermittelten Kausalität gesprochen. Grundsätzlich müsste man dies verneinen, da lediglich eine mittelbare Betroffenheit vorliegt und die Annahme eines Anspruchs zu einer unverhältnismäßigen Ausdehnung der Haftung führen würde. In bestimmten Fällen sehen Rechtsprechung und Literatur dennoch einen Anspruch als gegeben. Voraussetzung ist, dass es sich um eine schwere Beeinträchtigung seitens des Schockopfers handelt, die auf einem ausreichenden Anlass beruht. Zudem muss ein enges Näheverhältnis zwischen Schockopfer und eigentlichem Opfer bestehen.

Die Prüfung der restlichen Voraussetzungen dürfte in der Regel unproblematisch sein. Als Hinweis möchte ich ferner noch anmerken, dass im Bereich des „Schutzzwecks der Norm“ auch das Problem der „Herausforderungsfälle“ und der „Anlageschäden“ zu lokalisieren ist, auf die ich in einem weiteren Beitrag eingehen werde.

Wahlfälschungen, Versammlungsfreiheit und der Tag der Menschenrechte

10 Dez

Heute werden sich in Moskau viele Menschen (allein 40.000 haben im Internet bislang ihre Teilnahme angekündigt) in Sichtweite des Kremls versammeln, um gegen die Wahlmanipulationen, die es offiziell nicht gegeben hat, zu demonstrieren. Wahrscheinlich wird die Hoffnung, dass diese Menschen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit, das ihnen nach Art. 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention zusteht, ohne Einschränkungen wahrnehmen können, sich als unbegründet erweisen. Ach ja: Einen fröhlichen Tag der Menschenrechte!

Entweder für Amnesty (allgemein) oder die Juristische Arbeitsgruppe Amnesty Köln.

Aus aktuellem Anlass: Gebetsmühle U-Haft und U-Bahn-Schläger

9 Dez

Am vergangenen Sonntag kam es an der Kölner U-Bahn-Haltestelle Friesenplatz zu einer brutalen Gewalttat. Zwei Männer verprügelten in den frühen Morgenstunden einen 19-Jährigen. Ein Passant filmte den Übergriff, die Schläger stellten sich wenige Tage später der Polizei.

Im Kölner Express flammt nun jene Diskussion wieder auf, die solche Taten automatisch nach sich zu ziehen scheint: Das Opfer muss den schmerzhaften Heilungsprozess überstehen, während die Täter „frei herumlaufen“.
Der Express fragt: „Warum sind die Täter noch frei?“ Die Antwort ist einfach: Weil sie (noch) nicht verurteilt sind.

In dem Express-Artikel klingt an, dass zumindest Untersuchungshaft als Reaktion auf die Tat angebracht wäre. Diese Forderung ist allerdings nicht mit der Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK vereinbar. Sanktionen sind staatliche Reaktion auf die Tat; Untersuchungshaft, § 112 StPO, hingegen sichert das Verfahren. Deshalb muss zum dringenden Tatversacht ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO vorliegen (und die Anordnung muss verhältnismäßig sein). Fluchtgefahr konnte die StA offenbar ausschließen, Wiederholungsgefahr ebenso.

Letzteres sieht zumindest der Express anders: „Keine Wiederholungsgefahr? Nach EXPRESS-Informationen hat sich inzwischen ein weiterer Zeuge bei der Polizei gemeldet. Er wurde offenbar kurz nach der Tat vom Friesenplatz von dem Haupttäter in der Bahn am Ebertplatz „dumm angemacht“.“
Die Wahrscheinlichkeitsprognose bezieht sich bei der Wiederholungsgefahr ausschließlich auf die künftige Begehung von Straftaten und nicht auf die Durchführung künftiger Verfahren wegen bereits begangener Taten. Ein belästigendes Anpöbeln reicht dafür als Indiz allerdings nicht aus. Schließlich muss eine „rechtsethische und psychologische Gleichheit des strafbaren Verhaltens“ vorliegen.

Schließlich kennt auch § 112 StPO in Abs. 3 einen systemfremden Haftgrund. Systemfremd deshalb, weil damit originär keine Verfahrenssicherung verbunden ist. Bei bestimmten Kapitaldelikten kann Untersuchungshaft auch gegen einen Beschuldigten angeordnet werden, wenn kein Haftgrund i.S.d. Abs. 2 vorliegt. Nach Maßgabe des BVerfG darf allerdings ein solcher zumindest nicht ausgeschlossen sein. Damit werde die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft gewahrt. Faktisch werden demnach über Abs. 3 schlicht die Anforderungen an die Begründung eines Haftgrundes gelockert. Die kochende Volksseele. Jetzt im Express.

Otto Palandt – 60 Jahre nach seinem Tod

9 Dez

Fast jeder hat ihn während seines Jurastudiums zu Recherchezwecken genutzt, doch vermutlich kaum einer hat sich schon einmal genauer mit dem Palandt und seinem Herausgeber beschäftigt. Am 03.12.2011 war der 60. Todestag des Otto Palandt. Legal Tribune Online hat einen kurzen, recht interessanten Artikel veröffentlicht, den ich keinem vorenthalten möchte. Inhaltlich geht es insbesondere auch noch um die „Kommentierung der „Justizausbildungsverordnung des Reiches nebst Durchführungsbestimmungen“, die mit einem Geleitwort des Staatssekretärs Dr. Roland Freisler 1934 im Berliner Verlag Franz Vahlen erschien“. Für alle, die sich auch ein wenig rechtshistorisch interessieren, auf jeden Fall lesenswert.

Was wollt Ihr eigentlich von uns?

9 Dez

Das fragen wir uns und möchten WissMit.com noch mehr Euren Bedürfnissen anpassen! Deswegen würden wir uns über Eure Verbesserungsvorschläge, Wünsche und Hinweise zu Inhalt, Form, Design usw. – entweder hier als Kommentar oder auf unserer Facebookseite – freuen. Als kleines Dankeschön verlosen wir unter allen Teilnehmern drei Bücher Strafrecht – Besonderer Teil III (Straßenverkehrs-, Brandstiftungs-, Rechtspflege- und Urkundendelikte) von Sabine Tofahrn. Eine Rezension des Buchs findet Ihr in ZJS 2010, 284f.). „Einsendeschluss“ ist der 9.12.2011, wobei wir uns auch danach natürlich über Verbesserungsvorschläge freuen.

Wir sind gespannt auf Eure Kommentare!

Das WissMit.com-Autorenteam.

Mumia Abu-Jamal und das Bundesverfassungsgericht

8 Dez

Der wegen Mordes an einem Polizisten vor 30 Jahren zum Tode verurteilte US-Amerikaner und von seinen Unterstützern als politischer Häftling angesehene Mumia Abu-Jamal wird, nachdem der zuständige Staatsanwalt erklärt hat, nicht mehr auf der Todesstrafe zu bestehen, nun nicht mehr hingerichtet werden, sondern eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung („life without parole“) verbüßen.

Neben der Todesstrafe wäre in Deutschland auch eine solche Freiheitsstrafe ohne jede Möglichkeit jemals wieder in Freiheit zu gelangen verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1977 (BVerfGE 45, 187) entschieden. Danach gehört „zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs […], daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Denn “ein menschenwürdiger Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe [ist] nur dann sichergestellt ist, wenn der Verurteilte eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance hat, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wiedergewinnen zu können; […] der Kern der Menschenwürde wird getroffen, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung, seine Freiheit wiederzuerlangen, aufgeben muß.“ Aus dem Rechtsstaatsprinzip folge, dass allein die Möglichkeit einer Begnadigung nicht genügt, um der lebenslangen Freiheitsstrafe den Verstoß gegen die Menschenwürde zu nehmen. Denn die Entscheidung für oder gegen eine Begnadigung erfolgt nach freiem Ermessen und ist nicht justiziabel. Vielmehr müssten die Voraussetzungen für eine mögliche Freilassung gesetzlich geregelt werden. Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit § 57a StGB nachgekommen, der eine Aussetzung des Strafrests vorsieht, wenn der Verurteilte mindestens 15 Jahre verbüßt hat, keine besondere Schwere der Schuld vorliegt, von dem Verurteilten keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht und er der Freilassung zustimmt (ob letzterer Punkt jemals problematisch ist?).

In Anbetracht der Tatsache, dass Abu-Jamal kein „normaler Häftling“ ist, sondern zur Galionsfigur des Kampfes gegen die Todesstrafe und Rassendiskriminierung avanciert ist, sei noch auf einen Artikel von Spiegel Online hingewiesen, der sich mit dem Phänomen befasst, dass Weiße in den Vereinigten Staaten viermal häufiger begnadigt werden als Menschen anderer Hautfarbe.

Intellektuelles Abdriften

6 Dez

Über „Sieben Dinge, die jeder Student erlebt haben muss“ schreibt Mischa Täubner im F.A.Z.-Hochschulanzeiger, darunter das „intellektuelle Abdriften“:

„Es gehört zu den größten Glücksgefühlen im Studium: festzustellen, dass man auf einem Gebiet so gut Bescheid weiß, dass man mit dem Prof auf Augenhöhe diskutieren kann. Wie das gelingt? Indem man nicht immer nur das tut, was die Studienordnung verlangt, sondern sich von echtem Interesse leiten lässt und Antworten auf eine der großen Fragen sucht, die sich einem aufdrängen. […] Möglicherweise verwahrlost man ein wenig, weil man mit dem Lesen nicht aufhören kann. Erkenntnisse wirken nämlich wie eine Droge.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Stolz der Griechen: Makedonien vs. Mazedonien

5 Dez

Der Internationale Gerichtshof hat heute über den kurios anmutende Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien entschieden, über den Michael Martens in der FAZ (Ausgabe vom 5.10.2011, Seite 10) schreibt. Griechenland wirft Mazedonien Irredentismus in Bezug auf die griechische Region Makedonien mit deren Hauptstadt Thessaloniki vor, dass Mazedonien sich diese Region also einverleiben wolle. Dies hat zu  skurrilen Auswüchsen geführt.

So durfte Mazedonien den Vereinten Nationen nicht als „Mazedonien“, sondern laut der Sicherheitsresolution 817 nur als „Former Yugoslav Republic of Macedonia“ („Fyrom“) beitreten und belegte Griechenland Mazedonien 1994 mit einem 18 Monate dauernden Handelsembargo, das Mazedonien empfindlich traf und das nur mit Hilfe eines unter internationalen Vermittlungen zustande gekommenen Abkommens beigelegt werden konnte. Unter dem Namen „Fyrom“ durfte Mazedonien der OSZE, dem Europarat, dem Programm „Partnerschaft für Frieden“ und anderen Organisationen beitreten. Gegen den – von den übrigen Mitgliedsstaaten begrüßten! – Beitritt zur Nato opponiert Griechenland jedoch – wie auch gegen einen EU-Beitritt – bis heute. In dieser Blockade NATO sah Mazedonien einen Verstoß gegen das genannte Abkommen.

Heute nun hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschieden, dass der Widerspruch gegen den NATO-Beitritt Mazedoniens einen Verstoß gegen das Abkommen von 1994 darstellt, das Griechenland – verkürzt – verpflichtet, Mazedonien keine Steine in den Weg zu legen, sofern es Internationalen Organisationen nicht als Mazedonien, sondern als Fyrom beitritt. Griechenland muss diese Haltung also aufgeben und man darf wohl davon ausgehen, dass einem NATO-Beitritt Mazedoniens nichts mehr im Wege steht und Griechenland sich nun anderen Themen zuwenden kann.

Todesstrafe und Kalter Krieg – BnO (III)

5 Dez

I. Todesstrafe

In Weißrussland wurden letzten Mittwoch Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowalew wegen Terrorismus zum Tode verurteilt. Ihnen wird die Durchführung des Anschlag vom 11. April in einer Minsker U-Bahn-Station vorgeworfen. Dass die Todesstrafe in einem modernen Staat abzulehnen ist, steht ausser Frage (siehe nur Entschließungsantrag des EU-Parlaments; Petition gegen die Vollstreckung hier). Bei aller Kritik ist jedoch nicht zu vergessen, dass in manchen europäischen Staaten die Todesstrafe noch vor nicht allzu langer Zeit abgeschafft worden ist (z.B. Frankreich) und in anderen die Debatten um die Wiedereinführung immer wieder entflammen (z.B. Niederlande, Polen). Schließlich gehört die Todesstrafe im Rechtsstaat USA noch zum Alltag. Dass dies einige der Argumente des weißrussischen Staates sind, ist alles andere als überraschend.

II. Kalter Krieg

Gestern haben die Parlamanentswahlen in Russland stattgefunden. Neben offensichtlicher Wahlmanipulationen, Gewalteinsatz gegen Demonstrierende und „Cyberangriffe“ gegen die einigen wenigen freien Medien, zogen vor allem die Wahlargumente der Reigerungspartei „Einiges Russland“ die Aufmerksamkeit auf sich. Putin kritisierte am 27. November russische NGO’s als Marionetten ausländischer Staaten, die durch Geld versuchen die russische Öffentlichkeit zu beeinflussen. „Die Figur des Judas ist nicht die beliebteste biblische Persönlichkeit unseres Volkes“, sagte er. Antiamerikanismus war das andere Leitthema, nicht nur auf der Facebookseite des Nato-Botschafters Dmitrij Rogosin (Putins „Mann für das Grobe“), sondern auch in einem Interview gegenüber dem Spiegel. Neben einer Kalter Krieg-Mentalität aus schon fast vergessenen Sowjetzeiten, erschreckt die peinliche Logik. Beispiel:

Wenn ein Verbrecher mit Messer und Wodkaflasche in dein Haus eindringt, schaut doch jeder zuerst auf das Messer.

Interview mit dem Spiegel, 3.12.2011.

Der Blick nach Osten berichtet in unregelmäßigen Abständen zu Rechts- und Politikentwicklungen in Osteuropa.

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