Archiv | März, 2013

Perlen aus der Vorlesung

26 Mär

Aus der Vorlesung von Frau Prof. Dauner-Lieb:

Professor in der Vorlesungspause zu einem Studierenden: „Ich bin ein wenig gekränkt, dass Sie in meiner Vorlesung schlafen und auch noch schnarchen.“

Antwort des Studierenden: „Bitte nehmen Sie das doch nicht persönlich, das mache ich in den anderen Vorlesungen auch.“

Bodennebel in der Anfängerklausur: „Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises könnte sich aus Anfechtung gemäß § 123 ergeben, dies setzt einen wirksamen Kaufvertrag voraus.“

Klarstellung unerwünscht: Pjöngjang, Washington und der Erstschlag

20 Mär

Gastbeitrag von Dr. Björn Schiffbauer

Nordkorea beherrschte wieder einmal die Schlagzeilen der Weltnachrichten. Es begann an einem Donnerstag Anfang März. Der Zeitpunkt könnte mit Bedacht gewählt worden sein, denn die Welt blickte noch nicht auf die Papstwahl, sondern war für düstere Nachrichten empfänglich. Eine dieser Nachrichten am 7. März 2013 war: Pjöngjang hat den USA einen atomaren Erstschlag angedroht. „Solange die USA einen Atomkrieg anstreben, haben unsere revolutionären Streitkräfte das Recht auf einen präventiven Atomschlag“, wird eine Sprecherin des nordkoreanischen Außenministeriums von der Nachrichtenagentur KCNA zitiert. Offenbar zur Stützung dieser Drohung sprach das Regime Presseberichten zufolge einen Tag später die Kündigung eines Nichtangriffspaktes mit Südkorea aus. (Es ist allerdings unklar, ob damit die wichtige Waffenstillstandsvereinbarung zur Beendigung des Korea-Krieges von 1953 oder – wahrscheinlicher – ein weniger prominentes Abkommen aus dem Jahr 1991 gemeint war.) Zudem kappte der Norden Kommunikationslinien mit dem Süden und forciert nun nach eigenen Angaben den Ausbau seines Atomprogramms umso dringlicher. All diese Gebärden fallen in eine Zeit, in welcher der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen den kommunistischen Staat verschärft hat. Dies mag der politische Grund für solches Säbelrasseln sein; ob Nordkorea allerdings tatsächlich das Potential für einen Atomschlag besitzt, ist nach derzeitigem Kenntnisstand zweifelhaft. Gleichwohl hat dessen unverblümte Androhung weltweit für Unruhe gesorgt.

Südkorea zeigt sich zwar nach außen hin unbeeindruckt; an lautes Gepolter aus Pjöngjang hat man sich längst gewöhnt. Die ungewöhnliche Schärfe der Drohung indes dürfte man registriert haben, die Alarmbereitschaft im Süden ist wohl kaum gesunken. Auch die USA geben sich offiziell gelassen, werden aber dennoch ihr Raketenabwehrsystem an der gesamten Westküste mit nicht geringem Aufwand verstärken. Nordkorea, so scheint es, darf sich wohl doch ein wenig ernstgenommen fühlen.

Unabhängig von alldem ruft die vordergründig politische Polemik Nordkoreas in einem größeren Kontext aber vor allem das Völkerrecht auf den Plan. Immerhin wird ausdrücklich „das Recht auf einen präventiven Atomschlag“ beansprucht! Dem Wortlaut dieser staatlich zurechenbaren Äußerung ist zu entnehmen, dass Nordkorea glaubt, sich innerhalb der Grenzen völkerrechtlich legaler Gewaltanwendung zu bewegen, wenn es mit Atomwaffen gegen die USA vorgeht, ohne dass das Land selbst bereits Opfer eines bewaffneten Angriffs geworden wäre. Dies verlangt nach einer genaueren Betrachtung. Denn das Völkerrecht ist eine Rechtsmaterie, die sich ständig im Fluss befindet und durch von Rechtsüberzeugung getragener Staatenpraxis bestätigt, verändert und erweitert werden kann. Dies ist das Prinzip von Völkergewohnheitsrecht. Doch auch völkerrechtliche Verträge wie etwa die UN-Charta werden durch spätere Staatenpraxis in ihrer Auslegung häufig konkretisiert. Zu beidem könnte Nordkorea – womöglich ungewollt – durch seine jüngste Rhetorik beigetragen haben.

Die Erklärung des Außenministeriums liest sich vereinfacht so: „Wir dürfen die USA mit Atomwaffen angreifen, bevor sie das gleiche mit uns tun.“ Obwohl schlagzeilenträchtig, ist der nukleare Zusammenhang hier eher zweitrangig. Denn die Frage, ob Nordkorea „präventiv“ gegen die USA Gewalt anwenden darf, hat grundsätzlich nichts mit der Art und Beschaffenheit der eingesetzten Waffen zu tun. Zweifellos sind Atomwaffen das größte von Menschen geschaffene Übel; die ganze Welt könnte durch die Kraft der existierenden Nuklearsprengsätze pulverisiert werden. Jedoch stellte der Internationale Gerichtshof bereits 1996 in seinem Gutachten zur Legalität der Anwendung von Atomwaffen fest, dass deren Einsatz im Falle von Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta nicht prinzipiell untersagt ist. Vielmehr unterliegt die Form der Gewaltanwendung immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zumindest wenn die Existenz eines Staates bedroht ist, könnten deshalb auch Atomwaffen zum Einsatz kommen. Ob dies auch im Falle Nordkoreas in Frage käme, darf stark bezweifelt werden. Die Erklärung des Außenministeriums impliziert dies allerdings, immerhin bemüht sie einen drohenden „Atomkrieg“. Einen solchen horribile dictu unterstellt, dürften wohl auch Atomwaffen zur Verteidigung eingesetzt werden.

Doch zurück zum zwischenstaatlichen Selbstverteidigungsrecht. Darf Nordkorea einer kolportierten amerikanischen Gewalthandlung mit eigener Gewalt zuvorkommen? Die völkerrechtliche Antwort auf diese Frage verbirgt sich im umstrittenen Institut der sogenannten „vorbeugenden Selbstverteidigung“. Seinen Ursprung hat dieses in einer anderen Zeit, gleichwohl aber an einem bekannten Ort: den USA. Im Jahre 1837 kam es zwischen dem noch jungen amerikanischen Staat und der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zu einem gewaltsamen Zwischenfall auf dem Niagara-Fluss. Das Dampfschiff „Caroline“ wurde von britischen Truppen in Brand gesteckt und in den Niagara-Fällen versenkt, weil sich US-amerikanische Aufständische im Begriff befunden haben sollen, die damals britische Provinz Oberkanada anzugreifen. Die diplomatische Aufarbeitung dieses Vorfalls brachte eine nach dem US-Außenminister Daniel Webster benannte Formel hervor, nach der vorbeugende Gewaltanwendung legal ist im Falle einer „necessity of self-defense, instant, overwhelming, leaving no choice of means, and no moment for deliberation“. Dieses Zitat hat Zeitwenden und Kriege überlebt. Noch heute wird es in Verbindung mit dem Selbstverteidigungsrecht aus Artikel 51 der UN-Charta wiedergegeben. Die heute herrschende Meinung im Völkerrecht erkennt demnach ein Recht zu vorbeugender Selbstverteidigung an, wenn ein Angriff zeitlich unmittelbar bevorsteht oder aber es höchst wahrscheinlich ist, dass ein Angriff in jedem Moment stattfinden kann. Einfach ausgedrückt: Ein Angriffsobjekt muss nicht auf eine Verletzung warten, sondern darf den Auslöser eines ansonsten eintretenden Schadens gewaltsam beseitigen, wenn andere Mittel nicht in Betracht kommen.

Doch was bedeutet dies für Nordkorea? Wenn das Land von den Waffen der USA anvisiert wird, dürfen die Generäle um Kim Jong Un zuschlagen. Danach sieht es aber zur Zeit nicht aus. Obwohl die USA gemeinsam mit Südkorea regelmäßig Seemanöver an der koreanischen Halbinsel vollziehen, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die USA – zumal in Eigenregie – Nordkorea attackieren würden. Dagegen spricht allein die in diesem Fall recht gute Kooperation mit den übrigen Vetomächten im UN-Sicherheitsrat, die man im Falle eines Alleingangs aufs Spiel setzen würde. Der Sicherheitsrat selbst dürfte hier eher das Zünglein an der Waage spielen: Bleiben seine Sanktionen weiterhin wirkungslos, könnte er zu noch härteren Mitteln greifen. Kapitel VII der UN-Charta ermächtigt ihn nämlich, eine Resolution zu erlassen, die zu einem gewaltsamen Eingreifen in Nordkorea ermächtigt. Käme es dazu, stünde zweifellos fest, dass Nordkorea mit einem Eingreifen fremder Staaten zu rechnen hat. Doch hätte es dann kein Selbstverteidigungsrecht, weil Resolutionen des Sicherheitsrats stets Vorrang haben.

Was auch kommen mag, die sachlichen Voraussetzungen für einen völkerrechtskonformen Erstschlag Nordkoreas liegen in diesen Tagen nicht vor. Da aber die Erklärung Nordkoreas dennoch rechtlich relevant ist und mit der herrschenden Meinung im Völkerrecht übereinstimmt, wird diese dadurch bestärkt. Denn, wie oben erwähnt, ist dies beachtliche Staatenpraxis für die Entwicklung (oder Festigung) einzelner völkerrechtlicher Institute.

Nun lohnt es sich, noch einen Schritt weiter zu denken. Denn nach der gegenwärtigen Tatsachenlage könnte das Pendel des vorbeugenden Selbstverteidigungsrechts nämlich in Richtung USA hinüberschwingen. Nimmt man die Erklärung Nordkoreas ernst, so ist deren Staatsführung jederzeit willens und bereit, einen (atomaren) Schlag gegen die USA einzuleiten. Ein solcher wäre eine völkerrechtswidrige Gewaltanwendung, nämlich ein klassischer bewaffneter Angriff nach Artikel 51 der UN-Charta. In diesem Fall stünde den USA das Recht auf vorbeugende Selbstverteidigung unter den eben genannten Voraussetzungen zu. Die USA müssten also nachweisen, dass Nordkorea (entgegen bisheriger Erkenntnisse) das Potential für einen solchen Angriff besitzt und tatsächlich hinreichend konkretisierte Vorbereitungen getroffen hat, die nur in einen Angriff münden können. Die bisherige Kriegsrhetorik genügt für eine solche Annahme freilich nicht. Spannender würde es allerdings, wenn Nordkorea tatsächlich sein Atomprogramm nennenswert und schlagkräftig fortentwickelt sowie seine Feindseligkeit nach Außen unmissverständlich (etwa durch Abbruch bedeutsamer diplomatischer Beziehungen und sämtlicher Verhandlungen mit Drittstaaten) zum Ausdruck bringt. Käme es dazu, müsste die Sachlage wohl insgesamt noch einmal neu bewertet werden. Jedenfalls wäre ein amerikanischer Schlag (nur!) als letzter Ausweg rechtmäßig und dann gerade kein – völkerrechtswidriger – „preemptive strike“ gegen eine bloß potentielle Gefahr, wie man ihn aus den Doktrinen des Ex-Präsidenten Bush jun. kennt.

Nicht nur für Völkerrechtler wäre eine Reaktion der USA mit Spannung zu erwarten. Denn zwischen legaler vorbeugender Selbstverteidigung bei einem unmittelbar bevorstehenden Angriff und illegaler Gewalt gegen eine nur potentielle Gefahr besteht eine völkerrechtliche Grauzone, die durch Staatenpraxis einen entsprechenden Anstrich erfahren könnte. Entschließen sich die USA nämlich für ein gewaltsames Vorgehen gegen Nordkorea, ohne dass dessen Generäle die letzten Angriffsvorbereitungen getroffen hätten, würden sie dies gewiss mit dem besonderen Gefährdungs- und Schadenspotential von Atomwaffen begründen. In einem solchen Fall könnte das bisher gültige vorbeugende Selbstverteidigungsrecht nachhaltig ausgedehnt werden, indem die Legalität einer Intervention zusätzlich an dem Ausmaß des sonst zu erwartenden Schadens bemessen wird. Die anschließende Reaktion der Staatenwelt wird dann über die Rechtsentwicklung entscheiden. Zu befürchten ist allerdings, dass dies unter dem Eindruck – rechtswidriger, aber womöglich nuklearer – Vergeltungsschläge Nordkoreas geschehen könnte. Sogar die Völkerrechtler würden auf eine solche Rechtsklarstellung gerne verzichten.

Dr. Björn Schiffbauer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Claus Kreß LL.M. (Cambridge) am Institute for International Peace and Security Law der Universität zu Köln. Seine 2012 erschienene Dissertation trägt den Titel „Vorbeugende Selbstverteidigung im Völkerrecht“.

Umfrage: Sind Wirtschaftswissenschaften eine sinnvolle Ergänzung für das Jurastudium?

6 Mär

Für viele Juristen sind BWL- und VWL-Kenntnisse im Berufsalltag hilfreich. Diese werden jedoch oft durch Weiterbildung oder „on the job“ erworben. Was meinen die Blog-Leser:

Unter Juristen

5 Mär

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen einem Syndikus und einem Justitiar? Handelt es sich bei den Grundlagenfächern um die Vermittlung wesentlicher Rechtskenntnisse aus den wichtigsten Gesetzen? Und haben Juristen mit der Methodenlehre ein eigenes didaktisches Vorgehen entwickelt, um juristisches Wissen zu vermitteln? Als Nicht-Juristin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät lerne ich seit einem halben Jahr eine neue Sprache, um mich im Gespräch mit Juristen nicht sofort nach zwei Sätzen als Nicht-Juristin zu „outen“.

Gelungene Kommunikation lebt ja zunächst von dem gleichen Verständnis wichtiger Kernbegriffe. Dieses ist konstituierend, damit Kommunikation auf der Sachebene überhaupt funktionieren kann. In der interdisziplinären Zusammenarbeit bringen beide Seiten dabei ihr spezifisches Vokabular mit. Manchmal meint man auch, man spräche von derselben Sache – jeder Gesprächspartner durchdenkt den Begriff aber aus einem anderen Blickwinkel. Ein Beispiel:

Eine Juristin fragte mich im Zusammenhang mit Finanzierungsarten, ob eine Anleihe nicht das Gleiche sei wie ein Darlehen. Im ersten Moment war ich perplex, wie sie auf so eine Idee überhaupt kommen konnte. Die beiden Instrumente unterscheiden sich betriebswirtschaftlich dahingehend, als dass eine Anleihe mit einem Kapitalmarktinstrument, ein Darlehen im allgemeinen Sprachgebrauch mit einem Kredit gleichgesetzt wird. Beim Blick ins BGB wurde mir jedoch einiges klarer. In §488 (1) heißt es: „Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten.“ Nach dieser juristischen Definition ginge eine Anleihe tatsächlich als Darlehen durch. Der rechtliche Begriff reicht jedoch deutlich weiter als die bankgeschäftliche Bezeichnung, so dass ein Betriebswirt nie von einer Anleihe als Darlehen sprechen würde.

Auf der Beziehungsebene kann interdisziplinäre Kommunikation dann besonderes bereichernd sein, wenn man die gegenseitigen Erfahrungen nutzt, um voneinander zu lernen. Sozialisiert durch ein Studium an der WiSo-Fakultät der Uni Köln sowie die daran anschließende Tätigkeit in einem DAX-Konzern ist mein eigenes Denken und Handeln bisher von Wirtschaftlichkeit und Ergebnisorientierung geprägt worden. Nun lerne ich die Freude an der Diskussion und am Austausch von rhetorisch ausgefeilten Argumenten kennen. Sicherlich hängt dies im Allgemeinen auch mit der wissenschaftlichen Arbeit zusammen, aber im Besonderen eben auch mit der juristischen Arbeits- und Denkweise. „Ich plädiere für diesen oder jenen Standpunkt.“ Oder aber: „In diesem Punkt muss ich dir vehement wiedersprechen.“ Dies sind Formulierungen, die mich immer an ein für Juristen typisches Arbeitsfeld, nämlich an Gerichtsverhandlungen, denken lassen. Ab und zu wird dann dem Gesprächspartner ein wenig Wasser oder wahlweise Essig in den Wein gegossen – und damit zum Ausdruck gebracht, dass man das Gegenargument nun wohl oder übel schlucken muss, ob es einem schmeckt oder nicht.

Die Bedeutsamkeit interdisziplinärer Kommunikation und die Entwicklung eines Verständnisses füreinander empfinde ich als bereichernd. Gerade Rechts- und Wirtschaftswissenschaften weisen ja auch inhaltlich viele Schnittstellen auf, an denen man viel voneinander lernen kann.

Also erst einmal Vokabeln… und sich mit der Denk- und Arbeitsweise des jeweils anderen vertraut machen. Lohnt sich das denn überhaupt? (Als Ökonomin sei mir diese Frage gestattet.) Ich glaube ja, denn durch das Erlernen einer neuen Fachsprache, die logische Strukturierung von Argumenten sowie deren rhetorisch brillante „Verpackung“ öffnen sich mir auf Sach- und auf Beziehungsebene ganz neue Kommunikationsmöglichkeiten.

So mag vielleicht der ein oder andere Jurist auch Freude daran haben, sich mit den folgenden Fragestellungen auseinanderzusetzten: Was ist der Unterschied zwischen Cash Flow und Cash Cow? Handelt es sich bei Output und Outcome tatsächlich um ökonomische Begriffe? Und haben Wirtschaftswissenschaftler außer Effizienz und Effektivität eigentlich noch etwas anderes zu bieten? Ich plädiere für ein fachübergreifendes Lernen! Und hoffe, dass mir dabei nicht zu viel Wasser in den Wein geschüttet wird…