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BGH stärkt Rechte von Schnäppchenjägern

28 Mär

Im Januar hatte ich hier etwas zu einem Verfahren beim BGH geschrieben, bei dem es um den ebay-Kauf eines Handys 24.000€ ging. Der Kläger hatte die Auktion für nur 782€ gewonnen und vom Verkäufer Schadensersatz verlangt, weil sich herausstellte, dass es sich um ein Plagiat handelte. Das LG hatte dem nicht stattgegeben und als Begründung hierfür angeführt, dass das Geschäft wegen des Missverhältnisses zwischen dem vermeintlich objektiven Wert und dem Kaufpreis nichtig sei. Zudem habe sich der Käufer aus dem selben Grund nicht darauf verlassen dürfen, dass es sich um ein Original-Handy handele. Dem hat der BGH nun erfreulicherweise eine Absage erteilt.

Auszug aus der entsprechenden Pressemitteilung des BGH:

„Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten. (…) Von einem solchen Beweisanzeichen kann bei einer Onlineauktion jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen jeweils nur die Vertragsparteien gegenüberstanden.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt, nicht verneint werden. Das Berufungsgericht meint, gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung (…) spreche „vor allem“ der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion von 1 €. Diese Begründung trägt nicht. Das Berufungsgericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist. Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen.“

Augen auf beim Luxus-Handy-ebay-Kauf

10 Jan

Am 18. Januar wird der BGH folgenden Fall verhandeln: Der Kläger hatte vom Beklagten bei ebay ein Handy „Vertu Weiss Gold“ – Originalpreis: 24.000 € (!) – zum Preis von 782 € ersteigert – als Maximal-Gebot hatte er 1.999 € eingegeben. Als das Handy geliefert wurde, verweigerte er die Annahme, weil es sich um ein Plagiat handelte und fordert nun 23.218 € Schadensersatz vom Verkäufer. Der Kläger hatte mit seiner Berufung vor dem OLG Saarbrücken keinen Erfolg; das OLG führte laut BGH-Pressemitteilung zur Begründung aus:

„Nach dem Vorbringen des Klägers sei der geschlossene Vertrag bereits gemäß § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig, da der Wert des Handys das Maximalgebot des Klägers um ein Vielfaches (hier das Zwölffache) übersteige und dieses besonders grobe Missverhältnis den Schluss auf die verwerfliche Gesinnung des Klägers als Begünstigten zulasse.

Unabhängig davon hätten die Parteien bei Vertragsschluss auch keine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend getroffen, dass Kaufgegenstand ein Originalhandy der Marke Vertu sei. Die Angaben der Beklagten in dem Angebot rechtfertigten nicht die Annahme, die Beklagte habe die Beschaffenheit des Handys als Original des Herstellers Vertu beschrieben und der Kläger habe dies auch so verstanden. Gegen eine derartige Beschaffenheitsvereinbarung spreche vor allem, dass die Beklagte es zu einem Startpreis von 1 € angeboten habe, obwohl ein Originalhandy – nach der Behauptung des Klägers – einen Wert von 24.000 € habe. Ein derart niedriger Startpreis stehe der konkludenten Vereinbarung einer Beschaffenheit als Original jedenfalls dann entgegen, wenn ein solches Original einen den festgesetzten Startpreis ganz erheblich übersteigenden Wert habe, der Käufer Kenntnis von dem Wert habe und der Verkäufer die Kaufsache nicht ausdrücklich als Original bezeichne.

Aber selbst bei Annahme eines Sachmangels scheide ein Schadensersatzanspruch des Käufers aus, weil dieser den Mangel infolge grober Fahrlässigkeit verkannt habe. Es sei erfahrungswidrig, dass ein Handy mit einem – wie vom Kläger behaupteten – derart hohen Wert zu einem Startpreis von 1 € angeboten werde. Bei einem solchen Angebot habe für den Kläger der Verdacht naheliegen müssen, dass es sich bei dem angebotenen Handy nicht um ein Original handele.“

Bei ebay-Fällen drängt sich mir immer der Verdacht auf, dass die entscheidenden Richter ebay nicht recht verstehen. Denn ein Startpreis von 1 € bedeutet natürlich nicht, dass der Verkäufer auch von einem entsprechend niedrigen Verkaufspreis ausgeht, sondern kann vielmehr schlicht dazu genutzt werden, die ebay-Provision möglichst gering zu halten oder die Aufmerksamkeit auf das Angebot zu lenken. Deshalb erscheint mir der Schluss von einem niedrigen Startgebot auf das Vorliegen eines Plagiats, dass der Käufer in solchen Fällen also davon ausgehen muss, es handele sich um ein Plagiat, wenig überzeugend.

Aus den Besonderheiten des ebay-Verkaufs ergibt sich meines Erachtens auch, dass kein wucherähnliches Geschäft vorliegt, selbst wenn ein krasses Missverhältnis zwischen „objektivem“ Wert und dem Verkaufspreis besteht. Denn schließlich ist es gerade das Prinzip von ebay die Sache zum „Marktpreis“, also zum maximal erzielbaren Preis zu verkaufen. Der Verkäufer begibt sich dabei freiwillig (!) in die Gefahr eines erheblich hinter seinen Vorstellungen zurückbleibenden Kaufpreises. Auf der anderen Seite hat er aber auch die Möglichkeit, einen über seinen Erwartungen liegenden Erlös zu erzielen. Stellt man sich die Situation andersherum vor, wird dies deutlich: Der Bieter, der bereit ist, für eine Ware ein Vielfaches ihres „eigentlichen“ Werts zu bezahlen – man denke nur an den Papst-Golf –, wird sich, wenn er erfolgreich ist, kaum darauf berufen können, dass die Sache nur einen Bruchteil des Preises wert war. Dann ist es aber auch nicht einsichtig, warum der Verkäufer hier besser gestellt werden sollte.

Mal sehen, was der BGH draus macht…

Was machen wenn das Weihnachtsgeschenk nicht gefällt?

26 Dez

Nicht alle sind über ihre Geschenke glücklich. Die BILD ruft wie schon in den Vorjahren dazu auf, die „schlimmsten Gaga-Geschenke“ zu melden. Wie wird man aber das unmögliche Geschenk der Schwiegermutter oder des Schwiegersohnes los?

Ein weitverbreitete Ansicht ist, dass man das Weihnachtsgeschenk ohne Probleme beim Verkäufer wieder zurückgeben kann. Jedoch sieht das deutsche Gewährleistungsrecht (aber auch das der meisten anderen europäischen Länder) dies nur im Falle eines Mangels vor (§ 437 Nr. 2 BGB) und dies auch nur, wenn eine Nacherfüllung nicht möglich ist (§§ 437 Nr.1, 439 BGB). Daneben könnte noch die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung (§123 Abs. 1 BGB) in Frage kommen. Ansonsten gilt: wenn der Verkäufer eine mangelfreie Ware zurücknimmt, dann geschieht dies nur aufgrund von Kulanz.

Auch bei einem Fernabsatzgeschäft ist der 14-tägige Widerruf (§§ 312d Abs. 1, 355 BGB) und die Rücksendung der Sache nicht immer möglich. Dort spielen vor allem die Ausnahmen des § 312d Abs. 3 (vor allem Nr. 1: Einzelanfertigung und Nr. 3: entsiegelte Datenträger) eine Rolle. Auch zu beachten ist dabei ein potentieller Wertersatz nach § 346 Abs. 2 und vor allem § 357 Abs. 3 BGB, „soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht“. Schließlich ist zu beachten, dass die Rücksendungskosten der Verbraucher trägt, wenn der Sachwert 40 € nicht übersteigt oder der Käufer noch nicht den Kaufpreis entrichtet hat.

Also lohnt es sich tatsächlich, das eine oder andere Geschenk bei Ebay&Co. zu verkaufen (Beispiele zu nicht passenden oder gewollten Geschenken hier) oder weiter zu verschenken.

Der Beuys’sche „Fetteckenfall“ lässt grüßen

7 Nov

Seit einigen Tagen berichten die Medien ausgiebig von der Zerstörung einer Installation des renommierten Künstlers Martin Kippenberger. Eine Putzfrau im Dortmunder Museum Ostwall schrubbte bei der Installation „Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen“ einen weißlichen Kalkfleck (Patina), der sich am Boden eines Gummitroges befand weg, weil sie diesen irrtümlich für eine Verschmutzung hielt. Tatsächlich war dieser Fleck ein wesentlicher Bestandteil der Installation und diese damit unwiederbringlich zerstört. Das Museum hatte die Installation erst Anfang des Jahres von einem Sammler als Leihgabe erhalten. Indes ist ein solcher Vorfall kein Einzelfall in der neueren Deutschen Kunstgeschichte, wobei es Kunstwerke von Joseph Beuys besonders hart traf. Im Jahre 1973 „reinigten“ zwei Frauen bei einer Feier eines SPD-Ortsvereins aus Leverkusen, eine von Beuys mit Mullbinden und Heftpflastern versehenen Babybadewanne, um darin Gläser zu spülen. Das Land NRW zahlte damals 40.000 DM Schadenersatz.

Aufsehenerregender war hingegen der „Fetteckenfall“. Beuys hatte in seinem Atelier in der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf im Rahmen einer künstlerischen Aktion eine „Fettecke“ angebracht. Dabei handelte es sich um eine 25 cm hohe Ecke aus Fett, die er in einer Höhe von 5 m in einer Ecke des Raumes unmittelbar und ohne weitere Verbindung auf den Putz aufbrachte, wobei Fett in den Putz eindrang. Im Jahre 1986, kurz nach dem Tod von Beuys, wurde das Atelier gereinigt und dabei von einem Arbeiter die „Fettecke“, die er versehentlich für Schmutz hielt, entfernt. Ein enger Mitarbeiter und Meisterschüler von Beuys, Johannes Stüttgen, verklagte damals das Land NRW vor dem LG Düsseldorf auf Schadenersatz in Höhe von 50.000 DM, mit der Behauptung Beuys habe ihm die „Fettecke“ bei der Aktion mit den Worten „Johannes, jetzt mache ich Dir endlich Deine Fettecke“ geschenkt und und zu Eigentum übertragen. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. In späteren Vergleichsverhandlungen erhielt J. S. indes 40.000 DM.

Was hat dies mit dem Examen zu tun? Antwort: Viel! Der neue Fall bietet sich wie damals der „Fetteckenfall“ sowohl als Teil einer Klausur für einen Klausurenkurs als auch als Fall für die mündliche Prüfung an, wobei gerade auch daran zu denken ist, dass der „Fetteckenfall“ in seinem 25järigen Jubiläum eine Renaissance in Klausuren und Prüfungen erleben kann.

Der neue „Installationsfall“ eignet sich um zivilrechtliche Schadenersatzansprüche durchzuprüfen. Hier ist zunächst einmal an Ansprüche aus dem Leihvertrag (§§ 589, 604 i. V. m. §§ 280 ff. BGB) zu denken und dann aus Delikt (§§ 823 ff. BGB) wobei bei den deliktischen Ansprüchen, insbesondere die Ansprüche aus § 831 i. V. m § 823 BGB und § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG zu beachten sind, da es sich um ein städtisches Museum handelt. Diese sind insofern etwas problematisch, weil hier abzugrenzen ist, ob die Reinigung des Museums privatrechtlicher Natur ist, dann richtet sich die Haftung nach § 831 BGB, oder ob das Reinigungspersonal hoheitlich tätig geworden ist, dann § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG. Hinsichtlich des Verschuldens (§ 276 BGB) bei der Zerstörung des Kunstwerks ist darauf zu achten, ob ein Verschulden von Organen der Stadt vorliegt, z.B. durch falsche Einweisung des Reinigungspersonals durch die Museumsdirektion, dann erfolgt die Zurechnung des Verschuldens an die Stadt über §§ 31, 89 BGB. Liegt hingegen ein Verschulden von Hilfspersonen vor, erfolgt die Zurechnung über § 278 Satz 1 BGB.

Für die Prüfung sachenrechtlicher Probleme bietet sich der „Fetteckenfall“ geradezu an. Im Mittelpunkt steht hier insbesondere die Frage, ob J.S., der damalige Kläger, ein Schadenersatzanspruch aus einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 989, 990 BGB zusteht. Dabei geht es u. a. auch um das Problem, ob die Akademie und damit das Land Eigentum an der „Fettecke“ erworben hat, was das LG verneinte, da es zu recht annahm, dass die Fettecke nicht wesentlicher Bestandteil des Akademiegebäudes i. S. d. § 94 BGB geworden sei. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang ferner ein völliger Besitzverlust von Beuys und ein damit einhergehender möglicher Eigentumserwerb des J.S. nach § 929 Satz 1 BGB oder nach § 929 Satz 2 BGB sowie ein Eigentumserwerb durch ein die Besitzübergabe ersetzendes Besitzmittlungsverhältnis (§ 930 BGB) oder ein Eigentumserwerb durch §§ 929, 931 BGB. Zu denken ist auch an an einen Eigentumserwerb des J.S nach § 950 BGB. Bejaht man entgegen der Ansicht des LG Düsseldorf einen Eigentumserwerb des J.S – was vertretbar ist – sind auch hier die deiktischen Ansprüche gem. § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG und gem. § 831 BGB einschlägig, wobei hier dann zu diskutieren ist, ob diese Ansprüche nicht bereits durch – so die h.M. – die §§ 989, 990 BGB ausgeschlossen sind. In diesem Fall wird auch wieder die Frage relevant, ob die Zurechnung des Verschuldens an das Land NRW nach §§ 31, 89 BGB oder nach § 278 Satz 1 BGB zu erfolgen hat.

Beide Fälle bieten aber auch einen guten Anlass für einen Prüfer im Bereich des Öffentlichen Rechts zu einer Grundrechtsprüfung, um die unterschiedlichen Ansätze bezüglich des Kunstbegriffs aus Art. 5 Abs. 3 GG zu erörtern, so dass eine Auseinandersetzung mit dem von der h.M vertretenen offenen Kunstbegriff sowie dem materiellen und formellen Kunstbegriff erfolgen muss.

Betrachtet man beide Fälle haben sie durchaus einen Schwierigkeitsgrad, der zumindest für die mündliche Prüfung geeignet ist.

Literatur: LG Düsseldorf, NJW 1988, 345 ff.; Richard/Junker, Die zerstörte Fettecke – LG Düsseldorf, NJW 1988, 345, in: Jus 1988, 686 ff. mit gut vertretbarer abweichender Lösung zu der des LG Düsseldorf, sowie möglichen (vor)vertraglichen Ansprüchen.