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Seminar zu verfassungs- und völkerrechtlichen Aspekten des Sports an (Veranstaltungshinweis)

22 Jan
Prof. Dr. Bernhard Kempen, Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität zu Köln und RLG Dr. Jan F. Orth, LL.M. bieten für das SS 2014 ein höchst interessantes Seminar zu verfassungs- und völkerrechtlichen Aspekten des Sports an. Das Seminar wird als Tagesblockseminar am 23.05.2014 in der Universität zu Köln veranstaltet. Anmelden kann man sich mit Themenwunsch und Kurzlebenslauf via e-Mail bei Herrn Dr. Orth (jan.orth@uni-koeln.de) bis zum 31.01.2014. Alle weiteren Infos (insbesondere die Themen) finden sich hier.
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Aufstieg und Krise einer Verfassungskultur – Verfassungswirklichkeit in Ungarn

25 Sept

Aufstieg und Krise einer Verfassungskultur - Verfassungswirklichkeit in Ungarn

Menschenrechte in Russland

25 Apr

Vortrag: Die aktuelle Rechtsentwicklung in Russland, Vortrag von Dr. Anton Burkov, Universität Jekaterinburg

Do., 02. Mai 2013, 19.00 Uhr im Lew Kopelew Forum, Neumarkt 18a, Köln

Einführung: Prof. Dr. Caroline von Gall, Institut für Ostrecht der Universität zu Köln
Moderation: Maria Birger, Lew Kopelew Forum-Beirat

Dr. Anton Burkov, Jg. 1976, ist Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Menschenrechte. Er hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Fälle gegen Russland vertreten und streitet gegenwärtig vor dem russischen Verfassungsgericht über das Wahlgesetz. 1999 absolvierte er die Staatliche Juristische Hochschule im Ural, 2002 war er Stipendiat an der Columbia University, USA; 2004 an der University of Essex, UK. Promoviert hat er 2005 an der Staatlichen Universität in Tumen/Russland und 2009 an der Universität Cambridge. Heute ist er Leiter des Instituts für Europäisches und Vergleichendes Recht an der Geisteswissenschaftlichen Universität in Jekaterinburg, Direktor des Menschenrechtsprogramms „I’ve Got Rights“, Leiter des Russlandbüros von Management Systems International Inc. USA und juristischer Berater der NGO „Sutajnik“/Jekaterinburg. Dr. Burkov ist Autor von zahlreichen Artikeln und Büchern zum europäischen und russischen Menschenrechtsschutz.

Veranstaltung in russischer Sprache mit der Übersetzung von Nadja Simon

Was hat die Weimarer Verfassung gegen das Tanzen?

2 Apr

Die Frage ist berechtigt, denn es heißt, man dürfe am Feiertag-Wochenende nicht tanzen! Ostern, und insbesondere der Karfreitag gilt als Tag der Trauer, und somit der Stille. An diesem Tag wird an Jesus Tod am Kreuz auf dem Hügel Golgatha vor den Toren Jerusalems gedacht. Dafür gibt es sogar eine gesetzliche Grundlage. Im Art. 140 GG wird auf die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 verwiesen, die damit Bestandteil des Grundgesetzes sind. Der hier zu beachtende Art. 139, lautet:

Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Die Meinungen, ob dieses Tanzverbot noch zeitgemäß ist, sind gespalten. Es wird sogar über eine mögliche Abschaffung des Verbots diskutiert. Für die einen sollten die sich nach Ruhe sehnenden Christen einfach dafür Urlaub nehmen, die Religionsfreiheit würde ein solches Verbot nicht rechtfertigen, da es für die Atheisten eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit darstelle. Für anderen sollte dieser Tag respektiert werden, Christentum sei immerhin in Deutschland die Hauptreligion. Mehrere Petitionen für die Abschaffung des Verbots sind sogar im Internet zu finden.

Das BVerfG gibt in seiner Entscheidung von 2009 (1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07) zur Ladenöffnung an Adventssonntagen eine lesenswerte Erläuterung zum Art. 139 WRV:

„Art. 139 WRV hat nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken neben seiner weltlich-sozialen auch eine religiös-christliche Bedeutung. Er sichert mit seinem Schutz eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Er erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu verschiedenen Grundrechten zu begreifen. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist darauf ausgerichtet, den Grundrechtschutz – auch im Sinne eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes – zu stärken und konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (vgl. Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 2. Aufl. 2006, S. 63 f., 70).

Schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt die Verknüpfung der tradierten religiösen und sozialen Aspekte des Sonn- und Feiertagsschutzes zutage treten. Bei der Einbringung in der Weimarer Nationalversammlung hob der Berichterstatter, der Abgeordnete Mausbach (Zentrumspartei), hervor, die Bestimmung schütze die „öffentliche Sitte“ und die christliche Tradition und Religionsausübung. Die großen geschichtlichen Bestandteile der Kultusausübung enthielten aber auch wertvolle Freiheitsrechte für die Einzelnen; und gerade diese Seite der Sonntagsruhe, die „Schonung der Freiheit“ und der „sozialen Gleichwertigkeit aller Klassen“, sei darin angesprochen (vgl. Heilfron, Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919, 6. Band, 1920, S. 4007). Der Religionsbezug des Art. 139 WRV wird bestätigt durch seine Stellung im Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung unter der Abschnittsüberschrift „Religion und Religionsgesellschaften“. Die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz war letztlich ein Kompromiss, bei dessen Findung der überkommene Gewährleistungsgehalt des Art. 139 WRV nicht mehr zur Debatte stand. Damit setzte sich im Ergebnis die motivische Allianz zwischen religions- und arbeitsverfassungspolitischen Bestrebungen fort, die schon das Zustandekommen des Art. 139 WRV bestimmt hatte (vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 139 WRV Rn. 9 f.).“

Ob dies auch für das Tanzverbot in gleichem Maße anwendbar ist, ist umstritten. Die Gerichte bestätigen bis heute das Tanzverbot, wie z.B. das VG Gießen (Beschluss vom 05.04.2012 – 4 L 745/12.GI):

„Auch wenn dem Tanz gesellschaftlich verschiedene Funktionen zuzubilligen sind, überwiegt doch typischerweise eine ausgelassene, freudige Grundeinstellung (…). Diese Grundeinstellung ist typischerweise mit dem ernsten Charakter des Karfreitags (…) nicht in Einklang zu bringen.“

Andererseits finden immer wieder Abschaffungsinitiativen statt. Im Saarland wurde ein Antrag zur Aufhebung des Verbots von den Koalitionsfraktionen der CDU und SPD mit der Begründung abgelehnt, dass 82% der Saarländer Mitglieder einer der großen christlichen Kirchen sind. Auf die Rechtfertigung eines solchen Verbots wurde aber nicht eingegangen. 2012 wurden Eilanträge der Piratenpartei vor dem BVerfG als unzulässig verworfen.

Bemerkenswert ist auch, dass die Durchsetzung des Verbots von Land zu Land unterschiedlich ist! Das Bundesland Bremen zum Beispiel hat sein Feiertagsgesetz zuletzt geändert, so dass das bisher ab 4 Uhr geltende Tanzverbot, jetzt erst ab 6 Uhr gilt. In Bayern ist es nur noch an 6 Tagen im Jahr ganztägig verboten organisiert zu tanzen (früher 8).

Klarstellung unerwünscht: Pjöngjang, Washington und der Erstschlag

20 Mär

Gastbeitrag von Dr. Björn Schiffbauer

Nordkorea beherrschte wieder einmal die Schlagzeilen der Weltnachrichten. Es begann an einem Donnerstag Anfang März. Der Zeitpunkt könnte mit Bedacht gewählt worden sein, denn die Welt blickte noch nicht auf die Papstwahl, sondern war für düstere Nachrichten empfänglich. Eine dieser Nachrichten am 7. März 2013 war: Pjöngjang hat den USA einen atomaren Erstschlag angedroht. „Solange die USA einen Atomkrieg anstreben, haben unsere revolutionären Streitkräfte das Recht auf einen präventiven Atomschlag“, wird eine Sprecherin des nordkoreanischen Außenministeriums von der Nachrichtenagentur KCNA zitiert. Offenbar zur Stützung dieser Drohung sprach das Regime Presseberichten zufolge einen Tag später die Kündigung eines Nichtangriffspaktes mit Südkorea aus. (Es ist allerdings unklar, ob damit die wichtige Waffenstillstandsvereinbarung zur Beendigung des Korea-Krieges von 1953 oder – wahrscheinlicher – ein weniger prominentes Abkommen aus dem Jahr 1991 gemeint war.) Zudem kappte der Norden Kommunikationslinien mit dem Süden und forciert nun nach eigenen Angaben den Ausbau seines Atomprogramms umso dringlicher. All diese Gebärden fallen in eine Zeit, in welcher der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen den kommunistischen Staat verschärft hat. Dies mag der politische Grund für solches Säbelrasseln sein; ob Nordkorea allerdings tatsächlich das Potential für einen Atomschlag besitzt, ist nach derzeitigem Kenntnisstand zweifelhaft. Gleichwohl hat dessen unverblümte Androhung weltweit für Unruhe gesorgt.

Südkorea zeigt sich zwar nach außen hin unbeeindruckt; an lautes Gepolter aus Pjöngjang hat man sich längst gewöhnt. Die ungewöhnliche Schärfe der Drohung indes dürfte man registriert haben, die Alarmbereitschaft im Süden ist wohl kaum gesunken. Auch die USA geben sich offiziell gelassen, werden aber dennoch ihr Raketenabwehrsystem an der gesamten Westküste mit nicht geringem Aufwand verstärken. Nordkorea, so scheint es, darf sich wohl doch ein wenig ernstgenommen fühlen.

Unabhängig von alldem ruft die vordergründig politische Polemik Nordkoreas in einem größeren Kontext aber vor allem das Völkerrecht auf den Plan. Immerhin wird ausdrücklich „das Recht auf einen präventiven Atomschlag“ beansprucht! Dem Wortlaut dieser staatlich zurechenbaren Äußerung ist zu entnehmen, dass Nordkorea glaubt, sich innerhalb der Grenzen völkerrechtlich legaler Gewaltanwendung zu bewegen, wenn es mit Atomwaffen gegen die USA vorgeht, ohne dass das Land selbst bereits Opfer eines bewaffneten Angriffs geworden wäre. Dies verlangt nach einer genaueren Betrachtung. Denn das Völkerrecht ist eine Rechtsmaterie, die sich ständig im Fluss befindet und durch von Rechtsüberzeugung getragener Staatenpraxis bestätigt, verändert und erweitert werden kann. Dies ist das Prinzip von Völkergewohnheitsrecht. Doch auch völkerrechtliche Verträge wie etwa die UN-Charta werden durch spätere Staatenpraxis in ihrer Auslegung häufig konkretisiert. Zu beidem könnte Nordkorea – womöglich ungewollt – durch seine jüngste Rhetorik beigetragen haben.

Die Erklärung des Außenministeriums liest sich vereinfacht so: „Wir dürfen die USA mit Atomwaffen angreifen, bevor sie das gleiche mit uns tun.“ Obwohl schlagzeilenträchtig, ist der nukleare Zusammenhang hier eher zweitrangig. Denn die Frage, ob Nordkorea „präventiv“ gegen die USA Gewalt anwenden darf, hat grundsätzlich nichts mit der Art und Beschaffenheit der eingesetzten Waffen zu tun. Zweifellos sind Atomwaffen das größte von Menschen geschaffene Übel; die ganze Welt könnte durch die Kraft der existierenden Nuklearsprengsätze pulverisiert werden. Jedoch stellte der Internationale Gerichtshof bereits 1996 in seinem Gutachten zur Legalität der Anwendung von Atomwaffen fest, dass deren Einsatz im Falle von Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta nicht prinzipiell untersagt ist. Vielmehr unterliegt die Form der Gewaltanwendung immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zumindest wenn die Existenz eines Staates bedroht ist, könnten deshalb auch Atomwaffen zum Einsatz kommen. Ob dies auch im Falle Nordkoreas in Frage käme, darf stark bezweifelt werden. Die Erklärung des Außenministeriums impliziert dies allerdings, immerhin bemüht sie einen drohenden „Atomkrieg“. Einen solchen horribile dictu unterstellt, dürften wohl auch Atomwaffen zur Verteidigung eingesetzt werden.

Doch zurück zum zwischenstaatlichen Selbstverteidigungsrecht. Darf Nordkorea einer kolportierten amerikanischen Gewalthandlung mit eigener Gewalt zuvorkommen? Die völkerrechtliche Antwort auf diese Frage verbirgt sich im umstrittenen Institut der sogenannten „vorbeugenden Selbstverteidigung“. Seinen Ursprung hat dieses in einer anderen Zeit, gleichwohl aber an einem bekannten Ort: den USA. Im Jahre 1837 kam es zwischen dem noch jungen amerikanischen Staat und der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zu einem gewaltsamen Zwischenfall auf dem Niagara-Fluss. Das Dampfschiff „Caroline“ wurde von britischen Truppen in Brand gesteckt und in den Niagara-Fällen versenkt, weil sich US-amerikanische Aufständische im Begriff befunden haben sollen, die damals britische Provinz Oberkanada anzugreifen. Die diplomatische Aufarbeitung dieses Vorfalls brachte eine nach dem US-Außenminister Daniel Webster benannte Formel hervor, nach der vorbeugende Gewaltanwendung legal ist im Falle einer „necessity of self-defense, instant, overwhelming, leaving no choice of means, and no moment for deliberation“. Dieses Zitat hat Zeitwenden und Kriege überlebt. Noch heute wird es in Verbindung mit dem Selbstverteidigungsrecht aus Artikel 51 der UN-Charta wiedergegeben. Die heute herrschende Meinung im Völkerrecht erkennt demnach ein Recht zu vorbeugender Selbstverteidigung an, wenn ein Angriff zeitlich unmittelbar bevorsteht oder aber es höchst wahrscheinlich ist, dass ein Angriff in jedem Moment stattfinden kann. Einfach ausgedrückt: Ein Angriffsobjekt muss nicht auf eine Verletzung warten, sondern darf den Auslöser eines ansonsten eintretenden Schadens gewaltsam beseitigen, wenn andere Mittel nicht in Betracht kommen.

Doch was bedeutet dies für Nordkorea? Wenn das Land von den Waffen der USA anvisiert wird, dürfen die Generäle um Kim Jong Un zuschlagen. Danach sieht es aber zur Zeit nicht aus. Obwohl die USA gemeinsam mit Südkorea regelmäßig Seemanöver an der koreanischen Halbinsel vollziehen, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die USA – zumal in Eigenregie – Nordkorea attackieren würden. Dagegen spricht allein die in diesem Fall recht gute Kooperation mit den übrigen Vetomächten im UN-Sicherheitsrat, die man im Falle eines Alleingangs aufs Spiel setzen würde. Der Sicherheitsrat selbst dürfte hier eher das Zünglein an der Waage spielen: Bleiben seine Sanktionen weiterhin wirkungslos, könnte er zu noch härteren Mitteln greifen. Kapitel VII der UN-Charta ermächtigt ihn nämlich, eine Resolution zu erlassen, die zu einem gewaltsamen Eingreifen in Nordkorea ermächtigt. Käme es dazu, stünde zweifellos fest, dass Nordkorea mit einem Eingreifen fremder Staaten zu rechnen hat. Doch hätte es dann kein Selbstverteidigungsrecht, weil Resolutionen des Sicherheitsrats stets Vorrang haben.

Was auch kommen mag, die sachlichen Voraussetzungen für einen völkerrechtskonformen Erstschlag Nordkoreas liegen in diesen Tagen nicht vor. Da aber die Erklärung Nordkoreas dennoch rechtlich relevant ist und mit der herrschenden Meinung im Völkerrecht übereinstimmt, wird diese dadurch bestärkt. Denn, wie oben erwähnt, ist dies beachtliche Staatenpraxis für die Entwicklung (oder Festigung) einzelner völkerrechtlicher Institute.

Nun lohnt es sich, noch einen Schritt weiter zu denken. Denn nach der gegenwärtigen Tatsachenlage könnte das Pendel des vorbeugenden Selbstverteidigungsrechts nämlich in Richtung USA hinüberschwingen. Nimmt man die Erklärung Nordkoreas ernst, so ist deren Staatsführung jederzeit willens und bereit, einen (atomaren) Schlag gegen die USA einzuleiten. Ein solcher wäre eine völkerrechtswidrige Gewaltanwendung, nämlich ein klassischer bewaffneter Angriff nach Artikel 51 der UN-Charta. In diesem Fall stünde den USA das Recht auf vorbeugende Selbstverteidigung unter den eben genannten Voraussetzungen zu. Die USA müssten also nachweisen, dass Nordkorea (entgegen bisheriger Erkenntnisse) das Potential für einen solchen Angriff besitzt und tatsächlich hinreichend konkretisierte Vorbereitungen getroffen hat, die nur in einen Angriff münden können. Die bisherige Kriegsrhetorik genügt für eine solche Annahme freilich nicht. Spannender würde es allerdings, wenn Nordkorea tatsächlich sein Atomprogramm nennenswert und schlagkräftig fortentwickelt sowie seine Feindseligkeit nach Außen unmissverständlich (etwa durch Abbruch bedeutsamer diplomatischer Beziehungen und sämtlicher Verhandlungen mit Drittstaaten) zum Ausdruck bringt. Käme es dazu, müsste die Sachlage wohl insgesamt noch einmal neu bewertet werden. Jedenfalls wäre ein amerikanischer Schlag (nur!) als letzter Ausweg rechtmäßig und dann gerade kein – völkerrechtswidriger – „preemptive strike“ gegen eine bloß potentielle Gefahr, wie man ihn aus den Doktrinen des Ex-Präsidenten Bush jun. kennt.

Nicht nur für Völkerrechtler wäre eine Reaktion der USA mit Spannung zu erwarten. Denn zwischen legaler vorbeugender Selbstverteidigung bei einem unmittelbar bevorstehenden Angriff und illegaler Gewalt gegen eine nur potentielle Gefahr besteht eine völkerrechtliche Grauzone, die durch Staatenpraxis einen entsprechenden Anstrich erfahren könnte. Entschließen sich die USA nämlich für ein gewaltsames Vorgehen gegen Nordkorea, ohne dass dessen Generäle die letzten Angriffsvorbereitungen getroffen hätten, würden sie dies gewiss mit dem besonderen Gefährdungs- und Schadenspotential von Atomwaffen begründen. In einem solchen Fall könnte das bisher gültige vorbeugende Selbstverteidigungsrecht nachhaltig ausgedehnt werden, indem die Legalität einer Intervention zusätzlich an dem Ausmaß des sonst zu erwartenden Schadens bemessen wird. Die anschließende Reaktion der Staatenwelt wird dann über die Rechtsentwicklung entscheiden. Zu befürchten ist allerdings, dass dies unter dem Eindruck – rechtswidriger, aber womöglich nuklearer – Vergeltungsschläge Nordkoreas geschehen könnte. Sogar die Völkerrechtler würden auf eine solche Rechtsklarstellung gerne verzichten.

Dr. Björn Schiffbauer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Claus Kreß LL.M. (Cambridge) am Institute for International Peace and Security Law der Universität zu Köln. Seine 2012 erschienene Dissertation trägt den Titel „Vorbeugende Selbstverteidigung im Völkerrecht“.

Streit um Borussia Dortmund Fahne in Wohngebiet – Aktuelles zum Pokalviertelfinale Bayern gegen Dortmund

27 Feb

Im Jurion Blog berichtet RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D. über folgenden kuriosen Fall.

Beim VG Arnsberg ist folgender Nachbarschaftsstreit anhängig. Es geht um die Frage, ob eine auf einem Nachbarschaftgrundstück wehende Fahne von Borussia Dortmund unzulässige Werbung ist. Nach Pressemeldungen möchte ein Mann aus Hemer in Nordrhein-Westfalen mit einem juristischen Kniff seinen Nachbarn zum Abbau eines störenden Fahnenmastes mit der Fahne von Borussia Dortmund zwingen. Der Mann war bei der Stadt im Sauerland zunächst mit seiner Forderung gescheitert, den störenden Fahnenmast als ungenehmigtes Bauwerk zu verbieten. Er zog gegen die Kommune vor Gericht. In seiner Klage hat er ausgeführt, dass Borussia Dortmund ein börsennotiertes Unternehmen und deshalb Werbung in Wohngebieten für diesen Verein unzulässig sei, sagte der Gerichtssprecher am Mittwoch.

Wann sich das Gericht intensiver mit dem Fall beschäftigen wird, ist noch nicht bekannt, auf jeden Fall ist aber ein Ortstermin am Fahnenmast geplant. Sollte der Mann aus Hemer damit durchkommen muss sein Nachbar die Dortmundfahne einholen. Eine Bayernfahne dürfte er dann aufhängen. 😦

Interview mit Prof. Angelika Nußberger, Richterin am EGMR

25 Feb
Angelika Nußberger

Angelika Nußberger

Professorin Angelika Nußberger ist Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln und seit 2010 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Interview mit wissmit.com geht Sie auf Ihre richterliche Tätigkeit ein.

1. Was muss man tun, um EGMR-Richter zu werden?

Um Richter am EGMR zu werden muss man nach Art. 21 EMRK „die für die Ausübung hoher richterlicher Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Rechtsgelehrter von anerkanntem Ruf“ sein. Gegenwärtig sind etwa die Hälfte der Richter ehemalige Professoren, die andere Hälfte ehemalige Richter. Vereinzelt gibt es auch ehemalige Rechtsanwälte. Außerdem muss man auf Englisch und Französisch arbeiten können. Das heißt, man braucht Sprachkenntnisse und eine gute Rechtsausbildung. Und sicherlich auch eine Reihe von soft skills. Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass man gut zuhören kann.

2. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag eines EGMR-Richters aus?

Einen „gewöhnlichen Arbeitstag“ gibt es eigentlich nicht, kein Tag gleicht dem anderen. Aber alle Arbeitstage sind sehr lang und sehr intensiv. An Sitzungstagen diskutiert man den ganzen Tagen einen oder mehrere Fälle, in der Großen Kammer zunächst öffentlich und dann in geheimer Beratung, bei den normalen Kammersitzungen immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Diskussionen und Besprechungen mit den Juristen der verschiedenen Abteilungen über die Vorbereitung der einzelnen Fälle. Wichtige Termine sind daneben noch Plenarversammlungen, Arbeitsgruppen, Treffen mit Richtern anderer Gerichte, zum Teil auch Vorträge. Die meiste Zeit nimmt aber das Aktenstudium ein.

3. Wie kommunizieren EGMR-Richter untereinander?

Auf Englisch, auf Französisch oder in einer anderen gemeinsamen Sprache. Manches Mal auch in einem Sprachmix, es ist alles erlaubt, was verstanden wird.

4. Was ist die größte Fehlvorstellung, die Außenstehende von Ihrer Arbeit haben?

Nach zwei Jahren am Gericht bin ich schon so sehr hier zuhause, dass es mir schwer fällt, die Außenperspektive einzunehmen und mir zu überlegen, welche (falschen) Vorstellungen man vom außen haben könnte. Ich denke, man ahnt, wie viel Arbeit es ist. Aber vielleicht ahnt man nicht, welche wichtige Rolle der Humor im Gerichtsalltag spielt.

5. Wie geht man als EGMR-Richter mit Kritik an einem eigenen Urteil um?

Wer richtet, weiß, dass er es nie allen Betroffenen recht machen kann. Kritik ist selbstverständlich. Wenn sie sachlich ist, hört man auch aufmerksam zu. Aber man lernt es auch, mit unsachlicher Kritik zu leben. Stereotype und polemisierende Vorwürfe an das Gericht ignoriert man nach einiger Zeit.

6. Gibt es Unterschiede zwischen gesellschaftlicher und fachlicher Kritik?

Sicherlich, das zeigt schon der Blick in die Medien, die über den Gerichtshof berichten. Die Kritik in Fachzeitschriften ist sehr aufschlussreich für die Weiterentwicklung der juristischen Dogmatik. Die Berichte über unsere Urteile in den Medien machen dagegen die unmittelbaren – auch politischen – Folgen der Urteile anschaulich.

7. Wie ist es, wenn man in einem Kollegialgericht ein Urteil unterzeichnen muss, von dessen Richtigkeit man nicht überzeugt ist?

Es ist völlig normal, dass man bei Mehrheitsentscheidungen überstimmt wird. Wenn man es für nötig hält, hat man die Möglichkeit, eine abweichende Meinung zu schreiben.

Podiumsdiskussion zur Beschneidung

27 Nov

Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Reinhard Merkel, Prof. Dr. Wolfram Höfling, M.A., Dr. Gil Yaron und Dr. Michael Schmidt-Salomon in Köln, im Rahmen der „Kölner Diskurse zum Rechtspluralismus“.

Moderation: Prof. Dr. Dan Wielsch, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Rechtstheorie

Universität zu Köln, Hörsaal II, Hauptgebäude, Do. 6. Dez 2012, 19:30

Weitere Informationen hier.

Die „frewillig“ abgegebene Speichelprobe

23 Nov

Laut Spiegel-Online sollen nach der Vergewaltigung einer Soldatin in einer niedersächsischen Kaserne 500 Soldaten – das gesamte männliche Personal der Kaserne – zum freiwilligen Speicheltest zwecks Bestimmung des sogenannten „genetischen Fingerabdrucks“ antreten. Ihre rechtliche Grundlage findet eine solche Maßnahme in § 81h StPO. Sie bedarf der richterlichen Anordnung und ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Betroffenen zulässig. Zwangsweise darf der Test nicht durchgeführt werden, denn schließlich besteht gegen keinen der zum Test aufgerufenen ein Verdacht.

Was aber tun, wenn ein Aufgerufener nicht zum Test erscheint? Die Antwort des BVerfG (NJW 1996, 1587, 1588)  ist klar: Die Verweigerung der Probe darf „nicht als ein den Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer begründendes oder bestärkendes Indiz gewertet werden […]; das ergibt sich aus dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, dass das Gebrauchmachen von einem gesetzlich eingeräumten Rechtsbehelf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf.“ Entsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 15/5674 S. 13 f.): „Aus der Ausgestaltung der Regelung als Befugnisnorm für eine Maßnahme auf der Basis freiwilliger Mitwirkung der Betroffenen folgt [], dass allein die Verweigerung der Teilnahme am Reihengentest für sich betrachtet keinen Anfangsverdacht begründen kann.“

Nimmt man dies ernst, wird § 81h StPO eigentlich überflüssig, denn das Ziel eines Reihengentests ist es ja gerade, möglichst viele Unschuldige zum DNA-Test zu bewegen, um dann durch das Ausschlussverfahren auf den Täter zu kommen. Darf man den Anfangsverdacht also nicht aus dem Fernbleiben vom DNA-Test folgern, stellt sich die Frage, wie man überhaupt an ihn kommen soll.

Laut der Gesetzesbegründung darf man deshalb hierfür auf „sonstige Umstände, zu denen auch die Prüfmerkmale nach Absatz 1 zählen,“ zurückgreifen. Dem fernbleiben kommt für einen so gefundenen Anfangsverdacht – entgegen der Vorgabe des BVerfG – eine „verdachtsverstärkende Wirkung“ zu.

Im Klartext: Aus der Tatsache, dass man nicht zum Gentest erscheint, darf kein Verdacht geschlossen werden, wohl aber daraus, dass man zu der Gruppe, die für den Test ausgewählt wurde. Dieser Verdacht wird dann dadurch verstärkt, dass man nicht zum Test erschienen ist. Von der Freiwilligkeit bleibt damit nichts mehr übrig.

Warum Homosexualität nur bei Männern strafbar war

21 Nov

Vor 55 Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der damaligen Vorschrift „Unzucht zwischen Männern“ (§ 175 StGB a.F.) zu entscheiden. Auf 55 Seiten argumentierten die Richter im Jahre 1957 gegen die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde (BVerfGE 6, 389): Einerseits verstoßen die §§ 175 ff. nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, dass etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten. Zudem liegt auch keine Verletzung gegen das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) vor, da homosexuelle Betätigung gegen das Sittengesetz verstößt und nicht eindeutig festgestellt werden kann, dass jedes öffentliche Interesse an ihrer Bestrafung fehlt. Wie das Gericht zu diesem Ergebnis kommt, soll anhand einiger Auszüge aus der Entscheidung dargestellt werden:

1. Zu Art. 3 Abs. 2 und 3 GG

(…)

Schon die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weist für den Mann auf eine mehr drängende und fordernde, für die Frau auf eine mehr hinnehmende und zur Hingabe bereite Funktion hin. Dieser Unterschied der physiologischen Funktion läßt sich aus dem Zusammenhang des geschlechtlichen Seins nicht ausgliedern, er ist mit konstituierend für Mann und Frau als Geschlechtswesen (Gutachter Kroh). Der entscheidende Unterschied zwischen Mann und Frau – der alle übrigen Unterschiede im Keim in sich schließt – ist aber unter dem generativ-vegetativen Aspekt die Tatsache, daß sich das Vatersein an den kurzen Zeugungsvorgang nicht über weitere generativ-vegetative Leistungen, sondern nur durch zeitlich davon getrennte soziale Leistungen anschließt, während die sozialen Leistungen des Mutterseins mit dem Vorgang des Empfangens über die generativ-vegetativen Leistungen der Schwangerschaft, der Geburt und des Stillens, also durch einen langdauernden natürlichen Prozeß, unmittelbar verknüpft sind. Anders als der Mann wird die Frau unwillkürlich schon durch ihren Körper daran erinnert, daß das Sexualleben mit Lasten verbunden ist. Damit mag es zusammenhängen, daß bei der Frau körperliche Begierde (Sexualität) und zärtliche Empfindungsfähigkeit (Erotik) fast immer miteinander verschmolzen sind, während beim Manne, und zwar gerade beim Homosexuellen, beide Komponenten vielfach getrennt bleiben (Gutachter Wiethold-Hallermann). Die Gefahr einer Akzentverschiebung zu Lasten der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und zugunsten des bloßen Lustgewinnes ist daher eine besondere Gefahr der männlichen Sexualität. Die kulturelle Aufgabe, Lustgewinn und Bereitschaft zur Verantwortung zu verbinden, wird von „dem männlichen Sexualverhalten extrem häufiger … verfehlt“ als von dem weiblichen (Gutachter Giese).

(…)

2. Zu Art. 2 Abs. 1 GG

(Ferner) trägt der Beschwerdeführer vor, die Bestrafung der einfachen Homosexualität (§ 175 StGB) verletze das in Art. 2 Abs. 1 GG jedem gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dieses Recht umfasse auch die freie geschlechtliche Betätigung des Individuums. (…)

1. Zu dem Bereich der in Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht gewährleisteten freien Entfaltung der Persönlichkeit gehört auch das Gebiet des Geschlechtlichen. Dieses Grundrecht ist aber durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt. (…) Gleichgeschlechtliche Betätigung verstößt eindeutig gegen das Sittengesetz. Auch auf dem Gebiet des geschlechtlichen Lebens fordert die Gesellschaft von ihren Mitgliedern die Einhaltung bestimmter Regeln; Verstöße hiergegen werden als unsittlich empfunden und mißbilligt. Allerdings bestehen Schwierigkeiten, die Geltung eines Sittengesetzes festzustellen. (…) Ein Anhalt dafür, daß die Homosexualität als unsittlich angesehen wird, ergibt sich daraus, daß die Gesetzgebung in Deutschland sich zur Rechtfertigung der Bestrafung der gleichgeschlechtlichen Unzucht stets auf die sittlichen Anschauungen des Volkes berufen hat. Schon die Motive zu dem Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund von 1869 führen aus:

 „Der § 173 hält die auf Sodomie und Päderastie im Preußischen Strafgesetzbuche angedrohte Strafe aufrecht. Denn selbst, wenn man den Wegfall dieser Strafbestimmungen vom Standpunkte der Medizin, wie durch manche der, gewissen Theorien des Strafrechts entnommenen Gründe rechtfertigen könnte; das Rechtsbewußtsein im Volke beurteilt diese Handlungen nicht bloß als Laster, sondern als Verbrechen, und der Gesetzgeber wird billig Bedenken tragen müssen, diesen Rechtsanschauungen entgegen Handlungen für straffrei zu erklären, die in der öffentlichen Meinung als strafwürdige gelten. Die Beurteilung solcher Personen, welche in dieser Weise gegen das Naturgesetz gesündigt, dem bürgerlichen Strafgesetze zu entziehen und dem Moralgesetze anheim zu geben, würde als ein gesetzgeberischer Mißgriff getadelt werden.“

An dieser sittlichen Wertung hat sich in der Folgezeit nichts geändert. So sagt die Begründung zu § 325 des Entwurfs von 1919:

Der Forderung, die Unzucht zwischen Männern an sich straflos zu lassen, gibt der Entwurf ebenso wie die früheren Entwürfe nicht nach. Verfehlungen dieser Art erscheinen dem gesunden Empfinden des Volkes verwerflich und strafwürdig …;“

In ähnlicher Weise begründen der amtliche Entwurf eines allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches von 1925 und der am 14. Mai 1927 dem Reichstag vorgelegte Entwurf (RT III/1924 Drucks. Nr. 3390) die Beibehaltung einer dem § 175 (aF) StGB entsprechenden Strafvorschrift wie folgt:

„… Der Gesetzgeber muß sich die Frage vorlegen, ob der § 175 nicht trotz der Härten, zu denen seine Anwendung führen kann, und trotz seiner beschränkten praktischen Durchführbarkeit eine Schranke bedeutet, die man nicht ohne Schaden für die Gesundheit und Reinheit unseres Volkslebens hinwegziehen darf. Dabei ist davon auszugehen, daß der deutschen Auffassung die geschlechtliche Beziehung von Mann zu Mann als eine Verirrung erscheint, die geeignet ist, den Charakter zu zerrütten und das sittliche Gefühl zu zerstören. Greift diese Verirrung weiter um sich, so führt sie zur Entartung des Volkes und zum Verfall seiner Kraft …“

Diese Umstände rechtfertigen die Feststellung, daß auch heute noch das sittliche Empfinden die Homosexualität verurteilt. Einzelne gegenteilige Äußerungen, vorwiegend aus interessierten Kreisen, kommen demgegenüber nicht in Betracht, jedenfalls haben sie eine Änderung des allgemeinen sittlichen Urteils nicht durchsetzen können. (…)

Noch 1966 wurde einem bayerischer Staatssekretär, der 1944 wg. § 175 StGB verurteilt wurde, die Berufung zum Beamten wiederrufen und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt (MDR 1966, 615). Erst 1969 wurde § 175 StGB a.F. mit dem ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts entschärft und 1994 gestrichen.