In Israel steht der Austausch von 1027 palästinensischen Häftlingen gegen einen israelischen Soldaten, der sich seit sechs Jahren in Gaza in Geiselhaft befindet, bevor. Dabei sollen die Häftlinge zunächst von Staatspräsident Peres begnadigt und dann schrittweise freigelassen werden – 477 vor, 550 nach der Freilassung des israelischen Soldaten. Nun die Frage: Wäre ein solcher Gefangenenaustausch auch in Deutschland zulässig?
Denkbar wären drei Vorgehensweisen, nämlich erstens die Täter – wie in Israel – zu begnadigen, zweitens ein Amnestiegesetz zu erlassen oder drittens „einfach so“, das heißt ohne gesetzliche Grundlage.
Für die Begnadigung sind grundsätzlich die Ministerpräsidenten der Länder zuständig; nur in Fällen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen – also z.B. wenn es um Terrorismus gegen den Bund geht –, hat der Bundespräsident nach Art. 60 Abs. 2 GG das Begnadigungsrecht. Ob er im Einzelfall hiervon Gebrauch macht, ist allein seine Entscheidung und hat als einzige Voraussetzung, dass der Ersuchende des Gnadenerweises würdig ist. Ist er das nicht, ist dem Staat der Verzicht auf die Verwirklichung eines Strafanspruchs nicht erlaubt. Eine abgenötigte Begnadigung ist deshalb nicht zulässig, eine „Begnadigungslösung“ wie in Israel deshalb nicht möglich.
Nächste Möglichkeit: die Amnestie. Das hierfür erforderliche Amnestiegesetz müsste – wie jedes andere Gesetz – für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gelten. Dabei käme es nicht auf die tatsächliche Anzahl der Amnestierten an, sondern darauf, dass nicht genau vorhersehbar ist, für wie viele Fälle das Gesetz gilt. Ein Gesetz, in dem festgelegt wird, welche Häftlinge freigelassen werden, wäre also nicht zulässig. Zulässig wäre aber wohl eine Regelung, nach der etwa alle wegen bestimmter Delikte zwischen dem 1.1.2009 und dem 1.1.2010 Verurteilten amnestiert werden – so liegt es hier aber nicht.
Bleibt also nur das Handeln ohne gesetzliche Grundlage. Und dies ist auch das Ergebnis, zu dem das Bundesverfassungsgericht im Fall der „Freipressung“ von verurteilten RAF-Mitgliedern im Jahre 1977 gekommen ist (BVerfGE 46, 214-224).: „Ob im Falle einer erpresserischen Geiselnahme der Forderung der Entführer, inhaftierte Beschuldigte oder Straftäter im Austausch gegen den Entführten freizulassen, zum Schutze des Lebens der Geisel entsprochen werden soll, haben die verfassungsrechtlich zuständigen staatlichen Stellen in eigener Verantwortung zu entscheiden.“ Welche diese „verfassungsrechtlich zuständige staatliche Stelle“ ist, verschweigt der Beschluss allerdings. Wichtig ist, dass der Staat verpflichtet bleibt, die Freigelassenen weiter zu verfolgen.
Fazit: Auch in Deutschland wäre der Gefangenenaustausch nach dem Bundesverfassungsgericht – auch ohne gesetzliche Grundlage! – prinzipiell zulässig und wurde in der Zeit des RAF-Terrors auch bereits praktiziert.
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