Archiv | Grundlagen RSS feed for this section

How to… (III): Wie nutze ich ein Fallbuch richtig?

25 Jun

Da sich Literaturempfehlungen in Vorlesungen meist auf Lehrbücher beschränken, wird von Studenten in den begleitenden Arbeitsgemeinschaften oft nach einem „guten Fallbuch“ gefragt. Ich lasse mir vor einer Antwort grundsätzlich kurz die Erwartungen bzw. die Lerntaktik des AG-Teilnehmers schildern. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Arbeit mit bzw. das Lernen an Fällen nur dann zielführend ist, wenn die Übungsfälle auch richtig eingesetzt werden.

Der richtige Umgang beginnt mit der richtigen Herangehensweise. Ein Fallbuch sollte nicht als vergleichsweise unterhaltsames Lehrbuch verstanden werden. Die Anschaulichkeit der Fälle (gerade im Strafrecht) darf nicht dazu verleiten, das Buch wie einen Roman durchzuschmökern. In der Selbstkontrolle kann der Student meist den Sachverhalt wiedergeben, die rechtliche Bewertung erschöpft sich allerdings oft in der Benennung der Klausurprobleme – ohne diese hinterher selbstständig lösen zu können. Ergiebige Arbeit mit einem Fallbuch sollte sich aber nicht nur im Erkennen spezieller Probleme während der Lektüre erschöpfen, sondern gleichberechtigt auch eine gelungene Darstellungsweise vermitteln. Viele Studenten können Meinungsstreitigkeiten auswendig. Sollen diese aber in ein Gutachten selbstständig eingebunden werden, herrscht Unsicherheit (diese beginnt teilweise schon bei der Überlegung, an welchem Tatbestandsmerkmal eine Diskussion relevant wird). Deshalb sollte die Arbeit mit Fällen mit dem Lernen am Lehrbuch kombiniert werden: Das Fallbuch zeigt idealerweise die Darstellung des abstrakten Problems aus dem Lehrbuch im Ernstfall. Diese Leistung wird vom Bearbeiter schließlich auch in der Abschlussklausur gefordert. Das sollte bei der Arbeit mit dem Fallbuch immer im Kopf bleiben.

Sehr lehrreich ist – bezogen auf das Strafrecht – m.E. jedenfalls das Klausurtraining Strafrecht von Kindhäuser/Schumann/Lubig, das bald in der 2. Auflage erscheint. Nachteil für Studenten im Grundstudium: Der Prüfungsstoff wird kombiniert behandelt. So wird die Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB etwa an den Raubdelikten erörtert. Wenn im zweiten Semester die Mittäterschaft besprochen wird, sind die Raubtatbestände den Studenten aber noch unbekannt.
Für das erste und zweite Semester kann ich Seier, Die Anfängerklausur im Strafrecht, 1. Aufl. 2010 empfehlen. Hier ist der Stoff auf den Allgemeinen Teil beschränkt und mit wertvollen Hinweisen versehen.
Umfassender ist dagegen Valerius, Einführung in den Gutachtenstil, 1. Aufl. 2005. Hier werden Fälle aus allen drei Rechtsgebieten bearbeitet und die Darstellungsweise steht im Vordergrung.

Bereits erschienen:
Wie kommuniziere ich mit einem Dozenten?
Wie reagiere ich auf die Frage „Du studierst doch Jura?!“
Themenvorschläge per Mail jederzeit gerne.

Zivilrecht Basics: Teil II – Gefälligkeitsverhältnisse

28 Nov

Jeder hat sich vermutlich schon einmal gefragt, ob er möglicherweise voreilig einem Freund oder auch flüchtigen Bekannten einen „Gefallen“ versprochen hat, ohne sich vorher über etwaige rechtliche Konsequenzen Gedanken gemacht zu haben. Der folgende Beitrag soll daher die wesentlichen Grundgedanken kurz erläutern.

I. Definition

Unter einer Gefälligkeit versteht man grundsätzlich jede fremdnützige Tätigkeit – beispielsweise das Leihen oder Aufbewahren einer Sache oder die Erbringung einer Tätigkeit -, die unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt. Unterschieden werden muss zwischen Gefälligkeitsverträgen, Gefälligkeitsverhältnissen im rechtsgeschäftlichen Bereich und Gefälligkeiten des alltäglichen Lebens.

II. Gefälligkeitsverträge

Das Gesetz selbst sieht einige Gefälligkeitsverträge vor. In §§ 516 ff BGB ist beispielsweise die Schenkung zu verorten, bei der eine unentgeltliche Zuwendung erfolgt. Auch die Verwahrung gemäß §§ 688 ff BGB, die Leihe gemäß §§ 598 ff BGB und der Auftrag gemäß § 662 BGB stellen typische Gefälligkeitsverträge dar. Viele (aber nicht alle) dieser Gefälligkeitsverträge haben gemein, dass dem Tätigen eine Haftungsprivilegierung zukommt, nach der er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet, vgl §§ 521, 599, 690 BGB.

Das Vorliegen eines solchen Gefälligkeitsvertrags orientiert sich am Vorhandensein eines entsprechenden Rechtsbindungswillens, über den auch die Abgrenzung zu den anderen Gefälligkeitsverhältnissen erfolgt. Der Rechtsbindungswille ist aus Sicht des verobjektivierten Empfängerhorizontes zu beurteilen, vgl. §§ 133, 157 BGB. Um einen Gefälligkeitsvertrag im Sinne der §§ 516 ff, 598 ff, 662, 688 ff BGB annehmen zu können, bedarf es eines eindeutigen hierauf gerichteten Bindungswillens, der zugleich entsprechende Primär- und Sekundärpflichten begründet.

III. Gefälligkeitsverhältnisse im rechtsgeschäftlichen Bereich

Anders als Gefälligkeitsverträge sind Gefälligkeitsverhältnisse im rechtgeschäftlichen Bereich nicht ausdrücklich gesetzlich normiert. Gleichwohl werden sie nach der h.M. aus § 311 II Nr.3 BGB hergeleitet. Im Gegensatz zu Gefälligkeitsverträgen muss hier nur ein abgeschwächter Rechtsbindungswille vorliegen, der nach vorzugswürdiger Ansicht allenfalls Sekundärpflichten begründen kann.

IV. Gefälligkeitsverhältnisse des alltäglichen Lebens

Schließlich und ebenfalls nicht gesetzlich normiert sind auch noch Gefälligkeitsverhältnisse des alltäglichen Lebens zu erwähnen. Diese Verhältnisse begründen aufgrund des nichtvorhandenen Rechtsbindungswillens weder Primär- noch Sekundärpflichten, sodass allenfalls eine Haftung aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB in Betracht kommt.

V. Abgrenzung

Wie bereits erörtert, ist das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens und dessen Beurteilung für die Abgrenzung der verschiedenen Gefälligkeitsarten von entscheidender Bedeutung. Hilfsweise haben sich in der Rechtsprechung einige Kriterien herausgebildet, die als Indizien herangezogen werden. Vor allem das wirtschaftliche Interesse des Begünstigten an der Gefälligkeit, der Wert einer etwaigen anvertrauten Sache aber auch die Dauer und Art der Gefälligkeit und die damit verbundenen Risiken beziehungsweise deren Erkennbarkeit.

VI. Anwendbarkeit der §§ 521, 599, 690 BGB analog auf die Haftung aus unerlaubter Handlung?

Immer wieder gerne auch Teil einer Klausur ist die Frage, ob die Haftungsprivilegierungen der §§ 521, 599, 690 ff BGB auf die Haftung aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB Anwendung finden kann.

Im Rahmen der Gefälligkeitsverträge geht die h.M. von einer Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierungen aus, da diese sonst unterlaufen werden würden.

Bei Gefälligkeitsverhältnissen im rechtsgeschäftlichen Bereich und Gefälligkeitsverhältnissen des alltäglichen Lebens ist dies hingegen umstritten. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist eine analoge Anwendung jedoch abzulehnen. Zum einen verfügen nicht alle Gefälligkeitsverträge über eine Haftungsprivilegierung, sodass bei anderen Gefälligkeitsverhältnissen erst recht keine analoge Anwendung erfolgen kann. Zum anderen ist dem Deliktsrecht das Äquivalenzinteresse fremd. Die Haftungsprivilegierung stellt daher kein notwendiges Äquivalent zur Unentgeltlichkeit der Handlung dar, sodass im Ergebnis die Vorschriften der §§ 276 ff BGB Anwendung finden.

„Zivilrecht Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Zivilrechts verschaffen soll.

Ö-Recht-Basics: Teil I – Der Verwaltungsakt

21 Nov

Kaum eine andere Handlungsform wird von der Verwaltung so oft genutzt wie der Verwaltungsakt. Daher ist es für die Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren unerlässlich, sich mit diesem Instrument näher zu beschäftigen. Der folgende Beitrag versucht einige wesentliche Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit in gebotener Kürze darzustellen.

I. Definition

Eine Legaldefinition des Begriffs „Verwaltungsakt“ lässt sich § 35 VwVfG entnehmen. Danach handelt es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die eine hoheitliche Regelung beinhaltet, einen Einzelfall betrifft und Außenwirkung entfaltet.
1. Maßnahme einer Behörde
2. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
3. hoheitliche Regelung
4. Einzelfall
5. Außenwirkung
Probleme können sich unter jeder dieser Voraussetzungen ergeben.

II. Maßnahme einer Behörde

Zunächst muss es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln. Nach dem engen Behördenbegriff ist eine Behörde eine Stelle der Exekutive, die für den Verwaltungsträger nach außen hin tätig wird. Der weite Behördenbegriff, der auch § 1 IV VwVfG zugrunde liegt, umfasst demgegenüber jede Stelle, die Verwaltungstätigkeiten wahrnimmt.

III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 

Hier ist, sofern in der Prüfung nicht bereits geschehen (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Zulässigkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht), der Streit zu verorten, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme (Streitigkeit) handelt. Dies richtet sich in der Regel nach der streitentscheidenden Norm. Nach der vorzugswürdigen Sonderrechtstheorie ist zu hinterfragen, ob die Vorschrift einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (aA: Interessentheorie, Subordinationstheorie).

IV. hoheitliche Regelung

Es müsste sich auch um eine hoheitliche Regelung handeln. Die Maßnahme der Behörde muss auf Setzung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein. Durch den Begriff „hoheitlich“ wird verdeutlicht, dass es sich in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff VwVfG um eine einseitige Regelung handelt. Diese muss ferner verbindlich und abschließend sein. Im Gegensatz zum vorläufigen Verwaltungsakt beinhalten vorbereitende Maßnahmen keine hoheitliche Regelung. Zu unterscheiden ist auch die wiederholenden Verfügung von einem Zweitbescheid. Grundsätzlich liegt eine Regelung vor, sofern ein Gebot oder Verbot durch die Behörde erfolgt.

V. Einzelfall

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist ferner, dass die Maßnahme der Behörde einen Einzelfall regelt. Während Gesetze prinzipiell abstrakt – genrelle Bedeutung haben (abstrakt = für eine Vielzahl von Fällen; generell = für eine Vielzahl von Personen), beansprucht der Urform des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S.1 VwVfG nur konkret – individuelle Wirkung. § 35 S.2 VwVfG geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet die Allgemeinverfügung. Ein Verwaltungsakt liegt hiernach auch vor, wenn ein konrekter Fall geregelt wird, aber eine Vielzahl von Personen betroffen sein können (konkret – generell). Man spricht in diesem Zusammenhang von adressatbezogenen Verfügungen, dinglichen Verwaltungsakten und Benutzungsregelungen.

VI. Außenwirkung

Schließlich besteht auch das Bedürfnis der Außenwirkung. Außenwirkung entfaltet die Regelung, wenn sie an einen außerhalb der Verwaltung Stehenden gerichtet ist. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss als selbstständiges Rechtssubjekt adressiert sein.
Probleme hinsichtlich des Vorliegens der Außenwirkung ergeben sich insbesondere bei Maßnahmen gegenüber einem Beamten. Zu Bejahen ist die Außenwirkung hier, sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist und es sich um einen Statusakt handelt. Man spricht auch vom sogenannten Grundverhältnis. Sofern jedoch das Betriebsverhältnis und damit die Stellung des Beamten innerhalb der Verwaltung betroffen ist, scheidet eine Außenwirkung aus.
Aber auch bei mitwirkungsbedürftigen Maßnahmen stellt sich die Frage, ob die Mitwirkungshandlung der anderen Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, sofern diese eine im Verhältnis zur ersten Behörde inkongruente Prüfung vornimmt und eine Teilregelungsbefugnis innehat.

VII. Wirksamkeit

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich anzunehmen. Ausnahmsweise kann jedoch auch eine Maßnahme, die alle Voraussetzungen des § 35 S.1 VwVfG erfüllt, keinen Verwaltungsakt darstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 II 1 Nr.4 VwGO stellt beispielsweise einen solchen Fall dar. Zwar lässt sich diese ohne weiteres unter § 35 S.1 VwVfG subsumieren. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt wird die Anordnung jedoch nicht mit der Anfechtungsklage gemäß § 113 I 1 VwGO angegriffen, sondern mit der Beschwerde, vgl §§ 144 ff VwGO. Zudem kann die Anordnung anders als ein Verwaltungsakt auch nicht in Bestandskraft erwachsen.
Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt und sprechen auch keine weiteren Einwände gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, muss dieser jedoch wirksam geworden sein. Zu differenzieren sind insoweit die äußere Wirksamkeit, die durch Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG eintritt, und die innere Wirksamkeit, die gegeben ist, sofern der Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen entfaltet. Dass äußere und innere Wirksamkeit zeitlich auseinanderfallen können, lässt sich schon anhand de Beispiels eines bedingten Verwaltungsaktes erläutern, der zum Zeitpunkt A bekannt gegeben wird, seine Rechtswirkungen aber erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritt B entfaltet. Bei Allgemeinverfügungen sind im übrigen Besonderheiten im Rahmen der Bekanntgabe § 41 VwVfG und der Anhörung § 28 VwVfG zu beachten.

VIII. Funktionen

Abschließend soll noch kurz auf die Funktionen eingegangen werden.
Beim Verwaltungsakt handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, die in formeller Bestandskraft erwachsen kann und nur in begrenztem Umfang durch eine gewisse Fehlerempfindlichkeit geprägt ist, vgl. §§ 43, 44 VwVfG.  Regelmäßig ist er Bestandteil des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG und bildet die Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung, vgl § 6 VwVG. Seine prozessrechtliche Bedeutung hat jedoch aufgrund der Vielzahl der Klagemöglichkeiten abgenommen.

„Ö-Recht-Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Verwaltungsrechts verschaffen soll.

Zivilrecht Basics: Teil I – Die Willenserklärung

18 Nov

Kaum ein anderes Element ist in der Zivilrechtslehre von ähnlicher Bedeutung wie die Willenserklärung. Umso wichtiger erscheint es daher, sich bereits frühzeitig mit den Basics dieser Materie zu befassen, um den Grundpfeiler für eine erfolgreiche Zivilrechtsklausur zu setzen. Der folgende Beitrag befasst sich folglich mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Merkmale und Problemkreise dieses Bereichs.

I. Definition

Bei einer Willenserklärung handelt es sich um eine nach außen gerichtete Willensäußerung, die auf die Erzielung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist, deren Erreichung in der Regel nach dem Parteiwillen auch erstrebt wird. Abzugrenzen hiervon sind geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Bei diesen tritt die Rechtsfolge nicht aufgrund des Parteiwillens, sondern kraft Gesetzes ein. Die Mahnung im Rahmen des § 286 I BGB stellt beispielsweise nach h.M. eine geschäftsähnliche Handlung dar, da der Verzug qua Gesetz begründet wird.

II. Bedeutung

Willenserklärungen erfolgen wie erörtert in der Regel, weil eine bestimmte Rechtsfolge erstrebt wird. Im besonderen Teil des Schuldrechts finden sich Regelungen zu einer Vielzahl unterschiedlichster Vertragstypen. Ein Vertragsabschluss basiert häufig auf zwei inhaltlich kongruenten Willenserklärungen – Angebot und Annahme §§ 145 ff BGB.

III. Angebot

Bei einem Angebot iSd § 145 BGB handelt es sich um eine wirksame Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages – hier Kaufvertrag – gerichtet ist. Es empfiehlt sich, nach folgendem Prüfungsschema das Vorliegen eines wirksamen Angebots zu ergründen.

1. Vorliegen einer Willenserklärung

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

1. Vorliegen einer Willenserklärung

Ob einer Willenserklärung überhaupt vorliegt, hängt von einem Zusammenspiel objektiver Gegebenheiten und subjektiver Elemente ab:

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

Voraussetzung ist zunächst, dass der Antragende objektiv ein Erklärungszeichen gesetzt hat. Dies wird in der Regel bei einer Äußerung oder einem bestimmten Zeichen (z.B. Handzeichen bei einer Versteigerung) der Fall sein. Zudem muss dieses Erklärungszeichen auf den Willen hindeuten, sich rechtlich binden zu wollen. Der Erklärungsempfänger muss objektiv davon ausgehen dürfen, dass der Erklärende eine Verbindlichkeit eingehen will. Der Erklärende selbst bedarf demgegenüber zunächst des Willens, eine Handlung vorzunehmen. Dies wird nur in Ausnahmefällen – man denke an Hypnose oder auch möglicherweise Reflexhandlungen – abzulehnen sein. Fraglich ist, welche Voraussetzungen an das Erklärungsbewusstsein des Antragenden zu stellen sind. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob dem Erklärenden tatsächlich bewusst sein muss, eine rechtserhebliche Handlung vorzunehmen. Die herrschende Meinung plädiert dafür, lediglich ein potentielles Erklärungsbewusstsein zu verlangen. Demnach liegt das Erklärungsbewusstsein bereits dann vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Handlung gedeutet wird und werden kann. Der Verkehr ist vorrangig zu schützen, sofern dem Erklärenden ein „Vorwurf“ zu machen ist. Dieser steht zudem nicht schutzlos dar, da er sich jederzeit die Anfechtung der Willenserklärung (§ 119 I 2.Alt BGB analog) in Betracht ziehen kann. Schließlich muss der Erklärende den Willen haben, das konkrete Geschäft vorzunehmen. Gegeben dem Fall, dass der Geschäftswille nicht vorliegt, steht dies der Bejahung einer Willenserklärung jedoch nicht entgegen.

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

Das bloße Vorliegen einer Willenserklärung kann jedoch keinen Vertragsabschluss begründen, sofern diese nicht wirksam ist. Wirksamkeit erlangt die Willenserklärung, wenn sie abgegeben und dem Empfänger zugegangen ist und keine Wirksamkeitshindernisse bestehen. Zu differenzieren ist hier zwischen verkörperten und nicht verkörperten Willenseklärungen und zwischen der Abgabe der Willenserklärung gegenüber An- oder Abwesenden. Die Willenserklärung ist grundsätzlich abgegeben, wenn sie willentlich so in den Rechtsverkehr in Richtung des Empfängers entäußert wurde, sodass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann. Zugegangen ist die Willenserklärung demgegenüber dann, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis vom Hinhalt erlangen kann, § 130 I 1 BGB. Der Wirksamkeit könnte ein Widerruf des Angebots gemäß § 130 I 2 BGB entgegenstehen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser vor oder zeitgleich mit dem Angebot eingehen muss. Es kommt insofern nicht auf die Kenntnisnahme, sondern auf den tatsächlichen Zugang an. Insofern liegt auch kein Widerruf vor, wenn dieser zwar vor dem eigentlichen Angebot zur Kenntnis genommen wird, aber grundsätzlich erst später zugegangen ist. Bezüglich der Wirksamkeit der Willenserklärung ist ferner § 131 BGB zu beachten, der sich mit der Problematik befasst, dass der eigentliche Erklärungsempfänger ein beschränkt Geschäftsfähiger im Sinne der §§ 2, 106 BGB ist. Das Versterben des Erklärenden beziehungsweise das Eintreten der Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe des Angebots steht dessen Wirksamkeit gemäß § 130 II BGB nicht entgegen.

IV. Annahme

Da es sich bei der Annahme gemäß § 147 BGB ebenfalls um eine Willenserklärung handelt, können vorstehende Erörterungen hierauf übertragen werden. Lediglich kleine Ergänzungen sind zu beachten:

1. Vorliegen einer Willenserklärung

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

a. Abgabe
b. Zugang § 130 I 1 BGB
c. kein Widerruf § 130 I 2 BGB

3. Annahmefähigkeit §153 BGB

4. rechtzeitige Annahme § 147 ff BGB

5. inhaltliche Kongruenz der Willenserklärungen (Übereinstimmung)

1. Annahmefähigkeit

§ 153 BGB stellt klar, dass das Versterben des Antragenden bzw dessen zwischenzeitige Geschäftsunfähigkeit der Annahme des Angebots in der Regel nicht entgegensteht, sofern nicht ausnahmsweise der Wille des Antragenden hierfür spricht.

2. Rechtzeitigkeit der Annahme

Grundsätzlich hat die Annahme des Angebots gemäß § 147 I BGB gegenüber Anwesenden sofort zu erfolgen, gemäß § 147 II BGB gegenüber Abwesenden nach einer bestimmten Frist, in der die Annahme zu erwarten ist. Was man unter „regelmäßig“ versteht, orientiert sich nicht zuletzt an dem eingeschlagenen Kommunikationsweg (Korrespondenz der Erklärungsmittel).

3. Inhaltliche Kongruenz

Schließlich ist Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages, dass Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorschriften der §§ 154, 155 BGB (Dissens) zu beachten. Wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen ist – vorliegend das Angebot durch den Annehmenden-, ist gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln.

4. weitere Aspekte

Zu beachten ist auch die Vorschrift des § 151 BGB, nach der ein Zugang der Willenserklärung unter bestimmten Umständen entbehrlich sein kann. § 151 BGB bezieht sich hierbei nur auf den Zugang, nicht jedoch auf die Abgabe der Willenserklärung. Auch § 150 BGB ist im Zusammenhang mit Willenserklärungen zu berücksichtigen. Hiernach stellt eine verspätete bzw eine inhaltlich vom Angebot abweichende Annahmeerklärung ein neues Angebot dar.

V. Schweigen

Im Zusammenhang mit dem Zustandekommen von Verträgen ist auch der Gegensatz zur Willenserklärung – das Schweigen – zu beachten. Grundsätzlich geht die h.M. davon aus, dass ein Schweigen nicht zu einem Vertragsabschluss führt. Wie in nahezu jedem Bereich des Zivilrechts gibt es jedoch auch hier Ausnahmen. Zu erwähnen sind das Schweigen auf ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das Schweigen im Rahmen einer Parteivereinbarung (beredtes Schweigen oder auch Schweigen als Erklärungshandlung), normiertes Schweigen (Rechtswirkungen des Schweigens kraft Gesetzes, vgl. zB § 108 II BGB), teilweise aber auch das Schweigen im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen.

„Zivilrecht Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Zivilrechts verschaffen soll.

How to…(II): Wie reagiere ich auf die Frage „Du studierst doch Jura?!“

13 Nov

Liebe Erstsemestler, willkommen im Club! Kaum mit dem Jurastudium angefangen, wird man im Freundes- und Bekanntenkreis als Experte für sämtliche Rechtsfragen gehandelt.

Die erste Reaktion auf die Einstiegsfrage „Du studierst doch Jura?!“ sollte – wahrheitsgemäß – ein souveränes „Ja!“ sein. Damit beginnt die vom Gesprächspartner eigentlich beabsichtigte Rechtsberatung allerdings erst. Vom Fernseher („den hab ich grad erst bei ebay gekauft“) über den Baum an der Grundstücksgrenze mitsamt Überhang („dürfen die (Nachbarn, Anm. d Verf.) das?!“) bis hin zum Strafrecht im Allgemeinen – zu Zeiten von U-Bahn-Schlägern auch gerne Jugendstrafrecht im Besonderen – kann sich nun eine unüberschaubare Vielzahl an Rechtsproblemen anschließen. Mit Beginn des Jurastudiums muss man sich auf diese Fragen einstellen.

Empfohlen sei als Reaktion ein kurzes Durchatmen, um dann – je nach Rechtsfrage – ein strukturiertes Rantasten an das eigentliche Problem. Grundsätze erklären (aufgepasst: hinsichtlich U-Bahn-Schlägern wird das Gegenüber meist nicht sonderlich empfänglich für den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts sein…). Wenn gerade keine passende Antwort parat ist (Hey, erstes Semester!), sollte man es ehrlich mit einem „Ich weiß es nicht, könnte mir aber mit Blick auf … vorstellen, dass es … funktioniert“ auffangen. Handelt es sich allerdings um sehr spezielle und tiefschürfende Fragen, sollte man aus seiner eigenen Ratlosigkeit keinen Hehl machen. Denn: Mit Zahnschmerzen geht ja auch niemand zum Gynäkologen. Achja, die Kollegen aus der Medizin kann es im Partysmalltalk durchaus härter treffen: Nach der Frage „Du studierst doch Medizin?!“ wird manches Mal unmittelbar ein akut schmerzendes Körperteil entblößt. Da ist mir die defekte Waschmaschine mitsamt den Ansprüchen aus Kaufvertrag durchaus lieber, als mit dem nackten Hinterteil samt jeweiligem Zipperlein konfrontiert zu werden.

In diesem Sinne: „Du studierst doch Jura?!“ sollte keine Angst vor der Anschlussfrage auslösen! 😀

Die Rubrik „How to…“ erscheint in loser Folge.
Bereits erschienen:
Wie kommuniziere ich mit einem Dozenten?
Themenvorschläge per Mail jederzeit gerne.

Fünf Gebote für die Klausurbearbeitung (Gastbeitrag Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb)

11 Nov

Barbara Dauner-Lieb

Die Hitliste meiner Klausurentipps als Lehrerin und Prüferin im Zivilrecht? Ich mache da kaum Unterschiede zwischen dem Erstsemesterabschlusstest, der Falllösung in der großen Übung und der Examensklausur:

1. Lesen Sie den Sachverhalt sorgfältig! Lesen Sie ihn noch einmal! Beachten Sie wirklich alle Besonderheiten des konkreten Falles. Von einem Juristen wird erwartet, dass er konkrete zwischenmenschliche Konflikte mit rechtlichen Mitteln wissenschaftlich tragfähig und praktisch überzeugend lösen kann. Über nichts ärgert sich der Prüfer mehr, als wenn der Sachverhalt missverstanden oder nicht ausreichend ausgeschöpft wird.

2. Die Kernkompetenz des Juristen liegt nicht darin, bekannte Fälle zu reproduzieren, sondern unbekannte Fälle überzeugend zu lösen. Kramen Sie daher nicht in Ihrem Gedächtnis, ziehen Sie nicht voreilig die Schlussfolgerung, dass ein bestimmtes Problem im Fall vorkommt. Arbeiten Sie sich ganz behutsam und demütig an die Fragestellungen des konkreten Falls heran. Sehr häufig liegen die Dinge anders, als sie bei erster Annäherung aussehen. Lösen Sie vor allem nicht Probleme, die der Fall gar nicht aufgeworfen hat.

3. Vermeiden Sie ein schematisches Abklappern von Aufbauschemata. Gehen Sie vom Gesetz aus. Verwenden Sie den genauen Gesetzeswortlaut. Beginnen Sie mit der Rechtsfolge einer Norm und zwar genau so wie sie im Gesetz formuliert ist. Arbeiten Sie sich dann allmählich zu den Problemen des konkreten Falles vor. Es ist wie in der Matheklausur im Abi, es zählt nicht das Ergebnis, sondern der Rechenweg. Die Rechtsfolge des § 142 BGB ist eben die Nichtigkeit und nichts anderes!

4. Breiten Sie nicht breit aus, was offensichtlich unproblematisch ist. Haken Sie nicht ausführlich eine Fülle von Punkten ab, die in dem Fall keine Rolle spielen. Der Handlungswille spielt in Klausuren so gut wie nie eine Rolle, das Erklärungsbewusstsein nur selten und dann bildet es auch einen Schwerpunkt des Falles. Sparen Sie Ihre Energie für die wirklichen Probleme des Falles! Überschätzen Sie nicht die Bedeutung von Meinungsstreitigkeiten!

5. Vertiefen Sie die wirklichen Probleme des Falles. Vermeiden Sie ein Verharren in formaler oder begrifflicher Argumentation. Fragen Sie nach teleologischen Gesichtspunkten! Versuchen Sie Argumente pro und kontra. Versuchen Sie – so schließt sich der Kreis – wieder auch ganz pragmatisch die Besonderheiten des Falles in die Argumentation einzubringen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihre
 
Barbara Dauner-Lieb
 

Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung (Universität zu Köln) und Richterin am Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen.

Wenn der Anwalt „schwänzt“ – Versäumnisurteil in der ZPO

8 Nov

Wer regelmäßig die Nachrichten auf http://www.n-tv.de verfolgt, stieß gestern auf einen Bericht zum Thema „Patentstreit zwischen Motorola und Apple“ . In dem gegebenen Rechtsstreit untersagte das Landgericht Mannheim die Einfuhr von mobilen Geräten seitens Apple, wobei hiervon wohl nur der Apple – Mutterkonzern, nicht jedoch die Apple Deutschland GmbH betroffen sei (LG Mannheim vom 04.11.2011 – Az. 7 O169/11)

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich weder mit der rechtlichen Würdigung des Urteils noch mit etwaigen patentrechtlichen Fragen, da diese Problemstellungen nicht zum Gegenstand des ersten Staatsexamens zuzuordnen sind. Interessant hingegen ist die Tatsache, dass es sich bei dem Urteil des Landgerichts Mannheim um ein Versäumnisurteil im Sinne der §§ 330 ff ZPO handelt. Was hierunter zu verstehen ist und welche Kenntnisse von einem Studenten der Rechtswissenschaften im ersten Staatsexamen hierzu erwartet werden können, soll im folgenden erörtert werden.

I. Problemkreise

Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Rechtsstudent im ersten Staatsexamen – zumindest im mündlichen Prüfungsabschnitt – mit Fragestellungen zum Versäumnisurteil konfrontiert wird. Dabei kann es sowohl um die Voraussetzungen des Erlasses eines solchen Urteils als auch um die Frage nach etwaigen Rechtsbehelfen gehen.

1. Voraussetzungen des Erlasses eines ersten Versäumnisurteils

Das Gericht wird ein Versäumnisurteil erlassen, wenn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, vgl §§ 330 ff ZPO (beachte auch zur Urteilsform § 313b ZPO). Es empfiehlt sich, anhand folgender Prüfungspunkte vorzugehen:

1. Säumnis einer Partei

2. Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils seitens der anderen Partei

3. keine entgegenstehenden Vorschriften, vgl §§ 335, 337 ZPO

4. sonstige prozessuale Voraussetzungen (Parteifähigkeit § 50 ZPO, Prozessfähigkeit § 51 ZPO, Postulationsfähigkeit § 78 ZPO, …)

5. bei Säumnis des Beklagten: Begründetheit („Schlüssigkeit“) gemäß § 331 I ZPO

Von der Säumnis einer Partei ist auszugehen, sofern die Partei beziehungsweise der vertretungsberechtigte Anwalt (vgl. §§ 78 ff ZPO) am Verhandlungstag in der Verhandlung nicht erscheint, vgl. § 333 ZPO; ferner aber auch, falls die Partei trotz Erscheinens nicht verhandelt oder die Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren nicht rechtzeitig angezeigt hat, § 331 Abs. 3 ZPO. Der im Zivilprozessrecht vorherrschenden Dispositionsmaxime gemäß § 308 Abs. 1 BGB entsprechend muss darüber hinaus ein Antrag der anwesenden Partei auf Erlass eines Versäumnisurteils erfolgen. Außerdem dürfen dem Erlass des Versäumnisurteils keine rechtlichen Einwände entgegenstehen, die vor allem den §§ 335 und 337 ZPO zu entnehmen sind. Schließlich – und wie bei Anträgen auf Erlass eines Urteils regelmäßig üblich – muss die anwesende Partei auch die sonstigen prozessualen Voraussetzungen erfüllen, also insbesondere partei-, prozess- und postulationsfähig sein, vgl §§ 50, 51, 78 ff ZPO.

Zu beachten ist im weiteren die Unterscheidung zwischen Säumnis des Klägers gemäß § 330 ZPO und der Säumnis des Beklagten gemäß § 331 ZPO. Während bei Säumnis des Klägers keine weiteren Voraussetzungen zu prüfen sind, erfordert der Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten die Begründetheit der Klage, wobei gemäß § 331 Abs. 1 ZPO das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden gewertet wird, vgl. auch § 138 Abs. 3 ZPO. Daher bietet sich insbesondere dieser Fall als idealer Aufhänger für eine Examensklausur an, da hier inzident die materiell-rechtliche Prüfung zu erfolgen hat.

II. Rechtsbehelf

Fraglich ist, wie sich die säumige Partei gegen das Säumnisurteil zur Wehr setzen kann. Zunächst könnte man an eine Berufung gemäß §§ 511 ff BGB denken. Hierbei handelt es sich um ein Rechtmittel. Kennzeichnend für ein Rechtsmittel sind der sogenannte Devolutiv- (bringt die Sache in die nächsthöhere Instanz) und der Suspensiveffekt (aufschiebende Wirkung, keine Rechtskraft vor Entscheidung in der Sache). Gemäß § 340 Abs. 1 ZPO ist jedoch das Gericht zuständig, dessen Versäumnisurteil „angefochten“ werden soll, sodass ein Devolutiveffekt nicht vorliegt. Zudem ergibt sich auch aus § 514 Abs. 1 ZPO, dass die Berufung gegen das erste Versäumnisurteil nicht statthaft ist.

In Betracht kommt vielmehr ein Rechtsbehelf, der beim Prozessgericht einzulegen ist. Statthaft ist daher der Einspruch gemäß § 338 ZPO, in dessen Rahmen die weiteren Voraussetzungen der §§ 339, 340 ZPO zu beachten sind. Sollte der Einspruch zulässig sein, wird der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage versetzt, in die er sich vor Eintritt der Versäumnis befand.

III. Erlass eines zweiten Versäumnisurteils

Gemäß § 345 ZPO erfolgt der Erlass eines zweiten Versäumnisurteils auf Antrag der anwesenden Partei, sofern die säumige Partei Einspruch gemäß § 338 ZPO eingelegt hat, in der zur mündlichen Verhandlung bestimmten Sitzung oder in derjenigen Sitzung, auf welche die Verhandlung vertagt ist, jedoch nicht erscheint oder nicht verhandelt. Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils sind daher:

1. Antrag auf Erlass eines zweiten Versäumnisurteils (vgl § 308 Abs. 1 ZPO)

2. Erlass eines ersten Versäumnisurteils §§ 330, 331 ZPO

3. Einspruch seitens der säumigen Partei § 338

4. erneute (unmittelbare) Säumnis der säumigen Partei

5. str.: erstes Versäumnisurteils „zu recht“ ergangen?

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils die Frage aufgeworfen werden muss, ob das erste Versäumnisurteil „zu recht“ ergangen ist.

Zum Teil wird die Ansicht vertreten, im Rahmen des Erlasses eines zweiten Versäumnisurteils sei die Rechtmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils nicht mehr zu hinterfragen. Begründet wird diese Ansicht damit, dass § 345 ZPO nicht auf § 331 ZPO verweise. Auch dem Wortlaut des § 345 ZPO lasse sich nicht entnehmen, dass eine erneute Prüfung zu erfolgen hat. Zudem ergebe sich dieses Ergebnis auch aus einem Umkehrschluss zu § 700 Abs. 6 ZPO, der explizit im Rahmen des Mahnverfahrens eine Prüfung des ersten Versäumnisurteils als Voraussetzung für ein zweites Versäumnisurteil vorsieht (§ 700 Abs. 1 ZPO stellt den Vollstreckungsbescheid einem ersten Versäumnisurteil gleich).

Vorzugswürdig erscheint hingegen die Ansicht, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils auch im Rahmen der Voraussetzungen eines zweiten Versäumnisurteils zu erfolgen hat. Der Erlass eines Versäumnisurteils verkürzt ohnehin den aus Art. 103 Abs. 1 GG resultierenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Zudem ergibt sich aus § 342 ZPO, dass der Prozess bei Zulässigkeit des Einspruchs in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Der Gedanke des § 700 Abs. 6 ZPO ist zugunsten des Säumigen auch außerhalb des Mahnverfahrens zu beachten.

Daher ist im Ergebnis auch bei Erlass des zweiten Versäumnisurteils die Rechtmäßigkeit des ersten Versäumnisurteils zu prüfen. Möchte die säumige Partei nunmehr gegen ein zulässig ergangenes zweites Versäumnisurteil vorgehen, kommt gemäß § 514 Abs. 2 ZPO grundsätzlich die Berufung in Betracht.

IV. Zum Artikel auf n-tv.de

Was der Artikel nun mit der Äußerung „Apple-Anwalt schwänzt absichtlich“ umschreibt, nennt sich „Flucht in die Säumnis“. Hierbei handelt es sich um ein prozesstaktisches Vorgehen. Sofern die Sachargumente einer Partei nicht fristgerecht bis zum Ende der mündlichen Verhandlung – vgl. § 296 ZPO – vorgebracht werden (können), besteht die Möglichkeit, ein Versäumnisurteil abzuwarten, um im Anschluss im Rahmen des Einspruchs gegen das erste Versäumnisurteil das Vorbringen der Sachargumente zu ermöglichen (ergibt sich aus der Wirkung des § 342 ZPO). Eine „Flucht in die Säumnis“ kommt dabei jedoch grundsätzlich nur bei Erlass eines ersten Versäumnisurteils in Betracht, sofern die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach Aktenlage nicht vorliegen, vgl. §§ 331a, 251a ZPO.

Das erste Mal…Jura (III) – Auslegungsmethoden

28 Okt

Häufig blicke ich bei der Frage nach den Auslegungsmethoden in ratlose Gesichter, was mich verwundert, weil die Auslegung von Normen doch gerade der zentrale Bestandteil der Juristerei ist. Üblicherweise unterscheidet man dabei zwi­schen der grammatischen, systematischen, teleologischen und historischen Aus­legung.

Im Rahmen der grammatischen Ausle­gung wird ermittelt, welchen Wortsinn die Rege­lung hat. Auch wenn der Gesetzgeber sich regelmäßig – schon der Rechtssicherheit wegen – am allgemeinen Sprachgebrauch ori­entieren wird, ist der Wortsinn einer Norm in den seltensten Fällen eindeu­tig. Er stellt daher nur einen Bereich dar, innerhalb dessen mehrere Deutungen mög­lich sind. Daraus ergibt sich, dass der Wortlaut zumindest im Strafrecht die äußerste Grenze der möglichen Auslegung darstellt. Wel­che unter verschiedenen möglichen Auslegungen vorzugswür­dig ist, ergibt sich im Zusam­menspiel mit den übrigen Auslegungs­me­thoden.

Bei der systematischen Auslegung betrachtet man die Norm im Zusammenhang aller Rechtsnor­men, versteht die auszulegende Norm also als Teil eines einheitlichen Regelungssystems und bevorzugt deshalb eine Auslegung, die sich in dieses System ein­fügt.

Neben diesen Kriterien sind bei der Auslegung Sinn und Zweck (= Telos) der Norm zu beachten. Diese ergeben sich oftmals aus einer Analyse der Interessenlage, d.h. im Strafrecht des geschützten Rechtsguts. An­haltspunkte für das geschützte Rechtsgut können sich etwa aus dem systematisch­en Zusammenhang und häufig auch aus der Überschrift des Abschnitts ergeben. Hier sollte man sich verdeutlichen, wel­che Interessen sich gegenüberstehen und wie diese vom Gesetzgeber bewertet wer­den.

Bei der historischen Auslegung sind schließlich die Ent­stehungsgeschichte und die Normvorstell­ung des historischen Gesetzgebers zu be­rücksichtigen. Sie steht deshalb in enger Verbindung mit der teleologischen Auslegung. Hierbei bedient man sich an Gesetzesentwürfen, Be­ratungsprotokollen, Entwurfsbegründung­en Parlamentsberichten usw. Na­turgemäß kann der Bearbeiter in der Klau­sursituation hierzu regelmäßig wenig sa­gen, sodass die historische Auslegung eher in Hausarbeiten eine Rolle spielt.

Eigentlich gar nicht schwer, oder?

Das erste Mal…Jura soll vor allem den Studienanfängern einen (kleinen) Überlick bei den grundlegenden Fragen des Studiums verschaffen.

How to…: Wie kommuniziere ich mit einem Dozenten?

25 Okt

Neben dem grundsätzlich immer erwünschten persönlichen Kontakt (nach der Vorlesung/AG) kann man sich natürlich auch über Email mit dem Dozenten in Verbindung setzen. Dabei gelten in der Kommunikation ein paar Spielregeln: Bombardiert eure AG-Leiter ruhig mit Fragen, den Professor möglichst nur dosiert. Wenn es nur um einen Veranstaltungstermin oder sonstige Organisationsfragen geht, hört im Sekretariat nach und nicht beim Prof direkt; wenn sich beim Nacharbeiten eine Frage stellt, sollte das persönlich nach der Vorlesung und nicht zu Unzeiten per Mail geklärt werden. Wenn man aus triftigem Grund dem Professor persönlich schreibt, gelten in Kurzform folgende „Benimm“-Regeln: Die Anrede lautet „Sehr geehrter Herr Professor XY“; keinesfalls „Hallo Prof. Dr. XY“. Der Text sollte sachlich und präzise formuliert sein und die Mail endet bestenfalls mit „Mit freundlichen Grüßen“ NICHT „LG“ o.ä. 😉
Die AG-Leiter sollte man so anreden, wie es in der Stunde besprochen wurde. Wenn man beim „Du“ ist, dann lautet die bestmögliche Anrede „Lieber XY (Vorname)“. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass den meisten Studenten das „Du“ gegenüber dem AG-Leiter recht schwer fällt; allerdings: Wer euch duzt, den dürft ihr gerne zurück duzen ☺ Hier gilt übrigens keinesfalls die gegenüber dem Professor grundsätzlich empfohlene Zurückhaltung: Fragt, fragt, fragt. Dafür sind die AG-Leiter da. Nachtrag: Kollege Kahsnitz bat mich dringendst zu ergänzen „beim AG-Leiter dürft ihr ruhig LG schreiben“ Bitte schön, Martin ☺

Das erste Mal…Jura (II) – das ideale Lehrbuch

21 Okt

Von vorne weg: das ideale Lehrbuch, das jedem gleichermaßen zu empfehlen ist, habe ich bisher noch nicht gefunden (zumindest nicht für das Strafrecht). Alleine für den allgemeinen Teil des Strafrechts gibt es über zwanzig (!) davon. Warum? Viele Professoren erarbeiten ein ausführliches Skript für ihre Vorlesung, welches sich für die Verarbeitung zu einem Lehrbuch quasi anbietet und die Verlage möchten eine größtmögliche Angebotsvielfalt entwickeln. Grundsätzlich gilt deswegen die Regel: Kauft kein Buch ohne es vorher in einer Bibliothek oder Buchhandlung probegelesen zu haben. Ja, auch wenn es eine schöne Farbe hat oder wenn die Kommilitonen schon eins haben und Euch täglich fragen, ob Ihr auch schon eins habt. Vielmehr solltet Ihr folgendermaßen vorgehen:

1. Welches Buch hat der/die Professor/in empfohlen?

Euere erste Lektüre sollte zunächst das empfohlene Buch betreffen. In der Regel geben Professoren Literaturhinweise für Ihre Vorlesung. Falls dies nicht geschieht, fragt ruhig in der Vorlesung nach oder wendet Euch an eure(n) AG-Leiter(in). Man wird Euch gerne Hinweise geben. Aber auch hier gilt schon: nicht kaufen ohne zu testen!

2. Wo kann ich mir die Bücher anschauen?

Jeder Verlag bietet mittlerweile dem Kunden die Möglichkeit an, sich Ausschnitte (Bsp. 1, Bsp. 2: Google ist Euer Freund) oder zumindest das Inhaltsverzeichnis im Internet anzusehen. Dennoch sollte man sich das Buch näher ansehen. Am einfachsten findet Ihr sie im juristischen Seminar (in Köln: Hauptseminar) oder bei den jeweiligen Lehrstühlen oder Instituten (zB im Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht). In den Universitätsbibliotheken könnt Ihr außerdem zumeist Lehrbücher für eine bestimmte Dauer ausleihen (in der USB Köln: 4 Wochen in der Lehrbuchsammlung im Erdgeschoss – vergesst nicht einen Ausweis zu beantragen!). Auch in den Buchhandlungen (z.B. Mayersche in Köln) ist das Schmökern möglich.

3. Wie finde ich das für mich ideale Lehrbuch?

Es gibt zwei Möglichkeiten:

a) Für geduldige: Sobald Ihr in der Vorlesung etwas nicht verstanden habt, schaut Ihr Euch in verschiedenen Büchern die Passagen zu den Problemen an. Das Buch, dass Euch am meisten weiterbringt, sollte in die nähere Auswahl kommen.

b)  Für ungeduldige: Nehmt ein beliebiges Problem (z.B. Kausalität im Strafrecht) und verfahrt wie bei a).

4. Brauche ich die aktuelle Auflage?

Auch bei Grundthemen wie BGB-AT kann sich die Rechtslage ändern, deswegen solltet Ihr im Zweifel die aktuellste Auflage nehmen. Vorauflagen sind jedoch sowohl bei Buchhandlugen als auch im Internet für den halben Preis zu haben. Deswegen kann auch hier nur der direkte Vergleich zwischen den Auflagen empfohlen werden. Meistens liefert das Vorwort Hinweise zu den Neuerungen.

5. Wie lerne ich mit meinem Buch?

Ein Lehrbuch muss nicht von Anfang bis Ende durchgearbeitet werden. Dazu habt Ihr auch wegen der Stoffmenge, die Euch erwartet, keine Zeit. Die Vorlesungen des Dozenten geben die Themen vor. Diese arbeitet Ihr zum Vor- und Nachbereiten der Vorlesung in dem Lehrbuch durch. Hilfreich ist es, wenn Ihr Euch den durchgearbeiteten Stoff auf Karteikarten zusammenfasst. So könnt Ihr das Gelesene verinnerlichen und habt für die Klausurvorbereitung eine Grundlage zum wiederholen.

Das erste Mal…Jura soll vor allem den Studienanfängern einen (kleinen) Überlick bei den grundlegenden Fragen des Studiums verschaffen.