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Menschenrechte in Russland

25 Apr

Vortrag: Die aktuelle Rechtsentwicklung in Russland, Vortrag von Dr. Anton Burkov, Universität Jekaterinburg

Do., 02. Mai 2013, 19.00 Uhr im Lew Kopelew Forum, Neumarkt 18a, Köln

Einführung: Prof. Dr. Caroline von Gall, Institut für Ostrecht der Universität zu Köln
Moderation: Maria Birger, Lew Kopelew Forum-Beirat

Dr. Anton Burkov, Jg. 1976, ist Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Menschenrechte. Er hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Fälle gegen Russland vertreten und streitet gegenwärtig vor dem russischen Verfassungsgericht über das Wahlgesetz. 1999 absolvierte er die Staatliche Juristische Hochschule im Ural, 2002 war er Stipendiat an der Columbia University, USA; 2004 an der University of Essex, UK. Promoviert hat er 2005 an der Staatlichen Universität in Tumen/Russland und 2009 an der Universität Cambridge. Heute ist er Leiter des Instituts für Europäisches und Vergleichendes Recht an der Geisteswissenschaftlichen Universität in Jekaterinburg, Direktor des Menschenrechtsprogramms „I’ve Got Rights“, Leiter des Russlandbüros von Management Systems International Inc. USA und juristischer Berater der NGO „Sutajnik“/Jekaterinburg. Dr. Burkov ist Autor von zahlreichen Artikeln und Büchern zum europäischen und russischen Menschenrechtsschutz.

Veranstaltung in russischer Sprache mit der Übersetzung von Nadja Simon

Interview mit Prof. Angelika Nußberger, Richterin am EGMR

25 Feb
Angelika Nußberger

Angelika Nußberger

Professorin Angelika Nußberger ist Direktorin des Instituts für Ostrecht an der Universität zu Köln und seit 2010 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Interview mit wissmit.com geht Sie auf Ihre richterliche Tätigkeit ein.

1. Was muss man tun, um EGMR-Richter zu werden?

Um Richter am EGMR zu werden muss man nach Art. 21 EMRK „die für die Ausübung hoher richterlicher Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Rechtsgelehrter von anerkanntem Ruf“ sein. Gegenwärtig sind etwa die Hälfte der Richter ehemalige Professoren, die andere Hälfte ehemalige Richter. Vereinzelt gibt es auch ehemalige Rechtsanwälte. Außerdem muss man auf Englisch und Französisch arbeiten können. Das heißt, man braucht Sprachkenntnisse und eine gute Rechtsausbildung. Und sicherlich auch eine Reihe von soft skills. Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass man gut zuhören kann.

2. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag eines EGMR-Richters aus?

Einen „gewöhnlichen Arbeitstag“ gibt es eigentlich nicht, kein Tag gleicht dem anderen. Aber alle Arbeitstage sind sehr lang und sehr intensiv. An Sitzungstagen diskutiert man den ganzen Tagen einen oder mehrere Fälle, in der Großen Kammer zunächst öffentlich und dann in geheimer Beratung, bei den normalen Kammersitzungen immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Im Übrigen gibt es eine Vielzahl von Diskussionen und Besprechungen mit den Juristen der verschiedenen Abteilungen über die Vorbereitung der einzelnen Fälle. Wichtige Termine sind daneben noch Plenarversammlungen, Arbeitsgruppen, Treffen mit Richtern anderer Gerichte, zum Teil auch Vorträge. Die meiste Zeit nimmt aber das Aktenstudium ein.

3. Wie kommunizieren EGMR-Richter untereinander?

Auf Englisch, auf Französisch oder in einer anderen gemeinsamen Sprache. Manches Mal auch in einem Sprachmix, es ist alles erlaubt, was verstanden wird.

4. Was ist die größte Fehlvorstellung, die Außenstehende von Ihrer Arbeit haben?

Nach zwei Jahren am Gericht bin ich schon so sehr hier zuhause, dass es mir schwer fällt, die Außenperspektive einzunehmen und mir zu überlegen, welche (falschen) Vorstellungen man vom außen haben könnte. Ich denke, man ahnt, wie viel Arbeit es ist. Aber vielleicht ahnt man nicht, welche wichtige Rolle der Humor im Gerichtsalltag spielt.

5. Wie geht man als EGMR-Richter mit Kritik an einem eigenen Urteil um?

Wer richtet, weiß, dass er es nie allen Betroffenen recht machen kann. Kritik ist selbstverständlich. Wenn sie sachlich ist, hört man auch aufmerksam zu. Aber man lernt es auch, mit unsachlicher Kritik zu leben. Stereotype und polemisierende Vorwürfe an das Gericht ignoriert man nach einiger Zeit.

6. Gibt es Unterschiede zwischen gesellschaftlicher und fachlicher Kritik?

Sicherlich, das zeigt schon der Blick in die Medien, die über den Gerichtshof berichten. Die Kritik in Fachzeitschriften ist sehr aufschlussreich für die Weiterentwicklung der juristischen Dogmatik. Die Berichte über unsere Urteile in den Medien machen dagegen die unmittelbaren – auch politischen – Folgen der Urteile anschaulich.

7. Wie ist es, wenn man in einem Kollegialgericht ein Urteil unterzeichnen muss, von dessen Richtigkeit man nicht überzeugt ist?

Es ist völlig normal, dass man bei Mehrheitsentscheidungen überstimmt wird. Wenn man es für nötig hält, hat man die Möglichkeit, eine abweichende Meinung zu schreiben.

Verlust des Wahlrechts nach Strafurteil?

1 Nov

Oder anders gefragt: Dürfen Gefängnisinsassen wählen oder gewählt werden? Ein englischer Kollege hat mich darauf hingewiesen, dass dies in Großbritannien, trotz mehrmaliger Ermahnung durch den EGMR, immer noch nicht möglich ist. Zuletzt legte das Straßburger Gericht eine Frist bis zum 22. November fest. Ob sich in England etwas ändern wird, bleibt jedoch unklar.

Wie ist es aber in Deutschland?

Die Antwort gibt uns § 45 StGB, wo der Gesetzgeber eine der Nebenfolgen der Strafe regelt (vgl. auch § 13 Nr. 1 BWahlG):

(1) Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.
(2) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die in Absatz 1 bezeichneten Fähigkeiten aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht.
(…)
(5) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht.

Nach Abs. 1 verliert man also automatisch für fünf Jahre das Recht, gewählt zu werden, wenn man wegen eines Verbrechens verurteilt wird. Das aktive Wahlrecht, d.h. das Recht zu wählen, wird jedoch nicht per se aberkannt. Dazu müsste zunächst die Aberkennung vom Gesetz ausdrücklich als Nebenstrafe gennant werden. Solche Anordnungen finden sich in den ersten Abschnitten des Besonderen Teils (Staatsschutzdelikte): §§ 92a, 101, 102, 108c, 108e Abs. 2, 109i StGB. In diesen Fällen kann der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen das aktive Wahlrecht aberkennen. Anders war dies noch vor dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG), das zum 1. April 1970 in Kraft trat. Gem. § 33 StGB a.F. konnte der Richter die sog. bürgerlichen Rechte aberkennen, wenn eine Zuchthausstrafe verordnet wurde.

An der Wahl nehmen Gefängnisinsassen durch Briefwahl teil, wenn in der Gefängnisanstalt kein Sonderwahlbezirk gebildet wurde.

Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft und die Niederlassungsfreiheit

3 Aug

Der Entscheidung des EuGH vom 12.07.2012 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine italienische Gesellschaft beantragte ihre Löschung aus dem Handelsregister in Rom, da sie ihren Sitz und ihre Geschäftstätigkeit nach Ungarn verlegen wollte. Nach Löschung in Rom und Neugründung einer Gesellschaft (in ungarischer Gesellschaftsform) beantragte der gesetzliche Vertreter beim ungarischen Handelsregister die Eintragung unter Hinweis der Rechtsvorgängerschaft. Dieser Antrag wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass eine in Italien gegründete und eingetragene Gesellschaft nicht nach Ungarn verlegt und als Rechtsvorgängerin in das ungarische Handelsregister eingetragen werden könne.

 Trotz der Tatsache, dass das Europarecht derzeit noch eher eine seltenere Materie des 1. Staatsexamens darstellt, kann die künftige Bedeutung dieses Rechtsgebiets kaum unterschätzt werden. Daher sollen die wesentlichen materiell-rechtlichen Punkte des Urteils im Folgenden kurz dargestellt werden.

1. Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV

Unter dem Begriff der Niederlassung versteht man grundsätzlich die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit.

Damit die Niederlassungsfreiheit in „persönlicher Hinsicht“ auch auf juristische Personen der Mitgliedstaaten angewandt werden kann, muss diese gemäß Art. 54 Abs. 1 AEUV ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben. Zudem muss es sich gemäß Art. 54 Abs. 2 AEUV um eine Gesellschaft handeln, die einen Erwerbszweck verfolgen.

In „sachlicher Hinsicht“ gewährleistet Art. 49 AEUV die sekundäre Niederlassungsfreiheit. Juristische Personen haben hiernach grundsätzlich das Recht, Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen. Nicht vom Schutzbereich des Art. 49 AEUV erfasst ist die primäre Niederlassungsfreiheit in dem Sinne, dass jede beliebige, in einem Mitgliedsstaat der EU anerkannte Gesellschaftsform als Gründungsform in einem anderen Mitgliedstaat gewählt werden könne. Es sei insofern darauf hingewiesen, dass eine Gesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften existiert, die für ihre Gründung und Funktionsweise maßgebend sind. Damit eine mitgliedstaatliche Gesellschaftsform in Deutschland anerkannt wird, muss diese Gesellschaft auch noch in dem entsprechenden Mitgliedstaat anerkannt sein.

Der vorliegende Fall tangierte diese Problematik jedoch nicht. Da es sich um die Umwandlung einer italienischen Gesellschaft in eine ungarische Gesellschaft handelte, wurde weder in die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats noch in die von ihm vorzunehmende Festlegung der Regeln für die Gründung und die Funktionsweise der aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft eingegriffen. Die Gesellschaft unterliegt vielmehr allein dem innerstaatlichem Recht des Aufnahmemitgliedstaats (Ungarn), das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt.

Im Ergebnis handelt es sich daher bei Umwandlungen von Gesellschaften um derartige wirtschaftliche Tätigkeiten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV beachten müssen.

2. grenzüberschreitender Bezug

Es darf sich zudem nicht um einen rein nationalen Sachverhalt gehandelt haben, damit die Vorschriften der Art. 49 und 54 AEUV anwendbar sind. Dies könnte allein fraglich sein, wenn man bedenkt, dass es sich um die Gründung einer ungarischen Gesellschaft und der alleinigen Ausübung der Geschäftstätigkeit in Ungarn handelt. Zu beachten ist jedoch, dass der Sachverhalt insofern einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, als dass es sich um eine Umwandlung von einer italienischen in eine ungarische Gesellschaft handelt und der Gesellschaft der Eintrag ins Handelsregister unter Vermerk der Rechtsvorgängerschaft verwehrt wird.

3. Bereichsausnahme gemäß Art. 51 AEUV

Da die von der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit nicht dauernd oder zumindest zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden war, griff die Bereichsausnahme des Art. 51 AEUV nicht ein.

4. Eingriff in den Schutzbereich

Bei der Verweigerung der Eintragung ins Handelsregister mit dem Vermerk der Rechtsvorgängerschaft der Gesellschaft müsste es sich zudem um einen Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit handeln. Da die ungarische Gesetzeslage lediglich die Umwandlung nationaler Gesellschaften vorsieht, die ihren Sitz schon in Ungarn haben, begründet diese Regelung nach Ansicht des EuGH eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften je nachdem, ob es sich um eine innerstaatliche oder grenzüberschreitende Umwandlung handelt. Dieser Eingriff ist auch grundsätzlich geeignet, Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten, von ihrer im AEUV verorteten Niederlassungsrecht Gebrauch zu machen.

5. Rechtfertigung

Der Eingriff könnte dadurch gerechtfertigt sein, dass die grenzüberschreitende Umwandlung spezifische Konsequenzen wie die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen mit sich bringt. Dass eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Fehlens vereinheitlichten Unionsrechts gerechtfertigt sein soll, erscheint jedoch angesichts der Bedeutung der Niederlassungsfreiheit fraglich. Auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls wie der Schutz der Gläubigerinteressen, Minderheitsgesellschafter oder Arbeitnehmer, die Wahrung der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen oder die Lauterkeit des Handelsverkehrs kommen nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn der Eingriff zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur ihrer Erreichung erforderlich ist. Dies ist jedoch bereits vor dem Hintergrund abzulehnen, dass es einer generellen Ablehnung grenzüberschreitender Umwandlungen nicht bedurft hätte, sodass es an der Erforderlichkeit mangelt.

6.  Weiteres

Im Übrigen ist zu beachten, dass der Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich befugt ist, das für grenzüberschreitende Umwandlungen geltende Recht festzulegen und anzuwenden, dabei jedoch den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz zu beachten hat, nach denen grenzüberschreitende Umwandlungen nicht anders behandelt werden dürfen als innerstaatliche Umwandlungen („wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist“).

Einheitspackung bei Zigaretten – Tabakkonzern verklagt Regierung

24 Nov

Die Zeitung „Handelsblatt“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 22.11.2011, dass der bekannte Tabak-Konzern Philip Morris International eine milliardenschwere Schadensersatzklage gegen Australien erheben will. Hintergrund dieses Vorhabens ist die Tatsache, dass das Land erst eine Woche zuvor ein Gesetz beschlossen hatte, nach dem den Konzernen die freie Gestaltung der Zigarettenschachteln untersagt und Einheitspackungen eingeführt werden sollen. Die Rede ist von olivgrünen Hüllen, die mit großen Warnhinweisen und abschreckenden Bildern versehen werden sollen. Zur Unterscheidbarkeit der einzelnen Marken soll lediglich ein einfacher Schriftzug dienen.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass die EU-Kommission über ähnliche Vorhaben nachdenkt, empfiehlt es sich im Hinblick auf die Vorbereitung für das Staatsexamen,  bisherige Tendenzen des Europäischen Gerichtshofs  zu verinnerlichen. Beispielsweise sollte beachtet werden, dass im europäischen Raum die Richtlinie 2003/33/EG existiert, die der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen dienen soll und zu beachten sein könnte. Zudem empfehle ich auch die Lektüre des aufbereiteten Falles „Tabakwerbeverbot“ (Wollenschläger, Iurratio 2009, 170), den man ebenfalls im Hinblick auf das Europarecht einmal gelesen haben sollte. Dieser berücksichtigt dankenswerterweise auch bereits den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und stellt die Problematik studentenfreundlich dar.

EuGH-Urteil zu wettbewerbswidrigen Exklusivlizenzen für Sport im Pay-TV

23 Okt

Diese EuGH-Entscheidung (C-403/08 und C-429/08) wurde in den Medien in den letzten Wochen rauf und runter diskutiert. Das macht das Thema zu einem wahrscheinlichen Kandidaten in der mündlichen Examensprüfung. Was ist aber wirklich examensrelevant bei dieser Entscheidung? Auf juraexamen.info findet Ihr eine gelungene Zusammenfassung von Sebastian Diehl zu den Problemen rund um diesen Fall.