Stein des Anstoßes für diesen Beitrag war der Artikel auf Spiegel Online, indem geschildert wurde, wie die Schauspielerin Kirsten Dunst sich „erfolgreich“ gegen einen Stalker vor einem Gericht in Los Angeles (USA) wehrte. Im Wesentlichen ging es um ein Verbot, sich Dunst auf ca. 100 Metren räumlich zu nähern.
Ich nehme diesen Vorgang zum Anlass, auf den deutschen Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) hinzuweisen. Dieser steht im 18. Abschnitt des BT und ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 lit. b) JAG NW (theoretisch) tauglicher Prüfungsstoff in der ersten Prüfung. Insbesondere in mündlichen Prüfungen dürften sich Fragen anbieten, die auf der Schnittstelle von Straf- und Verfassungsrecht liegen, da der Tatbestand entsprechende Probleme aufweist, die auch ohne vertiefte Kenntnisse durch Auslegung ermittelt werden können.
Das Wichtigste ist zunächst natürlich die Lektüre der Vorschrift. § 238 StGB beschreibt in Abs. 1 recht vielgestaltig Verhaltensweisen, welche das „typische“ Stalking darstellen. So heißt es auch in dem SpOn-Beitrag, Dunst wurde mit „50 Briefen bombardiert“ und mindestens fünf mal habe der Stalker in einem Auto vor ihrer Haustür gewartet, bzw. Dunst´Mutter vor deren Haustüre abgepasst. Da der Straftatbestand sich als Instrument zur Flankierung des zivilrechtlichen Schutzes vor Nachstellungen (vgl. etwa Gewaltschutzgesetz) versteht, reicht die Vornahme der dort beschriebenen Handlungen allerdings noch nicht aus. Problematisch ist insbesondere, dass die Tathandlungen bisweilen für sich genommen zunächst einmal nicht sozial inadäquat erscheinen (sich irgendwo aufhalten; Telefonieren; SMS versenden etc.). Daher müssen diese Handlungen „unbefugt“ und „beharrlich“ vorgenommenen werden. Der Täter muss also eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag legen, was im Einzelfall zu eruieren sein dürfte; eine wiederholte Tatbegehung ist demnach Voraussetzung, aber nicht alleine ausreichend. Zudem müssen die Tathandlungen bei dem Opfer zu einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ führen. Dass diese Formulierung der Ausfüllung bedarf ist klar. Fraglich ist, was darunter zu verstehen ist? Maßgeblich soll die Opfersicht sein. Hier soll den Ausschlag geben, dass eine überdurchschnittliche Belästigung vorliegt. Nicht ausreichend sollen regelmäßig hinzunehmende und bloß belästigende Beeinträchtigungen sein….hier ist die Argumentation am Einzelfall gefragt.
Überaus problematisch ist in diesem Zusammenhang auch § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB (eine andere vergleichbare Handlung). Bei dieser Formulierung deutet sich ein Konflikt mit dem für das Strafrecht so bedeutsamen Bestimmtheitsgrundsatz an. Empfehlenswert ist hier die Lektüre des Beschlusses des BGH aus dem November 2009 (mit zust. Anm von Gazeas; NJW 2010, 1680ff.). In dieser Entscheidung hat der BGH sich erstmals zum § 238 StGB geäußert und in einem obiter dictum den Auffangtatbestand in Nr. 5 als iHa den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtlich sehr bedenklich eingestuft (die hL hält Nr. 5 für verfassungswidrig; vgl. bei Gazeas S. 1685 mwN).
Essenz: zumindest die Problemkreise des Wortlauts der Norm und die Bedenken iHa Nr. 5 und das Bestimmtheitsgebot sollte man in der Prüfung beherrschen. Für deutsche Gerichte könnte sich der konkrete Fall auch noch stellen….Kirsten Dunst besitzt nämlich (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit und „könnte sich vorstellen, mal in Berlin zu leben“. Dann müsste ihr französischer Stalker auch nicht mehr sein Hab und Gut veräußern, um kostspielige Anreisen in die USA zu finanzieren…
Eine Antwort zu “Kirsten Dunst und „ihr“ Stalker”