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Amnesty International: Guantanamo schließen!

6 Jan

Auf der Internetseite von Amnesty International findet sich eine Online-Petition, die am 23. Januar an US-Präsident Obama übergeben werden soll, die ihn zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo auffordert. Diese zu unterzeichnen, dauert keine 30 Sekunden!

Von amnesty.de:

„Am 11. Januar 2002, wenige Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, wurden die ersten Häftlinge in das US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba überführt. Seitdem wurde das Lager weltweit aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen bekannt, darunter willkürliche Festnahmen, geheime Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlung, außerordentliche Überstellungen und unfaire Gerichtsverfahren.

Zehn Jahre später befinden sich noch immer über 150 Gefangene in Guantánamo, der Großteil von ihnen in unbefristeter Haft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Diejenigen, gegen die Anklage erhoben wurde, erhalten ein unfaires Verfahren vor einer Militärkommission, einige von ihnen könnten zum Tode verurteilt werden. Die US-Regierung behält sich das Recht vor, die Häftlinge selbst nach einem Freispruch durch die Militärkommission weiter unbefristet in Gewahrsam zu halten. Mit dem neuen Gesetz über den US-Verteidigungshaushalt 2012 wurden diese Praktiken nun sogar in einem Gesetz festgeschrieben. Die für Folter und andere Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Personen bleiben straflos, und bisher hat kein ehemaliger Häftling eine Entschädigung erhalten.“

Zur Petition

Aus aktuellem Anlass – Das Parteiverbotsverfahren (Art. 21 GG i. V. m §§ 13 I Nr. 2, 43 ff. BVerfGG)

13 Dez

I. Vorbemerkung

Nach der Aufdeckung einer rechtsradikalen terroristischen Vereinigung in Deutschland, die seit gut dreizehn Jahren völlig unbehelligt neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermorden und einen Polizisten lebensgefährlich verletzen sowie einen schweren Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße, einer Einkaufsstraße, in welcher sich hauptsächlich Geschäfte von türkischstämmigen Einwanderern befinden, mit zweiundzwanzig z. T. Schwerverletzten verüben konnten, wird in der Politik aber auch in der breiten Öffentlichkeit erneut über ein Parteiverbotsverfahren gem. Art. 21 GG i. V. m §§ 13 I Nr. 2, 43 ff. BVerfGG der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) vor dem Bundesverfassungsgericht diskutiert. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gab es bisher drei Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, wobei zwei erfolgreich waren und ein Drittes scheiterte. Das Erste 1952 (BVerfGE 2, 1 ff.) gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) und das Zweite 1956 (BVerfGE 5, 85 ff.) gegen die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) waren erfolgreich. Das Dritte (BVerfGE 107, 339 ff.)  von 2001 bis 2003 gegen die NPD war aus Zulässigkeitsgründen erfolglos. Daher sollen an dieser Stelle einmal das Verfahren eines Parteiverbotes vor dem Bundesverfassungsgericht und die materiellen Voraussetzungen, die zu einem Parteiverbot führen können, vorgestellt werden.

II. Einleitung eines Verbotsverfahrens

Nach Art. 21 II 2 GG entscheidet über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei allein das Bundesverfassungsgericht. Antragsberechtigt für ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sind nach Art. 21 III GG i. V. m. § 43 BVerfGG der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung (§ 43 I BVerfGG). Eine Landesregierung nur, wenn der Antrag sich gegen eine Landespartei richtet (§ 43 II BVerfGG). Der Antragsgegner muss eine politische Partei im Sinne der Begriffsbestimmung von § 2 PartG sein. Handelt es sich indes nicht um eine politische Partei i. S. v. § 2 PartG, so steht der jeweiligen Verbotsbehörde nach Art. 9 II GG i. V. m. § 3 II VereinsG die Befugnis zu die Vereine zu verbieten, wenn deren Zwecke oder Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten. Dies sind die Landesinnenminister oder der Bundesminister des Inneren. Der Verbotsantrag darf nicht formlos erfolgen. Es bedarf eines schriftlichen Antrages mit Begründung und die Benennung derjenigen Beweismittel, die nach Auffassung des Antragstellers die Verfassungswidrigkeit erweisen (§ 23 I BVerfGG).

In dem dann beginnenden Vorverfahren gibt das Bundesverfassungsgericht dem Vertretungsberechtigten der betroffenen Partei, dem Vorstand (§ 44 BVerfGG i. V. m. § 11 PartG), binnen einer bestimmten Frist, Gelegenheit zur Äußerung und beschließt dann, ob der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist (§ 44 BVerfGG).

III. Begründetheit des Verbotsverfahrens

Nach Art. 21 II 1 GG ist der Antrag begründet und eine Partei dann verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die freiheitliche demokratische Grundordnung i.S.d. Art. 21 II GG lässt sich nach dem Bundesverfassungsgericht „als eine Ordnung bestimmen, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem jeweiligen Willen der Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“ (BVerfGE 2, 1 [12 f.]), wobei zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung mindestens zu rechnen sind: „die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition“ (BVerfGE 2, 1 [13]; siehe auch BVerfGE 2, 1 [Leitsatz Nr. 2]).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt indes eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch nicht vor, wenn eine Partei diese Prinzipien nicht anerkennt, diese ablehnt oder ihnen andere Prinzipien entgegensetzt. Hinzukommen muss zusätzlich eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung der Partei gegenüber der bestehenden Ordnung, wobei sie den Willen besitzen muss erkennbar planvoll vorgehend das Funktionieren dieser Ordnung zu beeinträchtigen und im weiteren Verlauf zu beseitigen (BVerfGE 5, 85 [141 f.]).

Unter dem Bestand der Bundesrepublik Deutschland ist ihre territoriale Unversehrtheit und ihre politische Unabhängigkeit zu verstehen.

Ob die von einem Verbotsantrag betroffene Partei letztendlich, ausgehend vom Wortlaut des Art. 21 II 1 GG darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen oder ihren Bestand zu gefährden, richtet sich nach den in der Gegenwart nachweisbaren Zielen der Partei. Die Ziele der Partei ergeben sich dabei in der Regel aus dem Parteiprogramm, den sonstigen parteiamtlichen Erklärungen, den Schriften der von der Partei als maßgebend anerkannten Autoren über die politische Ideologie der Partei, den Reden der führenden Funktionäre, aus dem in der Partei verwendeten Schulungs- und Propagandamaterial, sowie aus den von ihr herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften (BVerfGE 5, 85 [144]), wobei heutzutage auch die von der betroffenen Partei in den neuen Medien, vor allem im Internet, verbreiteten und von ihr zu verantwortenden Inhalte und Beiträge in Websides, Newsletters, Blogs etc. zu zählen sind. Indes sind auch geheime Zielsetzungen mit in die Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einzubeziehen (BVerfGE 2, 1 [20]; 5, 85 [144]) Daneben kann aber auch das Verhalten der Parteiorgane und der Anhänger der Partei ausschlaggebend sein. Wobei als Parteianhänger nicht nur die Mitglieder der Partei zu verstehen sind, sondern auch diejenigen Personen, die sich offen zu der Partei bekennen, sich mit ihren Zielen identifizieren und sich damit für sie einsetzen (vgl. BVerfGE 5, 85 [144]).

IV. Wirkungen eines Parteiverbots

Die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei muss gem. §§ 13 Nr. 2, 15 IV 1 BVerfGG, divergierend vom Regelfall, nicht mit einer einfachen Mehrheit der Mitglieder des zuständigen Senats, sondern mit einer 2/3 Mehrheit der Senatsmitglieder getroffen werden. Diese qualifizierte Mehrheit von sechs Senatsmitgliedern gilt im Übrigen auch für die im Vorverfahren zu treffende Entscheidung, dass der Antrag zulässig und hinreichend begründet und deshalb die Verhandlung durchzuführen ist (BVerfGE 107, 339 [357]).

Bestätigt sich der Verbotsantrag letztendlich als begründet, so stellt das Bundesverfassungsgericht nach § 46 I BVerfGG fest, dass die Partei verfassungswidrig ist. Indes kann die Feststellung auf einen rechtlich oder organisatorisch Teil der Partei beschränkt werden (§ 46 II BVerfGG). Nach § 46 III 1 BVerfGG sind mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit die Auflösung oder des selbstständigen Teils der Partei und das Verbot eine Ersatzorganisation zu schaffen, zu verbinden. Das Bundesverfassungsgericht kann nach § 46 III 2 BVerfGG ferner – dies steht aber in seinem Ermessen – die Einziehung des Vermögens der verbotenen Partei oder des verbotenen selbständigen Teils zugunsten des Bundes oder eines Landes, sofern es sich um eine Landespartei gehandelt hat, zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen.

In einem nachfolgenden Beitrag wird anhand des ablehnenden Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG 107, 339) zum Verbot der NPD der Frage nachgegangen, wie und unter welchen Voraussetzungen ein erneuter Verbotsantrag gegen die NPD erfolgreich sein kann.

Kirsten Dunst und „ihr“ Stalker

12 Dez

Stein des Anstoßes für diesen Beitrag war der Artikel auf Spiegel Online, indem geschildert wurde, wie die Schauspielerin Kirsten Dunst sich „erfolgreich“ gegen einen Stalker vor einem Gericht in Los Angeles (USA) wehrte. Im Wesentlichen ging es um ein Verbot, sich Dunst auf ca. 100 Metren räumlich zu nähern.

Ich nehme diesen Vorgang zum Anlass, auf den deutschen Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) hinzuweisen. Dieser steht im 18. Abschnitt des BT und ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 lit. b) JAG NW (theoretisch) tauglicher Prüfungsstoff in der ersten Prüfung. Insbesondere in mündlichen Prüfungen dürften sich Fragen anbieten, die auf der Schnittstelle von Straf- und Verfassungsrecht liegen, da der Tatbestand entsprechende Probleme aufweist, die auch ohne vertiefte Kenntnisse durch Auslegung ermittelt werden können.

Das Wichtigste ist zunächst natürlich die Lektüre der Vorschrift. § 238 StGB beschreibt in Abs. 1 recht vielgestaltig Verhaltensweisen, welche das „typische“ Stalking darstellen. So heißt es auch in dem SpOn-Beitrag, Dunst wurde mit „50 Briefen bombardiert“ und mindestens fünf mal habe der Stalker in einem Auto vor ihrer Haustür gewartet, bzw. Dunst´Mutter vor deren Haustüre abgepasst. Da der Straftatbestand sich als Instrument zur Flankierung des zivilrechtlichen Schutzes vor Nachstellungen (vgl. etwa Gewaltschutzgesetz) versteht, reicht die Vornahme der dort beschriebenen Handlungen allerdings noch nicht aus. Problematisch ist insbesondere, dass die Tathandlungen bisweilen für sich genommen zunächst einmal nicht sozial inadäquat erscheinen (sich irgendwo aufhalten; Telefonieren; SMS versenden etc.). Daher müssen diese Handlungen „unbefugt“ und „beharrlich“ vorgenommenen werden. Der Täter muss also eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag legen, was im Einzelfall zu eruieren sein dürfte; eine wiederholte Tatbegehung ist demnach Voraussetzung, aber nicht alleine ausreichend. Zudem müssen die Tathandlungen bei dem Opfer zu einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ führen. Dass diese Formulierung der Ausfüllung bedarf ist klar. Fraglich ist, was darunter zu verstehen ist? Maßgeblich soll die Opfersicht sein. Hier soll den Ausschlag geben, dass eine überdurchschnittliche Belästigung vorliegt. Nicht ausreichend sollen regelmäßig hinzunehmende und bloß belästigende Beeinträchtigungen sein….hier ist die Argumentation am Einzelfall gefragt.

Überaus problematisch ist in diesem Zusammenhang auch § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB (eine andere vergleichbare Handlung). Bei dieser Formulierung deutet sich ein Konflikt mit dem für das Strafrecht so bedeutsamen Bestimmtheitsgrundsatz an. Empfehlenswert ist hier die Lektüre des Beschlusses des BGH aus dem November 2009 (mit zust. Anm von Gazeas; NJW 2010, 1680ff.). In dieser Entscheidung hat der BGH sich erstmals zum § 238 StGB geäußert und in einem obiter dictum den Auffangtatbestand in Nr. 5 als iHa den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtlich sehr bedenklich eingestuft (die hL hält Nr. 5 für verfassungswidrig; vgl. bei Gazeas S. 1685 mwN).

Essenz: zumindest die Problemkreise des Wortlauts der Norm und die Bedenken iHa Nr. 5 und das Bestimmtheitsgebot sollte man in der Prüfung beherrschen. Für deutsche Gerichte könnte sich der konkrete Fall auch noch stellen….Kirsten Dunst besitzt nämlich (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit und „könnte sich vorstellen, mal in Berlin zu leben“. Dann müsste ihr französischer Stalker auch nicht mehr sein Hab und Gut veräußern, um kostspielige Anreisen in die USA zu finanzieren…

Mumia Abu-Jamal und das Bundesverfassungsgericht

8 Dez

Der wegen Mordes an einem Polizisten vor 30 Jahren zum Tode verurteilte US-Amerikaner und von seinen Unterstützern als politischer Häftling angesehene Mumia Abu-Jamal wird, nachdem der zuständige Staatsanwalt erklärt hat, nicht mehr auf der Todesstrafe zu bestehen, nun nicht mehr hingerichtet werden, sondern eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung („life without parole“) verbüßen.

Neben der Todesstrafe wäre in Deutschland auch eine solche Freiheitsstrafe ohne jede Möglichkeit jemals wieder in Freiheit zu gelangen verfassungswidrig. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1977 (BVerfGE 45, 187) entschieden. Danach gehört „zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs […], daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Denn “ein menschenwürdiger Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe [ist] nur dann sichergestellt ist, wenn der Verurteilte eine konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance hat, zu einem späteren Zeitpunkt die Freiheit wiedergewinnen zu können; […] der Kern der Menschenwürde wird getroffen, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung, seine Freiheit wiederzuerlangen, aufgeben muß.“ Aus dem Rechtsstaatsprinzip folge, dass allein die Möglichkeit einer Begnadigung nicht genügt, um der lebenslangen Freiheitsstrafe den Verstoß gegen die Menschenwürde zu nehmen. Denn die Entscheidung für oder gegen eine Begnadigung erfolgt nach freiem Ermessen und ist nicht justiziabel. Vielmehr müssten die Voraussetzungen für eine mögliche Freilassung gesetzlich geregelt werden. Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit § 57a StGB nachgekommen, der eine Aussetzung des Strafrests vorsieht, wenn der Verurteilte mindestens 15 Jahre verbüßt hat, keine besondere Schwere der Schuld vorliegt, von dem Verurteilten keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht und er der Freilassung zustimmt (ob letzterer Punkt jemals problematisch ist?).

In Anbetracht der Tatsache, dass Abu-Jamal kein „normaler Häftling“ ist, sondern zur Galionsfigur des Kampfes gegen die Todesstrafe und Rassendiskriminierung avanciert ist, sei noch auf einen Artikel von Spiegel Online hingewiesen, der sich mit dem Phänomen befasst, dass Weiße in den Vereinigten Staaten viermal häufiger begnadigt werden als Menschen anderer Hautfarbe.

Der Stolz der Griechen: Makedonien vs. Mazedonien

5 Dez

Der Internationale Gerichtshof hat heute über den kurios anmutende Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien entschieden, über den Michael Martens in der FAZ (Ausgabe vom 5.10.2011, Seite 10) schreibt. Griechenland wirft Mazedonien Irredentismus in Bezug auf die griechische Region Makedonien mit deren Hauptstadt Thessaloniki vor, dass Mazedonien sich diese Region also einverleiben wolle. Dies hat zu  skurrilen Auswüchsen geführt.

So durfte Mazedonien den Vereinten Nationen nicht als „Mazedonien“, sondern laut der Sicherheitsresolution 817 nur als „Former Yugoslav Republic of Macedonia“ („Fyrom“) beitreten und belegte Griechenland Mazedonien 1994 mit einem 18 Monate dauernden Handelsembargo, das Mazedonien empfindlich traf und das nur mit Hilfe eines unter internationalen Vermittlungen zustande gekommenen Abkommens beigelegt werden konnte. Unter dem Namen „Fyrom“ durfte Mazedonien der OSZE, dem Europarat, dem Programm „Partnerschaft für Frieden“ und anderen Organisationen beitreten. Gegen den – von den übrigen Mitgliedsstaaten begrüßten! – Beitritt zur Nato opponiert Griechenland jedoch – wie auch gegen einen EU-Beitritt – bis heute. In dieser Blockade NATO sah Mazedonien einen Verstoß gegen das genannte Abkommen.

Heute nun hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschieden, dass der Widerspruch gegen den NATO-Beitritt Mazedoniens einen Verstoß gegen das Abkommen von 1994 darstellt, das Griechenland – verkürzt – verpflichtet, Mazedonien keine Steine in den Weg zu legen, sofern es Internationalen Organisationen nicht als Mazedonien, sondern als Fyrom beitritt. Griechenland muss diese Haltung also aufgeben und man darf wohl davon ausgehen, dass einem NATO-Beitritt Mazedoniens nichts mehr im Wege steht und Griechenland sich nun anderen Themen zuwenden kann.

Ö-Recht-Basics: Teil II – Die Verhältnismäßigkeit

3 Dez

Jeder kennt sie, doch vielen Studenten gelingt gerade in den ersten Semestern die saubere Prüfung nicht. Dabei kann die Verhältnismäßigkeit einen wesentlichen Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Klausur bilden, sodass ein sicheres Vorgehen im Rahmen dieser Prüfung von Vorteil ist.

I. Herleitung
Die Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zwar umstritten, es reicht jedoch grundsätzlich der Hinweis hierauf und die kurze Nennung der Ansichten, da es im Ergebnis unstreitig ist, dass sie zu prüfen ist. Zum Teil wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus spezialgesetzlich geregelten Fällen wie § 2 PolG NRW oder § 15 OGB NRW hergeleitet. Andere ziehen diesen Gedanken aus der Wirkung der Grundrechte. Vorzugswürdig nach meiner Ansicht erscheint es jedoch, das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG herzuleiten.
II. Grundüberlegung
Zu hinterfragen ist zunächst, zwischen welchen Faktoren überhaupt eine Verhältnismäßigkeit bestehen muss. Oftmals wird es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln, die durch ein bestimmtes Mittel charakterisiert ist und auf die Erreichung eines erstrebten Zweckes gerichtet ist.
III. Zweck 
Zunächst ist daher isoliert zu hinterfragen, welchen Zweck die öffentliche Hand mit ihrer Vorgehensweise verfolgt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass dem Gesetzgeber bei de Zwecksetzung ein gewisser Entscheidungsspielraum zugute kommt, sodass der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichtes beschränkt ist.
III. Mittel
Anschließend ist das Mittel zur Erreichung des erstrebten Zweckes näher zu betrachten und zu benennen. Dabei kann die öffentliche Hand auf eine Vielzahl von Mitteln zurückgreifen (Verwaltungsakt, Gesetz, schlichtes Verwaltungshandeln,…), die jedoch anhand des konkret zu betrachtenden Einzelfalls individualisiert werden müssen.
IV. Verhältnismäßigkeit 
Im Rahmen der anschließenden Prüfung ist nun das Verhältnis von Zweck und Mittel anhand des konkreten Falls zu erörtern.

1. Geeignetheit
Das Mittel ist zur Erreichung des erstrebten Zweckes geeignet, sofern es zumindest der Förderung des anvisierten Ziels dienen kann. Es muss eine generelle Tauglichkeit des Mittels vorliegen, die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung zu erhöhen. Dem Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang ein Recht auf prognostischen Irrtum eingeräumt, was dem weiten Entscheidungsspielraum bei der Zwecksetzung entspricht, sodass die Geeignetheit nur bei offensichtlicher Untauglichkeit zu verneinen ist.

2. Erforderlichkeit

Ferner muss das gewählte Mittel auch erforderlich sein, den konkreten Zweck zu erreichen. Erforderlich ist das Mittel dann, wenn es von mehreren gleich geeigneten Mittel den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten belastet. Man spricht insofern auch von einem Interventionsminimum, dass die öffentliche Hand als Maßstab berücksichtigen soll. Ziel ist es, der öffentlichen Gewalt die Pflicht aufzuerlegen, bei der Wahl des Mittels behutsam und bedacht vorzugehen und den Betroffenen nicht über das notwendige Maß hinaus zu belasten.

3. Angemessenheit

Schließlich mündet die Prüfung in der Beurteilung der Beurteilung der Angemessenheit des Mittels im Hinblick auf den erstrebten Zweck. Das eingesetzte Mittel darf nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen. Besonders wichtig ist auch hier, konkret am Fall zu argumentieren und die Umstände des Einzelfalls hinreichend in der Argumentation zu berücksichtigen. Ziel ist es, eine Berücksichtigung der Interessen und Rechte (z.B. auch Grundrechte) des Betroffenen zu gewährleisten.

V. ACHTUNG: „Verhältnismäßigkeit“ bei gebundenen Entscheidungen?
Sind die Voraussetzungen eines bestimmten Tatbestands gegeben, so ergibt sich bei gebundenen Entscheidungen die Rechtsfolge in der Regel aus der einschlägigen Vorschrift. So sieht beispielsweise § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG NRW  vor, dass die Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes  zu untersagen ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
Im Einzelfall kann und muss hiervon jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die einschlägige Vorschrift nur eine typisierende Betrachtung zugrunde legt und nicht allen im konkreten Einzelfall bestehenden Gegebenheiten gerecht wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht und ist vor allem dann zu erwägen, wenn das Gesetz selbst ergreifbare Minusmaßnahmen vorsieht.
§ 5 GastG NRW selbst sieht die Möglichkeit vor, dem Gaststättengewerbebetreiber nachträglich Auflagen aufzuerlegen, sodass im Einzelfall die Erteilung von Auflagen der Rücknahme der Erlaubnis aus gründen der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen ist.

Einheitspackung bei Zigaretten – Tabakkonzern verklagt Regierung

24 Nov

Die Zeitung „Handelsblatt“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 22.11.2011, dass der bekannte Tabak-Konzern Philip Morris International eine milliardenschwere Schadensersatzklage gegen Australien erheben will. Hintergrund dieses Vorhabens ist die Tatsache, dass das Land erst eine Woche zuvor ein Gesetz beschlossen hatte, nach dem den Konzernen die freie Gestaltung der Zigarettenschachteln untersagt und Einheitspackungen eingeführt werden sollen. Die Rede ist von olivgrünen Hüllen, die mit großen Warnhinweisen und abschreckenden Bildern versehen werden sollen. Zur Unterscheidbarkeit der einzelnen Marken soll lediglich ein einfacher Schriftzug dienen.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass die EU-Kommission über ähnliche Vorhaben nachdenkt, empfiehlt es sich im Hinblick auf die Vorbereitung für das Staatsexamen,  bisherige Tendenzen des Europäischen Gerichtshofs  zu verinnerlichen. Beispielsweise sollte beachtet werden, dass im europäischen Raum die Richtlinie 2003/33/EG existiert, die der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen dienen soll und zu beachten sein könnte. Zudem empfehle ich auch die Lektüre des aufbereiteten Falles „Tabakwerbeverbot“ (Wollenschläger, Iurratio 2009, 170), den man ebenfalls im Hinblick auf das Europarecht einmal gelesen haben sollte. Dieser berücksichtigt dankenswerterweise auch bereits den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und stellt die Problematik studentenfreundlich dar.

Bierbikes, die 2.: Erlaubnispflichtige Sondernutzung

23 Nov

Im Blog wurden die sog. Bierbikes und die damit einhergehenden rechtlichen Probleme bereits dargestellt (hier); nun hat das OVG Münster entschieden, vgl. Pressemitteilung. Der Betrieb von Bierbikes und Partybikes auf öffentlichen Straßen ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (a.A. Lund, DVBl 2011, 339 abrufbar aus dem Uninetz). Für die mündliche Examensprüfung in nächster Zeit sicherlich ein Favorit.

Ö-Recht-Basics: Teil I – Der Verwaltungsakt

21 Nov

Kaum eine andere Handlungsform wird von der Verwaltung so oft genutzt wie der Verwaltungsakt. Daher ist es für die Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren unerlässlich, sich mit diesem Instrument näher zu beschäftigen. Der folgende Beitrag versucht einige wesentliche Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit in gebotener Kürze darzustellen.

I. Definition

Eine Legaldefinition des Begriffs „Verwaltungsakt“ lässt sich § 35 VwVfG entnehmen. Danach handelt es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die eine hoheitliche Regelung beinhaltet, einen Einzelfall betrifft und Außenwirkung entfaltet.
1. Maßnahme einer Behörde
2. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
3. hoheitliche Regelung
4. Einzelfall
5. Außenwirkung
Probleme können sich unter jeder dieser Voraussetzungen ergeben.

II. Maßnahme einer Behörde

Zunächst muss es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln. Nach dem engen Behördenbegriff ist eine Behörde eine Stelle der Exekutive, die für den Verwaltungsträger nach außen hin tätig wird. Der weite Behördenbegriff, der auch § 1 IV VwVfG zugrunde liegt, umfasst demgegenüber jede Stelle, die Verwaltungstätigkeiten wahrnimmt.

III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 

Hier ist, sofern in der Prüfung nicht bereits geschehen (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Zulässigkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht), der Streit zu verorten, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme (Streitigkeit) handelt. Dies richtet sich in der Regel nach der streitentscheidenden Norm. Nach der vorzugswürdigen Sonderrechtstheorie ist zu hinterfragen, ob die Vorschrift einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (aA: Interessentheorie, Subordinationstheorie).

IV. hoheitliche Regelung

Es müsste sich auch um eine hoheitliche Regelung handeln. Die Maßnahme der Behörde muss auf Setzung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein. Durch den Begriff „hoheitlich“ wird verdeutlicht, dass es sich in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff VwVfG um eine einseitige Regelung handelt. Diese muss ferner verbindlich und abschließend sein. Im Gegensatz zum vorläufigen Verwaltungsakt beinhalten vorbereitende Maßnahmen keine hoheitliche Regelung. Zu unterscheiden ist auch die wiederholenden Verfügung von einem Zweitbescheid. Grundsätzlich liegt eine Regelung vor, sofern ein Gebot oder Verbot durch die Behörde erfolgt.

V. Einzelfall

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist ferner, dass die Maßnahme der Behörde einen Einzelfall regelt. Während Gesetze prinzipiell abstrakt – genrelle Bedeutung haben (abstrakt = für eine Vielzahl von Fällen; generell = für eine Vielzahl von Personen), beansprucht der Urform des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S.1 VwVfG nur konkret – individuelle Wirkung. § 35 S.2 VwVfG geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet die Allgemeinverfügung. Ein Verwaltungsakt liegt hiernach auch vor, wenn ein konrekter Fall geregelt wird, aber eine Vielzahl von Personen betroffen sein können (konkret – generell). Man spricht in diesem Zusammenhang von adressatbezogenen Verfügungen, dinglichen Verwaltungsakten und Benutzungsregelungen.

VI. Außenwirkung

Schließlich besteht auch das Bedürfnis der Außenwirkung. Außenwirkung entfaltet die Regelung, wenn sie an einen außerhalb der Verwaltung Stehenden gerichtet ist. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss als selbstständiges Rechtssubjekt adressiert sein.
Probleme hinsichtlich des Vorliegens der Außenwirkung ergeben sich insbesondere bei Maßnahmen gegenüber einem Beamten. Zu Bejahen ist die Außenwirkung hier, sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist und es sich um einen Statusakt handelt. Man spricht auch vom sogenannten Grundverhältnis. Sofern jedoch das Betriebsverhältnis und damit die Stellung des Beamten innerhalb der Verwaltung betroffen ist, scheidet eine Außenwirkung aus.
Aber auch bei mitwirkungsbedürftigen Maßnahmen stellt sich die Frage, ob die Mitwirkungshandlung der anderen Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, sofern diese eine im Verhältnis zur ersten Behörde inkongruente Prüfung vornimmt und eine Teilregelungsbefugnis innehat.

VII. Wirksamkeit

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich anzunehmen. Ausnahmsweise kann jedoch auch eine Maßnahme, die alle Voraussetzungen des § 35 S.1 VwVfG erfüllt, keinen Verwaltungsakt darstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 II 1 Nr.4 VwGO stellt beispielsweise einen solchen Fall dar. Zwar lässt sich diese ohne weiteres unter § 35 S.1 VwVfG subsumieren. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt wird die Anordnung jedoch nicht mit der Anfechtungsklage gemäß § 113 I 1 VwGO angegriffen, sondern mit der Beschwerde, vgl §§ 144 ff VwGO. Zudem kann die Anordnung anders als ein Verwaltungsakt auch nicht in Bestandskraft erwachsen.
Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt und sprechen auch keine weiteren Einwände gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, muss dieser jedoch wirksam geworden sein. Zu differenzieren sind insoweit die äußere Wirksamkeit, die durch Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG eintritt, und die innere Wirksamkeit, die gegeben ist, sofern der Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen entfaltet. Dass äußere und innere Wirksamkeit zeitlich auseinanderfallen können, lässt sich schon anhand de Beispiels eines bedingten Verwaltungsaktes erläutern, der zum Zeitpunkt A bekannt gegeben wird, seine Rechtswirkungen aber erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritt B entfaltet. Bei Allgemeinverfügungen sind im übrigen Besonderheiten im Rahmen der Bekanntgabe § 41 VwVfG und der Anhörung § 28 VwVfG zu beachten.

VIII. Funktionen

Abschließend soll noch kurz auf die Funktionen eingegangen werden.
Beim Verwaltungsakt handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, die in formeller Bestandskraft erwachsen kann und nur in begrenztem Umfang durch eine gewisse Fehlerempfindlichkeit geprägt ist, vgl. §§ 43, 44 VwVfG.  Regelmäßig ist er Bestandteil des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG und bildet die Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung, vgl § 6 VwVG. Seine prozessrechtliche Bedeutung hat jedoch aufgrund der Vielzahl der Klagemöglichkeiten abgenommen.

„Ö-Recht-Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Verwaltungsrechts verschaffen soll.

Das Bierbike – Partyspaß oder Sondernutzung?

10 Nov

Der Kölner Express titelt „Politik will Bierbikes verbieten“: Ein schöner Anlass sich einmal mit dem Phänomen des „rollenden Partyspaß“ auseinanderzusetzen, das sogar schon für eine kleine Anfrage im Landtag von BaWü gesorgt haben.

Die sog. Bierbikes sind Fahrzeuge mit vier Rädern für bis zu 16 Personen, die sich an einer Art Theke gegenübersitzen. Diese Personen treiben das Gefährt – meist unterlegt mit Musik aus einer Soundanlage – durch Muskelkraft an (Geschwindigkeit max. 6 km/h). Dabei kann Bier konsumiert werden. Das Steuern und Bremsen übernimmt ein Mitarbeiter des Vermieters, der selbst nüchtern bleibt.

Prozessgeschichte um die Bierbikes

Mit Ordnungsverfügung untersagte die Ordnungsbehörde einer Betreiberin sog. Bierbikes die Benutzung auf öffentlichen Straßen. Das VG Düsseldorf wies Klagen gegen Verbotsverfügungen ab. Unter anderem wurde die Begründung mit Hinweisen auf YouTube-Videos (vgl. nur hier) illustriert. Das OVG Münster hat die Berufung im Frühjahr zugelassen; das Urteil wird am 23.11. gesprochen.

Bierbikes als Sondernutzung?

Die Sondernutzung im Straßen- und Wegerecht wird in § 18 Abs. 1 StrWG NRW definiert als die Straßennutzung, die weder Gemeingebrauch noch Anliegergebrauch ist. (Gemeingebrauch oder Sondernutzung? Das bestimmt sich nach der straßenrechtlichen Widmung.) Das Fahren mit dem Bierbike hat Verkehrsbezug, schließlich führt es zu einer Ortsveränderung. Einer Ansicht nach reicht das aus um einen Gemeingebrauch anzunehmen. Diese Ortsveränderung habe für die Teilnehmer der Fahrt einen hinreichend hohen Stellenwert.
Wer ein Bierbike – beispielsweise auf dem Kölner Ring – einmal live und in Aktion gesehen hat, wird an dieser Einschätzung wohl seine Zweifel haben. Meist steht faktisch das Sich-selbst-zur-Schau-stellen und nicht so sehr das Zurücklegen einer Strecke im Vordergrund (auch wenn die Selbstdarstellung auf der Betreiberhomepage mittlerweile anders anmutet). Nun gut: Wenn man also grundsätzlich einen Gemeingebrauch durch die Bierbikes annimmt, darf dieses Verhalten nicht zu einer Beeinträchtigung anderer führen. Wer schon einmal im Berufsverkehr hinter einem solchen Gefährt schleichen musste, wird wohl meinen, dass schon das langsame Tempo für sich genommen eine Beeinträchtigung darstellt. Aber: Im Straßenverkehr gibt es grundsätzlich keine „Mindestgeschwindigkeit“. § 3 Abs. 2 StVO verbietet nur Kraftfahrzeugen ohne triftigen Grund derart langsam zu fahren, dass der Verkehrsfluss behindert wird. Langsames Fahren für sich genommen ist allerdings keinesfalls verboten – wenn es der Bauart des Fahrzeugs immanent ist. Also: Keine übermäßige Beeinträchtigung anderer durch langsames Fahren.

Verbotsverfügung auf Grundlage der Generalklausel § 14 Abs. 1 OBG NRW?

Dafür müsste das Fahren mit dem Bierbike im Straßenverkehr eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen.
Hier bietet sich Diskussionspotential. Hingewiesen sei an dieser Stelle lediglich auf eine mögliche Strafbarkeit der Teilnehmer gemäß § 316 StGB, schließlich wird während der Fahrt Bier konsumiert. Allerdings ist Fahrzeugführer des Bierbikes der nüchterne Mitarbeiter des Betreibers, schließlich lenkt dieser das Gefährt.

Fazit: Wenn man Fahrten mit dem Bierbike als Gemeingebrauch im Straßen- und Wegerecht ansieht, gibt es keine Möglichkeit, ein Verbot durchzusetzen. Denkbar wäre eine ständige Verwaltungspraxis der Ordnungsbehörde, allerdings wäre auch diese gerichtlich voll überprüfbar (Danke Oli :D).
In Köln haben sich als Zielgruppe der Bierbikes wohl Junggesellenabschiede aus dem Umland herausgestellt. Dabei scheint es einen Mallorca-Effekt zu geben: In der fernen Großstadt auf dem Ring „die Sau raus lassen“, es kennt einen schließlich niemand. Als Anwohnerin kann ich persönlich die vom VG Düsseldorf beschriebenen Störungen, welche von Passagieren eines solchen Bierbikes ausgehen nur bestätigen (Grölen, Anpöbeln von Passanten usw.). Dazu sei angemerkt, dass derartiges Verhalten wohl eher auf den Alkoholkonsum denn auf die Nutzung des Bierbikes zurückzuführen ist.

Zur Vertiefung und Vorbereitung auf die mündliche Prüfung sei die Lektüre des Beitrags „Das Bierbike – Nachwuchs bei den Sondernutzungsfällen?“ von Lund, DVBl 2011, 339 empfohlen. Der Autor ist der Ansicht, dass es keine Handhabe der Ordnungsbehörden gegen Bierbikes gibt (alle Argumente konnten an dieser Stelle nicht erwähnt werden). Hier abrufbar aus dem Uninetz.