Ö-Recht-Basics: Teil II – Die Verhältnismäßigkeit

3 Dez

Jeder kennt sie, doch vielen Studenten gelingt gerade in den ersten Semestern die saubere Prüfung nicht. Dabei kann die Verhältnismäßigkeit einen wesentlichen Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Klausur bilden, sodass ein sicheres Vorgehen im Rahmen dieser Prüfung von Vorteil ist.

I. Herleitung
Die Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zwar umstritten, es reicht jedoch grundsätzlich der Hinweis hierauf und die kurze Nennung der Ansichten, da es im Ergebnis unstreitig ist, dass sie zu prüfen ist. Zum Teil wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus spezialgesetzlich geregelten Fällen wie § 2 PolG NRW oder § 15 OGB NRW hergeleitet. Andere ziehen diesen Gedanken aus der Wirkung der Grundrechte. Vorzugswürdig nach meiner Ansicht erscheint es jedoch, das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG herzuleiten.
II. Grundüberlegung
Zu hinterfragen ist zunächst, zwischen welchen Faktoren überhaupt eine Verhältnismäßigkeit bestehen muss. Oftmals wird es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln, die durch ein bestimmtes Mittel charakterisiert ist und auf die Erreichung eines erstrebten Zweckes gerichtet ist.
III. Zweck 
Zunächst ist daher isoliert zu hinterfragen, welchen Zweck die öffentliche Hand mit ihrer Vorgehensweise verfolgt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass dem Gesetzgeber bei de Zwecksetzung ein gewisser Entscheidungsspielraum zugute kommt, sodass der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichtes beschränkt ist.
III. Mittel
Anschließend ist das Mittel zur Erreichung des erstrebten Zweckes näher zu betrachten und zu benennen. Dabei kann die öffentliche Hand auf eine Vielzahl von Mitteln zurückgreifen (Verwaltungsakt, Gesetz, schlichtes Verwaltungshandeln,…), die jedoch anhand des konkret zu betrachtenden Einzelfalls individualisiert werden müssen.
IV. Verhältnismäßigkeit 
Im Rahmen der anschließenden Prüfung ist nun das Verhältnis von Zweck und Mittel anhand des konkreten Falls zu erörtern.

1. Geeignetheit
Das Mittel ist zur Erreichung des erstrebten Zweckes geeignet, sofern es zumindest der Förderung des anvisierten Ziels dienen kann. Es muss eine generelle Tauglichkeit des Mittels vorliegen, die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung zu erhöhen. Dem Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang ein Recht auf prognostischen Irrtum eingeräumt, was dem weiten Entscheidungsspielraum bei der Zwecksetzung entspricht, sodass die Geeignetheit nur bei offensichtlicher Untauglichkeit zu verneinen ist.

2. Erforderlichkeit

Ferner muss das gewählte Mittel auch erforderlich sein, den konkreten Zweck zu erreichen. Erforderlich ist das Mittel dann, wenn es von mehreren gleich geeigneten Mittel den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten belastet. Man spricht insofern auch von einem Interventionsminimum, dass die öffentliche Hand als Maßstab berücksichtigen soll. Ziel ist es, der öffentlichen Gewalt die Pflicht aufzuerlegen, bei der Wahl des Mittels behutsam und bedacht vorzugehen und den Betroffenen nicht über das notwendige Maß hinaus zu belasten.

3. Angemessenheit

Schließlich mündet die Prüfung in der Beurteilung der Beurteilung der Angemessenheit des Mittels im Hinblick auf den erstrebten Zweck. Das eingesetzte Mittel darf nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen. Besonders wichtig ist auch hier, konkret am Fall zu argumentieren und die Umstände des Einzelfalls hinreichend in der Argumentation zu berücksichtigen. Ziel ist es, eine Berücksichtigung der Interessen und Rechte (z.B. auch Grundrechte) des Betroffenen zu gewährleisten.

V. ACHTUNG: „Verhältnismäßigkeit“ bei gebundenen Entscheidungen?
Sind die Voraussetzungen eines bestimmten Tatbestands gegeben, so ergibt sich bei gebundenen Entscheidungen die Rechtsfolge in der Regel aus der einschlägigen Vorschrift. So sieht beispielsweise § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG NRW  vor, dass die Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes  zu untersagen ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
Im Einzelfall kann und muss hiervon jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die einschlägige Vorschrift nur eine typisierende Betrachtung zugrunde legt und nicht allen im konkreten Einzelfall bestehenden Gegebenheiten gerecht wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht und ist vor allem dann zu erwägen, wenn das Gesetz selbst ergreifbare Minusmaßnahmen vorsieht.
§ 5 GastG NRW selbst sieht die Möglichkeit vor, dem Gaststättengewerbebetreiber nachträglich Auflagen aufzuerlegen, sodass im Einzelfall die Erteilung von Auflagen der Rücknahme der Erlaubnis aus gründen der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen ist.
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