Archiv | Ausbildung RSS feed for this section

Verlust des Wahlrechts nach Strafurteil?

1 Nov

Oder anders gefragt: Dürfen Gefängnisinsassen wählen oder gewählt werden? Ein englischer Kollege hat mich darauf hingewiesen, dass dies in Großbritannien, trotz mehrmaliger Ermahnung durch den EGMR, immer noch nicht möglich ist. Zuletzt legte das Straßburger Gericht eine Frist bis zum 22. November fest. Ob sich in England etwas ändern wird, bleibt jedoch unklar.

Wie ist es aber in Deutschland?

Die Antwort gibt uns § 45 StGB, wo der Gesetzgeber eine der Nebenfolgen der Strafe regelt (vgl. auch § 13 Nr. 1 BWahlG):

(1) Wer wegen eines Verbrechens zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen.
(2) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren die in Absatz 1 bezeichneten Fähigkeiten aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht.
(…)
(5) Das Gericht kann dem Verurteilten für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen, soweit das Gesetz es besonders vorsieht.

Nach Abs. 1 verliert man also automatisch für fünf Jahre das Recht, gewählt zu werden, wenn man wegen eines Verbrechens verurteilt wird. Das aktive Wahlrecht, d.h. das Recht zu wählen, wird jedoch nicht per se aberkannt. Dazu müsste zunächst die Aberkennung vom Gesetz ausdrücklich als Nebenstrafe gennant werden. Solche Anordnungen finden sich in den ersten Abschnitten des Besonderen Teils (Staatsschutzdelikte): §§ 92a, 101, 102, 108c, 108e Abs. 2, 109i StGB. In diesen Fällen kann der Richter nach pflichtgemäßem Ermessen das aktive Wahlrecht aberkennen. Anders war dies noch vor dem Ersten Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG), das zum 1. April 1970 in Kraft trat. Gem. § 33 StGB a.F. konnte der Richter die sog. bürgerlichen Rechte aberkennen, wenn eine Zuchthausstrafe verordnet wurde.

An der Wahl nehmen Gefängnisinsassen durch Briefwahl teil, wenn in der Gefängnisanstalt kein Sonderwahlbezirk gebildet wurde.

Tipps zur Examensvorbereitung (Veranstaltungshinweis)

11 Okt
Ein Hinweis auf eine Veranstaltung des CENTRAL, die ich wirklich empfehlen kann, da der Referent in diesem Gebiet mehr als kompetent ist!
22. Oktober 2012
18:00 Uhr bis 19:30 Uhr
Raum S 13 im neuen Seminargebäude am Albertus-Magnus-Platz (gegenüber dem Hauptgebäude)

Referent:
RA Dr. Armin Winnen

Beschreibung:
Eine der wesentlichen Hürden des Studiums der Rechtswissenschaften ist die Examensvorbereitung. Neben einer angemessenen Planung der Vorbereitung steht vor allem das Lernen im Vordergrund. Die Veranstaltung soll aus praktischer Erfahrung Anregungen und Tipps zur Vorbereitung geben.

Um Anmeldung wird gebeten.

Kontakt:

CENTRAL – Center for Transnational Law
Universität zu Köln
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
Tel: 0221 – 470 3773
Fax: 0221 – 470 511
Email: b.kruschinski(at)uni-koeln.deWeitere Veranstaltungen des CENTRAL im WS 2012/13.

Sächsischer Dialekt, verobjektivierter Empfängerhorizont und die Eurokrise – AG Stuttgart – Bad Cannstatt 12 C 3263/11 –

16 Sept

Wie tückisch es sein kann, wenn man unverfälschten Dialekt spricht, zeigt ein Urteil des Amtsgerichts Stuttgart – Bad Cannstatt dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Eine Sächsin wollte in einem Reisebüro in Stuttgart – Bad Cannstatt telefonisch eine Reise nach Porto buchen. Da sie dies in unverfälschtem Sächsisch tat und Porto mit „Bordoo“ aussprach, gab die Reisebüromitarbeiterin eine Reise nach Bordeaux in ihren Computer ein. Auf ihre zweimalige Nachfrage hin, ob die reiselustige Sächsin wirklich nach Bordeaux wolle und diese das bestätigte, buchte die Reisebüromitarbeiterin endgültig eine Reise nach Bordeaux. Als das Reisebüro der Dame dann die schriftliche Reisebestätigung über eine Reise nach Bordeaux statt nach Porto übersandte, wollte diese jedoch nicht zahlen. Das AG Stuttgart-Bad Cannstatt entschied, dass doch ein Reisevertrag zustandegekommen sei und daher Zahlungsanspruch aus §§ 675, 670 BGB bestehe. Es begründete dies entsprechend dem verobjektivierten Empfängerhorizont wie folgt: „Versteht der Empfänger eine undeutlich gesprochene Erklärung falsch, so geht dies grundsätzlich zu Lasten des Erklärenden, der das Risiko dafür trägt, dass der Empfänger seine Worte auch erfassen kann.“

Böse Zungen behaupten nunmehr, dass viele Sachsen zu ihrer Verwunderung in der jemenitischen Hauptstadt Aden landen und nicht, wie eigentlich gewollt, in der griechischen Hauptstadt Athen und dadurch die Eurokrise ausgelöst haben. Daher mein Aufruf: Liebe Sachsen, lernt endlich Hochdeutsch, denn nur so können wir den Euro retten!!! 😉 Weiterlesen

Die Stofffülle – ein Problem der heutigen Juristenausbildung (Gastbeitrag von Studiendekanin Dr. Helga Wessel)

6 Sept

Frau Dr. Wessel ist die Geschäftsführerin der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, wirkt in Gremien auf Fakultäts-, Hochschul- und Landesebene mit und hat umfangreiche Erfahrungen in der Organisation von Studium und Lehre, in der Studienberatung und im Unterricht für Studienanfänger gesammelt.

Liebe Studentin, lieber Student,

haben Sie einen Vater oder Onkel, der in den siebziger oder achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Juristen ausgebildet wurde (oder eine Mutter oder Tante – was unwahrscheinlicher ist, weil auf eine Frau seinerzeit ca. zehn Männer kamen)? Dann drücken Sie ihm oder ihr mal § 11 JAG NRW in die Hand. Den kennen Sie selbst nicht? Sollten Sie aber! Er listet über drei (!) Seiten im Hippel-Rehborn den Pflichtfachstoff auf, dessen Beherrschung von Ihnen im Examen erwartet wird. Ihr Ansprechpartner wird, wenn er halbwegs ehrlich ist, zugeben: Ganze Gebiete wie IPR, Verbraucherschutzrecht, Produkthaftungsrecht sind hinzu gekommen, vom Europarecht ganz zu schweigen. Gestrichen wurde dagegen nichts von dem, was früher schon als wichtig galt.

Anschließend können Sie gemeinsam diskutieren, in welchem Maße sich die zu den verschiedensten Gebieten ergangene Rechtsprechung, die Anzahl der „Meinungen“, der Anmerkungen und Aufsätze, Monographien, Lehrbücher und Kommentare, die Bedeutung der europarechtlichen Implikationen… und, und, und… in den letzten drei, vier Jahrzehnten vervielfacht haben mag. Voraussichtliches Fazit – die heutzutage Studierenden haben, wenn sie in allen Pflichtfächern fit sein wollen, eine deutlich größere Menge an Stoff zu bewältigen als früher.

In Erkenntnis dieser Situation hat das JAG sich durchaus um eine gewisse Eingrenzung des Pflichtfachstoffes bemüht. Es nimmt Zuflucht zu der einschränkenden Formulierung, zum einen oder anderen Rechtsgebiet würden nur Kenntnisse „im Überblick“ verlangt. Das ist eine wohlmeinende, aber für Sie ebenso wie für Lehrende und Prüfende wenig verlässliche Lösung. Auch die zusätzliche, mit Akribie angewandte Methode, aus den wichtigen Gesetzen diejenigen Gebiete zu benennen, die zu den Pflichtfächern gehören sollen und andere Gebiete damit auszugrenzen, scheitert in der Praxis des akademischen Unterrichts wie des Prüfungsgeschehens schon daran, dass die Bezüge zwischen den Teilbereichen, die „dazugehören“ und denen, die nicht dazugehören, vielfältig sind. Einzelne Paragrafen aus dem Pflichtfachkanon herauszuschneiden, bringt insgesamt wenig.

Auch die Vorgabe für die Pflichtfachklausuren, die lautet, sie sollten „…einen rechtlich und tatsächlich einfachen Fall betreffen, der dem Prüfling jedoch Gelegenheit gibt, seine Fähigkeit zur Erörterung von Rechtsfragen darzutun“, ist wenig tragfähig. Beispiele dafür, wie weit die Vorstellungen über einen „einfachen Fall“ auseinandergehen können, kennt jeder.

Alle im Gesetz getroffenen verbalen Einschränkungen sind nicht hinreichend geeignet, die seit Jahrzehnten angewachsene abprüfbare Stofffülle faktisch einzugrenzen und die Angst des Prüflings vor ihr zu verringern. Die Juristenausbildungsreform 2003 hat zu allem Überfluss weiteren Stoff hinzugefügt. Insbesondere tat sie das durch die Einführung der „Schwerpunktbereiche“. Sie übersteigen den Umfang der früheren „Wahlfächer“, wie Ihre Eltern sie kannten, um ein vielfaches. Entsprechend ist das für sie aufzuwendende Arbeitsvolumen nicht zu vergleichen mit dem, das für ein Wahlfach aufzuwenden war. Es kommt zu demjenigen für die Stofffülle der Pflichtfachprüfung hinzu. Dennoch erwartet das JAG, dass Sie die Vorbereitung auf beide Teile der Prüfung „in der Regel“ in der gleichen Zeit schaffen wie vor der Reform.

Gibt es eine Lösung?

Jeder Gesprächspartner, der sein Examen mehr als ein paar Monate hinter sich hat, wird Ihnen gestehen, dass er nicht mehr in allen Pflichtfächern fit ist. Weil das selbst bei brillanten Juristen so ist – und niemand das schlimm findet – spricht aus meiner Sicht wenig dafür, an der Angst machenden Gesamt-Prüfung über alle Gebiete des Rechts festzuhalten. Insbesondere würde ich Ihnen, liebe Studierende, wünschen, dass die unnatürliche Klausursituation der Lösung von konstruierten „Lebenssachverhalten“ ohne jedes im wirklichen Leben selbstverständliche Hilfsmittel seine Dominanz verlöre. Sie werden in Ihrem Berufsleben niemals einen „Fall“ in exakt fünf Stunden ohne Nachfrage zum Sachverhalt, ohne Diskussion mit einem Kollegen, ohne Blick in einen Kommentar lösen müssen. Das wird ausschließlich in der ersten Prüfung (und in hunderten Stunden zuvor, in denen Sie beim kommerziellen Repetitor oder im universitären Klausurenkurs eben dies trainieren), von Ihnen verlangt.

Wenigstens teilweise wäre Abhilfe geschaffen, wenn in der ersten Prüfung die Benutzung von Kommentaren wie im 2. Examen erlaubt würde. Der auf den Prüflingen lastende fachliche (und psychische) Druck ließe sich nach meiner Überzeugung damit deutlich verringern.

Wir an der Universität können das allerdings nicht für Sie regeln – das wäre Sache des Gesetz- oder des Verordnungsgebers. Denn die Pflichtfachprüfung ist nach wie vor staatliche Prüfung.

Aber lesen Sie ruhig noch einmal im JAG! Programmatisch steht da der schöne Satz:„Die Prüfung soll zeigen, dass der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann und über die hierzu erforderlichen Rechtskenntnisse in den Prüfungsfächern… verfügt.“ Das hört sich so an, als seien Kenntnisse nicht das Wichtigste, und ermutigt immerhin zum Nachdenken darüber, welche (Lehr-? Lern-?)methoden dem Erfassen „des Rechts“ besonders dienlich sein könnten und wie man „Verständnis“ abprüfen kann. Durch einen allgemeinen Bewusstseinswandel, der darauf hinausliefe, noch stärker juristische Kernkompetenzen und deutlich weniger Einzelwissen zu lehren, zu lernen und zu bewerten, wäre wahrscheinlich auch das Problem der anwachsenden Stofffülle in den Griff zu bekommen.

Grenzüberschreitende Umwandlung einer Gesellschaft und die Niederlassungsfreiheit

3 Aug

Der Entscheidung des EuGH vom 12.07.2012 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine italienische Gesellschaft beantragte ihre Löschung aus dem Handelsregister in Rom, da sie ihren Sitz und ihre Geschäftstätigkeit nach Ungarn verlegen wollte. Nach Löschung in Rom und Neugründung einer Gesellschaft (in ungarischer Gesellschaftsform) beantragte der gesetzliche Vertreter beim ungarischen Handelsregister die Eintragung unter Hinweis der Rechtsvorgängerschaft. Dieser Antrag wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass eine in Italien gegründete und eingetragene Gesellschaft nicht nach Ungarn verlegt und als Rechtsvorgängerin in das ungarische Handelsregister eingetragen werden könne.

 Trotz der Tatsache, dass das Europarecht derzeit noch eher eine seltenere Materie des 1. Staatsexamens darstellt, kann die künftige Bedeutung dieses Rechtsgebiets kaum unterschätzt werden. Daher sollen die wesentlichen materiell-rechtlichen Punkte des Urteils im Folgenden kurz dargestellt werden.

1. Niederlassungsfreiheit Art. 49, 54 AEUV

Unter dem Begriff der Niederlassung versteht man grundsätzlich die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit.

Damit die Niederlassungsfreiheit in „persönlicher Hinsicht“ auch auf juristische Personen der Mitgliedstaaten angewandt werden kann, muss diese gemäß Art. 54 Abs. 1 AEUV ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben. Zudem muss es sich gemäß Art. 54 Abs. 2 AEUV um eine Gesellschaft handeln, die einen Erwerbszweck verfolgen.

In „sachlicher Hinsicht“ gewährleistet Art. 49 AEUV die sekundäre Niederlassungsfreiheit. Juristische Personen haben hiernach grundsätzlich das Recht, Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften zu gründen. Nicht vom Schutzbereich des Art. 49 AEUV erfasst ist die primäre Niederlassungsfreiheit in dem Sinne, dass jede beliebige, in einem Mitgliedsstaat der EU anerkannte Gesellschaftsform als Gründungsform in einem anderen Mitgliedstaat gewählt werden könne. Es sei insofern darauf hingewiesen, dass eine Gesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH nur vermittels der nationalen Rechtsvorschriften existiert, die für ihre Gründung und Funktionsweise maßgebend sind. Damit eine mitgliedstaatliche Gesellschaftsform in Deutschland anerkannt wird, muss diese Gesellschaft auch noch in dem entsprechenden Mitgliedstaat anerkannt sein.

Der vorliegende Fall tangierte diese Problematik jedoch nicht. Da es sich um die Umwandlung einer italienischen Gesellschaft in eine ungarische Gesellschaft handelte, wurde weder in die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats noch in die von ihm vorzunehmende Festlegung der Regeln für die Gründung und die Funktionsweise der aus einer grenzüberschreitenden Umwandlung hervorgehenden Gesellschaft eingegriffen. Die Gesellschaft unterliegt vielmehr allein dem innerstaatlichem Recht des Aufnahmemitgliedstaats (Ungarn), das die erforderliche Anknüpfung wie auch die Gründung und die Funktionsweise der Gesellschaft regelt.

Im Ergebnis handelt es sich daher bei Umwandlungen von Gesellschaften um derartige wirtschaftliche Tätigkeiten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV beachten müssen.

2. grenzüberschreitender Bezug

Es darf sich zudem nicht um einen rein nationalen Sachverhalt gehandelt haben, damit die Vorschriften der Art. 49 und 54 AEUV anwendbar sind. Dies könnte allein fraglich sein, wenn man bedenkt, dass es sich um die Gründung einer ungarischen Gesellschaft und der alleinigen Ausübung der Geschäftstätigkeit in Ungarn handelt. Zu beachten ist jedoch, dass der Sachverhalt insofern einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, als dass es sich um eine Umwandlung von einer italienischen in eine ungarische Gesellschaft handelt und der Gesellschaft der Eintrag ins Handelsregister unter Vermerk der Rechtsvorgängerschaft verwehrt wird.

3. Bereichsausnahme gemäß Art. 51 AEUV

Da die von der Gesellschaft ausgeübte Tätigkeit nicht dauernd oder zumindest zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden war, griff die Bereichsausnahme des Art. 51 AEUV nicht ein.

4. Eingriff in den Schutzbereich

Bei der Verweigerung der Eintragung ins Handelsregister mit dem Vermerk der Rechtsvorgängerschaft der Gesellschaft müsste es sich zudem um einen Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit handeln. Da die ungarische Gesetzeslage lediglich die Umwandlung nationaler Gesellschaften vorsieht, die ihren Sitz schon in Ungarn haben, begründet diese Regelung nach Ansicht des EuGH eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften je nachdem, ob es sich um eine innerstaatliche oder grenzüberschreitende Umwandlung handelt. Dieser Eingriff ist auch grundsätzlich geeignet, Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten, von ihrer im AEUV verorteten Niederlassungsrecht Gebrauch zu machen.

5. Rechtfertigung

Der Eingriff könnte dadurch gerechtfertigt sein, dass die grenzüberschreitende Umwandlung spezifische Konsequenzen wie die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen mit sich bringt. Dass eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Fehlens vereinheitlichten Unionsrechts gerechtfertigt sein soll, erscheint jedoch angesichts der Bedeutung der Niederlassungsfreiheit fraglich. Auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls wie der Schutz der Gläubigerinteressen, Minderheitsgesellschafter oder Arbeitnehmer, die Wahrung der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen oder die Lauterkeit des Handelsverkehrs kommen nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn der Eingriff zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur ihrer Erreichung erforderlich ist. Dies ist jedoch bereits vor dem Hintergrund abzulehnen, dass es einer generellen Ablehnung grenzüberschreitender Umwandlungen nicht bedurft hätte, sodass es an der Erforderlichkeit mangelt.

6.  Weiteres

Im Übrigen ist zu beachten, dass der Aufnahmemitgliedstaat grundsätzlich befugt ist, das für grenzüberschreitende Umwandlungen geltende Recht festzulegen und anzuwenden, dabei jedoch den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz zu beachten hat, nach denen grenzüberschreitende Umwandlungen nicht anders behandelt werden dürfen als innerstaatliche Umwandlungen („wenn eine solche Eintragung der Vorgängergesellschaft im Handelsregister bei innerstaatlichen Umwandlungen vorgesehen ist“).

Kölner Linkliste ist online!

17 Jul

Spätenstens beim Schreiben der ersten Hausarbeit merkt man, wie mühselig es ist, Literatur zusammen zu suchen. Jedoch haben viele Verlage in den letzten Jahren viele Zeitschriften und Bücher online gestellt. Das gilt sogar für Großkommentare, wie den Leipziger Kommentar zum StGB oder den Staudinger zum BGB. Normalerweise nur gegen ein Entgelt abrufbar, ist der Zugang an der Universität zu Köln – und wohl auch an den meisten anderen Universitäten – für Studenten und Mitarbeiter kostenlos. Nachteil des Ganzen ist aber, dass es bisher keine einheitliche Onlineliste für deutschsprachige Literatur existiert (Die USB bietet lediglich eine globale Liste an).

Das soll sich mit der „Kölner Linkliste“, die vor allem für die Kölner Studenten gedacht ist, ändern. Ab heute ist die vorläufige Version online und über wissmit.com/kl oder oben unter dem Menü „Kölner Linkliste“ zu erreichen. Beachtet werden sollte, dass die Links grundsätzlich nur vom Kölner Campus aus oder dem VPN zu erreichen sind (siehe Erläuterungen).

In den nächsten Wochen werden wir Euch die verschieden Datenbanken und Zeitschriften und die Recherchemöglichkeiten darstellen.

Eure Meinung ist wie immer gefragt!

Verleihung des Osborne Clarke – Promotionspreises für Internationales Recht an Frau Dr. Helene Bubrowski und Herrn Dr. Björn Jan Schiffbauer

13 Jul

Am 21. Juni 2012 wurde der Osborne Clarke – Promotionspreis für Internationales Recht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zu Köln im Rahmen einer angemessenen akademischen Feier verliehen. Dieser Preis, der zum dritten Mal von der Kölner Depandance der vor 250 Jahren gegründeten englischen Kanzlei Osborne Clarke, verliehen wurde, ging in diesem Jahr an Frau Dr. Helene Bubrowski und Herrn Dr. Björn Schiffbauer. Beide Preisträger hatten sich unter insgesamt sechs Mitbewerbern nach einer Art „Schiedsverfahren“ durchgesetzt. Frau Dr. Bubrowski erhielt den Preis für ihre Arbeit über „Das Verhältnis zwischen internationalen Investitionsschiedsverfahren und nationalen Gerichtsverfahren“ und Herr Dr. Schiffbauer für seine Arbeit über „Vorbeugende Selbstverteidigung im Völkerrecht. Eine systematische Ermittlung des gegenwärtigen friedenssicherungsrechtlichen Besitzstandes aus völkerrechtsdogmatischer und praxisanalytischer Sicht.“ Den Festvortrag hielt Herr Prof. Dr. Matthias Herdegen, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Direktor am Institut für Völkerrecht der Universität Bonn zu dem Thema „Internationales Wirtschaftsrecht, Rationalität und Good Governance“

Die Laudatio auf die beiden Preisträger hielten ihre jeweiligen „Doktorväter“ in jeweils sehr bewegenden Ansprachen, wobei Herr Prof. Dr. Kempen, Leiter des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, als „Doktorvater“ Frau Dr. Bubrowski coram publico den eindringlichen Antrag unterbreitete ihm weiterhin als Habilitandin und Mitarbeiterin seinem Institut erhalten zu bleiben und Herr Prof. Dr. Kreß bekannt gab, dass sein doktorväterlicher Antrag bereits Früchte getragen habe und Herr Dr. Schiffbauer ihm weiterhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Aufbau des am 26. April 2012 gegründeten Institute for International Peace and Security Law erhalten bleibe. Gerade diese letztere Ankündigung erfreut uns, das Redaktions- und Autorenteam von wissmit.com, besonders, da der von uns menschlich und wissenschaftlich sehr geschätzte Kollege Dr. Schiffbauer damit auch mittelbar weiterhin dem Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht erhalten bleibt. Beide Laudatoren wiesen weiter darauf hin, dass die beiden Preisträger mit ihren Arbeiten Neuland auf ihren jeweiligen Forschungsgebieten betreten haben und ihre Arbeiten daher wegweisend für die weitere Forschung sein werden.

Beiden Preisträgern sei an dieser Stelle noch einmal ein ganz herzlicher Glückwunsch zu dieser zusätzlichen akademischen Anerkennung ihrer hervorragenden Promotionsarbeiten ausgesprochen.

Im Rahmen der Verleihung des Osborne Clarke-Promotionspreises wurden ferner die erfolgreichen Moot Court Teams der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln geehrt. Alle Teams, die in den Wettbewerben des Wilhelm C. Vis Moot Court, des Manfred Lachs Moot Court und des Telders International Law Moot Court vorderste Plätze belegt haben, ist es unter anderem, nach der Laudatio unserer Dekanin Frau Prof. Dr. B. Grunwald, zu verdanken, dass die Universität zu Köln nunmehr mit zu den Exzellenzuniversitäten in Deutschland gehört. Daher auch an dieser Stelle einen ganz herzlichen Glückwunsch an alle erfolgreichen Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieser Wettbewerbe.

Im Kopf des Korrektors

6 Jul

Anmerkung zu Frenzel, Die Korrektur der Klausur und ihr Wert – eine Handreichung für Studenten und Korrektoren, ZJS 2011, 327.

Bei der Aufarbeitung einiger Aufsätze (die, die man sich unbedingt noch durchlesen wollte) fiel mir der Aufsatz (mit einem vielversprechenden Titel) von Frenzel in die Hände. Für Studenten kann ich die Lektüre nur empfehlen. Es wird einerseits vielschichtig argumentiert, warum man sich auf jeden Fall (!) mit einer Korrektur auseinander setzen sollte (S. 328f.), aber auch wie (S. 329). Vor allem bei Letzterem ist man als Student manchmal hilflos, unabhängig von der Qualität der Korrektur und des Lösungsvorschlages. Schließlich ist aus der Sicht des Korrektors erfreulich, dass der Verfasser in dessen Welt, mit ihren Zeit- und Sachproblemen einführt (S. 329f.).

Worauf aber Frenzel leider nicht eingeht, was aber für die Beziehung zwischen Klausurbearbeiter und -korrektor bedeutend ist, ist die Psychologie des Letzteren. Es existieren nämlich einige Regeln, die bei entsprechender Betrachtung sich positiv auf den Korrektor und damit auch auf die Endnote auswirken können.

1. Form

Das sollte man eigentlich schon in der Schule gelernt haben. Eine Klausur sollte sauber gegliedert sein (z.B: für das Strafrecht: Tatkomplexe, Delikte etc., die mit A., I., 1., a. etc. beginnen). Zwischenüberschriften sind nie verkehrt (obj. Tatbestand, subj. Tatbestand). Auch mit Absätzen sollte man nicht geizen. Sie helfen dem Leser der Gedankenstruktur zu folgen. Und übrigens, der Gutachtenstil gilt nicht nur für das erste Semester. Schließlich sollte auch stets der Korrekturrand eingehalten und die Rückseite des Blattes nicht beschrieben werden.

2. Schlüsselbegriffe

Wie Frenzel zutreffend festgestellt hat, unterstreicht der Korrektor gerne, oder setzt Häckchen (S. 330f.). Am liebsten macht er das, wenn er die Schlüsselbegriffe liest („gekreuzte Mordmerkmale“, „beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit“, „Adressatentheorie“). Dies vermittelt ihm das unbewusste Gefühl, dass die Klausur im Kielwasser der Lösung fährt und manch Ungenauigkeit wird dann milder bewertet. Am erfolgreichsten wirkt sich dies auf den müden und genervten Korrektor aus.

3. Drama, Baby!

Es gibt nicht schlimmeres, als immer dieselben Sätze und Ausführungen zu lesen. Dieser Déjà-vu Effekt wirkt sich verständlicherweise negativ auf die Laune und Aufmerksamkeit des Korrektors und damit auch auf die Bewertung aus. Darum sollte der Klausurbearbeiter stets auf den Spannungsbogen achten. Dies gilt vor allem für Schwerpunkte der Klausur und Meinungsstreitigkeiten. Der Korrektor sollte langsam zum Problem hingeführt werden und mit Sätzen wie „grundsätzlich würde die Voraussetzungen vorliegen“ Spannung aufbauen. Der Leser würde idealerweise mitfiebern und sich fragen, ob der Bearbeiter das Problem noch erkennen wird. Und dann kommt die Klimax und der Bearbeiter breitet das Problem souverän aus. Darum sollte man auch beim Meinungsstreit auf den richtigen Aufbau achten (z.B. schwächste Argumente zuerst), aber das kennt man ja auch aus der Mittelstufe, oder…?

Diese Hinweise können zwar Wissenslücken nicht kaschieren, aber zumindest den Korrektor glücklich machen und für ein paar Punkte mehr sorgen.

How to… (III): Wie nutze ich ein Fallbuch richtig?

25 Jun

Da sich Literaturempfehlungen in Vorlesungen meist auf Lehrbücher beschränken, wird von Studenten in den begleitenden Arbeitsgemeinschaften oft nach einem „guten Fallbuch“ gefragt. Ich lasse mir vor einer Antwort grundsätzlich kurz die Erwartungen bzw. die Lerntaktik des AG-Teilnehmers schildern. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Arbeit mit bzw. das Lernen an Fällen nur dann zielführend ist, wenn die Übungsfälle auch richtig eingesetzt werden.

Der richtige Umgang beginnt mit der richtigen Herangehensweise. Ein Fallbuch sollte nicht als vergleichsweise unterhaltsames Lehrbuch verstanden werden. Die Anschaulichkeit der Fälle (gerade im Strafrecht) darf nicht dazu verleiten, das Buch wie einen Roman durchzuschmökern. In der Selbstkontrolle kann der Student meist den Sachverhalt wiedergeben, die rechtliche Bewertung erschöpft sich allerdings oft in der Benennung der Klausurprobleme – ohne diese hinterher selbstständig lösen zu können. Ergiebige Arbeit mit einem Fallbuch sollte sich aber nicht nur im Erkennen spezieller Probleme während der Lektüre erschöpfen, sondern gleichberechtigt auch eine gelungene Darstellungsweise vermitteln. Viele Studenten können Meinungsstreitigkeiten auswendig. Sollen diese aber in ein Gutachten selbstständig eingebunden werden, herrscht Unsicherheit (diese beginnt teilweise schon bei der Überlegung, an welchem Tatbestandsmerkmal eine Diskussion relevant wird). Deshalb sollte die Arbeit mit Fällen mit dem Lernen am Lehrbuch kombiniert werden: Das Fallbuch zeigt idealerweise die Darstellung des abstrakten Problems aus dem Lehrbuch im Ernstfall. Diese Leistung wird vom Bearbeiter schließlich auch in der Abschlussklausur gefordert. Das sollte bei der Arbeit mit dem Fallbuch immer im Kopf bleiben.

Sehr lehrreich ist – bezogen auf das Strafrecht – m.E. jedenfalls das Klausurtraining Strafrecht von Kindhäuser/Schumann/Lubig, das bald in der 2. Auflage erscheint. Nachteil für Studenten im Grundstudium: Der Prüfungsstoff wird kombiniert behandelt. So wird die Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB etwa an den Raubdelikten erörtert. Wenn im zweiten Semester die Mittäterschaft besprochen wird, sind die Raubtatbestände den Studenten aber noch unbekannt.
Für das erste und zweite Semester kann ich Seier, Die Anfängerklausur im Strafrecht, 1. Aufl. 2010 empfehlen. Hier ist der Stoff auf den Allgemeinen Teil beschränkt und mit wertvollen Hinweisen versehen.
Umfassender ist dagegen Valerius, Einführung in den Gutachtenstil, 1. Aufl. 2005. Hier werden Fälle aus allen drei Rechtsgebieten bearbeitet und die Darstellungsweise steht im Vordergrung.

Bereits erschienen:
Wie kommuniziere ich mit einem Dozenten?
Wie reagiere ich auf die Frage „Du studierst doch Jura?!“
Themenvorschläge per Mail jederzeit gerne.

Der 17-jährige Ray heißt Robin und ist 20 Jahre alt

19 Jun

Zugegeben, die Überschrift ist etwas verwirrend, und genauso verwirrend war die Geschichte, die der sogenannte „Waldjunge“ den Berliner Behörden aufgetischt hat. Nachdem seine Mutter gestorben sei, habe er mit seinem Vater fünf Jahre lang im Wald gelebt, und nachdem sein Vater gestorben sei habe er ihn im Wald begraben und sei nach Berlin gewandert. Dort ist er dann im Roten Rathaus vorstellig geworden. Er kenne nur seinen Namen (Ray) und sein Alter (17) − und die genannte Geschichte. Deutsch konnte er nur bruchstückhaft und sprach fast ausschließlich Englisch. An der Klärung seiner Herkunft schien er kein Interesse zu haben. Nun hat sich aber ein früherer Freund gemeldet und Ray (17) aus ??? als Robin (20) aus Hengelo (NL) erkannt.

Laut Spiegel Online muss sich Robin deshalb unter Umständen strafrechtlich wegen „Erschleichens von sozialen Leistungen“ verantworten. Er war nämlich in den Genuss eines Betreuten Wohnens, eines Deutschkurses und 240 € „Taschengeld“ gekommen. Da es einen Tatbestand des „Erschleichens von sozialen Leistungen“ aber nicht gibt, kommt hier eine Strafbarkeit wegen Betrugs in Betracht. Wenn man die Tatbestandsvoraussetzungen einmal durchmustert, scheint sie unproblematisch gegeben. Doch stellt sich hier − einmal mehr − die Frage nach der „Opfer“mitverantwortung, also hier der Mitwirkung der zuständigen Behörde. Denn, dass die (im wahrsten Sinne des Wortes) abenteuerliche Geschichte höchtswahrschinlich nicht stimmt, drängt sich jedem sofort auf, zumal sich „Ray“ während Befragungen immer wieder in Widersprüche verstrickte. Man könnte deshalb argumentieren, dass sich hauptsächlich das Risiko realisiert hat, das die Behörden durch ihre Blauäugigkeit gesetzt haben. Sicher, der Betrugstatbestand soll auch den Naiven schützen, aber irgendwann muss auch für die naivste Behörde der Welt das Ende der Fahnenstange erreicht sein: Ray hatte, als er nach fünf Jahren aus dem Wald kam, gepflegte Fingernägel, geschnittene Haare und saubere Kleidung…