Archiv | November, 2011

Bierbikes, die 2.: Erlaubnispflichtige Sondernutzung

23 Nov

Im Blog wurden die sog. Bierbikes und die damit einhergehenden rechtlichen Probleme bereits dargestellt (hier); nun hat das OVG Münster entschieden, vgl. Pressemitteilung. Der Betrieb von Bierbikes und Partybikes auf öffentlichen Straßen ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (a.A. Lund, DVBl 2011, 339 abrufbar aus dem Uninetz). Für die mündliche Examensprüfung in nächster Zeit sicherlich ein Favorit.

Einstellung des Guttenberg-Verfahrens – Darf die Staatsanwaltschaft das?

23 Nov

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof gegen Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde gemäß §153a Abs. 1 StPO eingestellt, obwohl 23 Verstoße gegen § 106 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) festgestellt wurden (Der Verdacht auf Untreue oder Betrug wurde nicht bestätigt). Jedoch hat Guttenberg gem. § 153a Abs.1 Nr 2., 1.Alt. StPO einen Geldbetrag zugunsten der deutschen Kinderkrebshilfe geleistet (siehe auch hier, hier, hier und hier).

Schluss. Aus. Vorbei. Es wird keine Hauptverhandlung gegen ihn geben!

(Bild.de)

1. Stimmt das? Liegen die Voraussetzungen des § 153a StPO vor?

Grundsätzlich ist die Staatanwaltschaft bei Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte: 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet zu ermitteln (Legalitätsprinzip). Kommt es zum hinreichenden Tatverdacht, wird Klage erhoben (§ 170 Abs. 1 StPO). Andernfalls wird das Verfahren nach § 170 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt. Daneben kann die Staatsnawaltanschaft, nach pflichtgemäßen Ermessen, unter bestimmten Voraussetzungen das Verfahren nach den §§ 153ff. StPO einstellen (Opportunitätsprinzip). Eine Möglichkeit bietet die Verfahrenseinstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a Abs. 1 StPO. Folgende Voraussetzungen müssten vorliegen:

a) keine vorherige Klagerhebung (sonst Abs. 2): hier (+)

b) hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB): hier (+), s.o.

c) keine entgegenstehende Schwere der Schuld: hier hat die StA großen Spielraum, daher Bejahung vertretbar.

d) Geeignetheit der Auflagen das öffentliche Interesse zu beseitigen: hier str. (vertretbare Lösung auf juraexamen.info)

e) Zustimmung des Gerichts: hier AG Hof (+)

f) Zustimmung des Beschuldigten (kein Schuldeingetändnis!): hier (+)

Wenn die Voraussetzungen vorliegen und der Beschuldigte die angeordnete Auflage erfüllt, so kann die Tat als Vergehen nicht mehr verfolgt werden gem. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO (beschränkter Strafklageverbrauch). Guttenberg hat laut StA Hof die Zahlung getätigt und damit konnte sie das Verfahren nach § 153a Abs. 1 S. 1 StPO endgültig einstellen.

2. Ist eine Hauptverhandlung nicht mehr möglich?

Theoretisch ist die Wiederaufnahme des Verfahrens möglich, wenn die selbe Tat ein Verbrechen darstellen sollte (arg. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO). Deswegen spricht man auch von beschränktem Strafklageverbrauch. Ein Vebrechen liegt im vorliegenden Fall sicherlich nicht vor (ein gewerbsmäßiger Bandenbetrug nach § 263 Abs. 5 StGB scheidet eindeutig aus).

3. Welche anderen Möglichkeiten hatte die Staatsanwaltschaft?

Nach § 170 Abs. 2 StPO konnte wegen des hinreichenden Tatverdachts (s.o.) nicht eingestellt werden. Ob mangelnde Geringfügkeit und fehelndes öffentliches Interesse nach § 153 StPO bejaht werden kann, ist fraglich (dabei ist zu beachten, dass bei Vorliegen von öff. Interesse nur § 153a StPO zur Anwendung kommt). Die Voraussetzungen der §§ 153b ff. StPO liegen ebenfalls nicht vor. Damit hatte die StA Hof als Alternative nur noch die Klageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO.

Zur Kritik an § 153a StPO siehe Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 14 Rn. 14.

Quo vadis „Quo Vadis?“?

22 Nov

„Quo vadis?“ Diese Frage stellen Juristen sich oder besser gesagt allem möglichen andauernd. Es handelt sich dabei − so glaube ich − um die meistverwendete Floskel in Aufsatztiteln, und eine Recherche bei Juris ergibt sage und schreibe 659 (in Worten: sechshundertneunundfünfzig!) Treffer. Beispiele?

– Public cloud – quo vadis?

– Quo vadis Testamentsvollstreckervergütung?

– Europa – Quo vadis?

– Quo vadis Mediation?

– Reserven nach § 340 f. HGB quo vadis?

– Quo vadis, Sevilla-Prozess?

– E-Bilanz – Buchführung quo vadis?

– Quo Vadis – Flugunfalluntersuchung?

– Mehrwertsteuer – quo vadis?

– Jugendarrestvollzug: Quo vadis?

– Abgrenzung Arzneimittel/Kosmetische Mittel – Quo vadis?

– Quo vadis Selbstverwaltung der Justiz?

– Grenzgänger in die Schweiz – quo vadis? (Vermutlich in die Schweiz, d.Verf.)

Ö-Recht-Basics: Teil I – Der Verwaltungsakt

21 Nov

Kaum eine andere Handlungsform wird von der Verwaltung so oft genutzt wie der Verwaltungsakt. Daher ist es für die Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren unerlässlich, sich mit diesem Instrument näher zu beschäftigen. Der folgende Beitrag versucht einige wesentliche Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit in gebotener Kürze darzustellen.

I. Definition

Eine Legaldefinition des Begriffs „Verwaltungsakt“ lässt sich § 35 VwVfG entnehmen. Danach handelt es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die eine hoheitliche Regelung beinhaltet, einen Einzelfall betrifft und Außenwirkung entfaltet.
1. Maßnahme einer Behörde
2. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
3. hoheitliche Regelung
4. Einzelfall
5. Außenwirkung
Probleme können sich unter jeder dieser Voraussetzungen ergeben.

II. Maßnahme einer Behörde

Zunächst muss es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln. Nach dem engen Behördenbegriff ist eine Behörde eine Stelle der Exekutive, die für den Verwaltungsträger nach außen hin tätig wird. Der weite Behördenbegriff, der auch § 1 IV VwVfG zugrunde liegt, umfasst demgegenüber jede Stelle, die Verwaltungstätigkeiten wahrnimmt.

III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 

Hier ist, sofern in der Prüfung nicht bereits geschehen (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Zulässigkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht), der Streit zu verorten, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme (Streitigkeit) handelt. Dies richtet sich in der Regel nach der streitentscheidenden Norm. Nach der vorzugswürdigen Sonderrechtstheorie ist zu hinterfragen, ob die Vorschrift einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (aA: Interessentheorie, Subordinationstheorie).

IV. hoheitliche Regelung

Es müsste sich auch um eine hoheitliche Regelung handeln. Die Maßnahme der Behörde muss auf Setzung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein. Durch den Begriff „hoheitlich“ wird verdeutlicht, dass es sich in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff VwVfG um eine einseitige Regelung handelt. Diese muss ferner verbindlich und abschließend sein. Im Gegensatz zum vorläufigen Verwaltungsakt beinhalten vorbereitende Maßnahmen keine hoheitliche Regelung. Zu unterscheiden ist auch die wiederholenden Verfügung von einem Zweitbescheid. Grundsätzlich liegt eine Regelung vor, sofern ein Gebot oder Verbot durch die Behörde erfolgt.

V. Einzelfall

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist ferner, dass die Maßnahme der Behörde einen Einzelfall regelt. Während Gesetze prinzipiell abstrakt – genrelle Bedeutung haben (abstrakt = für eine Vielzahl von Fällen; generell = für eine Vielzahl von Personen), beansprucht der Urform des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S.1 VwVfG nur konkret – individuelle Wirkung. § 35 S.2 VwVfG geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet die Allgemeinverfügung. Ein Verwaltungsakt liegt hiernach auch vor, wenn ein konrekter Fall geregelt wird, aber eine Vielzahl von Personen betroffen sein können (konkret – generell). Man spricht in diesem Zusammenhang von adressatbezogenen Verfügungen, dinglichen Verwaltungsakten und Benutzungsregelungen.

VI. Außenwirkung

Schließlich besteht auch das Bedürfnis der Außenwirkung. Außenwirkung entfaltet die Regelung, wenn sie an einen außerhalb der Verwaltung Stehenden gerichtet ist. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss als selbstständiges Rechtssubjekt adressiert sein.
Probleme hinsichtlich des Vorliegens der Außenwirkung ergeben sich insbesondere bei Maßnahmen gegenüber einem Beamten. Zu Bejahen ist die Außenwirkung hier, sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist und es sich um einen Statusakt handelt. Man spricht auch vom sogenannten Grundverhältnis. Sofern jedoch das Betriebsverhältnis und damit die Stellung des Beamten innerhalb der Verwaltung betroffen ist, scheidet eine Außenwirkung aus.
Aber auch bei mitwirkungsbedürftigen Maßnahmen stellt sich die Frage, ob die Mitwirkungshandlung der anderen Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, sofern diese eine im Verhältnis zur ersten Behörde inkongruente Prüfung vornimmt und eine Teilregelungsbefugnis innehat.

VII. Wirksamkeit

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich anzunehmen. Ausnahmsweise kann jedoch auch eine Maßnahme, die alle Voraussetzungen des § 35 S.1 VwVfG erfüllt, keinen Verwaltungsakt darstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 II 1 Nr.4 VwGO stellt beispielsweise einen solchen Fall dar. Zwar lässt sich diese ohne weiteres unter § 35 S.1 VwVfG subsumieren. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt wird die Anordnung jedoch nicht mit der Anfechtungsklage gemäß § 113 I 1 VwGO angegriffen, sondern mit der Beschwerde, vgl §§ 144 ff VwGO. Zudem kann die Anordnung anders als ein Verwaltungsakt auch nicht in Bestandskraft erwachsen.
Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt und sprechen auch keine weiteren Einwände gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, muss dieser jedoch wirksam geworden sein. Zu differenzieren sind insoweit die äußere Wirksamkeit, die durch Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG eintritt, und die innere Wirksamkeit, die gegeben ist, sofern der Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen entfaltet. Dass äußere und innere Wirksamkeit zeitlich auseinanderfallen können, lässt sich schon anhand de Beispiels eines bedingten Verwaltungsaktes erläutern, der zum Zeitpunkt A bekannt gegeben wird, seine Rechtswirkungen aber erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritt B entfaltet. Bei Allgemeinverfügungen sind im übrigen Besonderheiten im Rahmen der Bekanntgabe § 41 VwVfG und der Anhörung § 28 VwVfG zu beachten.

VIII. Funktionen

Abschließend soll noch kurz auf die Funktionen eingegangen werden.
Beim Verwaltungsakt handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, die in formeller Bestandskraft erwachsen kann und nur in begrenztem Umfang durch eine gewisse Fehlerempfindlichkeit geprägt ist, vgl. §§ 43, 44 VwVfG.  Regelmäßig ist er Bestandteil des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG und bildet die Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung, vgl § 6 VwVG. Seine prozessrechtliche Bedeutung hat jedoch aufgrund der Vielzahl der Klagemöglichkeiten abgenommen.

„Ö-Recht-Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Verwaltungsrechts verschaffen soll.

Aus aktuellem Anlass: Die Kronzeugenregelung (kurz und knapp)

20 Nov

Das einzige noch lebende mutmaßliche Mitglied der Zwickauer Zelle – Beate Z. – sitzt zur Zeit in Köln Ossendorf in Untersuchungshaft. Diskutiert wird – vgl. nur hier – die Möglichkeit einer Aussage als Kronzeugin. Der 2009 in Kraft getretene § 46b StGB regelt die „Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten“ und ist die zentrale Norm in der Diskussion.

Aber was bedeutet die sog. Kronzeugenregelung in § 46b StGB?

§ 46b StGB regelt zwei Konstellationen: In den Genuss von § 46b StGB können zunächst alle Täter (darüber hinaus auch Teilnehmer) kommen, die eine Straftat begangen haben, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist.
1. Aufklärungsvariante: Die Kronzeugenangaben tragen wesentlich zur Aufklärung einer Straftat nach § 100a Abs. 2 StPO (Katalogtaten: Aufklärung/Verhinderung durch Kronzeugenwissen nach Willen des Gesetzgebers besonders zu honorieren) bei.
2. Präventionsvariante: Die Kronzeugenangaben tragen dazu bei, dass eine solche Straftat verhindert wird. Die Wissensoffenbarung muss sich auf eine bereits geplante Katalogtat beziehen.

§ 46b Abs. 3 StGB enthält eine Präklusionsvorschrift: In den Genuss der Strafrahmenverschiebung kommt nur, wer seine Aussage vor Eröffnung des Hauptverfahrens macht (ansonsten kommt nur eine Milderung nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht: zB strafmilderne Wirkung des Geständnisses). Zwar ist es nicht erforderlich, dass gegen den Täter bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, wenn er sein Wissen mitteilt (auch der „Aussteiger“ ist erfasst). Die Präklusionsvorschrift des § 46b Abs. 3 StGB bietet den Strafverfolgungsbehörden einen erweiterten Überprüfungszeitrau, schließlich soll eine Strafmilderung nur bei hilfreichen Kronzeugenangaben zur Anwendung kommen (zudem wird so eine Kollision mit der Verständigung nach § 257c StPO vermieden; diese kann erst in der Hauptverhandlung erfolgen). Das Zeitfenster für Kronzeugenangeben ist deshalb streng begrenzt. Eine Verständigung kann erst nach Gebrauch der Kronzeugenregelung erfolgen. Zudem garantiert der Verweis auf § 207 StPO dem Kronzeugen die Möglichkeit, mit seiner Aussage so lange zu warten, bis sein Verteidiger Akteneinsicht hatte (vgl. § 147 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Dies eröffnet die Möglichkeit, die Wahrscheinlichkeit seiner Verurteilung selbst abschätzen zu können.

Rechtsfolge

Rechtsfolge ist eine fakultative Strafmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB (mit Sonderregelung für die lebenslange Freiheitsstrafe) bzw. auch ein Absehen von Strafe.
Bei lebenslanger Freiheitsstrafe tritt an die Stelle der dort vorgesehenen Untergrenze von 3 Jahren eine Mindeststrafe von 10 Jahren tritt. Hat der Täter eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 3 Jahren zu erwarten, so kann auch gänzlich von Strafe abgesehen werden (ggf. Einstellung des Verfahrens nach § 153b StPO).

Bedenken gegen die Kronzeugenregelung:

1. Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
Täter schwerer Straftaten und in organisierter Kriminalität verstrickte Personen kommen in den Genuss einer Strafrahmenverschiebung (oder gar eines Absehens von Strafe), andere Täter nicht.
Aber: Sachlicher Grund durch den Bezug auf die Katalogtaten, § 100a Abs. 2 StPO.

2. Nemo tenetur

Unzulässiger Druck zur frühzeitigen Selbstbelastung des Beschuldigten durch die Präklusionsklausel, schließlich droht im Falle des Schweigens der Verlust einer Vergünstigung?
Aber: Frühzeitiges Handeln (z.B. Geständnis, Täter-Opfer-Ausgleich) wird im Rahmen der Strafzumessung stärker honoriert, als späteres Handeln. § 46b StGB erweitert in diesem Zusammenhang den Handlungsspielraum.

Fazit:

Die BILD-Zeitung titelt: „Nazi-Terroristin Beate Z. – Kommt sie mit zehn Jahren davon?“
Darunter: „Wie BILD am SONNTAG aus Ermittlerkreisen erfuhr, will Beate Z. dazu aber nur aussagen, wenn ihr zuvor als Kronzeugin Strafmilderung zugesichert wird!“
Schweigen steht ihr als Beschuldigte grundsätzlich zu; nicht der Täter droht mit der Verweigerung der Aussage, sondern das Gesetz bietet die Möglichkeit, eine – geeignete – Aussage zu honorieren.

„Möglich, dass sich ein Richter auf den Deal einlässt. Denn die Fahnder brauchen die Hilfe der Frau, um das ganze Ausmaß der Taten rekonstruieren zu können. Und, noch dringender, um mögliche weitere Mitglieder der braunen Terrorzelle zu finden.“
Ist mit dem Begriff „Deal“ die Verständigung nach § 257c StPO gemeint, so wurde bereits dargestellt, dass Kronzeugenregelung und Verständigung zwei unterschiedliche Phasen des Verfahrens betreffen.

Bei Interesse sei die Lektüre von Leipold, NJW-Spezial, 2009, 776 (mit dem bezeichnenden Titel: „Es soll ihr Schaden nicht sein!“ – Die neue Kronzeugenregelung) empfohlen.

„Juristische Kuriositäten – Ein Spaziergang durch den Paragrafendschungel“

20 Nov

Gibt es im BGB einen Paragraphen, der keine Überschrift enthält? Vermutlich würde dies jeder in Zweifel ziehen. Doch es gibt Ihn: § 1588 BGB. Verwunderlich, nicht wahr. Ebenso verwunderlich mutet wohl eine Vorschrift an, die zwar nicht aufgehoben wurde, jedoch auch keinerlei Regelung mehr enthielt. Auch dieses Phänomen entspringt nicht einer unbekümmerten Fantasie. Nein. Auch die Realität der Gesetzgebung bringt Kuriositäten zum Vorschein, die stellenweise sehr abenteuerlich sind, eines nachvollziehbaren Gedankens jedoch entbehren. § 58 SGB V, der den Beitrag für Zahnersatz regelte, stellte vom 21.12.2004 bis zum 31.12.2004 eine – so möchte man es zurückhaltend formulieren – substanziell entleerte Fassade dar, war ihr in diesem Zeitraum kein Regelungsgehalt zu entnehmen.

Für die Wissenschaft vermag ein Beitrag, der sich mit solchen Aspekten des Rechts beschäftigt, wohl – ohne dem Autor damit seine Leistung in Abrede zu stellen – von minderer Bedeutung sein. Der Student, der jedoch im Paragraphendickicht umherirrt und meint, die Bürde wie Atlas zu tragen, dürfte durchaus ein gewisses Interesse an einer Ablenkung hegen. Wer daher weitere Kuriositäten des Rechts kennen lernen möchte, dem empfehle ich den Beitrag von Hamann – „Juristische Kuriositäten – Ein Spaziergang durch den Paragrafendschungel“ – in der NJW 2009, 727 ff (Link nur im Uninetz bei Beck verfügbar !).

Zivilrecht Basics: Teil I – Die Willenserklärung

18 Nov

Kaum ein anderes Element ist in der Zivilrechtslehre von ähnlicher Bedeutung wie die Willenserklärung. Umso wichtiger erscheint es daher, sich bereits frühzeitig mit den Basics dieser Materie zu befassen, um den Grundpfeiler für eine erfolgreiche Zivilrechtsklausur zu setzen. Der folgende Beitrag befasst sich folglich mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Merkmale und Problemkreise dieses Bereichs.

I. Definition

Bei einer Willenserklärung handelt es sich um eine nach außen gerichtete Willensäußerung, die auf die Erzielung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist, deren Erreichung in der Regel nach dem Parteiwillen auch erstrebt wird. Abzugrenzen hiervon sind geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Bei diesen tritt die Rechtsfolge nicht aufgrund des Parteiwillens, sondern kraft Gesetzes ein. Die Mahnung im Rahmen des § 286 I BGB stellt beispielsweise nach h.M. eine geschäftsähnliche Handlung dar, da der Verzug qua Gesetz begründet wird.

II. Bedeutung

Willenserklärungen erfolgen wie erörtert in der Regel, weil eine bestimmte Rechtsfolge erstrebt wird. Im besonderen Teil des Schuldrechts finden sich Regelungen zu einer Vielzahl unterschiedlichster Vertragstypen. Ein Vertragsabschluss basiert häufig auf zwei inhaltlich kongruenten Willenserklärungen – Angebot und Annahme §§ 145 ff BGB.

III. Angebot

Bei einem Angebot iSd § 145 BGB handelt es sich um eine wirksame Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages – hier Kaufvertrag – gerichtet ist. Es empfiehlt sich, nach folgendem Prüfungsschema das Vorliegen eines wirksamen Angebots zu ergründen.

1. Vorliegen einer Willenserklärung

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

1. Vorliegen einer Willenserklärung

Ob einer Willenserklärung überhaupt vorliegt, hängt von einem Zusammenspiel objektiver Gegebenheiten und subjektiver Elemente ab:

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

Voraussetzung ist zunächst, dass der Antragende objektiv ein Erklärungszeichen gesetzt hat. Dies wird in der Regel bei einer Äußerung oder einem bestimmten Zeichen (z.B. Handzeichen bei einer Versteigerung) der Fall sein. Zudem muss dieses Erklärungszeichen auf den Willen hindeuten, sich rechtlich binden zu wollen. Der Erklärungsempfänger muss objektiv davon ausgehen dürfen, dass der Erklärende eine Verbindlichkeit eingehen will. Der Erklärende selbst bedarf demgegenüber zunächst des Willens, eine Handlung vorzunehmen. Dies wird nur in Ausnahmefällen – man denke an Hypnose oder auch möglicherweise Reflexhandlungen – abzulehnen sein. Fraglich ist, welche Voraussetzungen an das Erklärungsbewusstsein des Antragenden zu stellen sind. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob dem Erklärenden tatsächlich bewusst sein muss, eine rechtserhebliche Handlung vorzunehmen. Die herrschende Meinung plädiert dafür, lediglich ein potentielles Erklärungsbewusstsein zu verlangen. Demnach liegt das Erklärungsbewusstsein bereits dann vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Handlung gedeutet wird und werden kann. Der Verkehr ist vorrangig zu schützen, sofern dem Erklärenden ein „Vorwurf“ zu machen ist. Dieser steht zudem nicht schutzlos dar, da er sich jederzeit die Anfechtung der Willenserklärung (§ 119 I 2.Alt BGB analog) in Betracht ziehen kann. Schließlich muss der Erklärende den Willen haben, das konkrete Geschäft vorzunehmen. Gegeben dem Fall, dass der Geschäftswille nicht vorliegt, steht dies der Bejahung einer Willenserklärung jedoch nicht entgegen.

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

Das bloße Vorliegen einer Willenserklärung kann jedoch keinen Vertragsabschluss begründen, sofern diese nicht wirksam ist. Wirksamkeit erlangt die Willenserklärung, wenn sie abgegeben und dem Empfänger zugegangen ist und keine Wirksamkeitshindernisse bestehen. Zu differenzieren ist hier zwischen verkörperten und nicht verkörperten Willenseklärungen und zwischen der Abgabe der Willenserklärung gegenüber An- oder Abwesenden. Die Willenserklärung ist grundsätzlich abgegeben, wenn sie willentlich so in den Rechtsverkehr in Richtung des Empfängers entäußert wurde, sodass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann. Zugegangen ist die Willenserklärung demgegenüber dann, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis vom Hinhalt erlangen kann, § 130 I 1 BGB. Der Wirksamkeit könnte ein Widerruf des Angebots gemäß § 130 I 2 BGB entgegenstehen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser vor oder zeitgleich mit dem Angebot eingehen muss. Es kommt insofern nicht auf die Kenntnisnahme, sondern auf den tatsächlichen Zugang an. Insofern liegt auch kein Widerruf vor, wenn dieser zwar vor dem eigentlichen Angebot zur Kenntnis genommen wird, aber grundsätzlich erst später zugegangen ist. Bezüglich der Wirksamkeit der Willenserklärung ist ferner § 131 BGB zu beachten, der sich mit der Problematik befasst, dass der eigentliche Erklärungsempfänger ein beschränkt Geschäftsfähiger im Sinne der §§ 2, 106 BGB ist. Das Versterben des Erklärenden beziehungsweise das Eintreten der Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe des Angebots steht dessen Wirksamkeit gemäß § 130 II BGB nicht entgegen.

IV. Annahme

Da es sich bei der Annahme gemäß § 147 BGB ebenfalls um eine Willenserklärung handelt, können vorstehende Erörterungen hierauf übertragen werden. Lediglich kleine Ergänzungen sind zu beachten:

1. Vorliegen einer Willenserklärung

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

a. Abgabe
b. Zugang § 130 I 1 BGB
c. kein Widerruf § 130 I 2 BGB

3. Annahmefähigkeit §153 BGB

4. rechtzeitige Annahme § 147 ff BGB

5. inhaltliche Kongruenz der Willenserklärungen (Übereinstimmung)

1. Annahmefähigkeit

§ 153 BGB stellt klar, dass das Versterben des Antragenden bzw dessen zwischenzeitige Geschäftsunfähigkeit der Annahme des Angebots in der Regel nicht entgegensteht, sofern nicht ausnahmsweise der Wille des Antragenden hierfür spricht.

2. Rechtzeitigkeit der Annahme

Grundsätzlich hat die Annahme des Angebots gemäß § 147 I BGB gegenüber Anwesenden sofort zu erfolgen, gemäß § 147 II BGB gegenüber Abwesenden nach einer bestimmten Frist, in der die Annahme zu erwarten ist. Was man unter „regelmäßig“ versteht, orientiert sich nicht zuletzt an dem eingeschlagenen Kommunikationsweg (Korrespondenz der Erklärungsmittel).

3. Inhaltliche Kongruenz

Schließlich ist Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages, dass Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorschriften der §§ 154, 155 BGB (Dissens) zu beachten. Wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen ist – vorliegend das Angebot durch den Annehmenden-, ist gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln.

4. weitere Aspekte

Zu beachten ist auch die Vorschrift des § 151 BGB, nach der ein Zugang der Willenserklärung unter bestimmten Umständen entbehrlich sein kann. § 151 BGB bezieht sich hierbei nur auf den Zugang, nicht jedoch auf die Abgabe der Willenserklärung. Auch § 150 BGB ist im Zusammenhang mit Willenserklärungen zu berücksichtigen. Hiernach stellt eine verspätete bzw eine inhaltlich vom Angebot abweichende Annahmeerklärung ein neues Angebot dar.

V. Schweigen

Im Zusammenhang mit dem Zustandekommen von Verträgen ist auch der Gegensatz zur Willenserklärung – das Schweigen – zu beachten. Grundsätzlich geht die h.M. davon aus, dass ein Schweigen nicht zu einem Vertragsabschluss führt. Wie in nahezu jedem Bereich des Zivilrechts gibt es jedoch auch hier Ausnahmen. Zu erwähnen sind das Schweigen auf ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das Schweigen im Rahmen einer Parteivereinbarung (beredtes Schweigen oder auch Schweigen als Erklärungshandlung), normiertes Schweigen (Rechtswirkungen des Schweigens kraft Gesetzes, vgl. zB § 108 II BGB), teilweise aber auch das Schweigen im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen.

„Zivilrecht Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Zivilrechts verschaffen soll.

Veranstaltungshinweis: „Demokratie und Menschenrechte nach dem arabischen Frühling“, 18.11.2011, 19.30 Uhr, Uni Köln, Hörsaal II

18 Nov
Revolution – und dann?
 
Tunesien, Ägypten und jetzt auch Libyen: Nach dem Sturz der Diktatoren stellt sich die Frage, wie freiheitlich die zukünftigen Gesellschaftsordnungen in diesen Ländern sein werden. Die Juristische Arbeitsgruppe Amnesty International Köln veranstaltet deshalb am 18.11.2011 um 19:30 Uhr an der Universität zu Köln, Hörsaal II, einen Vortrag zum Thema „Demokratie und Menschenrechte nach dem arabischen Frühling“. Referent ist Dr. Roy Karadag, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen.
Dr. Roy Karadag wird zur Beantwortung der Frage zunächst darauf eingehen, wie es zu den damaligen Herrschaftsstrukturen kommen konnte und warum diese der Entwicklung von bürgerlichen Rechten entgegenstanden. Außerdem wird er den Anpassungsdruck beleuchten, dem diese Regimes bereits im letzten Jahrzehnt ausgesetzt waren, und Perspektiven für die Zukunft aufzeigen.

Literaturempfehlung – Ausgewählte Probleme im Straf-, Zivil- und Öffentlichen Recht

18 Nov

Gerade in den Arbeitsgemeinschaften für Studienanfänger habe ich den Eindruck gewonnen, dass es durchaus Probleme bereitet, betsimmte (vermeintlich die selben) Probleme, die in einzelnen Rechtgebieten auftauchen, unter abweichenden Vorzeichen in anderen Rechtsgebieten zu erfassen. Exemplarisch steht hier für den AG-Leiter im Strafrecht natürlich Kausalität und objektive Zurechnung. Bei diesen Aspekten, die dem Studenten bereits in den ersten Wochen begegnen, ist natürlich die Verwirrung besonders groß, weil sich Maßstäbe und Theorien nicht eins zu eins etwa auf das Zivilrecht übertragen lassen.

Daher möchte ich drei Ausätze der Professoren Rönnau, Fehling und Faust empfehlen, die den Charme haben, dass sie die ausgewählten Probleme jeweils unter dem Gesichtspunkt des Straf-, Zivil- und Öffentlichen Rechts vergleichend darstellen. Dies ermöglicht es dem Studenten vielleicht etwas besser, eine benötigte Struktur und Vernetzung dieser Aspekte herzustellen.

Rönnau/Faust/Fehling „Durchblick: Kausalität und objektive Zurechnung“ JuS 2004, 113

Rönnau/Faust/Fehling „Durchblick: Der Irrtum und seine Rechtsfolgen“ JuS 2004, 667

Fehling/Faust/Rönnau „Durchblick: Grund und Grenzen des Eigentums- und Vermögensschutzes“ JuS 2006, 18

Diskriminierung durch Sprache: „Döner-Morde“

17 Nov

Als ich am letzten Sonntag einen längeren Artikel über die sogenannten Döner-Morde gelesen habe, war ich etwas irritiert. Dort waren Fotos aller Opfer mit Namen, Geburts- und Todesdatum sowie Berufsangaben abgedruckt. Irritiert war ich deshalb, weil ich gedacht hatte, alle Opfer wären Dönerbuden-Wirte gewesen. Tatsächlich waren dies aber nur zwei, die anderen waren Kioskbesitzer, Blumenhändler usw. − von Döner keine Spur. Aber acht von ihnen waren gebürtige Türken, einer Grieche. Nun spricht mir ein Artikel von Stefan Kuzmany auf Spiegel-Online („Deutsche und Döner“) aus der Seele: die Verwendung des Begriffs „Döner-Morde“ ist nicht nur irreführend, sondern darüber hinaus diskriminierend.

Kuzmany zufolge wurden alle Opfer „zum Döner gemacht“, das heißt auf herablassende Weise über einen Kamm geschoren. Außerdem wird durch den Begriff das Klischee der Ausländerkriminalität befeuert: wenn eine Vielzahl von Dönerbuden-Besitzern getötet wird, sieht das nach organisierter Kriminalität (Schutzgelderpressung o.ä.) aus − mich erinnert die Terminologie an die „Pizza-Connection“, einen amerikanischen Drogenhändlerring. Laut Interviews mit Angehörigen (z.B. gestern in den Tagesthemen) haben sich ihnen gegenüber wohl auch Vertreter der Polizei entsprechend geäußert, nämlich dass die Opfer vermutlich in die organisierte Kriminalität verstrickt gewesen seien − was die Angehörigen dabei fühlten, kann man sich denken. Daneben sei der Begriff, so Kuzmany, auch mit einer Ausgrenzung von Einwanderen verbunden: den deutschen Zeitungsleser „grusele“ es zwar, wenn er in der Zeitung von der Mordserie lese, aber für ihn sei die Sache doch „schön weit weg“, er selbst sei ja nicht in Gefahr. Bleibt zu hoffen, dass nicht zuletzt der Artikel Kuzmanys zu etwas mehr sprachlicher Sensibilität beiträgt.

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