Archiv | November, 2011

Terrorismusstraftaten und der Generalbundesanwalt

17 Nov

Stein des Anstoßes zu diesem Beitrag sind freilich die aktuellen Entwicklungen rund um die sogenannte „Zwickauer Terrorzelle“ (vgl. etwa hier). Hierbei handelt es sich um ein nach Lage der Dinge rechtsextremistisches Trio (ggf. mit weiteren Unterstützern), welches über Jahre hinweg mehrere Tötungsdelikte an Kleingewerbetreibenden und Polizisten, sowie Raub- und Sprengstoffdelikte verübt haben soll. Ziel dieses Beitrages ist es ausdrücklich nicht, eine politische Diskussion über die Frage zu führen, ob der Rechtsterrorismus von verantwortlichen Stellen unterschätzt wurde (vgl. dazu etwa hier). Auch soll es nicht um die möglichen Zusammenhänge und den Verdacht der Verwicklung von Verfassungsschutzämtern gehen. Diese Fragen müssen erst im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (und den entsprechenden parlamentarischen Kontrollgremien) untersucht werden. Letzteres führt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (hier, hier, hier und hier).

Aber genau dieser Punkt soll Gegenstand des Beitrags sein. Wer führt eigentlich diese Ermittlungen und warum? Interessant ist dies insbesondere für Studenten, die sich in Richtung der mündlichen Examensprüfung bewegen. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 8 JAG NRW ist nämlich die Kenntnis von der erstinstanzlichen Zuständigkeit in Strafsachen möglicher Prüfungsgegenstand. Aufgrund der Aktualität der Ereignisse liegt es auch nicht fern, dass Fragen dazu gestellt werden. Ich selber habe es in meiner Prüfung erlebt, dass sich geschlagene 20 Minuten um die Fragen kreisten „Wofür ist das Oberlandesgericht zuständig? Was macht der Generalbundesanwalt? Wo steht das?…“ Daher hier ein (kleiner) Überblick.

Grundsätzlich ist die Strafrechtspflege Ländersache. Daher bedarf es besonderer Regelungen, welche die Zuständigkeit etwa des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof begünden. Maßgeblich ist hier § 142a GVG. Hier wird normiert, dass der GBA grundsätzlich in allen Strafsachen zuständige Staatsanwaltschaft ist, die den Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gemäß § 120 Abs. 1, 2 GVG (lesen!) zugewiesen sind. Diese Vorschrift ist recht umfangreich, daher sollen uns nur die Grundsätze interessieren. Zunächst sind schwere Staatsschutzdelikte aufgeführt (etwa Friedens-, Hoch- und Landesverrat oder Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch). Sodann sind weitere schwere Straftaten aufgelistet, die man jedoch auch als „normale“ Normen des StGB kennt. Hier geht es um Tötungs- und Brandstiftungsdelikte, sowie gemeingefährliche Straftaten. Allerdings ist bei diesen Delikten erforderlich, dass der GBA die Ermittlung wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernimmt, bzw. diese Delikte bestimmt und geeignet sind, den Bestand und die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, Verfassungsgrundsätze der BRD zu beseitigen oder Bestand und Sicherheit internationaler Organisationen zu beeinträchtigen. An die Bejahung der besonderen Bedeutung sind, vor dem Hintergrund der föderal organisierten Strafrechtspflege, strenge Anforderungen zu stellen. So ist diese anzunehmen, wenn es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtgutsverletzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist (Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, § 120 GVG Rn. 3; BGHSt 53, 128, 140-hier).

Natürlich sind dies bereits Details, die man vom Prüfling nicht erwarten kann. Die grundsätzlichen Zuständigkeitsregeln und die „Hausnummern“ der Normen sollte man jedoch parat haben. Auch schadet es nicht, die Frage beantworten zu können, wer eigentlich zur Zeit Generalbundesanwalt ist. Da las man in den letzten Tagen in den Medien vieles und weniges stimmte. So wird die Behörde derzeit vom ständigen Vertreter des Generalbundesanwalts, Bundesanwalt Rainer Griesbaum, geleitet. Nach dem Eintritt von Monika Harms in den Ruhestand und einigen Problemen bei der Neubesetzung dieses wichtigen Amtes (der GBA ist eben politischer Beamter; vgl. § 149 GVG) haben sich nun alle relevanten Stellen (Bundesjustizministerium, Bundesregierung und Bundesrat) auf Harald Range geeinigt, der jedoch noch vom Bundespräsidenten ernannt werden muss.

Und so schnell kann es manchmal gehen: Harald Range ist als neuer GBA in sein Amt eingeführt worden!

Buchempfehlung: Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil I

17 Nov

Auch wenn jeder selbst entscheiden muss, was für ein Lehrbuch er sich anschafft, möchte ich zumindest für die Vorlesung Strafrecht II (Nichtvermögensdelikte) folgendes Buch empfehlen:

Jörg Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil I, Straftaten gegen die Person und die Allgemeinheit, Verlag Kohlhammer, Stuttgart, 2008, 432 Seiten, 24,80 €

Eins vorweg: das Buch habe ich vom Verlag geschenkt bekommen, was meine Meinung aber nicht beeinflusst hat.

Warum bin ich von Eisele so begeistert? Er arbeitet mit sehr vielen kleinen Beispielsfällen, was – meines Erachtens – einem wirklichen Verständnis sehr zuträglich ist. Und nicht nur die Zahl, sondern auch die Darstellung der Fälle überzeugt. In anderen Lehrbüchern werden häufig am Anfang des Kapitels mehrere Fälle geschildert, auf die dann später zurückgekommen wird. Dagegen skizziert Eisele, nachdem ein Problem abstrakt erörtert wurde, kurz den Sachverhalt und gibt sogleich Lösungsvorschläge. Das finde ich insbesondere dann, wenn man kurz etwas nachschlagen will sehr gut. Dazu geht Eisele vielfach weiter in die Tiefe als Konkurrenzprodukte, was ebenfalls bei der Benutzung als Nachschlagewerk hilfreich ist.

Zugegebenermaßen ist ein Manko des Buchs, dass es Ende 2007 fertiggestellt wurde, Neuerungen wie insbesondere das BGH-Urteil des 2. Senats zur Sterbehilfe also nicht enthalten sind – dem wird aber laut Homepage von Professor Eisele demnächst mit einer 2. Auflage abgeholfen.

Die Kündigungsschutzklage gemäß § 4 S.1 KSchG und das Fristversäumnis des Anwalts – AG Berlin (28 Ca 9265/11)

16 Nov

Wer sich gerne mit dem Arbeitsrecht befasst, dem dürfte http://www.hensche.de nicht unbekannt sein. Hier wurde über ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Berlin (28 Ca 9265/11) berichtet, dass sich mit der Frage zu befassen hatte, inwiefern ein Fristversäumnis durch den vertretungsberechtigten Anwalt – vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG iVm § 78 ZPO (beachte aber auch § 11 ArbGG) – bei der Erhebung einer Kündigungsschutzklage im Sinne des § 4 S. 1 KSchG dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist, vgl. auch § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG. Bei dem hier diskutierten Problem handelt es sich um ein solches, dass eigentlich jedem in der Examensvorbereitung im Bereich des Arbeitsrecht früher oder später begegnet. Daher bietet es sich aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin an, den Meinungsstand kurz darzustellen. Interessant an der Entscheidung ist, dass sich das Arbeitsgericht nicht der durch das Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung anschließt.

Sofern der Arbeitnehmer die Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht einhält (Rechtsnatur der Frist ist umstritten), ist die Klage gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG dennoch zuzulassen, sofern der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dies wäre dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich das Verschulden des bevollmächtigten Anwalts nicht zurechnen lassen müsste. § 85 Abs. 2 ZPO sieht jedoch vor, dass das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt ist.

I. eA.: § 85 Abs. 2 ZPO (+) -> § 5 Abs. 1 S.1 KSchG (-)

Insbesondere das Bundesarbeitsgericht vertritt die Ansicht, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, der sich mit dem Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten befasst, zu denen auch die Kündigungsschutzklage gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG zählt, enthalte einen Verweis auf die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO, sodass letztere Norm bereits nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG zur Anwendung gelangen müsste. Bei § 4 S. 1 KSchG handele es sich um eine prozessuale Klageerhebungsfrist, sodass § 85 Abs. 2 ZPO auch unproblematisch Anwendung finden könne. § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG stehe der Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Um dem Interesse des Arbeitnehmers als vertretene Partei gerecht zu werden, wird in einer Vielzahl von Fällen ein Regressanspruch gegen den bevollmächtigten Anwalt bestehen.

II. aA: § 85 Abs. 2 ZPO (-) -> § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG (+)

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin, dass sich damit Teilen der Literatur anschließt, findet § 85 Abs. 2 ZPO demgegenüber keine Anwendung. Bei § 4 S.1 KschG handele es sich nicht um eine prozessuale Klageerhebungsfrist, sondern um eine materiell-rechtliche Frist, die auf Seiten der Begründetheit zu beachten wäre. Folglich könne die prozessuale Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO bereits nicht einschlägig sein. Überdies sei zu berücksichtigen, dass § 85 Abs. 2 ZPO bereits seinem Wortlaut nach ein bestehendes Prozessverhältnis voraussetze, sodass der vorliegende Fall nicht in den Anwendungsbereich fiele, da erst durch die Klageerhebung ein solches Prozessverhältnis entstehe. Dem Arbeitnehmer dürfe nicht der Zugang zu den Arbeitsgerichten verwehrt werden, da von dem Verlust seines Arbeitsplatzes oftmals die wirtschaftliche Existenz abhänge.

III. Fazit

Im ersten Staatsexamen ist grundsätzlich jede Meinung vertretbar, soweit sie schlüssig begründet wird. Vorliegend sprechen für beide Ansichten gute Argumente. Empfehlenswert erscheint es auch , sich einmal mit dem Meinungsstand zur Rechtsnatur der Frist des § 4 Abs. 1 KSchG zu befassen.

Änderung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) – Exemansrelevant? (I)

15 Nov

Die Antwort ist: Ja! Auch wenn die Änderungen durch das 44. StGBÄndG auf den ersten Blick unscheinbar sind, bietet sich die Prüfung der neuen und alten Probleme geradezu an. Zur Erinnerung die Änderungen:

(1) Strafrahmenerhöhung in Abs. 1 von zwei auf drei Jahre

(2) Gefährliches Werkzeug als 2. Alt. neben der Waffe in besonders schweren Fall nach Abs. 2 Nr. 1

1. Strafrahmenerhöhung

Kernpunkt der Änderung ist die Anhebung der Strafandrohung des Grundtatbestandes, der nun an § 240 Abs. 1 StGB angepasst wurde. Der geringere Srafrahmen wurde bei der a.F. vom Gesetzgeber durch die besondere Zwangslage gerechtfertigt, in der sich der Täter befindet (nach Hirsch und Kindhäuser handelt es sich um ein Redaktionsversehen). Aktuelle Polizeistatistiken zeigten aber, dass Übergriffe gegen die Staatsgewalt sich bedeutend erhöht haben (30 % zwischen 1999 und 2008: BT-Drs. 17/4143, S. 6). Der Gesetzgeber sah deswegen Handlungsbedarf. Daran knüpfen neue und alte Probleme an:

a) Ist die Anhebung sinnvoll?

Das rechtspolitsche Argument dafür findet man schon oben gennant. Dagegen kann systematisch angeführt werden, dass Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auch von §§ 223ff. und 185ff. StGB erfasst wird (so der BT selbst: BT-Drs. 17/4143, S. 6). Nicht erfasst wird aber auch weiterhin der Widerstand gegen „normale“ Diensttätigkeiten (z. B. Streifendienst, schlichte Überwachungs- und Ermittlungstätigkeiten), siehe statt aller: BR-Drs. 646/10, S. 2. Eine Ausweitung auf diese Personengruppe wurde von der Bundesregierung jedoch abgelehnt mit Verweis auf den ausreichenden Schutz durch die §§ 223ff. StGB (!) (BT-Drs. 17/4143, S. 11).

b) Welche Rechtsgüter schützt § 113 StGB?

Unstreitig soll das rechtmäßige staatliche Vollstreckungshandeln geschützt werden. Überwiegend wird daneben auch der Schutz der Vollstreckungspersonen selbst gennant (BGHSt. 21, 334, 365). Diese müssen jedoch zum Tatzeitpunkt eine Vollstreckungshandlung vornehmen. Andernfalls kommt § 240 StGB zur Anwendung.

c) Verhältnis zu § 240 StGB?

Traditionell ist § 113 StGB lex specialis zu § 240 StGB. Argumente waren neben den Schutzgütern auch der geringere Strafrahmen. Nach dessen Modifizierung, können immerhin noch die Abs. 3 und insb. 4 als besondere Voraussetzungen die Priviligierung rechtfertigen. Konsequenz daraus ist, dass § 113 StGB eine Sperrwirkung entfaltet, wenn der Widerstand des Täters nicht unter den Tatbestand fällt. Anders verhält es sich, wenn das Opfer kein taugliches Tatobjekt ist (z.B. eine Politesse). Hier soll § 240 StGB anwendbar sein (str.). Fraglich ist daneben auch ob der Gewaltbegriff des § 113 von § 240 StGB abweicht (str.).

Schließlich wirkt sich die Änderung auch auf folgenden Irrtum aus: der Täter glaubt gegen eine Vollstreckungshandlung Widerstand zu leisten. Hier wurde entweder § 240 StGB mit dem Strafrahmen des § 113 StGB angewendet oder letzterer gem. § 16 II StGB analog angewendet. Vereinzelt wurde gar Straflosigkeit angenommen. Diese Lösungswege könnten obsolet werden, wenn man keinen Irrtum über die (entfallene) Prviliegerungssituation mehr annimt.

Zu (2) hier.

Auskunftsrecht des „Scheinvaters“ gegen die Mutter hinsichtlich des echten Vaters – BGH XII ZR 136/09

15 Nov

Der Bundesgerichtshof hatte sich vor kurzem mit der Frage zu befassen, inwieweit ein „Scheinvater“ von der Mutter (§ 1591 BGB) des Kindes Auskunft hinsichtlich des wirklichen Vaters (vgl. § 1592 BGB) verlangen kann, um etwaige Ansprüche gegen diesen wegen geleisteten Unterhalts geltend zu machen.

I. Anspruch des Kindes auf Auskunft 

Schon seit längerem ist anerkannt, dass dem Kind ein Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft hinsichtlich des echten Vaters zusteht. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung entspringt dabei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dass aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird. Der Anspruch auf Inkenntnissetzung durch die Mutter wird zudem auf § 1618a BGB (analog) in Verbindung mit § 242 BGB gestützt.

II. Anspruch des „Scheinvaters“ auf Auskunft

Durch das Urteil des Bundesgerichtshofes werden die Rechte der Mutter, insbesondere das aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG resultierende Recht auf Privat- und Intimssphäre erheblich eingeschränkt. Dennoch scheint das Gericht bei der Entscheidungsfindung von dem Gedanken der Schutzbedürftigkeit des „Scheinvaters“ geleitet worden zu sein. „Die Beklagte schulde dem Kläger nach Treu und Glauben Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.“ Im vorliegenden Fall „wiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter regelmäßig nicht stärker als der ebenfalls geschützte Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgter Vaterschaftsanfechtung, vgl Art. 19 Abs. 4 GG.“

Die Anspruchsgrundlage auf Unterhaltsregress ergibt sich aus §§ 1607 Abs. 3 S. 2, 1601 ff BGB, wobei der Unterhalt auch rückwirkend für die Vergangenheit gefordert werden kann, § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Vaterschaft des echten Vaters gemäß § 1600 d Abs. 1 BGB festgestellt wurde oder von dessen Seite ein Anerkenntnis im Sinne des § 1594 BGB vorliegt, vgl. § 1600 d Abs. 4 BGB. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob die Feststellung in einem gesonderten Verfahren zu erfolgen hat oder ob eine inzidente Feststellung der Vaterschaft möglich ist, was von der herrschenden Meinung mittlerweile bejaht wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass in nächster Zeit nicht mit einer Feststellung der Vaterschaft in einem gesonderten Verfahren gerechnet werden kann und die Interessen der betroffenen Parteien, insbesondere die der Mutter und des Kindes einer inzidenten Feststellung nicht entgegenstehen.

Zwischenruf – Vorlesung Strafrecht GK III

14 Nov

An dieser Stelle will ich eine Beobachtung ansprechen, die ich in den letzten Semestern verstärkt gemacht habe. Sie betrifft die Hörerzahl in der Vorlesung Strafrecht GK III. Diese ist traditionell immer geringer, als diejenige in den ersten beiden Semestern. Da die meisten Studenten ihre zwei Strafrechtsscheine im GK I und GK II erledigen, höre ich oft von ehemaligen AG-Teilnehmern: „Jetzt mache ich erstmal die Zivilrechtsscheine und die Grundlagenfächer.“

Das ist zunächst sehr verständlich. Dennoch möchte ich etwas Salz in die Wunde streuen. Gerade die im GK III behandelten Normen und Probleme taugen nicht zur berühmten „Lücke“. Auch darf die erhebliche Examensrelevanz der Vermögens- und Anschlussdelikte keineswegs unterschätzt werden. Die große Zahl verschiedenster Betrugskonstellationen, der Diebstahl in Gestalt von Qualifikation und Regelbeispiel und last but not least Raub und räuberische Erpressung haben es „in sich“. Gleiches ist für die Anschlussdelikte (vgl. dazu auch den Beitrag von Swantje Kreuzner hier im Blog) zu konstatieren, die immer wieder Gegenstand von Examensklausuren sind. Auch sollte man nicht zu sehr auf das (wohl unvermeidliche) Rep warten, wo das dann schon alles erklärt wird. Die Vermittlung dieser Grundlagen geschieht in einem ersten Schritt am besten im Rahmen der Vorlesung, zu deren Besuch ich daher nachdrücklich auffordern will!

Wissmit.com-Blogger Andrej Umansky auf Zeitzeugensuche zum Holocaust in der Ukraine

14 Nov

Seit Sommer 2004 arbeitet Andrej für den französischen Verein Yahad – In Unum, der Zeitzeugensuche zum Holocaust in der Ukraine, Weißrussland, Russland und Polen betreibt. Neben der Übersetzung, hat er viele Forschungsreisen mitvorbereitet und forscht dafür seit mehreren Jahren intensiv in verschiedenen deutschen Archiven. Nun durfte er zum wiederholten Male, die Führung eines Forschungsteams in der Ukraine übernehmen.

Von dieser Reise wird er diese Woche aus der Ukraine, in kurzen, blog-ähnlichen Texten erzählen. Von der Suche nach den Zeitzeugen, dem Leben in den Dörfern, die er besucht, den Erinnerungen der alten Menschen, der akribischen Spurensuche nach den Massengräbern.

Den Blog findet Ihr hier.

Heckler & Koch – Libyen, ein Exportverbot und G36-Sturmgewehre in den Händen des Gaddafi-Regimes?

14 Nov

Wie man den aktuellen Nachrichten entnehmen konnte, wurden G36-Sturmgewehre, die normalerweise von der Bundeswehr eingesetzt werden und von dem weltweit bekannten Waffenproduzenten „Heckler & Koch“ stammen, von Gaddafi-Anhängern und Regimesympathisanten genutzt.  Ein zunächst verhängtes Waffenembargo (Exportverbot von Waffen in dieses Land) gegen Libyen aus dem Jahr 1986 hob die EU zwar im Oktober 2004 wieder auf. Aufgrund der sich zuspitzenden Lage im Februar und März 2011 und der Attackierung von Regime-Gegnern im Rahmen des eintretenden Bürgerkrieges, der sich an die Revolutionsbewegungen in Ägypten und Tunesien anschloss, wurde jedoch erneut ein Waffenembargo gegen Libyen etabliert.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat nach Bekanntwerden des Sachverhalts die Ermittlungen gegen den Waffenproduzenten eingeleitet. Heckler & Koch beruft sich darauf, dass die Gewehre und Munition aus einer von den deutschen Behörden genehmigten, 2003 an die ägyptische Regierung adressierte Lieferung stammen, die 608 Gewehre und 500.000 Projektile umfasste. Einem offiziellen Schreiben an den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages lässt sich entnehmen, dass Heckler & Koch selbst den Sachverhalt durch Experten vor Ort klären und keine Zweifel an der Integrität des Konzerns und der deutschen Exportkontrolle aufkommen lassen will. Ob es hierbei darum geht, die Reputation des „Rüstungs-Riesen“ zu wahren oder ob tatsächlich kein Verstoß gegen das Waffenembargo und etwaige einschlägige Gesetze vorliegt, werden die Ermittlungen noch zeigen. Trotz der Tatsache, dass es sich um ein eher exotisches Thema handelt, möchte ich auf Fundstellen in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Embargos hinweisen.

In BGH NStZ-RR 2003, 55 ging es um einen Flüchtling aus dem Irak, der anderen in Deutschland ansässigen Landsleuten bei der finanziellen Unterstützung der im Irak verbliebenen Verwandten half, indem er Geld an seinen Bruder im Irak überwies und dieser das Geld nach Abzug einer Provision an die Verwandten weiterleitete. BGHSt 41, 127 befasst sich mit der Strafbarkeit der Beförderung von Privatpersonen im Busverkehr von Deutschland nach Serbien Montenegro während des UN-Embargos. Eine Vielzahl weiterer Fälle lassen sich auf hrr-strafrecht.de finden. Auch, wenn es sich um teils exotische Vorschriften handelt, mit denen der Rechtsstudent während seines Studiums nie in Berührung kommen wird, werden auch hier Grundkenntnisse des Strafrechts gefordert.

Im Übrigen steht Heckler & Koch aktuell im Verdacht, den Drogenkrieg in Mexiko mit Waffenlieferungen geschürt zu haben. Wie n-tv berichtet, haben rund 300 Beamte des Landeskriminalamtes Büros des Waffenherstellers am Firmensitz in Oberndorf durchsucht.

How to…(II): Wie reagiere ich auf die Frage „Du studierst doch Jura?!“

13 Nov

Liebe Erstsemestler, willkommen im Club! Kaum mit dem Jurastudium angefangen, wird man im Freundes- und Bekanntenkreis als Experte für sämtliche Rechtsfragen gehandelt.

Die erste Reaktion auf die Einstiegsfrage „Du studierst doch Jura?!“ sollte – wahrheitsgemäß – ein souveränes „Ja!“ sein. Damit beginnt die vom Gesprächspartner eigentlich beabsichtigte Rechtsberatung allerdings erst. Vom Fernseher („den hab ich grad erst bei ebay gekauft“) über den Baum an der Grundstücksgrenze mitsamt Überhang („dürfen die (Nachbarn, Anm. d Verf.) das?!“) bis hin zum Strafrecht im Allgemeinen – zu Zeiten von U-Bahn-Schlägern auch gerne Jugendstrafrecht im Besonderen – kann sich nun eine unüberschaubare Vielzahl an Rechtsproblemen anschließen. Mit Beginn des Jurastudiums muss man sich auf diese Fragen einstellen.

Empfohlen sei als Reaktion ein kurzes Durchatmen, um dann – je nach Rechtsfrage – ein strukturiertes Rantasten an das eigentliche Problem. Grundsätze erklären (aufgepasst: hinsichtlich U-Bahn-Schlägern wird das Gegenüber meist nicht sonderlich empfänglich für den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts sein…). Wenn gerade keine passende Antwort parat ist (Hey, erstes Semester!), sollte man es ehrlich mit einem „Ich weiß es nicht, könnte mir aber mit Blick auf … vorstellen, dass es … funktioniert“ auffangen. Handelt es sich allerdings um sehr spezielle und tiefschürfende Fragen, sollte man aus seiner eigenen Ratlosigkeit keinen Hehl machen. Denn: Mit Zahnschmerzen geht ja auch niemand zum Gynäkologen. Achja, die Kollegen aus der Medizin kann es im Partysmalltalk durchaus härter treffen: Nach der Frage „Du studierst doch Medizin?!“ wird manches Mal unmittelbar ein akut schmerzendes Körperteil entblößt. Da ist mir die defekte Waschmaschine mitsamt den Ansprüchen aus Kaufvertrag durchaus lieber, als mit dem nackten Hinterteil samt jeweiligem Zipperlein konfrontiert zu werden.

In diesem Sinne: „Du studierst doch Jura?!“ sollte keine Angst vor der Anschlussfrage auslösen! 😀

Die Rubrik „How to…“ erscheint in loser Folge.
Bereits erschienen:
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Ein kurioser Fall – Einbruch in Grevenbroich

12 Nov

Recht kurios mutet folgender Sachverhalt an, der sich am Dienstag gegen 13 Uhr in der Schillerstraße in Grevenbroich ereignete: Eine Einbrecherin brach ein Kellerfenster auf und kletterte in das Haus. Dort sammelte sie Kosmetikartikel, Nahrungsmittel und Spirituosen, die sie für den Abtransport bereit stellte. Auch Kleingeld soll der 42-jährigen Frau „zum Opfer gefallen sein“. Während die Bewohner des Hauses zunächst abwesend waren, kamen die Kinder der Familie in der Folgezeit nach Hause. Davon ließ sich die Einbrecherin jedoch nicht irritieren, verzehrte Brötchen mit Mortadella, Tomaten, Leberwurst, Zwiebeln, Croissants und komplettierte das Mahl mit ein paar Gläsern Sekt. Auch ein Ansprechen seitens der Kinder und der darauf folgende Anruf bei der Polizei konnten die Frau nicht davon abhalten, sich in den Garten des Hauses zu begeben und Würstchen zu grillen. Als die Polizei schließlich eintraf und die Frau festnahm, erzählte diese, dass sie eigentlich mit der Bahn nach Köln fahren wollte, dann aber aufgrund ihres Appetits in Grevenbroich einen „Zwischenstopp“ eingelegt hätte. Die 42-jährige Frau erwartet nun ein Strafverfahren.

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