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AG Lübeck: Urt. v. 08.06.2011 – 746 Js 13196/11 – Bespritzen mit Sperma als Körperverletzung gem. § 223 StGB (BeckRS 2011, 19102)

29 Feb

Sachverhalt nach BeckRS 2011, 19102 (verkürzt)

Der A begab sich zu einem Supermarkt. Er führte ein Fläschchen gefüllt mit eigenem Sperma in der Absicht bei sich eine beliebige Frau bei geeigneter Gelegenheit mit dem Sperma zu bespritzen. Im Supermarkt angekommen, stellte er sich dort mit einigen Artikeln in eine Schlange im Kassenbereich. Vor ihm stand die M, der er das mit Sperma gefüllte Fläschchen auf die Kleidung spritzte. A kam es auf eine gedankliche Erregung während der Tat an, die aber ausblieb. M bemerkte dies, empfand starken Ekel und fühlte sich in ihrer Ehre herabgesetzt. Sie leidet seit ihrer Jugendzeit unter psychischen Problemen. Im Alter von 15 Jahren wurde sie zudem Opfer einer Vergewaltigung. M litt in der Folge unter erheblichen psychischen Belastungen und etwa eine Woche nach der Tat zudem unter massiven Schlafstörungen, die sich gegenüber den Schlafstörungen, die sie sonst zuweilen hat, verschlimmerten. Die Tat des A ließ die Erinnerung an die an ihr begangene Sexualstraftat wieder in ihr Bewusstsein treten. M leidet ferner an Multipler Sklerose, was sich beim Auftreten von Stress in Muskelkrämpfen äußert. Durch die durch die Tat des A ausgelösten Belastungen erlitt M wiederholt Krampfanfälle, was zu Schmerzen in Armen und Beinen führte. Der A nahm mögliche Folgeschäden der M über das unmittelbare Bespritzen mit Sperma hinaus, insbesondere Beeinträchtigungen des seelischen Wohlbefindens in Kauf. Es kam ihm zwar auf derartige Folgen nicht an, er fand sich aber mit ihnen ab. Mögliche Folgen für sein Opfer M waren ihm im Zeitpunkt der Tatbegehung egal, da er die M als Lust-/Sexualobjekt ansah, an dem er seine eigenen Fantasie freien Lauf lassen konnte. Davon, dass M oder andere anwesende Personen etwas bemerkten ging der A nicht aus. Er wollte vielmehr, dass die Tat selbst unbeobachtet bleibt.

Das AG hat den bereits einschlägig vorbestraften A wegen vorsätzlicher Körperverletzung gem. § 223 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt.

Anmerkung

Mag dieser Fall auch widerwärtig und gerade für das Opfer äußerst erniedrigend sein, soll dennoch hier auf ihn eingegangen werden, da er zum einen verdeutlicht, wann eine psychische Beeinträchtigung in eine Körperverletzung umschlägt und zum anderen wesentliche Probleme aus dem AT hinsichtlich der objektiven und subjektiven Zurechnung behandelt. Das AG subsumiert den oben dargestellten Sachverhalt geradezu in fast mustergültig schulmäßiger Form, weshalb die Lektüre der Entscheidungsgründe dringend zu empfehlen ist.

Das Gericht beginnt seine Prüfung mit den einschlägigen Definitionen zur körperlichen Misshandlung und zur Gesundheitsbeschädigung, lässt indes ausdrücklich offen unter welche Alternative es letztendlich subsumiert. Es stellt zunächst, basierend auf der hM., klar, dass allein der Ekel den M empfunden hat noch nicht unter die beiden Alternativen fällt und somit keine Körperverletzung darstellt, da der Ekel als solcher keine körperlichen Auswirkungen hat, weil eine Einwirkung, die lediglich das seelische Wohlbefinden beeinträchtigt, wie z.B. die Auslösung von Panik- und Angstgefühlen, den objektiven Tatbestand der Körperverletzung grundsätzlich nicht erfüllen. Ein Umschlagen in eine Körperverletzung setzt nach der Ansicht des Gerichts dann ein, wenn infolge von Abscheu und Ekel körperliche Wirkungen hinzutreten, wobei auch solche psychischen Beeinträchtigungen ausreichen, die den Körper im weitesten Sinne in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand von nervlicher Art, versetzen, weshalb auch somatische Tatfolgen wie Schlaflosigkeit und Angstzustände zumindest dann als tatbestandliche Körperverletzung anzusehen sind, wenn sie nicht nur unerheblichen Ausmaßes sind. Konsequent bejaht das Gericht daher, das die Tat des A hier einen somatisch objektivierbaren Zustand hervorgerufen hat, weil die M nach der Tat eine Woche unter verschlimmerten Schlafstörungen litt und die Krampfanfälle, die zwar in der Vorerkrankung (MS) angelegt sind durch den durch die Tat ausgelösten Stress erneut aufgetreten sind. Nach der Ansicht des Gerichts sind diese somatischen körperlichen Auswirkungen sowohl subjektiv aus der Sicht der M als auch aus der objektiven Sicht eines Dritten als erheblich einzustufen.

Das Gericht rechnet mit überzeugender Begründung die Tatfolgen dem A auch objektiv zu. Es verneint insgesamt einen atypischen Kausalverlauf, da außergewöhnliche Tatfolgen, die A nicht hätte erkennen und mit diesen nicht hätte rechnen können nicht gegeben sind. Als Hauptargument führt das Gericht unter wörtlicher Zitierung einer Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe NJW 2003, 1263, 1264) aus, dass dem A auch die Kenntnis zuzuschreiben ist, „dass sich Geschädigte in ihren psychischen Reaktionen auf an ihnen verübten Straftaten voneinander unterscheiden und eine besondere Anfälligkeit gerade von weiblichen Geschädigten dann besteht, wenn sie bereits früher – was nicht selten ist – Opfer einer Gewalttat geworden sind“. Das AG beendet nach weiteren Ausführungen zur Vorhersehbarkeit der konkreten Tatfolgen bei M die objektive Zurechnung mit dem treffenden Satz: „Der Angeklagte konnte schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer treffen zu können, sondern musste jederzeit damit rechnen“.

Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes definiert das AG Lübeck diesen dann vorbildlich wie folgt: „Bedingter Vorsatz ist dann gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Körperverletzungserfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihr abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch unerwünscht sein. Ausreichend ist dabei, dass dem Täter der als möglich erkannte Erfolg gleichgültig ist.“ Das AG sieht diese Voraussetzungen mit zutreffender Begründung als erfüllt an, da dem A auf Grund seiner einschlägigen Vorbestrafungen in ähnlichen Fällen auch zum Tatzeitpunkt bekannt gewesen sei, dass Opfer über das unmittelbare Bespritzen hinaus auch körperlich in Anspruch genommen würden. Deshalb konnte er nicht auf ein Ausbleiben des Taterfolges vertrauen. Nach der überzeugenden Ansicht des Gerichts hat sich A über die als möglich erkannten Tatfolgen hinweggesetzt. Da dem A der Eintritt der von ihm erkannten Tatfolgen im Endeffekt gleichgültig war, rechnet ihm das AG diese subjektiv mit Eventualvorsatz auch zu. Interessant an dieser subjektiven Zurechnung des Gerichts ist, dass es neben der sog. „Billigungstheorie“ der Rechtsprechung für seine Argumentation, unter Berufung auf BGH NJW 1960, 1821, 1822; BGHSt 40, 304, 306, die auch heute noch vertretene „Gleichgültigkeitstheorie“ (siehe dazu eingehend Engisch, Untersuchungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit im Strafrecht, 1930, S. 186 ff.) heranzieht. Hieran erkennt man, dass sich die Rechtsprechung nicht unbedingt auf eine der Theorien, die sowohl ein kognitives (Wissen) und ein voluntatives (Wollen) Element zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit enthalten, konkret festlegt, sondern diese zur Begründung ihrer Entscheidungen in „gemischter Form“ heranzieht.

Einziger Kritikpunkt an der Entscheidung des AG Lübeck ist die Verneinung des Tatbestandes der Beleidigung gem. § 185 StGB. Das Bespritzen mit Sperma ist ganz offensichtlich eine degradierende Kundgabe der Nicht- und Missachtung der M als reines Lust- und Sexualobjekt, die den Geltungswert der M, d. h. ihre Geschlechtsehre völlig negiert (so auch Hecker, Jus 2012, 179, 181). Indes lässt das AG hier den Tatbestandsvorsatz hinsichtlich des Kundgabewillens entfallen, da A keinen Kundgabevorsatz gehabt habe, weil ihm nach seiner unwiderleglichen Einlassung, dass die Tat (zunächst) unbemerkt bleiben solle, ein Eventualvorsatz nicht nachzuweisen gewesen sei. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. A führte seine Tat in einer Schlange eines Supermarktes aus und konnte so sehr wohl erkennen und musste auch damit rechnen, dass die Möglichkeit bestand, dass seine Tat, wenn auch nicht unbedingt von M sondern von anderen Kunden im Kassenbereich entdeckt werden konnte. Dies nahm er auch billigend in Kauf bzw. ihm war dies im Endeffekt auch gleichgültig (ähnlich Hecker, Jus 2012, 179, 181).

Ergänzende Literatur: Hecker, Jus 2012, S. 179 ff.

„bewusstes Ausnutzen“ im Rahmen der Heimtücke, § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB – BGH 5 StR 65/11

9 Feb

Ein aktueller Beschluss des BGH (v. 4.5.2011 – 5 StR 65/11; abgedr. in NStZ 2011, 634f., vgl. dazu auch HRRS 2011 Nr. 621) zeigt die Notwendigkeit der konsequenten Berücksichtigung der Definition zur Heimtücke bei der Betrachtung des Tatgeschehens.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt (vereinfacht) zugrunde:
Vorgeschichte: Die 15 Jahre jüngere Ehefrau (E) des Angeklagten fühlte sich in ihrer Ehe unglücklich und versuchte seither, sich aus dieser zu lösen. Sie ging mit dem späteren Tatopfer O eine Beziehung ein. Als sie zu ihrem neuen Freund zog, reagierte der Angeklagte darauf sehr gekränkt. Zwei Tage nach ihrem Umzug kam es zu einer heftigen körperlichen Auseinandersetzung zwischen E und dem Angeklagten, die aber von der Polizei aufgelöst werden konnte.

Tatgeschehen: Der Angeklagte entwickelte zunehmend die Vorstellung, dass O es tatsächlich gar nicht auf seine Ehefrau, sondern – zumindest auch – auf seine minderjährige Tochter „abgesehen“ hätte. Da die Sorgerechtssituation ungeklärt war und der Angeklagte seine Befürchtung mit E im Beisein von O ausdiskutieren wollte, vereinbarte er telefonisch ein Treffen. Der Angeklagte begab sich mit Kuchen zur Wohnung der E. Dabei führte er auch ein aus seiner Wohnung stammendes einseitig geschliffenes Messer mit einer Gesamtlänge von ca. 33 cm, einer Klingenlänge von ca. 20 cm und einer maximalen Klingenbreite von 3 cm unter seiner Kleidung verborgen mit sich. Ob er bereits zu diesem Zeitpunkt den Entschluss gefasst hatte, den O mit dem Messer zu töten oder auch nur zu verletzen, ist nicht sicher festzustellen. Im Wohnzimmer der Ehefrau kam es zu einer Auseinandersetzung in teils angespannter Atmosphäre. Als sich die Stimmung erneut zu verschlechtern begann, brachte die E ihren Sohn unter einem Vorwand aus dem Zimmer. Kurz nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, vernahm sie „komische Geräusche“ und Schreie von O aus dem Wohnzimmer. Sie begab sich unverzüglich zurück ins Wohnzimmer, wo sie den Angeklagten mit einem Messer auf der Couch stehend erblickte, während O versuchte, sich mit den Füßen gegen den Angeklagten zu wehren, und sich dabei den Bauch hielt. Der Angeklagte hatte O mit dem mitgebrachten Messer eine mindestens 25 cm tief in den Oberkörper eindringende kombinierte Schnitt-Stich-Verletzung zugefügt, in deren Folge es zu massiven inneren Verletzungen (auch der Schlagader) kam. Aufgrund der schweren Verletzungen verstarb O am folgenden Morgen im Krankenhaus.

Vorinstanz: Die Vorinstanz (LG Kiel) verurteilte den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Sein Revision hatte mit der Sachrüge erfolg. Sie betrifft die fehlerhafte Anwendung des Heimtückemerkmals, dessen Vorliegen die Feststellungen des Urteils zur Tatsituation nicht tragen.

Die Entscheidung des BGH: Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH handelt heimtückisch, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Arglos ist ein Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs weder mit einem lebensbedrohlichen, noch mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Wehrlos ist das Opfer, wenn es sich bedingt durch seine Arglosigkeit des Angriffs nicht zu erwehren vermag.

Auf subjektiver Seite muss der Täter über den Vorsatz hinaus zumindest die Arglosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzen (ob darüber hinaus ein Handeln in „feindlicher Willensrichtung“ erforderlich ist – so die Rechtsprechung – ist streitig).
Die hiesige Entscheidung des BGH zeigt, dass dem Bewusstseinsmerkmal durchaus eigenständige Bedeutung zukommt, die sich keinesfalls im bloßen Eventualvorsatz erschöpft.

Für das Ausnutzungsbewusstsein sei erforderlich, dass der Täter die Umstände, welche die Tötung zu einer heimtückischen machen, nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.
Im Tatgeschehen sei eine solche innere Einstellung des T jedenfalls nicht erkennbar gewesen.

Fazit: Zu subsumieren gilt im Rahmen der Heimtückeprüfung die Sponaneität des Tatentschlusses sowie die Vorgeschichte zum Tatgeschehen. Auch der psychische Ausnahmezustand kann – auch unter der Schwelle des § 21 StGB – dem Bewusstsein des Ausnutzens grundsätzlich entgegenstehen.
Zwar hindere nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Arg und Wehrlosigkeit des Opfers daran, die Bedeutung der Situation für das Opfer zu erkennen, es handele sich vielmehr um eine Tatfrage.

Dem Klausurbearbeiter verdeutlicht diese Feststellung allerdings einmal mehr, wie wichtig eine genaue Auswertung des Sachverhalts – und die darauf basierende Subsumtion – für den Lösungsweg ist.

Wem widme ich meine Doktorarbeit? Mir selbst!

21 Dez

Das dachte sich Dr. Carsten Bradl, als er mit dem Thema „Umweltgefährdende Abfallbeseitigung“ 1992 an der Universität Frankfurt am Main promovierte. Während andere sich über die Widmung den Kopf zerbrechen, war Dr. Bradl bei der Einreichung seiner „strafrechtlichen Studie zu § 326 StGB unter Berücksichtigung von Kriminologie und Kriminalistik“ einfach ehrlich und widmete seine Dissertation sich selbst:

Kirsten Dunst und „ihr“ Stalker

12 Dez

Stein des Anstoßes für diesen Beitrag war der Artikel auf Spiegel Online, indem geschildert wurde, wie die Schauspielerin Kirsten Dunst sich „erfolgreich“ gegen einen Stalker vor einem Gericht in Los Angeles (USA) wehrte. Im Wesentlichen ging es um ein Verbot, sich Dunst auf ca. 100 Metren räumlich zu nähern.

Ich nehme diesen Vorgang zum Anlass, auf den deutschen Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) hinzuweisen. Dieser steht im 18. Abschnitt des BT und ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 7 lit. b) JAG NW (theoretisch) tauglicher Prüfungsstoff in der ersten Prüfung. Insbesondere in mündlichen Prüfungen dürften sich Fragen anbieten, die auf der Schnittstelle von Straf- und Verfassungsrecht liegen, da der Tatbestand entsprechende Probleme aufweist, die auch ohne vertiefte Kenntnisse durch Auslegung ermittelt werden können.

Das Wichtigste ist zunächst natürlich die Lektüre der Vorschrift. § 238 StGB beschreibt in Abs. 1 recht vielgestaltig Verhaltensweisen, welche das „typische“ Stalking darstellen. So heißt es auch in dem SpOn-Beitrag, Dunst wurde mit „50 Briefen bombardiert“ und mindestens fünf mal habe der Stalker in einem Auto vor ihrer Haustür gewartet, bzw. Dunst´Mutter vor deren Haustüre abgepasst. Da der Straftatbestand sich als Instrument zur Flankierung des zivilrechtlichen Schutzes vor Nachstellungen (vgl. etwa Gewaltschutzgesetz) versteht, reicht die Vornahme der dort beschriebenen Handlungen allerdings noch nicht aus. Problematisch ist insbesondere, dass die Tathandlungen bisweilen für sich genommen zunächst einmal nicht sozial inadäquat erscheinen (sich irgendwo aufhalten; Telefonieren; SMS versenden etc.). Daher müssen diese Handlungen „unbefugt“ und „beharrlich“ vorgenommenen werden. Der Täter muss also eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag legen, was im Einzelfall zu eruieren sein dürfte; eine wiederholte Tatbegehung ist demnach Voraussetzung, aber nicht alleine ausreichend. Zudem müssen die Tathandlungen bei dem Opfer zu einer „schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ führen. Dass diese Formulierung der Ausfüllung bedarf ist klar. Fraglich ist, was darunter zu verstehen ist? Maßgeblich soll die Opfersicht sein. Hier soll den Ausschlag geben, dass eine überdurchschnittliche Belästigung vorliegt. Nicht ausreichend sollen regelmäßig hinzunehmende und bloß belästigende Beeinträchtigungen sein….hier ist die Argumentation am Einzelfall gefragt.

Überaus problematisch ist in diesem Zusammenhang auch § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB (eine andere vergleichbare Handlung). Bei dieser Formulierung deutet sich ein Konflikt mit dem für das Strafrecht so bedeutsamen Bestimmtheitsgrundsatz an. Empfehlenswert ist hier die Lektüre des Beschlusses des BGH aus dem November 2009 (mit zust. Anm von Gazeas; NJW 2010, 1680ff.). In dieser Entscheidung hat der BGH sich erstmals zum § 238 StGB geäußert und in einem obiter dictum den Auffangtatbestand in Nr. 5 als iHa den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungsrechtlich sehr bedenklich eingestuft (die hL hält Nr. 5 für verfassungswidrig; vgl. bei Gazeas S. 1685 mwN).

Essenz: zumindest die Problemkreise des Wortlauts der Norm und die Bedenken iHa Nr. 5 und das Bestimmtheitsgebot sollte man in der Prüfung beherrschen. Für deutsche Gerichte könnte sich der konkrete Fall auch noch stellen….Kirsten Dunst besitzt nämlich (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit und „könnte sich vorstellen, mal in Berlin zu leben“. Dann müsste ihr französischer Stalker auch nicht mehr sein Hab und Gut veräußern, um kostspielige Anreisen in die USA zu finanzieren…

Zwei Pullover = Zwei Monate U-Haft?

1 Dez

Gestern habe ich mit einigen Teilnehmern meiner Arbeitsgemeinschaften eine Gerichtsverhandlung beim AG Köln besucht − genau wie den Besuch einer JVA halte ich so etwas für äußerst sinnvoll, denn hier sieht man mal wie ein Strafverfahren, das man ja nur mittelbar kennt, eigentlich in der Realität abläuft. Praktiker lesen ab hier am besten nicht weiter, weil ich mir vorstellen kann, dass das was ich hier gern problematisieren möchte „Alltagsgeschäft“, also nichts Besonderes ist − trotzdem:

Der Angeklagte hatte Mitte September 2011 zwei Pullover bei H&M (Gesamtwert: 79,80 €) gestohlen. Angeklagt war die Tat als räuberischer Diebstahl, weil der Angeklagte, vom Ladendetektiv außerhalb des Geschäfts gestellt, sich so aus seinem Rucksack gewunden hatte, dass der Detektiv den Eindruck bekam, der Angeklagte wolle ihn schlagen, um im Besitz der Beute zu bleiben. Nach der Zeugenvernehmung blieb vom räuberischen Diebstahl nur noch der Diebstahl übrig – allerdings ein besonders schwerer, weil der Angeklagte die Pullover in Alufolie gewickelt hatte, um so die Diebstahlsicherung zu überlisten (was auch funktionierte). Hierfür gab es 4 Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung.

Nun mag man daran zweifeln, dass ein solches Sicherungsetikett um eine „Schutzvorrichtung gegen Wegnahme“ handelt, schließlich war die Wegnahme bereits mit Einpacken der Pullover in den Rucksack und der damit begründeten Gewahrsamsenklave vollendet, sodass das Etikett nicht die Wegnahme sondern die Beutesicherung erschweren sollten. Aber darum geht es mir gar nicht.

Ich frage mich aber, warum der Angeklagte wegen dieser Tat zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft verbringen musste. Die Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens, im konkreten Fall sollte sichergestellt werden, dass der Angeklagte nicht flüchtet. Klar: Der Angeklagte stammte aus Rumänien, was wohl zumindest abstrakt den Verdacht nahe legt, dass er sich dem Verfahren durch Flucht gen Heimat entziehen könnte (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Zumal es sich bei der ursprünglich angeklagten Tat um ein Verbrechen (§ 12 Abs. 2 StGB) handelte. Allerdings lagen die Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung mit Ausnahme des Alufolien-Tricks auch schon im Ermittlungsverfahren vor; man hätte also auch da schon auf die Idee kommen können, dass am Vorwurf des räuberischen Diebstahls nicht viel dran war. Und dann bleibt nicht mehr viel übrig: Nämlich der Diebstahl zweier Pullover im Wert von 79,80€! Bei Erlass des Haftbefehls muss das Interesse des Angeklagten, in Freiheit zu bleiben, gegen das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung des Strafverfahrens und die Gefahr, dass sich der Angeklagte dem Verfahren entzieht abgewogen werden (§ 112 Abs. 1 StPO). Und hier, so meine ich, neigt sich die Waagschale doch sehr stark zugunsten des Angeklagten. Denn ob das Interesse an der Durchführung eines Verfahrens wegen einer solchen – ich glaube, man kann es so nennen – Lapalie es rechtfertigt, einen Beschuldigten zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft versauern zu lassen, erscheint mir mehr als zweifelhaft…

Die EC-Karte im Papierkorb – OLG Hamm III-3 RVs 103/10

25 Nov

I. Sachverhalt

Der A begleitete die M gelegentlich, um ihr bei Reinigungsarbeiten in einer Bankfiliale zu helfen. Am Tattag bat M den A den Inhalt eines Papierkorbes in einen Müllsack zu entleeren und den Sack nach draußen zu bringen, wo er von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt werden sollte. In dem Papierkorb entdeckte A ein schwarzes Kästchen. Er entleerte zunächst den Inhalt des Papierkorbes in den Müllsack, verbrachte diesen nach draußen und nahm anschließend das Kästchen an sich und öffnete es. In dem Kästchen fand er eine EC-Karte und einen Briefumschlag, in welchem sich die dazugehörige PIN befand. Die EC-Karte und der Briefumschlag waren am morgen von einem Kunden dem Bankmitarbeiter Z, nach Kündigung eines Geschäftskontos, übergeben und von Z weisungswidrig nicht in den Sondermüll, der von einer Spezialfirma entsorgt wird, sondern nur in den einfachen Papierkorb geworfen worden. A nahm die EC-Karte samt PIN an sich und tätigte sodann noch am selben Tag bei zwei verschiedenen Banken Abhebungen in Höhe von insgesamt 900 €. Das Geld gab er für eigene Zwecke aus. Einen Strafantrag stellte die Bank nicht.

II. Probleme

Der Fall berührt zwei Problembereiche. Zum einen stellt sich die Frage, ob die EC-Karte ein taugliches Diebstahlsobjekt i. S. d § 242 StGB darstellt, da eine Eigentumsaufgabe gem. § 959 BGB seitens der Bank vorgelegen haben könnte, so dass es sich bei der EC-Karte nicht mehr um eine „fremde“ Sache handelte. Zum anderen steht die Frage im Raum, sofern man die EC-Karte als taugliches Diebstahlsobjekt ansieht, ob ein Diebstahl einer geringwertigen Sache (§ 248a StGB) vorliegt. Denn, sollte es sich bei der EC-Karte um eine geringwertige Sache handeln, muss in Betracht gezogen werden, ob ein hinreichender Strafantrag gestellt wurde, wobei zu beachten ist, dass die Staatsanwaltschaft ein Einschreiten, bei Fehlen eines Strafantrages, wegen des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen für geboten halten kann. (Beachte: § 242 Abs. 1 StGB i. V. m. 248a StGB ist ein relatives Antragsdelikt)

III. Dereliktion gem. § 859 BGB

Sollte eine Eigentumsaufgabe (Dereliktion) der Bank nach § 959 BGB vorliegen, müsste von ihr eine diesbezügliche einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung abgegeben worden sein. Für die Auslegung dieser Willenserklärung kommt es auf den tatsächlichen Willen des Eigentümers an. Dies ist auf jeden Fall die Bank, denn ihr ist am Tattag die Karte von K zurückgegeben worden, so dass sich die Frage nach dem Eigentum an der Karte des K nicht stellt. Verfolgt die Bank als Eigentümer der EC-Karte einen bestimmten Zweck mit dieser, liegt keine Eigentumsaufgabe vor. Das OLG Hamm beantwortet diese Frage überzeugend dahingehend, dass die Bank die Karte aufgrund der darin gespeicherten persönlichen Daten nicht einem beliebigen Dritten (hier: A oder einem beliebigen Abfallentsorger) überlassen wollte, sondern auf Grund ihres eindeutig geäußerten Willens nur dem zuständigen Spezialabfallentsorger. Daher lag keine Dereliktion i. S. d. § 859 BGB vor. Da ansonsten alle übrigen Tatbestandsmerkmale eindeutig vorlagen, bejahte das OLG Hamm die Erfüllung des Diebstahlstatbestandes gem. § 242 StGB.

IV. Geringwertige Sache i. s. d. § 248a StGB

Die sog. Bagatellgrenze wird vom BGH bei derzeit 25,- € gezogen. Der Substanzwert einer EC-Karte liegt unter diesem Wert bzw. besitzt keinen messbaren objektiven Verkehrswert. Hier stellt sich nunmehr die Frage, ob entgegen des eigentlichen Substanzwertes der Karte, deren Wert höher einzuschätzen ist. Die Geringfügigkeit hört bei Gegenständen ohne messbaren Verkehrswert dort auf, wenn sich ihr Wert für den Täter in dem mit der Sachherrschaft verknüpften Wert funktioneller Möglichkeiten erschöpft (Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 248a Rn. 4 m. w. N.). Dem schließt sich der erkennende 3. Senat des OLG Hamm an, weil die Geringfügigkeitsgrenze hier aufgrund des funktionellen Wertes für A infolge der Möglichkeit der Geldabhebung mittels der (hier gleichfalls erlangten) PIN überschritten ist. Ein Strafantrag war somit nicht erforderlich.

Der Fall ist für die mündliche Prüfung im 1. Staatsexamen zum „warmlaufen“ geeignet.

Der Beschluss  des OLG Hamm vom 10.02.2011 findet sich hier. Siehe auch Schmidt, Iurratio, StrRBT 6005.

Änderung des § 113 StGB (Widerstand und gefährliche Werkzeuge) (II)

24 Nov

Das StGB hat durch das 44. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs (BGBl. I 2011 Nr. 55, S. 2130; Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/4143) Änderungen erfahren, die gar nicht so uninteressant sind und ein paar Fragen aufwerfen. In einem früheren Artikel wurde bereits ausführlich auf die Strafrahmenerhöhung eingegangen. Im Folgenden wird dieser Teil kurz in Erinnerung gerufen und auf weitere Probleme hingewiesen:

1. § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

a) Zunächst einmal wurde der Strafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB von zwei Jahren auf drei Jahre erhöht. Der verwunderte Leser stellt fest: Der Strafrahmen ist nun der gleiche wie in § 240 Abs. 1 StGB. Wo bleibt die Privilegierung desjenigen, der in einer Affektsituation durch die Konfrontation mit Vollstreckungshandlungen Widerstand leistet? Hat die Beschränkung auf konkrete Vollstreckungshandlungen überhaupt noch seine Berechtigung, wenn diese Privilegierung ohnehin aufgehoben wird? Nein, meint der Bundesrat (BR-Drs. 646/10), und fordert eine Erweiterung auf „normale“ Diensttätigkeiten ohne Vollstreckungsbezug. Die Bundesregierung blieb, allerdings ohne allzu detaillierte Begründung, bei der Begrenzung auf Vollstreckungshandlungen. Im Ergebnis allerdings zu recht, denn die Privilegierung bleibt im Rahmen der Absätze 3 und 4 erhalten und soll gerade die Konfrontation bei staatlichen Zwangssituationen berücksichtigen.

b) Das Änderungsgesetz hat noch mehr zu bieten: Nunmehr befindet sich auch im Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB neben der „Waffe“ das beliebte „andere gefährliche Werkzeug“. Dies ist eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das seinerzeit die weit verbreitete Ansicht, Personenkraftwagen könnten unter „Waffe“ subsumiert werden, als Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG bewertet hatte (Entscheidung vom 01.09.08, 2 BvR 2238/07 – NStZ 2009, 83). Nun ist es kein Geheimnis, dass die Definition des gefährlichen Werkzeugs nicht ganz unumstritten ist. Leider vermag auch die Gesetzesbegründung nur wenig zu helfen: Der Vergleich mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 und § 244 Abs. 1 Nr. 1 a), § 250 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB stellt lediglich klar, dass die – gerade aus der Diskrepanz zwischen § 224 und § 244 entstandenen – Probleme um das gefährliche Werkzeug spurlos am Gesetzgeber vorbeigezogen sein müssen.

c) § 113 StGB ist also verschärft worden. Grund ist die gestiegene Anzahl an Vorfällen von „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ laut der Polizeilichen Kriminalstatistik von 1999 bis 2008. Es wurde festgestellt, dass insbesondere die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten steigt. Ob eine Verschärfung einer Regelung, die in erster Linie dem Schutz der Autorität staatlicher Vollstreckungsakte dient, Polizeibeamten vor körperlichen Übergriffen von meist alkoholisierten Widerständigen schützt, bleibt jedoch fragwürdig.

2. § 244 StGB Diebstahl mit Waffen u.a.

§ 244 StGB erhält im neuen Absatz 3 einen Privilegierungstatbestand. In minder schweren Fällen beginnt nun die untere Grenze des Strafrahmens bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (im Vergleich zu sechs Monate im Normalfall). Diese Regelung soll der Regelung des § 250 Abs. 3 StGB entsprechen. Motiv für diese Neuregelung ist tatsächlich wieder – das gefährliche Werkzeug des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) Alt. 2 StGB. Denn als Folge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.06.08 seien ausschließlich objektive Kriterien bei der Bestimmung dieses Merkmals heranzuziehen (BGHSt 52, 257), die allerdings, wie der Gesetzgeber auch zugibt, weiterhin umstritten sind. Um gerechte Einzelfallentscheidungen zu ermöglichen, bedürfe es dieser neuen Strafzumessungsregelung. Halten wir also fest: Statt einer eindeutigen Regelung des Merkmals und eines damit verbundenen Streitentscheids stellt der Gesetzgeber dem Richter eine weiteren unbestimmten Rechtsbegriff zur Seite und hofft auf gerechte Einzelfallentscheidungen.

3. Die gute Nachricht

Muss nicht konsequenterweise in § 113 StGB nun auch eine Regelung für minder schwere Fälle eingefügt werden? Für § 113 StGB wird wohl trotz der Änderung nicht auch noch ein Privilegerungstatbestand für Einzelfallgerechtigkeit vonnöten sein. Dort taucht das gefährliche Werkzeug ohnehin in einer Strafzumessungsregel auf.

Buchempfehlung: Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil I

17 Nov

Auch wenn jeder selbst entscheiden muss, was für ein Lehrbuch er sich anschafft, möchte ich zumindest für die Vorlesung Strafrecht II (Nichtvermögensdelikte) folgendes Buch empfehlen:

Jörg Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil I, Straftaten gegen die Person und die Allgemeinheit, Verlag Kohlhammer, Stuttgart, 2008, 432 Seiten, 24,80 €

Eins vorweg: das Buch habe ich vom Verlag geschenkt bekommen, was meine Meinung aber nicht beeinflusst hat.

Warum bin ich von Eisele so begeistert? Er arbeitet mit sehr vielen kleinen Beispielsfällen, was – meines Erachtens – einem wirklichen Verständnis sehr zuträglich ist. Und nicht nur die Zahl, sondern auch die Darstellung der Fälle überzeugt. In anderen Lehrbüchern werden häufig am Anfang des Kapitels mehrere Fälle geschildert, auf die dann später zurückgekommen wird. Dagegen skizziert Eisele, nachdem ein Problem abstrakt erörtert wurde, kurz den Sachverhalt und gibt sogleich Lösungsvorschläge. Das finde ich insbesondere dann, wenn man kurz etwas nachschlagen will sehr gut. Dazu geht Eisele vielfach weiter in die Tiefe als Konkurrenzprodukte, was ebenfalls bei der Benutzung als Nachschlagewerk hilfreich ist.

Zugegebenermaßen ist ein Manko des Buchs, dass es Ende 2007 fertiggestellt wurde, Neuerungen wie insbesondere das BGH-Urteil des 2. Senats zur Sterbehilfe also nicht enthalten sind – dem wird aber laut Homepage von Professor Eisele demnächst mit einer 2. Auflage abgeholfen.

Änderung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) – Exemansrelevant? (I)

15 Nov

Die Antwort ist: Ja! Auch wenn die Änderungen durch das 44. StGBÄndG auf den ersten Blick unscheinbar sind, bietet sich die Prüfung der neuen und alten Probleme geradezu an. Zur Erinnerung die Änderungen:

(1) Strafrahmenerhöhung in Abs. 1 von zwei auf drei Jahre

(2) Gefährliches Werkzeug als 2. Alt. neben der Waffe in besonders schweren Fall nach Abs. 2 Nr. 1

1. Strafrahmenerhöhung

Kernpunkt der Änderung ist die Anhebung der Strafandrohung des Grundtatbestandes, der nun an § 240 Abs. 1 StGB angepasst wurde. Der geringere Srafrahmen wurde bei der a.F. vom Gesetzgeber durch die besondere Zwangslage gerechtfertigt, in der sich der Täter befindet (nach Hirsch und Kindhäuser handelt es sich um ein Redaktionsversehen). Aktuelle Polizeistatistiken zeigten aber, dass Übergriffe gegen die Staatsgewalt sich bedeutend erhöht haben (30 % zwischen 1999 und 2008: BT-Drs. 17/4143, S. 6). Der Gesetzgeber sah deswegen Handlungsbedarf. Daran knüpfen neue und alte Probleme an:

a) Ist die Anhebung sinnvoll?

Das rechtspolitsche Argument dafür findet man schon oben gennant. Dagegen kann systematisch angeführt werden, dass Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte auch von §§ 223ff. und 185ff. StGB erfasst wird (so der BT selbst: BT-Drs. 17/4143, S. 6). Nicht erfasst wird aber auch weiterhin der Widerstand gegen „normale“ Diensttätigkeiten (z. B. Streifendienst, schlichte Überwachungs- und Ermittlungstätigkeiten), siehe statt aller: BR-Drs. 646/10, S. 2. Eine Ausweitung auf diese Personengruppe wurde von der Bundesregierung jedoch abgelehnt mit Verweis auf den ausreichenden Schutz durch die §§ 223ff. StGB (!) (BT-Drs. 17/4143, S. 11).

b) Welche Rechtsgüter schützt § 113 StGB?

Unstreitig soll das rechtmäßige staatliche Vollstreckungshandeln geschützt werden. Überwiegend wird daneben auch der Schutz der Vollstreckungspersonen selbst gennant (BGHSt. 21, 334, 365). Diese müssen jedoch zum Tatzeitpunkt eine Vollstreckungshandlung vornehmen. Andernfalls kommt § 240 StGB zur Anwendung.

c) Verhältnis zu § 240 StGB?

Traditionell ist § 113 StGB lex specialis zu § 240 StGB. Argumente waren neben den Schutzgütern auch der geringere Strafrahmen. Nach dessen Modifizierung, können immerhin noch die Abs. 3 und insb. 4 als besondere Voraussetzungen die Priviligierung rechtfertigen. Konsequenz daraus ist, dass § 113 StGB eine Sperrwirkung entfaltet, wenn der Widerstand des Täters nicht unter den Tatbestand fällt. Anders verhält es sich, wenn das Opfer kein taugliches Tatobjekt ist (z.B. eine Politesse). Hier soll § 240 StGB anwendbar sein (str.). Fraglich ist daneben auch ob der Gewaltbegriff des § 113 von § 240 StGB abweicht (str.).

Schließlich wirkt sich die Änderung auch auf folgenden Irrtum aus: der Täter glaubt gegen eine Vollstreckungshandlung Widerstand zu leisten. Hier wurde entweder § 240 StGB mit dem Strafrahmen des § 113 StGB angewendet oder letzterer gem. § 16 II StGB analog angewendet. Vereinzelt wurde gar Straflosigkeit angenommen. Diese Lösungswege könnten obsolet werden, wenn man keinen Irrtum über die (entfallene) Prviliegerungssituation mehr annimt.

Zu (2) hier.

Zwischenruf – Vorlesung Strafrecht GK III

14 Nov

An dieser Stelle will ich eine Beobachtung ansprechen, die ich in den letzten Semestern verstärkt gemacht habe. Sie betrifft die Hörerzahl in der Vorlesung Strafrecht GK III. Diese ist traditionell immer geringer, als diejenige in den ersten beiden Semestern. Da die meisten Studenten ihre zwei Strafrechtsscheine im GK I und GK II erledigen, höre ich oft von ehemaligen AG-Teilnehmern: „Jetzt mache ich erstmal die Zivilrechtsscheine und die Grundlagenfächer.“

Das ist zunächst sehr verständlich. Dennoch möchte ich etwas Salz in die Wunde streuen. Gerade die im GK III behandelten Normen und Probleme taugen nicht zur berühmten „Lücke“. Auch darf die erhebliche Examensrelevanz der Vermögens- und Anschlussdelikte keineswegs unterschätzt werden. Die große Zahl verschiedenster Betrugskonstellationen, der Diebstahl in Gestalt von Qualifikation und Regelbeispiel und last but not least Raub und räuberische Erpressung haben es „in sich“. Gleiches ist für die Anschlussdelikte (vgl. dazu auch den Beitrag von Swantje Kreuzner hier im Blog) zu konstatieren, die immer wieder Gegenstand von Examensklausuren sind. Auch sollte man nicht zu sehr auf das (wohl unvermeidliche) Rep warten, wo das dann schon alles erklärt wird. Die Vermittlung dieser Grundlagen geschieht in einem ersten Schritt am besten im Rahmen der Vorlesung, zu deren Besuch ich daher nachdrücklich auffordern will!

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