Archiv | Examen RSS feed for this section

Otto Palandt – 60 Jahre nach seinem Tod

9 Dez

Fast jeder hat ihn während seines Jurastudiums zu Recherchezwecken genutzt, doch vermutlich kaum einer hat sich schon einmal genauer mit dem Palandt und seinem Herausgeber beschäftigt. Am 03.12.2011 war der 60. Todestag des Otto Palandt. Legal Tribune Online hat einen kurzen, recht interessanten Artikel veröffentlicht, den ich keinem vorenthalten möchte. Inhaltlich geht es insbesondere auch noch um die „Kommentierung der „Justizausbildungsverordnung des Reiches nebst Durchführungsbestimmungen“, die mit einem Geleitwort des Staatssekretärs Dr. Roland Freisler 1934 im Berliner Verlag Franz Vahlen erschien“. Für alle, die sich auch ein wenig rechtshistorisch interessieren, auf jeden Fall lesenswert.

Examensreport NRW – öffentliches Recht 11/2011

30 Nov

1. Klausur: Identitätskontrolle von Besuchern einer Moschee durch die Polizei: Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.com) und hier (juraexamen.info).

Schwerpunkte: Fortsetzungsfeststellungsklage, Abgrenzung repressive/präventive Maßname der Polizei, PolG NRW (insb. § 12 und 14) und Grundrechte (insb. Art. 4 GG).

2. Klausur: Eintragungspflicht in die Handwerksrolle: Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.com) und hier (juraexamen.info).

Schwerpunkte: Verwaltungsprozessrecht (insb. einstweiliger Rechtsschutz und Feststellungsklage), Europarecht (Grundfreiheiten) und Grundrechte. Angelehnt an BVerwG 8 C 8.10 und 9.10.

Examensreport NRW – Strafrecht 11/2011

28 Nov

Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.info).

Schwerpunkte: Mord, Täterschaft und Teilnahme (§ 28 StGB), Rücktritt, Nötigungsnotstand.

Die EC-Karte im Papierkorb – OLG Hamm III-3 RVs 103/10

25 Nov

I. Sachverhalt

Der A begleitete die M gelegentlich, um ihr bei Reinigungsarbeiten in einer Bankfiliale zu helfen. Am Tattag bat M den A den Inhalt eines Papierkorbes in einen Müllsack zu entleeren und den Sack nach draußen zu bringen, wo er von einem Entsorgungsunternehmen abgeholt werden sollte. In dem Papierkorb entdeckte A ein schwarzes Kästchen. Er entleerte zunächst den Inhalt des Papierkorbes in den Müllsack, verbrachte diesen nach draußen und nahm anschließend das Kästchen an sich und öffnete es. In dem Kästchen fand er eine EC-Karte und einen Briefumschlag, in welchem sich die dazugehörige PIN befand. Die EC-Karte und der Briefumschlag waren am morgen von einem Kunden dem Bankmitarbeiter Z, nach Kündigung eines Geschäftskontos, übergeben und von Z weisungswidrig nicht in den Sondermüll, der von einer Spezialfirma entsorgt wird, sondern nur in den einfachen Papierkorb geworfen worden. A nahm die EC-Karte samt PIN an sich und tätigte sodann noch am selben Tag bei zwei verschiedenen Banken Abhebungen in Höhe von insgesamt 900 €. Das Geld gab er für eigene Zwecke aus. Einen Strafantrag stellte die Bank nicht.

II. Probleme

Der Fall berührt zwei Problembereiche. Zum einen stellt sich die Frage, ob die EC-Karte ein taugliches Diebstahlsobjekt i. S. d § 242 StGB darstellt, da eine Eigentumsaufgabe gem. § 959 BGB seitens der Bank vorgelegen haben könnte, so dass es sich bei der EC-Karte nicht mehr um eine „fremde“ Sache handelte. Zum anderen steht die Frage im Raum, sofern man die EC-Karte als taugliches Diebstahlsobjekt ansieht, ob ein Diebstahl einer geringwertigen Sache (§ 248a StGB) vorliegt. Denn, sollte es sich bei der EC-Karte um eine geringwertige Sache handeln, muss in Betracht gezogen werden, ob ein hinreichender Strafantrag gestellt wurde, wobei zu beachten ist, dass die Staatsanwaltschaft ein Einschreiten, bei Fehlen eines Strafantrages, wegen des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen für geboten halten kann. (Beachte: § 242 Abs. 1 StGB i. V. m. 248a StGB ist ein relatives Antragsdelikt)

III. Dereliktion gem. § 859 BGB

Sollte eine Eigentumsaufgabe (Dereliktion) der Bank nach § 959 BGB vorliegen, müsste von ihr eine diesbezügliche einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung abgegeben worden sein. Für die Auslegung dieser Willenserklärung kommt es auf den tatsächlichen Willen des Eigentümers an. Dies ist auf jeden Fall die Bank, denn ihr ist am Tattag die Karte von K zurückgegeben worden, so dass sich die Frage nach dem Eigentum an der Karte des K nicht stellt. Verfolgt die Bank als Eigentümer der EC-Karte einen bestimmten Zweck mit dieser, liegt keine Eigentumsaufgabe vor. Das OLG Hamm beantwortet diese Frage überzeugend dahingehend, dass die Bank die Karte aufgrund der darin gespeicherten persönlichen Daten nicht einem beliebigen Dritten (hier: A oder einem beliebigen Abfallentsorger) überlassen wollte, sondern auf Grund ihres eindeutig geäußerten Willens nur dem zuständigen Spezialabfallentsorger. Daher lag keine Dereliktion i. S. d. § 859 BGB vor. Da ansonsten alle übrigen Tatbestandsmerkmale eindeutig vorlagen, bejahte das OLG Hamm die Erfüllung des Diebstahlstatbestandes gem. § 242 StGB.

IV. Geringwertige Sache i. s. d. § 248a StGB

Die sog. Bagatellgrenze wird vom BGH bei derzeit 25,- € gezogen. Der Substanzwert einer EC-Karte liegt unter diesem Wert bzw. besitzt keinen messbaren objektiven Verkehrswert. Hier stellt sich nunmehr die Frage, ob entgegen des eigentlichen Substanzwertes der Karte, deren Wert höher einzuschätzen ist. Die Geringfügigkeit hört bei Gegenständen ohne messbaren Verkehrswert dort auf, wenn sich ihr Wert für den Täter in dem mit der Sachherrschaft verknüpften Wert funktioneller Möglichkeiten erschöpft (Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 248a Rn. 4 m. w. N.). Dem schließt sich der erkennende 3. Senat des OLG Hamm an, weil die Geringfügigkeitsgrenze hier aufgrund des funktionellen Wertes für A infolge der Möglichkeit der Geldabhebung mittels der (hier gleichfalls erlangten) PIN überschritten ist. Ein Strafantrag war somit nicht erforderlich.

Der Fall ist für die mündliche Prüfung im 1. Staatsexamen zum „warmlaufen“ geeignet.

Der Beschluss  des OLG Hamm vom 10.02.2011 findet sich hier. Siehe auch Schmidt, Iurratio, StrRBT 6005.

Änderung des § 113 StGB (Widerstand und gefährliche Werkzeuge) (II)

24 Nov

Das StGB hat durch das 44. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs (BGBl. I 2011 Nr. 55, S. 2130; Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/4143) Änderungen erfahren, die gar nicht so uninteressant sind und ein paar Fragen aufwerfen. In einem früheren Artikel wurde bereits ausführlich auf die Strafrahmenerhöhung eingegangen. Im Folgenden wird dieser Teil kurz in Erinnerung gerufen und auf weitere Probleme hingewiesen:

1. § 113 StGB Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

a) Zunächst einmal wurde der Strafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB von zwei Jahren auf drei Jahre erhöht. Der verwunderte Leser stellt fest: Der Strafrahmen ist nun der gleiche wie in § 240 Abs. 1 StGB. Wo bleibt die Privilegierung desjenigen, der in einer Affektsituation durch die Konfrontation mit Vollstreckungshandlungen Widerstand leistet? Hat die Beschränkung auf konkrete Vollstreckungshandlungen überhaupt noch seine Berechtigung, wenn diese Privilegierung ohnehin aufgehoben wird? Nein, meint der Bundesrat (BR-Drs. 646/10), und fordert eine Erweiterung auf „normale“ Diensttätigkeiten ohne Vollstreckungsbezug. Die Bundesregierung blieb, allerdings ohne allzu detaillierte Begründung, bei der Begrenzung auf Vollstreckungshandlungen. Im Ergebnis allerdings zu recht, denn die Privilegierung bleibt im Rahmen der Absätze 3 und 4 erhalten und soll gerade die Konfrontation bei staatlichen Zwangssituationen berücksichtigen.

b) Das Änderungsgesetz hat noch mehr zu bieten: Nunmehr befindet sich auch im Regelbeispiel des § 113 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB neben der „Waffe“ das beliebte „andere gefährliche Werkzeug“. Dies ist eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das seinerzeit die weit verbreitete Ansicht, Personenkraftwagen könnten unter „Waffe“ subsumiert werden, als Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG bewertet hatte (Entscheidung vom 01.09.08, 2 BvR 2238/07 – NStZ 2009, 83). Nun ist es kein Geheimnis, dass die Definition des gefährlichen Werkzeugs nicht ganz unumstritten ist. Leider vermag auch die Gesetzesbegründung nur wenig zu helfen: Der Vergleich mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 und § 244 Abs. 1 Nr. 1 a), § 250 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB stellt lediglich klar, dass die – gerade aus der Diskrepanz zwischen § 224 und § 244 entstandenen – Probleme um das gefährliche Werkzeug spurlos am Gesetzgeber vorbeigezogen sein müssen.

c) § 113 StGB ist also verschärft worden. Grund ist die gestiegene Anzahl an Vorfällen von „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ laut der Polizeilichen Kriminalstatistik von 1999 bis 2008. Es wurde festgestellt, dass insbesondere die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten steigt. Ob eine Verschärfung einer Regelung, die in erster Linie dem Schutz der Autorität staatlicher Vollstreckungsakte dient, Polizeibeamten vor körperlichen Übergriffen von meist alkoholisierten Widerständigen schützt, bleibt jedoch fragwürdig.

2. § 244 StGB Diebstahl mit Waffen u.a.

§ 244 StGB erhält im neuen Absatz 3 einen Privilegierungstatbestand. In minder schweren Fällen beginnt nun die untere Grenze des Strafrahmens bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (im Vergleich zu sechs Monate im Normalfall). Diese Regelung soll der Regelung des § 250 Abs. 3 StGB entsprechen. Motiv für diese Neuregelung ist tatsächlich wieder – das gefährliche Werkzeug des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) Alt. 2 StGB. Denn als Folge der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.06.08 seien ausschließlich objektive Kriterien bei der Bestimmung dieses Merkmals heranzuziehen (BGHSt 52, 257), die allerdings, wie der Gesetzgeber auch zugibt, weiterhin umstritten sind. Um gerechte Einzelfallentscheidungen zu ermöglichen, bedürfe es dieser neuen Strafzumessungsregelung. Halten wir also fest: Statt einer eindeutigen Regelung des Merkmals und eines damit verbundenen Streitentscheids stellt der Gesetzgeber dem Richter eine weiteren unbestimmten Rechtsbegriff zur Seite und hofft auf gerechte Einzelfallentscheidungen.

3. Die gute Nachricht

Muss nicht konsequenterweise in § 113 StGB nun auch eine Regelung für minder schwere Fälle eingefügt werden? Für § 113 StGB wird wohl trotz der Änderung nicht auch noch ein Privilegerungstatbestand für Einzelfallgerechtigkeit vonnöten sein. Dort taucht das gefährliche Werkzeug ohnehin in einer Strafzumessungsregel auf.

Examensreport NRW – Zivilrecht 11/2011

24 Nov

1. Klausur (Anwaltskausur)

Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.info). (Teilproblem BGH X ZR 61/06).

Schwerpunkte: Reisevetragsrecht, IPR (Rom II) (!) in der Zusatzfrage.

2. Klausur

Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.info).

Schwerpunkte: Zwangsvollstreckung, Immobiliarsachenrecht und Gesellschaftsrecht.

3. Klausur

Den Sachverhalt findet Ihr hier (juraexamen.info).

Schwerpunkte: Schuldrecht (insb. Rücktrittsrecht) und Deliktsrecht.

Bierbikes, die 2.: Erlaubnispflichtige Sondernutzung

23 Nov

Im Blog wurden die sog. Bierbikes und die damit einhergehenden rechtlichen Probleme bereits dargestellt (hier); nun hat das OVG Münster entschieden, vgl. Pressemitteilung. Der Betrieb von Bierbikes und Partybikes auf öffentlichen Straßen ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (a.A. Lund, DVBl 2011, 339 abrufbar aus dem Uninetz). Für die mündliche Examensprüfung in nächster Zeit sicherlich ein Favorit.

Einstellung des Guttenberg-Verfahrens – Darf die Staatsanwaltschaft das?

23 Nov

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof gegen Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde gemäß §153a Abs. 1 StPO eingestellt, obwohl 23 Verstoße gegen § 106 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) festgestellt wurden (Der Verdacht auf Untreue oder Betrug wurde nicht bestätigt). Jedoch hat Guttenberg gem. § 153a Abs.1 Nr 2., 1.Alt. StPO einen Geldbetrag zugunsten der deutschen Kinderkrebshilfe geleistet (siehe auch hier, hier, hier und hier).

Schluss. Aus. Vorbei. Es wird keine Hauptverhandlung gegen ihn geben!

(Bild.de)

1. Stimmt das? Liegen die Voraussetzungen des § 153a StPO vor?

Grundsätzlich ist die Staatanwaltschaft bei Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte: 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet zu ermitteln (Legalitätsprinzip). Kommt es zum hinreichenden Tatverdacht, wird Klage erhoben (§ 170 Abs. 1 StPO). Andernfalls wird das Verfahren nach § 170 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt. Daneben kann die Staatsnawaltanschaft, nach pflichtgemäßen Ermessen, unter bestimmten Voraussetzungen das Verfahren nach den §§ 153ff. StPO einstellen (Opportunitätsprinzip). Eine Möglichkeit bietet die Verfahrenseinstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a Abs. 1 StPO. Folgende Voraussetzungen müssten vorliegen:

a) keine vorherige Klagerhebung (sonst Abs. 2): hier (+)

b) hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB): hier (+), s.o.

c) keine entgegenstehende Schwere der Schuld: hier hat die StA großen Spielraum, daher Bejahung vertretbar.

d) Geeignetheit der Auflagen das öffentliche Interesse zu beseitigen: hier str. (vertretbare Lösung auf juraexamen.info)

e) Zustimmung des Gerichts: hier AG Hof (+)

f) Zustimmung des Beschuldigten (kein Schuldeingetändnis!): hier (+)

Wenn die Voraussetzungen vorliegen und der Beschuldigte die angeordnete Auflage erfüllt, so kann die Tat als Vergehen nicht mehr verfolgt werden gem. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO (beschränkter Strafklageverbrauch). Guttenberg hat laut StA Hof die Zahlung getätigt und damit konnte sie das Verfahren nach § 153a Abs. 1 S. 1 StPO endgültig einstellen.

2. Ist eine Hauptverhandlung nicht mehr möglich?

Theoretisch ist die Wiederaufnahme des Verfahrens möglich, wenn die selbe Tat ein Verbrechen darstellen sollte (arg. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO). Deswegen spricht man auch von beschränktem Strafklageverbrauch. Ein Vebrechen liegt im vorliegenden Fall sicherlich nicht vor (ein gewerbsmäßiger Bandenbetrug nach § 263 Abs. 5 StGB scheidet eindeutig aus).

3. Welche anderen Möglichkeiten hatte die Staatsanwaltschaft?

Nach § 170 Abs. 2 StPO konnte wegen des hinreichenden Tatverdachts (s.o.) nicht eingestellt werden. Ob mangelnde Geringfügkeit und fehelndes öffentliches Interesse nach § 153 StPO bejaht werden kann, ist fraglich (dabei ist zu beachten, dass bei Vorliegen von öff. Interesse nur § 153a StPO zur Anwendung kommt). Die Voraussetzungen der §§ 153b ff. StPO liegen ebenfalls nicht vor. Damit hatte die StA Hof als Alternative nur noch die Klageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO.

Zur Kritik an § 153a StPO siehe Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 14 Rn. 14.

Ö-Recht-Basics: Teil I – Der Verwaltungsakt

21 Nov

Kaum eine andere Handlungsform wird von der Verwaltung so oft genutzt wie der Verwaltungsakt. Daher ist es für die Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren unerlässlich, sich mit diesem Instrument näher zu beschäftigen. Der folgende Beitrag versucht einige wesentliche Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit in gebotener Kürze darzustellen.

I. Definition

Eine Legaldefinition des Begriffs „Verwaltungsakt“ lässt sich § 35 VwVfG entnehmen. Danach handelt es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die eine hoheitliche Regelung beinhaltet, einen Einzelfall betrifft und Außenwirkung entfaltet.
1. Maßnahme einer Behörde
2. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
3. hoheitliche Regelung
4. Einzelfall
5. Außenwirkung
Probleme können sich unter jeder dieser Voraussetzungen ergeben.

II. Maßnahme einer Behörde

Zunächst muss es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln. Nach dem engen Behördenbegriff ist eine Behörde eine Stelle der Exekutive, die für den Verwaltungsträger nach außen hin tätig wird. Der weite Behördenbegriff, der auch § 1 IV VwVfG zugrunde liegt, umfasst demgegenüber jede Stelle, die Verwaltungstätigkeiten wahrnimmt.

III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 

Hier ist, sofern in der Prüfung nicht bereits geschehen (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Zulässigkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht), der Streit zu verorten, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme (Streitigkeit) handelt. Dies richtet sich in der Regel nach der streitentscheidenden Norm. Nach der vorzugswürdigen Sonderrechtstheorie ist zu hinterfragen, ob die Vorschrift einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (aA: Interessentheorie, Subordinationstheorie).

IV. hoheitliche Regelung

Es müsste sich auch um eine hoheitliche Regelung handeln. Die Maßnahme der Behörde muss auf Setzung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein. Durch den Begriff „hoheitlich“ wird verdeutlicht, dass es sich in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff VwVfG um eine einseitige Regelung handelt. Diese muss ferner verbindlich und abschließend sein. Im Gegensatz zum vorläufigen Verwaltungsakt beinhalten vorbereitende Maßnahmen keine hoheitliche Regelung. Zu unterscheiden ist auch die wiederholenden Verfügung von einem Zweitbescheid. Grundsätzlich liegt eine Regelung vor, sofern ein Gebot oder Verbot durch die Behörde erfolgt.

V. Einzelfall

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist ferner, dass die Maßnahme der Behörde einen Einzelfall regelt. Während Gesetze prinzipiell abstrakt – genrelle Bedeutung haben (abstrakt = für eine Vielzahl von Fällen; generell = für eine Vielzahl von Personen), beansprucht der Urform des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S.1 VwVfG nur konkret – individuelle Wirkung. § 35 S.2 VwVfG geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet die Allgemeinverfügung. Ein Verwaltungsakt liegt hiernach auch vor, wenn ein konrekter Fall geregelt wird, aber eine Vielzahl von Personen betroffen sein können (konkret – generell). Man spricht in diesem Zusammenhang von adressatbezogenen Verfügungen, dinglichen Verwaltungsakten und Benutzungsregelungen.

VI. Außenwirkung

Schließlich besteht auch das Bedürfnis der Außenwirkung. Außenwirkung entfaltet die Regelung, wenn sie an einen außerhalb der Verwaltung Stehenden gerichtet ist. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss als selbstständiges Rechtssubjekt adressiert sein.
Probleme hinsichtlich des Vorliegens der Außenwirkung ergeben sich insbesondere bei Maßnahmen gegenüber einem Beamten. Zu Bejahen ist die Außenwirkung hier, sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist und es sich um einen Statusakt handelt. Man spricht auch vom sogenannten Grundverhältnis. Sofern jedoch das Betriebsverhältnis und damit die Stellung des Beamten innerhalb der Verwaltung betroffen ist, scheidet eine Außenwirkung aus.
Aber auch bei mitwirkungsbedürftigen Maßnahmen stellt sich die Frage, ob die Mitwirkungshandlung der anderen Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, sofern diese eine im Verhältnis zur ersten Behörde inkongruente Prüfung vornimmt und eine Teilregelungsbefugnis innehat.

VII. Wirksamkeit

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich anzunehmen. Ausnahmsweise kann jedoch auch eine Maßnahme, die alle Voraussetzungen des § 35 S.1 VwVfG erfüllt, keinen Verwaltungsakt darstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 II 1 Nr.4 VwGO stellt beispielsweise einen solchen Fall dar. Zwar lässt sich diese ohne weiteres unter § 35 S.1 VwVfG subsumieren. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt wird die Anordnung jedoch nicht mit der Anfechtungsklage gemäß § 113 I 1 VwGO angegriffen, sondern mit der Beschwerde, vgl §§ 144 ff VwGO. Zudem kann die Anordnung anders als ein Verwaltungsakt auch nicht in Bestandskraft erwachsen.
Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt und sprechen auch keine weiteren Einwände gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, muss dieser jedoch wirksam geworden sein. Zu differenzieren sind insoweit die äußere Wirksamkeit, die durch Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG eintritt, und die innere Wirksamkeit, die gegeben ist, sofern der Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen entfaltet. Dass äußere und innere Wirksamkeit zeitlich auseinanderfallen können, lässt sich schon anhand de Beispiels eines bedingten Verwaltungsaktes erläutern, der zum Zeitpunkt A bekannt gegeben wird, seine Rechtswirkungen aber erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritt B entfaltet. Bei Allgemeinverfügungen sind im übrigen Besonderheiten im Rahmen der Bekanntgabe § 41 VwVfG und der Anhörung § 28 VwVfG zu beachten.

VIII. Funktionen

Abschließend soll noch kurz auf die Funktionen eingegangen werden.
Beim Verwaltungsakt handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, die in formeller Bestandskraft erwachsen kann und nur in begrenztem Umfang durch eine gewisse Fehlerempfindlichkeit geprägt ist, vgl. §§ 43, 44 VwVfG.  Regelmäßig ist er Bestandteil des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG und bildet die Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung, vgl § 6 VwVG. Seine prozessrechtliche Bedeutung hat jedoch aufgrund der Vielzahl der Klagemöglichkeiten abgenommen.

„Ö-Recht-Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Verwaltungsrechts verschaffen soll.

Terrorismusstraftaten und der Generalbundesanwalt

17 Nov

Stein des Anstoßes zu diesem Beitrag sind freilich die aktuellen Entwicklungen rund um die sogenannte „Zwickauer Terrorzelle“ (vgl. etwa hier). Hierbei handelt es sich um ein nach Lage der Dinge rechtsextremistisches Trio (ggf. mit weiteren Unterstützern), welches über Jahre hinweg mehrere Tötungsdelikte an Kleingewerbetreibenden und Polizisten, sowie Raub- und Sprengstoffdelikte verübt haben soll. Ziel dieses Beitrages ist es ausdrücklich nicht, eine politische Diskussion über die Frage zu führen, ob der Rechtsterrorismus von verantwortlichen Stellen unterschätzt wurde (vgl. dazu etwa hier). Auch soll es nicht um die möglichen Zusammenhänge und den Verdacht der Verwicklung von Verfassungsschutzämtern gehen. Diese Fragen müssen erst im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (und den entsprechenden parlamentarischen Kontrollgremien) untersucht werden. Letzteres führt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (hier, hier, hier und hier).

Aber genau dieser Punkt soll Gegenstand des Beitrags sein. Wer führt eigentlich diese Ermittlungen und warum? Interessant ist dies insbesondere für Studenten, die sich in Richtung der mündlichen Examensprüfung bewegen. Gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 8 JAG NRW ist nämlich die Kenntnis von der erstinstanzlichen Zuständigkeit in Strafsachen möglicher Prüfungsgegenstand. Aufgrund der Aktualität der Ereignisse liegt es auch nicht fern, dass Fragen dazu gestellt werden. Ich selber habe es in meiner Prüfung erlebt, dass sich geschlagene 20 Minuten um die Fragen kreisten „Wofür ist das Oberlandesgericht zuständig? Was macht der Generalbundesanwalt? Wo steht das?…“ Daher hier ein (kleiner) Überblick.

Grundsätzlich ist die Strafrechtspflege Ländersache. Daher bedarf es besonderer Regelungen, welche die Zuständigkeit etwa des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof begünden. Maßgeblich ist hier § 142a GVG. Hier wird normiert, dass der GBA grundsätzlich in allen Strafsachen zuständige Staatsanwaltschaft ist, die den Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug gemäß § 120 Abs. 1, 2 GVG (lesen!) zugewiesen sind. Diese Vorschrift ist recht umfangreich, daher sollen uns nur die Grundsätze interessieren. Zunächst sind schwere Staatsschutzdelikte aufgeführt (etwa Friedens-, Hoch- und Landesverrat oder Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch). Sodann sind weitere schwere Straftaten aufgelistet, die man jedoch auch als „normale“ Normen des StGB kennt. Hier geht es um Tötungs- und Brandstiftungsdelikte, sowie gemeingefährliche Straftaten. Allerdings ist bei diesen Delikten erforderlich, dass der GBA die Ermittlung wegen der besonderen Bedeutung des Falles übernimmt, bzw. diese Delikte bestimmt und geeignet sind, den Bestand und die Sicherheit eines Staates zu beeinträchtigen, Verfassungsgrundsätze der BRD zu beseitigen oder Bestand und Sicherheit internationaler Organisationen zu beeinträchtigen. An die Bejahung der besonderen Bedeutung sind, vor dem Hintergrund der föderal organisierten Strafrechtspflege, strenge Anforderungen zu stellen. So ist diese anzunehmen, wenn es sich unter Beachtung des Ausmaßes der Rechtgutsverletzung um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, das die Schutzgüter des Gesamtstaates in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des GBA und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist (Meyer-Goßner, StPO-Kommentar, § 120 GVG Rn. 3; BGHSt 53, 128, 140-hier).

Natürlich sind dies bereits Details, die man vom Prüfling nicht erwarten kann. Die grundsätzlichen Zuständigkeitsregeln und die „Hausnummern“ der Normen sollte man jedoch parat haben. Auch schadet es nicht, die Frage beantworten zu können, wer eigentlich zur Zeit Generalbundesanwalt ist. Da las man in den letzten Tagen in den Medien vieles und weniges stimmte. So wird die Behörde derzeit vom ständigen Vertreter des Generalbundesanwalts, Bundesanwalt Rainer Griesbaum, geleitet. Nach dem Eintritt von Monika Harms in den Ruhestand und einigen Problemen bei der Neubesetzung dieses wichtigen Amtes (der GBA ist eben politischer Beamter; vgl. § 149 GVG) haben sich nun alle relevanten Stellen (Bundesjustizministerium, Bundesregierung und Bundesrat) auf Harald Range geeinigt, der jedoch noch vom Bundespräsidenten ernannt werden muss.

Und so schnell kann es manchmal gehen: Harald Range ist als neuer GBA in sein Amt eingeführt worden!