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Gefangenenaustausch

14 Okt

In Israel steht der Austausch von 1027 palästinensischen Häftlingen gegen einen israelischen Soldaten, der sich seit sechs Jahren in Gaza in Geiselhaft befindet, bevor. Dabei sollen die Häftlinge zunächst von Staatspräsident Peres begnadigt und dann schrittweise freigelassen werden – 477 vor, 550 nach der Freilassung des israelischen Soldaten. Nun die Frage: Wäre ein solcher Gefangenenaustausch auch in Deutschland zulässig?

Denkbar wären drei Vorgehensweisen, nämlich erstens die Täter – wie in Israel – zu begnadigen, zweitens ein Amnestiegesetz zu erlassen oder drittens „einfach so“, das heißt ohne gesetzliche Grundlage.

Für die Begnadigung sind grundsätzlich die Ministerpräsidenten der Länder zuständig; nur in Fällen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterliegen – also z.B. wenn es um Terrorismus gegen den Bund geht –, hat der Bundespräsident nach Art. 60 Abs. 2 GG das Begnadigungsrecht. Ob er im Einzelfall hiervon Gebrauch macht, ist allein seine Entscheidung und hat als einzige Voraussetzung, dass der Ersuchende des Gnadenerweises würdig ist. Ist er das nicht, ist dem Staat der Verzicht auf die Verwirklichung eines Strafanspruchs nicht erlaubt. Eine abgenötigte Begnadigung ist deshalb nicht zulässig, eine „Begnadigungslösung“ wie in Israel deshalb nicht möglich.

Nächste Möglichkeit: die Amnestie. Das hierfür erforderliche Amnestiegesetz müsste – wie jedes andere Gesetz – für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gelten. Dabei käme es nicht auf die tatsächliche Anzahl der Amnestierten an, sondern darauf, dass nicht genau vorhersehbar ist, für wie viele Fälle das Gesetz gilt. Ein Gesetz, in dem festgelegt wird, welche Häftlinge freigelassen werden, wäre also nicht zulässig. Zulässig wäre aber wohl eine Regelung, nach der etwa alle wegen bestimmter Delikte zwischen dem 1.1.2009 und dem 1.1.2010 Verurteilten amnestiert werden – so liegt es hier aber nicht.

Bleibt also nur das Handeln ohne gesetzliche Grundlage. Und dies ist auch das Ergebnis, zu dem das Bundesverfassungsgericht im Fall der „Freipressung“ von verurteilten RAF-Mitgliedern im Jahre 1977 gekommen ist (BVerfGE 46, 214-224).: „Ob im Falle einer erpresserischen Geiselnahme der Forderung der Entführer, inhaftierte Beschuldigte oder Straftäter im Austausch gegen den Entführten freizulassen, zum Schutze des Lebens der Geisel entsprochen werden soll, haben die verfassungsrechtlich zuständigen staatlichen Stellen in eigener Verantwortung zu entscheiden.“ Welche diese „verfassungsrechtlich zuständige staatliche Stelle“ ist, verschweigt der Beschluss allerdings. Wichtig ist, dass der Staat verpflichtet bleibt, die Freigelassenen weiter zu verfolgen.

Fazit: Auch in Deutschland wäre der Gefangenenaustausch nach dem Bundesverfassungsgericht – auch ohne gesetzliche Grundlage! – prinzipiell zulässig und wurde in der Zeit des RAF-Terrors auch bereits praktiziert.

BGH-Urteil zum WM-Doppelmörder

13 Okt

Ein Doppelmord sorgte im Rahmen der letztjährigen Fussball-WM für Aufsehen: Im Juli 2010 erschoss der Angeklagte zwei Italiener (L und S) in einer hannoveraner Kneipe. Dabei fing das Ganze mit einer Fussballdisskussion zwischen Fussballbegeisterten: Wer hat die meisten WM-Titel? Nachdem man sich schnell auf Brasilien als unbestrittene Nr. 1 einigte, war die Frage nach dem Zweitplatzierten umstritten. Während der Angeklagte darauf beharrte, dass Italien und Deutschland dieselbe Anzahl von Titel hatten, versuchten die italienische Kneipengäste ihn vom Gegenteil zu überzeugen (Deutschland: 3, Italien: 4). Nachdem man sich nicht einig wurde, verließ der Angeklagte die Kneipe, nur um kurze Zeit später mit einer geladenen Pistole (Typ: Makarow) zurück zu kehren. Ohne Vorwarnung erschoss er L von hinten. S, der das Ganze sah, flehte den Angeklagten an, ihn zu verschonen, worauf dieser den Entschluss fasste, ihn zu töten. Laut Bild-„Zeitung“ soll der Angeklagte dabei gehöhnt haben: „Da hast du deine vier Sterne!“. Der Angeklagte floh zunächst ins Ausland, stellte sich später aber in Palma (Mallorca) den spanischen Behörden.

Am 15. Februar 2011 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten u.a. wegen Mordes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. In beiden Fällen wurde ein Mord aus niedrigen Beweggründen angenommen, Heimtücke jedoch nur beim ersten Opfer (L). Es wurde keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt, da das LG Hannover aufgrund von Alkohol- und Pharmazeutikaenfluss verminderte Schuldfähigkeit annahm und dies strafmildernd wertete (§§ 21, 49 Abs. 1 StGB).

Der BGH (Urt. v. 15.09.2011, 3 StR 223/11) bestätigte in einem aktuellen Urteil die Ansicht des LG Hannover. Zunächst sind die Ausführungen zur Schuldfähigkeit von Interesse: So geht nach BGH keine konkrete Gefahr von jemanden aus, der sich bei Themen, die mit Fußball im Zusammenhang stehen, und vorwiegend in alkoholisiertem Zustand „rechthaberisch“ zeigt (Rn.9). Das beruhigt den Fussballfan!

Schließlich prüft der drite Senat schulmäßig die Heimtücke bei S unter Berücksichtigung der restriktiven Auslegung: (Der Angeklagte fasste) den Entschluss, S. zu erschießen, erst spontan zu einem Zeitpunkt, als dieser aufgrund der Beobachtung des vorangegangenen Geschehens die Gefahr erkannt hatte und somit nicht mehr arglos war. Bei dieser Fallkonstellation fehlt es an der den Heimtückemord kennzeichnenden besonderen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die darin liegt, dass der Täter in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung ausnutzt, indem er es in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder ihn doch wenigstens zu erschweren (BGHSt 11, 139, 143; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15). Allein der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang mit der vorangegangen heimtückischen Tötung des L. genügt hierfür nicht. (Rn. 6).

Wissenschaft lebt vom Denken des Undenkbaren

12 Okt

Der aus der Überschrift ersichtlichen Forderung ist noch anzufügen: „Tabus haben in der Rechtswissenschaft keinen Platz!“. Dieses Selbstverständnis rechtswissenschaftlicher Forschung ist dem überaus lesenswerten Beitrag von Christian Fahl (JR 2011, 338) entnommen. Der Beitrag enthält die Festrede des Rostocker Strafrechtsprofessors anlässlich einer Examensfeier im vergangenen Jahr.

Inhaltlich beschäftigt sich Fahl mit wahrlich „schwerer Kost“. Es geht um nicht mehr oder weniger als Folter, Menschenwürde und Tabus in der Rechtswissenschaft. Aber langsam. Ausgangspunkt der Betrachtung ist der Fall Gäfgen. Verkürzt ging es darum, dass ein Täter (Gäfgen) sein damals elfjähriges Opfer (Jakob von Metzler) entführt und ermordet hat. Die Polizei nimmt Gäfgen fest und ist davon überzeugt, das Opfer lebt noch, benötigt aber alsbald Hilfe. Auf Anweisung der Polizeiführung geht nunmehr ein Vernehmungsbeamter zu Gäfgen und droht diesem mit einem Experten, der ihm starke Schmerzen zufügen wird, wenn er nicht verrate, wo das Kind sei. Daraufhin macht der Täter Angaben. Das Kind kann aber nur noch tot aufgefunden werden.

Ist dieses Androhen von (je nach Standpunkt und Diktion) „Folter“ oder unmittelbarem Zwang erlaubt? Man stelle sich nur einmal kurz vor, das Kind hätte gerettet werden können. Ist der Preis von vielleicht fünf Minuten Unbehagen bei dem Täter das wert? Das Problem wird unter dem Begriff „Rettungsfolter“ diskutiert. An dieser Stelle kann und soll keine erschöpfende Betrachtung stehen. Aber ein Denkanstoß soll gegeben werden. Jeder Jurist sollte den Anspruch haben, dieses Problem frei zu durchdenken. Dies gilt sowohl für die an der Universität beschäftigten Wissenschaftler, als auch für die an der Universität lernenden Studenten.

Hier spielen freilich viele komplexe Rechtsmaterien eine Rolle. So hat sich der Strafrechtler mit § 136a StPO; §§ 240 Abs. 4 S. 1 Nr. 3, 343 StGB zu beschäftigen. Wichtig sind zudem die Menschenwürdegarantie, die sog. Justizgrundrechte und die Frage nach den Voraussetzungen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Gefahrenabwehr. Letztlich spielen Fragen zu Art. 3, 6 MRK ebenso eine Rolle, wie der nationale Staatshaftungsanspruch.

Vertiefen lässt sich insbesondere der straf(prozess)rechtliche Werdegang des Verfahrens gegen Gäfgen mit der Lektüre von LG Frankfurt (StV 2003, 325, 327; m. Anm. Weigend S. 436) und die handelnden Polizeibeamten LG Frankfurt (NJW 2005, 692Daschner). Die letzte Entscheidung des EGMR in dieser Sache bespricht ebenfalls Weigend in StV 2011, 325.

Die besondere Schwere der Schuld

6 Okt

Sie begegnet einem immer wieder. Die Forderung nach der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Insbesondere bei Aufsehen erregenden Strafverfahren eilt medienwirksam dieser Ruf durch die Republik. Aber was hat es eigentlich mit der besonderen Schwere der Schuld auf sich? An dieser Stelle freilich nur ein kursorischer Blick auf dieses Instrument:

Ausgangspunkt sind zunächst einmal Straftatbestände, die als möglichen Strafrahmen (zumindest auch) eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen. Zu denken ist an den Mord (§ 211 StGB), der sogar zwingend von diesem Strafmaß ausgeht. Allerdings gibt es etliche andere Tatbestände im StGB, die die Verhängung einer (auch) lebenslangen Freiheitsstrafe vorsehen (§§ 80, 81 I, 176b, 178, 179 VII, 212 II, 239a III, 239b II, 251, 306c, 307 III Nr. 1, 308 III, 309 IV, 313 II, 314 II StGB). Aber heißt „lebenslänglich“ wirklich „ein Leben lang“? Zu betrachten ist § 57a I StGB. Diese Norm regelt die Voraussetzungen zur Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Bewährung. Grundsätzlich kann dies nach der Verbüßung von 15 Jahren erfolgen (Nr. 1). Die Ausnahme bildet der Umstand, dass die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet (Nr. 2).

Da liegt also der Knackpunkt bei dem Ruf nach der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die vorzeitige Entlassung soll verhindert oder jedenfalls verzögert werden. Wichtig ist, dass die Entscheidung nach § 57a StGB die Strafvollstreckungskammer (StVK) des LG im Rahmen einer „vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung“ trifft. Insoweit ist die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld durch das Schwurgericht als Tatgericht nur vorbereitend. In der Praxis jedoch entfaltet die Feststellung der besonderen Schuldschwere die Wirkung einer „Qualifikation des § 211“ (Fischer StGB § 57a Rn. 7).

Gesichtspunkte für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld durch das Tatgericht sind etwa die besondere Verwerflichkeit der Tatausführung/Motive, die Tötung mehrerer Opfer, die Begehung mehrerer Mordtaten und nach st. Rspr. auch die Mehrheit von Mordmerkmalen. Ein im Strafverfahren zulässiges Verteidigungsverhalten darf jedoch nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung Beweisverwertungsverbote beantragt oder auch dem Gang der Verhandlung scheinbar emotionslos gegenübersteht. Es gelten grundsätzlich die Regeln zur Bestimmung der Strafzumessungsschuld (§ 46 I StGB), sodass das Verbot der Doppelbewertung gilt. Demnach darf das Vorliegen eines Mordmerkmals nicht im Rahmen der Frage zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erneut herangezogen werden.

Wer diesen (zugegeben nicht einfachen und den Bereich des Pflichtfachstoffes übersteigenden) Aspekt des Strafrechts nachvollziehen und vertiefen will sei auf die Darstellung Fischers zu § 57a und die Lektüre der „Lebenslänglich-Entscheidung“ des BVerfG NJW 1992, 2947, bzw. den Beschluss des Großen Senats des BGH in BGHSt 40, 360 verwiesen.

Amanda Knox und der deutsche Instanzenzug

5 Okt

Die Amerikanerin Amanda Knox ist frei – das Berufungsgericht im italienischen Perugia konnte ihr und dem Mitangeklagten den zur Last gelegten Mord an ihrer Mitbewohnerin nicht nachweisen. In Deutschland wäre es – soweit sich mir der Fall aus den Medien erschließt – wohl nicht zu diesem Freispruch gekommen. Aber langsam:

Die Tat wäre in Deutschland gemäß § 74 Abs. 1 GVG erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt worden. In diesem Verfahren werden Beweise erhoben (Beweismittel sind Zeugen-, Sachverständigen-, Urkunden- und Augenscheinsbeweis) und gewürdigt; bei der Beweiswürdigung, d.h. der Frage, welche Schlüsse es aus den Beweismitteln zieht, ist das Gericht grundsätzlich frei, § 261 StPO. Aufgrund dieser Beurteilung der Beweise fällt das Gericht sein Urteil.

Zum Verständnis, warum Knox in einem deutschen Strafverfahren nicht freigesprochen worden wäre, ist ein kurzer Überblick über die Rechtsmittel im deutschen Recht nötig: Rechtsmittel sind Berufung und Revision. Bei der Berufung wird neu über die Sache entschieden, und es findet eine neue Beweisaufnahme statt. In der Revision wird nur überprüft, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, aber nicht, ob der Täter die Tat wirklich begangen hat. Deshalb kann eine Revision mit der Begründung „Ich war’s nicht!“ auch niemals Erfolg haben. Was die Beweiswürdigung angeht, prüft das Revisionsgericht nur, ob sie „widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind“.

Gegen erstinstanzliche Urteile des Amtsgerichts kann der Verurteilte Berufung oder Revision einlegen – gegen das Berufungsurteil kann er noch Revision einlegen. Gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts steht dem Angeklagten aber nur die Revision zur Verfügung. Eine zweite Beweisaufnahme findet nicht statt. Der sprichwörtliche Eierdieb, der vor dem Amtsgericht angeklagt wird, hat zwei Instanzen, an die er sich wenden kann, der Mörder nur eine.

In der Revision und damit in einem deutschen Strafverfahren hätte Amanda Knox mit ihrem Schlussplädoyer und ihrem letzten Satz „Sono innocente!“ deshalb nichts ausrichten können.

The final countdown

30 Sept

Am Montag dieser Woche habe ich eine Dokumentation über einen Haftrichter des AG Frankfurt/Main gesehen, die ich aus zweierlei Gründen jedem ans Herz legen möchte. Zum einen gehören Kenntnisse über die strafprozessualen Zwangsmittel (vorläufige Festnahme, Verhaftung) zumindest „im Überblick“ zum Pflichtfachstoff der ersten Prüfung in NRW (§ 11 Abs. 2 Nr. 8 JAG NRW). Insbesondere in der Mündlichen Prüfung kann dem Prüfling daher durchaus mal die Frage begegnen: „Was sind eigentlich die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls?“ Hier sollte ein Blick in § 112 StPO helfen (den sich jeder Student einmal durchlesen sollte). Kurz gesagt: Es bedarf eines dringenden Tatverdachts (= große Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist) und eines Haftgrundes. Haftgründe sind die Flucht, die Fluchtgefahr oder die Verdunkelungsgefahr. Zudem verlangt das Gesetz eine besonders gründliche Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgrund des grundrechtsintensiven Eingriffs des Staates. Für einige besonders schwere Delikte ergeben sich gewisse Besonderheiten (vgl. § 112 Abs. 3 StPO).

Der zweite Grund ist nun der, dass man als Student nicht allzu viele Gelegenheiten bekommt an derartigen Haftentscheidungen teilzunehmen. Die Dokumentation vermittelt, trotz der zeitlichen Straffung, doch einen guten Einblick in die Arbeit des Haftrichters. Nicht abschrecken lassen sollte man sich von dem recht martialischen Titel „Der Knast-Entscheider“. Ein letzter Hinweis: die Sendung ist ab 16 Jahren freigegeben und kann daher nur im Zeitraum von 22-6 Uhr gesehen werden.

http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=8315176

Die wundersame Auferstehung der actio libera in causa

28 Sept

Zwei Dinge fallen bei der actio libera in causa ein. Zunächst ist sie ein typisches Beispiel für den sog. Akademikerstreit: große Diskussion, die bei weitem nicht dieselbe Bedeutung in der Praxis hat (3 Promille müssen erstmal ohne schwere gesundheitliche Folgen erreicht werden!). Dazu handelte es sich um eines der Themen, die vor zehn Jahren sehr „examensrelevant“ waren. Nach der Leitentscheidung BGHSt 42, 235 (1996) war die alic sowohl in den Examensklausuren als auch in der mündlichen Prüfung ein Renner. In den 00′-Jahren war das Thema jedoch „out“. So sehr, dass der eine oder andere private Repetitor sagte: „da können Sie ruhig auf Lücke lernen“. Ein Fehler für manchen Examenskandidaten in 2011…wenn er sich denn nicht darauf vorbereitet hatte. Sowohl im Juni (vorsätzliche alic) als auch im August (fahrlässige alic im Straßenverkehr) war die alic ein gewichtiger Bestandteil der Examensklausur im Strafrecht. Dabei gab es keine besonderen Rechtsprechungsänderungen oder wissenschaftlichen Neuerungen zu dem Thema. Das Thema kam quasi aus dem Nichts…

Fazit: solche „Klassiker“ sollten nie vernachlässigt werden, da sie zum Standardrepertoire der Prüfer gehören. Es wird vorausgesetzt, dass einem Examenskandidaten zumindest die Grundzüge der alic, die schon im ersten (!) Semester behandelt wird, bekannt sind…

Für alle, die ihre Kenntnisse auffrischen wollen, sei als Einstieg der Aufsatz von Thomas Rönnau (JuS 2010, 300ff.) ans Herz gelegt.