Die besondere Schwere der Schuld

6 Okt

Sie begegnet einem immer wieder. Die Forderung nach der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Insbesondere bei Aufsehen erregenden Strafverfahren eilt medienwirksam dieser Ruf durch die Republik. Aber was hat es eigentlich mit der besonderen Schwere der Schuld auf sich? An dieser Stelle freilich nur ein kursorischer Blick auf dieses Instrument:

Ausgangspunkt sind zunächst einmal Straftatbestände, die als möglichen Strafrahmen (zumindest auch) eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen. Zu denken ist an den Mord (§ 211 StGB), der sogar zwingend von diesem Strafmaß ausgeht. Allerdings gibt es etliche andere Tatbestände im StGB, die die Verhängung einer (auch) lebenslangen Freiheitsstrafe vorsehen (§§ 80, 81 I, 176b, 178, 179 VII, 212 II, 239a III, 239b II, 251, 306c, 307 III Nr. 1, 308 III, 309 IV, 313 II, 314 II StGB). Aber heißt „lebenslänglich“ wirklich „ein Leben lang“? Zu betrachten ist § 57a I StGB. Diese Norm regelt die Voraussetzungen zur Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe zur Bewährung. Grundsätzlich kann dies nach der Verbüßung von 15 Jahren erfolgen (Nr. 1). Die Ausnahme bildet der Umstand, dass die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet (Nr. 2).

Da liegt also der Knackpunkt bei dem Ruf nach der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die vorzeitige Entlassung soll verhindert oder jedenfalls verzögert werden. Wichtig ist, dass die Entscheidung nach § 57a StGB die Strafvollstreckungskammer (StVK) des LG im Rahmen einer „vollstreckungsrechtlichen Gesamtwürdigung“ trifft. Insoweit ist die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld durch das Schwurgericht als Tatgericht nur vorbereitend. In der Praxis jedoch entfaltet die Feststellung der besonderen Schuldschwere die Wirkung einer „Qualifikation des § 211“ (Fischer StGB § 57a Rn. 7).

Gesichtspunkte für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld durch das Tatgericht sind etwa die besondere Verwerflichkeit der Tatausführung/Motive, die Tötung mehrerer Opfer, die Begehung mehrerer Mordtaten und nach st. Rspr. auch die Mehrheit von Mordmerkmalen. Ein im Strafverfahren zulässiges Verteidigungsverhalten darf jedoch nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung Beweisverwertungsverbote beantragt oder auch dem Gang der Verhandlung scheinbar emotionslos gegenübersteht. Es gelten grundsätzlich die Regeln zur Bestimmung der Strafzumessungsschuld (§ 46 I StGB), sodass das Verbot der Doppelbewertung gilt. Demnach darf das Vorliegen eines Mordmerkmals nicht im Rahmen der Frage zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld erneut herangezogen werden.

Wer diesen (zugegeben nicht einfachen und den Bereich des Pflichtfachstoffes übersteigenden) Aspekt des Strafrechts nachvollziehen und vertiefen will sei auf die Darstellung Fischers zu § 57a und die Lektüre der „Lebenslänglich-Entscheidung“ des BVerfG NJW 1992, 2947, bzw. den Beschluss des Großen Senats des BGH in BGHSt 40, 360 verwiesen.

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