BGH-Urteil zum WM-Doppelmörder

13 Okt

Ein Doppelmord sorgte im Rahmen der letztjährigen Fussball-WM für Aufsehen: Im Juli 2010 erschoss der Angeklagte zwei Italiener (L und S) in einer hannoveraner Kneipe. Dabei fing das Ganze mit einer Fussballdisskussion zwischen Fussballbegeisterten: Wer hat die meisten WM-Titel? Nachdem man sich schnell auf Brasilien als unbestrittene Nr. 1 einigte, war die Frage nach dem Zweitplatzierten umstritten. Während der Angeklagte darauf beharrte, dass Italien und Deutschland dieselbe Anzahl von Titel hatten, versuchten die italienische Kneipengäste ihn vom Gegenteil zu überzeugen (Deutschland: 3, Italien: 4). Nachdem man sich nicht einig wurde, verließ der Angeklagte die Kneipe, nur um kurze Zeit später mit einer geladenen Pistole (Typ: Makarow) zurück zu kehren. Ohne Vorwarnung erschoss er L von hinten. S, der das Ganze sah, flehte den Angeklagten an, ihn zu verschonen, worauf dieser den Entschluss fasste, ihn zu töten. Laut Bild-„Zeitung“ soll der Angeklagte dabei gehöhnt haben: „Da hast du deine vier Sterne!“. Der Angeklagte floh zunächst ins Ausland, stellte sich später aber in Palma (Mallorca) den spanischen Behörden.

Am 15. Februar 2011 hatte das Landgericht Hannover den Angeklagten u.a. wegen Mordes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vierzehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. In beiden Fällen wurde ein Mord aus niedrigen Beweggründen angenommen, Heimtücke jedoch nur beim ersten Opfer (L). Es wurde keine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt, da das LG Hannover aufgrund von Alkohol- und Pharmazeutikaenfluss verminderte Schuldfähigkeit annahm und dies strafmildernd wertete (§§ 21, 49 Abs. 1 StGB).

Der BGH (Urt. v. 15.09.2011, 3 StR 223/11) bestätigte in einem aktuellen Urteil die Ansicht des LG Hannover. Zunächst sind die Ausführungen zur Schuldfähigkeit von Interesse: So geht nach BGH keine konkrete Gefahr von jemanden aus, der sich bei Themen, die mit Fußball im Zusammenhang stehen, und vorwiegend in alkoholisiertem Zustand „rechthaberisch“ zeigt (Rn.9). Das beruhigt den Fussballfan!

Schließlich prüft der drite Senat schulmäßig die Heimtücke bei S unter Berücksichtigung der restriktiven Auslegung: (Der Angeklagte fasste) den Entschluss, S. zu erschießen, erst spontan zu einem Zeitpunkt, als dieser aufgrund der Beobachtung des vorangegangenen Geschehens die Gefahr erkannt hatte und somit nicht mehr arglos war. Bei dieser Fallkonstellation fehlt es an der den Heimtückemord kennzeichnenden besonderen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die darin liegt, dass der Täter in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung ausnutzt, indem er es in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder ihn doch wenigstens zu erschweren (BGHSt 11, 139, 143; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15). Allein der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang mit der vorangegangen heimtückischen Tötung des L. genügt hierfür nicht. (Rn. 6).

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