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Skatvermögen und schießende Noch-Ehefrauen

10 Dez

1. Skatspielgewinne sind unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. 2. Dreimaliges Schießen auf den Ehemann führt nicht notwendigerweise zur Versagung des Unterhalts wegen grober Unbilligkeit, OLG Düsseldorf NJW 1993, 3078 – Adventskalender (10)

„Die Parteien haben am 8. 6. 1982 geheiratet. Die Ehe ist kinderlos. Beide sind aber bereits verheiratet gewesen und haben aus den früheren Ehen volljährige Kinder. Die Parteien haben seit Ende 1991 innerhalb der Ehewohnung getrennt gelebt. Die Kl. ist am 17. 2. 1992 ausgezogen. Die Kl., die während der Ehe nicht berufstätig war, nimmt den Bekl. auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Die Parteien streiten u. a. darüber, ob die Skatgewinne des Bekl. zu seinem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen gehören sowie ob die Kl. ihren Unterhaltsanspruch wegen dreier Revolverschüsse, die sie am 11. 5. 1991 auf den Bekl. abgegeben hat, verwirkt hat. Das AG – FamG – hat in beiden Fragen zugunsten der Kl. entschieden. Die Berufung des Bekl. hatte insoweit keinen Erfolg.

Dazu das OLG:

„Es bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken, die offensichtlich regelmäßigen Einkünfte aus dem Skatspiel als anrechnungsfähiges Einkommen anzusehen. Selbst gesetzwidrig erlangte Mittel – was für die Skatgewinne nicht zutrifft – sind anrechenbares Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Bei den Einkünften aus Skatspiel handelt es sich auch nicht um freiwillige Leistungen Dritter oder um Einnahmen aus einer unzumutbaren Tätigkeit. Das Argument des Bekl., die Kl. würde auch keine Reduzierung ihres Unterhalts hinnehmen, wenn er mit dem Skatspiel ständig Verluste machen würde, überzeugt nicht. Ständige Verluste im Skatspiel muß der Unterhaltsberechtigte nicht über einen verminderten Unterhalt finanzieren. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Bekl. macht eingestandenermaßen Gewinn, weil er offensichtlich besser spielt als seine Mitspieler. Damit wird dem Bekl. keineswegs angesonnen, auch in Zukunft nach einem 8-Stunden-Tag weiterhin in den “Skatclub” zu gehen, um Nebeneinnahmen zu erzielen. Es steht ihm frei, diese Tätigkeit jederzeit einzuschränken oder aufzugeben. Solange er aber Skatgewinne macht, sind die daraus resultierenden Einnahmen anzurechnen. Diese Einnahmen waren in der Vergangenheit vorhanden und sind – wie der Bekl. eingeräumt hat – “den Parteien gemeinsam zugute gekommen. (…)“

„Die Kl. hat ihre Unterhaltsansprüche nicht verwirkt.
(…) Es ist unstreitig, daß die Kl. am 11. 5. 1991 anläßlich einer ehelichen Auseinandersetzung in der Wohnung der Parteien dreimal mit einem Revolver (Kaliber 4 mm) auf den Bekl. geschossen hat. Der Bekl. ist hierbei nicht verletzt worden; lediglich ein Streifschuß hat einen blauen Fleck auf dem rechten Oberarm verursacht.

Objektiv liegen damit die Voraussetzungen des § 1579 Nr. 2 BGB vor. Die Kl. hat sich auf Notwehr berufen und geltend gemacht, der Bekl. sei ihr “in völlig angetrunkenem Zustand an die Gurgel gegangen“. Die Voraussetzungen der Notwehr (§§ 227 BGB, 32 StGB) hat die Kl. jedoch nicht bewiesen. Es gibt keine Tatzeugen. Der Zeuge H ist zwar unmittelbar nach den Schüssen in die Wohnung der Parteien gegangen, hat dort aber keine Beobachtungen gemacht, die zweifelsfrei darauf schließen lassen, daß der Bekl. die Kl. vor den Schüssen angegriffen oder gar gewürgt hat. Dies geht zu Lasten der Kl., die die Beweislast für das Vorliegen der Notwehrvoraussetzungen hat. Die uneingeschränkte Inanspruchnahme des Bekl. ist aber dennoch nicht grob unbillig, da er selbst den Vorfall vom 11. 5. 1991 nicht als schwerwiegend angesehen hat.

Der Zeuge H hat bekundet, daß der Bekl. unmittelbar nach den Schüssen einen gelassenen Eindruck gemacht und sogar scherzend erklärt habe, daß er ein Projektil aus einer solch kleinkalibrigen Waffe mit den Zähnen auffange. Des weiteren hat der Zeuge bekundet, daß die Eheleute ihn einvernehmlich gebeten haben, über den Vorfall vom 11. 5. 1991 Stillschweigen zu bewahren. Beides deutet darauf hin, daß der Bekl. seinerzeit nicht beabsichtigt hat, irgendwelche Konsequenzen aus der Tat der Kl. zu ziehen. Dies steht auch im Einklang mit den Bekundungen der beiden Töchter der Kl. Diese haben bekundet, daß das Leben der Parteien nach dem Vorfall vom 11. 5. 1991 seinen gewohnten Gang genommen habe. Die Parteien hätten in der Folgezeit nicht mehr über jenen Vorfall geredet, sondern weiterhin wie bisher zusammengelebt und sogar ihren Hochzeitstag gefeiert. Auch die Tatsache, daß der Bekl. der Kl. nach der Trennung noch freiwillig Unterhalt gezahlt und sich auch im gesamten ersten Rechtszug nicht auf die Schüsse berufen hat, läßt nur den Schluß zu, daß er den Vorfall vom 11. 5. 1991 nicht als gravierend empfunden hat. (…)

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Das Oktoberfest ist kein rechtsfreier Raum

9 Dez

Auch für das Oktoberfest gilt der allgemeine Grundsatz des eigenen sorgfältigen Verhaltens, AG München PatR 2008, 20 – Adventskalender (9)

„Die Klagepartei erhebt Ansprüche wegen unerlaubter Handlung. Die Parteien befanden sich am 01.10.07 gegen 22 Uhr auf dem Oktoberfest in München im Bierzelt “ Schottenhammel „. Die Beklagte stand auf der Sitzbank hinter dem Kläger. Plötzlich fiel die Beklagte nach hinten auf den Rücken des Klägers. Die Parteien streiten um einen hieraus resultierenden Schmerzensgeldanspruch des Klägers.

Die Klagepartei trägt vor, er habe zum Zeitpunkt der Kollision gerade aus dem Bierkrug trinken wollen und sei durch den Aufprall der Beklagten mit dem Kopf gegen den Bierkrug gestoßen, hierdurch habe er eine sehr schmerzhafte Zahnverletzung, u.a. den Verlust der distalincisalen Kante an Zahn 21 erlitten, sodass ein angemessenes Schmerzensgeld durch die Beklagte zu bezahlen sei.

Der Kläger fordert daher dieses Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass die Beklagte einen möglicherweise aus der Verletzung folgenden weiteren schaden auszugleichen habe (…)

Dazu das AG:

„Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch das Oktoberfest keinen rechtsfreien Raum darstellt, wie man nach dem Vortrag der Beklagten meinen könnte. Andrerseits gilt auch für das Oktoberfest der allgemeine Grundsatz des eigenen sorgfältigen Verhaltens, das auch eine Beobachtung und Berücksichtigung der Umgebung beinhaltet. Wer wie die Beklagte auf eine Bank steigt und dort an der „Bierfröhlichkeit“ teilnimmt, riskiert, im Rahmen des Verhaltenes das Gleichgewicht zu verlieren. Ob eine Bank zum Sitzen oder auch zum Daraufstehen dient, ergibt sich aus der Erwartungshaltung der Nutzer. Beim Oktoberfest sind zwischenzeitlich zumindest beide Varianten, wenn nicht sogar überwiegend das Daraufstehen Teil der üblichen Nutzung. Das muss daher jeder Bierzeltnutzer berücksichtigen. Auch der Kläger ging ja offensichtlich davon aus, dass das Stehen auf der Bank Teil des Oktoberfestes sei. Daher gelten die für die Beklagte geltenden Grundsätze auch für den Kläger, sodass ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen ist. Kurzum, die Verschuldensanteile der Beklagten (§ 823 Abs. 1 BGB) und des Klägers (§ 254 BGB) stehen sich gleichwertig gegenüber. Auch wenn die Parteien auswärtige Gäste waren, mussten sie auch schon vor diesem denkwürdigen Ereignis ihr Verhalten entsprechend einstellen. Es kommt daher gar nicht mehr darauf an, ob die Beklagte wegen des Remplers oder aus einem sonstigen Grund das Gleichgewicht verlor. (…)

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Hühnermassensterben durch Türzuschlagen

8 Dez

Keine Haftung eines PKW-Fahrers für das Verenden von Hennen  wegen Annäherung seines Pkw an der Stallung sowie Öffnen und Schließen der Fahrzeugtür, OLG Hamm NJWE-VHR 1997, 93 – Adventskalender (8)

„Der Kl. betreibt auf seinem Grundstück eine Geflügelzucht. Der Hühnerstall befindet sich in einer Entfernung von ca. 50 m von einem befestigten Wirtschaftsweg, der die Gehöfte der Umgebung miteinander verbindet. Vom Wirtschaftsweg zum Hühnerstall führt ein unbefestigter Schotter- bzw. Sandweg. Im Einmündungsbereich dieses Wegs befindet sich ein Schild mit der Aufschrift „Betreten verboten“. An der zum Wirtschaftsweg gerichteten Stirnseite des Hühnerstalls steht in einer Entfernung von ca. 50 cm zur Wand ein Gastank. Der Kl. hatte dort in der Vergangenheit einen Gastank der Fa. L-GmbH stehen. Der Bekl. ist bei dieser Firma als verantwortlich leitender Ingenieur beschäftigt. Er fuhr am Mittag des 20. 9. 1994 mit seinem Fahrzeug zum Anwesen des Kl., ging zu dem oben beschriebenen Gastank, fertigte von diesem Fotos an und verließ das Grundstück sodann wieder. Nachdem Nachbarn den Kl. kurze Zeit später über das Erscheinen des Bekl. informiert hatten, begab sich dieser zum Hühnerstall und stellte fest, daß in einer Ecke des Stalls tote Hennen lagen, die aufeinandergelaufen und erstickt waren. Der Kl. begehrt vom Bekl. Schadensersatz. Er behauptet, der Bekl. habe durch sein Verhalten den Tod von 143 Hennen verursacht. Er sei mit seinem Fahrzeug unmittelbar an den Hühnerstall herangefahren und habe beim Wegfahren mit dem Fahrzeug auf dem Grundstück etliche Male hin- und herrangiert. Dadurch seien die licht- und geräuschempfindlichen Tiere in Panik geraten.

Dazu das OLG:

„Dem Kl. stehen aufgrund eines Vorfalls vom 20. 9. 1994, bei welchem durch das Verhalten des Bekl. 143 Hühner (Elterntiere) des Kl. verendet sein sollen, keine Schadensersatzansprüche gegen den Bekl. zu, und zwar auch dann nicht, wenn man den – in den Einzelheiten bestrittenen – Sachvortrag des Kl. als richtig unterstellt. Schadensersatzansprüche nach §§ 7 I, 18 I StVG scheitern daran, daß der Schaden des Kl. von dem Schutzzweck dieser Vorschriften nicht abgedeckt wird. Die Panikreaktion der Hennen soll darauf zurückzuführen sein, daß der Bekl. mit seinem Pkw in die unmittelbare Nähe des Stalls gefahren ist und die Tür des Pkw geöffnet und später wieder geschlossen hat. Daß die Hühner ungewöhnlich empfindlich gegen Lichtreize und Geräusche seien, trägt der Kl. selbst vor. Bei wertender Betrachtung ist diese Empfindlichkeit, die ihren Grund in der Intensivaufzucht, d.h. der Haltung einer großen Anzahl von Tieren in verhältnismäßig engen Stallungen hat, das Risiko des Tierhalters; sie gehört nicht zu den Nachteilen aus der Duldung des Kfz-Betriebs. Daß der Bekl. über den ca. 50 m langen Zuweg zu den Stallungen gefahren sein soll, obwohl der Kl. eingangs des Wegs ein Schild „Betreten verboten“ aufgestellt hatte, ändert daran nichts. (…)

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Der auf „Bahnhofspennerniveau verharzte“ Volljurist

7 Dez

Zur subjektiv nicht ernsthaften Bewerbung eines Juristen, LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.08.2007 – 3 Ta 119/07 – Adventskalender (7)

„(…) Der am … 1952 geborene, ledige Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 10.12.2006 auf die vom (…) Beklagten ausgeschriebenen Stelle einer/eines Juristin/Juristen. Die Stelle war bei der Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II angesiedelt und nach der Entgeltgruppe 10 TVöD dotiert. Erwartet wurden vertiefte Kenntnisse der Leistungsgewährung nach dem SGB II und des Unterhaltsrechts. Für das Bewerbungsschreiben verwendete der Kläger seinen früheren Briefkopf als zugelassener Rechtsanwalt, wobei der Briefkopf mit zahlreichen „xxx“ und maschinenschriftlichen Änderungen versehen war. In der Fußzeile des Bewerbungsschreibens war ein Text als „Cetero Censeo“ eingefügt, den der Kläger für den größten Teil seiner derzeitigen Geschäftspost einschließlich Bewerbungsschreiben verwendet. Dieser Text lautet wie folgt: „Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Herren Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die „Herren Freier“ regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer Sonderabgabe (Bordell oder Bordellumsatzsteuer) herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen verbessert werden.“

Der Bewerbung war u.a. ein Lichtbild beigefügt, das den Kläger anlässlich eines Schachturniers vor einem Schachbrett sitzend zeigt. Auf dem weiter beigefügten Lebenslauf war im Kopf eingetippt „Einsatzbereit! Lässt sich kein X für ein U vormachen!“
Der Kläger ist von der Ausbildung Volljurist. Er legte am 18.03.1980 sein erstes juristisches Staatsexamen mit der Note „befriedigend“ (7,25 Punkte) und am 22.09.1982 sein zweites juristisches Staatsexamen ebenfalls mit der Note „befriedigend“ (7,34 Punkte) ab. Von 1982 bis 1998 war er als selbständiger Rechtsanwalt in verschiedenen Bezirken tätig. Am 29.01.1999 verzichtete er aus wirtschaftlichen Gründen auf die Zulassung als Rechtsanwalt. In seinem Lebenslauf ist angegeben: „Seit 01.02.2000 von bezahlter Arbeit ausgeschlossen“ und „seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Harz IV auf Bahnhofspennerniveau verharzt“. Des weiteren ist im Lebenslauf vermerkt „Februar 2004 Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, auserwählt: Herr Weise“.

(…) Mit Schreiben vom 20.02.2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Stelle leider einer anderen Bewerberin übertragen worden sei. Mit Schreiben vom 27.02.2007 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er Schadenersatzansprüche in Höhe von 6 Bruttomonatsgehältern geltend mache. Er begründete dies damit, dass der begründete Verdacht einer Diskriminierung wegen seines Alters, seines Geschlechts, seiner Arbeitslosigkeit und seiner politischen Betätigung bestehe. Mit seiner am 12.04.2007 eingegangenen Klage hat der Kläger Schadenersatz in Höhe von 6 Bruttomonatsgehältern begehrt. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. (…) In einem Schreiben vom 12.05.2007 hatte der Kläger als Vergleichsmöglichkeit vorgeschlagen, ihn auf die ebenfalls zu besetzende Stelle eines Sozialdezernenten „zu hieven“. Auf diese Stelle hatte sich der Kläger ebenfalls beworben.

Mit Beschluss vom 04.06.2007 wies das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den gestellten Antrag zurück. Der Beschluss wurde dem Kläger am 11.06.2007 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 05.06.2007 erweiterte der Kläger die Klage um den Antrag, ihm ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens EUR 4.000,00 zu bezahlen. Im Rahmen dieses Schriftsatzes nahm der Kläger umfangreich dazu Stellung, aus welchen Gründen er in der Fußzeile seiner Geschäftspost den oben angegebenen Text einfüge. Er zitierte hierbei aus seinem Schreiben an das Jobcenter Stuttgart-West vom 19.06.2006, in dem es auszugsweise heißt:
„Nachdem die Rotlichtbranche offenbar boomt, können Sie ja versuchen, weitere arbeitslose junge Damen an Frau „N.“ (Studio A. in S) zu vermitteln. Vielleicht begegnet dann ja eine so vermittelte im SM-Studio ihrem früheren Chef wieder, der sie gefeuert hat. … Welch ein „Hallooo“ wäre das wohl ….?!“

Der Kläger beantragte, auch für die erweiterte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Mit Beschluss vom 03.07.2007 wies das Arbeitsgericht diesen Antrag auf weitere Prozesskostenhilfe zurück. (…) Am 11.07.2007 legte der Kläger gegen den Erstbeschluss des Arbeitsgerichts über die Zurückweisung von Prozesskostenhilfe beim Landesarbeitsgericht sofortige Beschwerde ein. Nach Rückgabe der Beschwerdeschrift an das Arbeitsgericht half dieses mit Beschluss vom 20.07.2007 der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. (…)“

Zur Verletzung der AGG:

„(…) b) Nach diesen Grundsätzen lässt sich zwar nicht verneinen, dass der Kläger für die ausgeschriebene Stelle einer/eines Juristin/Juristen für die Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II im Team Unterhalt objektiv in Betracht kam. Der Kläger ist Volljurist mit zwei befriedigenden Staatsexamina. Mit dem Unterhaltsrecht hatte sich der Kläger während seiner langjährigen Praxis als Rechtsanwalt befasst. Mit der Leistungsgewährung nach dem SGB II war der Kläger seit 01.01.2005 in eigener Sache vertraut.
c) Hingegen kann von einer subjektiv ernsthaften Bewerbung im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Form der Bewerbung und das nachfolgende Verfahren sprechen für sich.
aa) Erstes Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit ist der vom Kläger als „Ceterum Censeo“ bezeichnete Text, der im Sachverhalt dieses Beschlusses aufgeführt ist. Gerade als Volljurist und langjähriger Rechtsanwalt war dem Kläger bewusst, dass es gegen jegliche Übung im Geschäftsleben verstößt, derartige Bemerkungen in der Geschäftspost anzubringen. Bemerkenswert ist weiter das beigefügte Lichtbild, das den Kläger vor einem Schachbrett sitzend anlässlich eines Schachturniers zeigt, ferner die Bemerkung im Lebenslauf „seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannte Reform Harz IV auf Bahnhofspennerniveau verharzt“ und die weitere Angabe über eine erfolglose Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit. Diese Besonderheiten der Bewerbung mussten bei jedem Arbeitgeber den Eindruck hervorrufen, der Bewerber lege es von vornherein nicht darauf an, in die engere Auswahl zu gelangen. Der Kläger war sich auch dessen bewusst, dass er mit der Form seiner Bewerbung eben diesen Effekt erreichte.
bb) Diese Indizien werden erhärtet durch die im Gütetermin vorgelegten handschriftlichen Schreiben an den Landrat persönlich. Hierin wird im Schreiben vom 12.05.2007 als Vergleichsmöglichkeit aufgezeigt, den Kläger auf die Position eines Sozialdezernenten „zu hieven“. Zur Begründung für diesen Vergleichsvorschlag führt der Kläger aus, die Position werde entscheidend dazu beitragen, dass er im Alter nicht der Grundsicherung anheimfalle. Er – der Landrat – werde im Interesse der Steuerzahler/innen handeln, wenn er dem vorgeschlagenen Vergleich nähertrete. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass der Beklagte diesen Vergleichsvorschlag nur als Provokation verstehen konnte.
cc) Als letztes Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung lassen sich die umfangreichen Ausführungen des Klägers zum Hintergrund des in seinen Geschäftsbriefen verwendeten „Ceterum Censeo“ anführen. Unter sexuellen Anspielungen befasst sich der Kläger mit den Themen Prostitution, Bordellen, Freiern und Bordellsteuer, führt aber gleichzeitig aus, dies habe mit seiner Bewerbung nichts zu tun. Welche Bedeutung die ab Anlage K 27 vorgelegten Schreiben, betreffend Dominas und Rotlichtmilieu, demnach haben sollen, ist unerfindlich. Die beigelegte Kleinannonce aus einem Berliner Magazin: „Prallärschiges Weib für alles Unanständige gesucht“ und „Alter Molch, 57 sucht unmoralische Frauen für Sex und Kultur“ sprechen ebenfalls für sich.
Die Gesamtumstände der Bewerbung und des weiteren Verfahrens lassen nur den Schluss zu, dass es dem Kläger neben dem möglichen Motiv des Gelderwerbs in diesem Verfahren vornehmlich darum geht, Aufsehen zu erregen und das System des staatlichen Rechtsschutzes lächerlich zu machen. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger darüber frustriert ist, dass er seinen Lebensunterhalt mit Leistungen nach dem SGB II bestreiten muss. Es kann jedoch nicht angehen, angebliche Verstöße gegen das Antidiskriminierungsrecht als Instrument dazu benutzen, um Protest gegen die „Hartz“- Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen. Würde der Staat eine solche Rechtsverfolgung mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe unterstützen, so hätte der Kläger das von ihm angestrebte Ziel erreicht. (…)

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Den Zeh lecken, nicht beißen!

6 Dez

Zu den Einschränkungen in der Lebensqualität bei Verletzungen im Fußbereich, AG Gelsenkirchen NJW-RR 2005, 1388 – Adventskalender (6)

Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar: Die mit Sandalen bekleideten Füße einer Kellnerin (die Kl.) wurden mit Bier aus einem umgestoßenen Glas überbegossen. Daraufhin biss ihr der Bekl. in den Zeh, was zu einer „stark entzündeten Menschenbisswunde“ führte.

Aus den Gründen:

„Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß §§847, 253 BGB in Höhe von 400,00 €.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme und nach der Einlassung des Beklagten ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte die Klägerin verletzt hat, indem er die Klägerin in den Zeh gebissen hat. Ferner steht zur Überzeugung des Gerichts insbesondere auch nach Einreichung der Atteste fest, dass sich durch diesen Vorfall der Zeh der Klägerin entzündet hat. Wie die Klägerin weiterhin vorgetragen hat, sind weitere Behandlungsmaßnahmen, wie zum Beispiel eine Zehentfernung nicht zu erwarten.

Das Gericht hält in Anbetracht dieser Umstände ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 € für gerechtfertigt. Ausweislich des Attests war die Klägerin jedenfalls für die Dauer von 10 Tagen arbeitsunfähig geschrieben. Es ist unerheblich, ob die Klägerin sich insoweit bei dem Beklagten tatsächlich krankgemeldet hat, wie der Zeuge L. bekundet hat, oder sie dies bei der AOK gemeldet hat. Das ärztliche Attest diesbezüglich liegt vor. Wenn die Klägerin sich jedoch nicht offiziell krankgemeldet hat, so liegt jedenfalls aus ärztlicher Sicht ein gesundheitlicher Zustand vor, der eine Krankschreibung jedenfalls rechtfertigt, und zwar für die Dauer von 10 Tagen. Hinzu kommt, dass nach dem ärztlichen Attest eine stark entzündete Menschenbisswunde vorlag. Es ist gerichtsbekannt, dass bei Verletzungen im Fußbereich erhebliche Einschränkungen in der Lebensqualität vorhanden sind. Nach Angaben der Klägerin konnte sie sich auch zunächst nur mit Badeschuhen fortbewegen.

Angesichts dessen, dass selbst wenn die Klägerin, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, den Zeh ablecken lassen wollte, so hätte der Beklagte keinesfalls in den Zeh beißen und die Klägerin verletzen dürfen. Die Klägerin hat dem Beklagten nicht den Zeh zum Zwecke der Verletzung hingegeben, sondern zum Zwecke der Reinigung. Der Beklagte ist darüber hinaus gegangen und hat die Klägerin verletzt. Wie der Zeuge M. glaubhaft bekundet hat, hat es auch sofort nach dem Biss geblutet. Da es sofort zur Blutung gekommen ist, hat der Beklagte auch ordentlich zugebissen. Dies ist keinesfalls zu tolerieren und mit einem angemessenen Schmerzensgeld für die Klägerin im Hinblick auf die erlittenen Schmerzen und Einschränkungen zu vergüten. Angesichts dessen, dass die Klägerin jedoch keine weiteren gesundheitlichen Konsequenzen zu erwarten hat, sie hat selbst angegeben, dass eine Entfernung des Zehnagels nicht in Betracht kommt, ferner ist durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen worden, dass man sie gewaltsam festgehalten habe und der Beklagte auf diese Art und Weise sie gebissen habe, war dies bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Nach alledem hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 400,00 € angesichts der Umstände und der nachgewiesenen Umstände für angemessen, aber auch für ausreichend.

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Lebenslanger Freitrunk für ehemaligen Arbeitnehmer

5 Dez

Gewährung des brauereitypischen Freitrunks nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, LAG Hamm, Urt. v. 28.04.1999 – 14 (6) Sa 43/99 – Adventskalender (5)

„Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem in den vorzeitigen Ruhestand getretenen Kläger weiterhin den brauereitypischen Freitrunk zu gewähren.

Der am 01.05.1938 geborene Kläger war bis zum 01.04.1995 bei der Beklagten im Außendienst beschäftigt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte durch einen Auflösungsvertrag, welcher seinerseits die Konzernbetriebsvereinbarung vom 14.06.1993 über die „Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Alter vor 60“ zum Gegenstand hat. Ziffer 7 dieser Betriebsvereinbarung regelt, daß die ausgeschiedenen Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres monatlich den Freitrunk nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag beanspruchen können. Danach, so die Betriebsvereinbarung, stehen den ehemaligen Mitarbeitern 20 Liter Bier monatlich als Freitrunk zu.

 Tatsächlich erhielt der Kläger nach seinem Ausscheiden von der Beklagten den in der Konzernbetriebsvereinbarung zugesagten Freitrunk. Dabei konnte er zwischen den in der K. im Rahmen eines gemeinsamen Betriebes produzierten Biersorten und -marken (u.a. Kronen Pilsener. Kronen Export. Hövels, Stifts Pils und Thier Pils) wählen. Auch konnte ein Malztrunk als alkoholfreies Getränk bezogen werden.

Die Beklagte geriet im Laufe des Jahres 1996 in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten. Sie verkaufte sämtliche Gesellschaftsanteile an die Dortmunder Aktienbrauerei AG mit Wirkung zum 01.10.1996. Die neuen Anteilseigner entschieden, die traditionelle Braustätte der Beklagten aufzugeben und das nach wie vor unter dem Namen der Beklagten vertriebene Bier von einer externen Brauerei herstellen zu lassen. Hierüber wurde mit der Dortmunder Aktienbrauerei AG ein Lohnbrau- und Abfüllvertrag geschlossen. Die eigene Brautätigkeit stellte die Beklagte mit Ablauf des Jahres 1996 ein. (…)

 Bereits durch eine Vereinbarung vom 04.12.1996 hatte der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) in Köln die Erfüllung der laufenden Renten aus dem betrieblichen Versorgungssystem der Beklagten übernommen. Hierauf wurde der Kläger, der zum 01.05.1998 das 60. Lebensjahr vollendete, mit Schreiben der Beklagten vom 06.01.1998 hingewiesen und ihm zugleich angekündigt, daß sie zum vorgenannten Datum die bisherige Freitrunkgewährung einstellen werde. Für die Belieferung des Freitrunks im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung sei sie nicht mehr zuständig. (…)

Mit seiner am 15.05.1998 vor dem Arbeitsgericht Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Weitergewährung des Freitrunks, nunmehr in Höhe von 20 Liter monatlich, in Anspruch genommen.

Dabei hat er betont, daß die Beklagte ihm gegenüber eine vertragliche Verpflichtung auf Gewährung von Freitrunk eingegangen sei. Dem könne die Beklagte sich nicht einfach unter Hinweis auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage entziehen. Auch lägen nicht die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Denn nach wie vor vertreibe die Beklagte Bier, welches als Hersteller die … in Dortmund ausweise. Der Umstand, daß die Beklagte nunmehr offenbar einen Subunternehmer mit der Herstellung beauftragt habe, ändere an ihrer Produzentenstellung nichts.

Dazu das LAG:

„Anders als das Arbeitsgericht ist die Berufungskammer zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte die für die Betriebsrentner maßgebliche Freitrunkregelung auch nach der Stilllegung des Braubetriebes einzuhalten hat. (…)

Nach Auffassung der Berufungskammer handelte es sich bei dem traditionellen im Braugewerbe üblichen Frei- oder Haustrunk um ein Deputat ähnlich wie den im Steinkohlenbergbau üblichen Hausbrand (vgl. BAG, Urteil vom 02.12.1986 in AP Nr. 9 zu § 611 BGB Deputat). Dabei geht es um eine am persönlichen Bedarf des Arbeitnehmers ausgerichtete Teilhabe am Produktionsergebnis. Der Zweck der Teilhabe am Produktionsergebnis ist aber ebenso wie im Steinkohlenbergbau auch im Brauereigewerbe weitgehend durch den Gedanken der Vor- und Fürsorge abgelöst worden. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Freitrunk keineswegs nur denjenigen Mitarbeitern zusteht, welche unmittelbar mit der Bierproduktion befasst sind. So hatte auch der Kläger als Außendienstmitarbeiter keinen unmittelbaren Bezug zur Produktion der Beklagten und der übrigen im Verbund stehenden Brauereien.

(…) Jeder Mitarbeiter im Brauereiwesen, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang er mit der Bierproduktion zu tun hat, hat Anspruch auf den tariflichen Freitrunk. So stellte auch die Beklagte nicht in Frage, daß ihre aktiven Mitarbeiter, die gar nicht mehr mit der Herstellung von Bier befasst sind, nach wie vor den tariflichen Freitrunkanspruch haben. Sie selbst bezeichnet sich immer noch als Brauerei und tritt als Herstellerin der Marke „…“ am Markt auf, obwohl sie gar nicht mehr in der Lage ist, selbst Bier zu brauen.“

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Liebeszauber für 1.000 Euro

4 Dez

Die Vereinbarung der Durchführung eines Liebeszaubers ist auf eine offensichtlich objektiv unmögliche Leistung gerichtet, AG München, Urt. v. 30.10.2006 – 212 C 25151/05 – Adventskalender (4)

„Die Beklagte verlangt Rückzahlung der Vergütung, die sie für die Ausführung eines Liebeszaubers an die Beklagte bezahlt hat.

Die Beklagte bezeichnet sich selbst als Hexe. Die Beklagte vereinbarte mit der Klägerin einen Liebeszauber auszuführen, mit dessen Hilfe der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin zu dieser zurückkehren sollte. Hierfür hat die Klägerin mindestens € 1.000,– an die Beklagte bezahlt. Die Beklagte hat ein entsprechendes Ritual durchgeführt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Schriftsatzes der Beklagtenpartei vom 15.12.2005 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie habe insgesamt für den Liebeszauber einen Vorschuss von € 150,– sowie weiter € 1.500,– bezahlt. Von diesen € 1.500,– werden jedoch nur mehr 1.000,– geltend gemacht.

Die Beklagte habe ihr im Hinblick auf den Liebeszauber Erfolg garantiert.

(…)

Die Beklagte behauptet, sie habe keinen Erfolg garantiert, sondern nur die Durchführung eines entsprechenden Rituals versprochen. Sie habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass ein solches Ritual nicht immer wirke. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass sie grundsätzlich über Hexenkräfte verfüge und ein solcher Liebeszauber als Mittel der Paarzusammenführung geeignet ist.

Die Beklagte behauptet weiterhin, die erste Zahlung von € 150,– sei kein Vorschuss, sondern Vergütung für eine telefonisch durchgeführte Beratung auf der Grundlage von Kartenlegen, Kabbala u.ä..

Die Beklagte hat weiterhin die Einholung einer Auskunft des Erzbischöflichen Ordinariats München beantragt zum Beweis, dass es parapsychologische Phänomene sowie Wunder gibt.“

Dazu das AG:

„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung zunächst in Höhe von € 1.000,– aus §§ 346 Abs. 1, 326, 275 Abs. 1 BGB.

Die Vereinbarung der Durchführung eines Liebeszaubers ist auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Es ist offenkundig (§ 291 ZPO) und bedarf keiner weiteren Beweisaufnahme, dass ein Ritual, wie es von der Beklagten geschildert wurde, nicht geeignet ist mittels Hexenkräften einen Menschen aus der Ferne zu beeinflussen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beklagte Erfolg versprochen hat oder nicht. Jedenfalls hat die Beklagte einen potentiell wirksamen Zauber vereinbart, nicht nur das Abbrennen von Kerzen, Anfertigen von Puppen zu bestimmten Zeitpunkten etc.. Ein solcher zumindest potentiell wirksamer Zauber ist aber gerade objektiv unmöglich, denn er kann weder von der Beklagten noch von sonst irgendjemand mit Anspruch auf Wirksamkeit ausgeführt werden. Selbst wenn der ehemalige Lebensgefährte zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit dem von der Beklagten durchgeführten Ritual zur Klägerin zurückgekehrt wäre, hätte der Zauber der Beklagten darauf keinen Einfluss gehabt. Es wäre auch in diesem Fall bei der vorliegenden rechtlichen Beurteilung geblieben.

Die Klägerin hat einen weiteren Anspruch auf Rückzahlung Höhe von € 150,– aus §§. 346 Abs. 1, 326, 275 Abs. 1 BGB

Es kann dabei als wahr unterstellt werden, dass diese € 150,–seitens der Klägerin für eine auf der Grundlage von Kartenlegen und Kabbala erfolgte telefonische Beratung bezahlt wurden, wie es die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Auch dieser Vertrag ist auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet, denn es ist offenkundig, dass weder Kartenlegen noch die Zahlenmystik der Kabbala noch sonstige parapsychologische Erkenntnisquellen geeignet sind, reelle Anhaltspunkte für eine Beratung zu finden.

Der Beweisantrag der Beklagten auf Einholung einer Auskunft des Erzbischöflichen Ordinariats war abzulehnen. Dass die Verträge auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet waren, ist offenkundig (§ 291 ZPO). Daneben ist die Ansicht des Erzbischöflichen Ordinariats München zu Glaubensfragen, wie der, ob es Wunder gibt für den vorliegenden Fall völlig irrelevant.

Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist auch nicht ausgeschlossen.

Der Rückforderungsanspruch ergibt sich aus §§ 346, 326, 275 BGB, nicht aus Bereicherungsrecht, so dass eine direkte Anwendung des § 817 Satz 2 BGB bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Zwar ist der Gedanke richtig, dass ein auf einen solchen Liebeszauber gerichteter Vertrag wegen unzulässiger Beeinflussung des freien Willens einer Person sittenwidrig wäre nach § 138 BGB. Jedoch würde dies die Möglichkeit eines solchen Liebeszaubers voraussetzen, da nur dann ein objektiver Gesetzes- und Sittenverstoß vorliegen würde (…).

Das Urteil wurde vom LG München bestätigt (30 S 10495/06). Die Gerichte beschäftigten sich auch mit Hexen, die Teufelsaustreibungen durchführen. Siehe dazu das Türchen Nr. 18 vom letzten Jahr.

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Erotik-Live-TV-Magazin auf Staatskosten

3 Dez

Ein erwerbsfähiger Leistungsempfänger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen für die Gründung eines Erotik-Live-TV-Magazins im Internet, mit dem Erotik- und Pornografiedarstellungen angeboten werden, SG Darmstadt, Urt. v. 26.09.2012, S 17 AS 416/10 – Adventskalender (3)

Die Beteiligten streiten um Eingliederungsleistungen für Selbständige nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

(…)

Ausweislich eines dem Beklagten vorgelegten Businessplanes vom 12. Oktober 2008 beabsichtigt der Kläger den Betrieb eines Erotik-Live-TV-Magazins als so genanntes WebTV („TZ.“), dessen Konzept er wie folgt darstellt:

– Live-Reportagen auf Messen und Veranstaltungen rund um das Thema Erotik, wie z.B. auf der „ZU.“ oder auf Erotikmessen im gesamten Bundesgebiet;

– Reportagen/Berichte über verschiedene erotische Themengebiete wie z.B. FKK-Clubs, Begleitservice, Swingerclubs, erotische Fotoausstellungen, Modellagenturen im Bereich Erotik etc.;

– Interviews auf diversen Veranstaltungen und auch im Produktionsstudio;

– Berichte über Dessous-Partys und Verkaufsshows über verschiedene Produktgruppen wie z.B. Dildos, Kleidung, Accessoires etc.;

– Erotisches Monatshoroskop für alle zwölf Tierkreiszeichen;

 

 (…)
 
Das Jobcenter lehnte das Vorhaben mangels wirtschaftlicher tragfähig ab. 
Mit anderer Argumentation bestätigte das SG die Entscheidung:

„Bei jedem Erlass eines Verwaltungsaktes und damit auch bei Ermessensentscheidungen ist übergeordnet stets die Grenze der Sittenwidrigkeit zu beachten. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig und mithin unwirksam (§ 39 Abs. 3 SGB X), auch wenn der Fehler nicht offenkundig ist. Dies entspricht dem allgemeinen Gedanken des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, bestimmt sich nach der herrschenden Rechts- und Sozialmoral (vgl. Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 40 Rn. 16 m.w.N.). Gemessen an dieser Moral würde eine Förderung des vom Kläger beabsichtigten Gründungsvorhabens „TZ.“ in der von ihm konzipierten Form gegen die guten Sitten verstoßen.

 Ein Verwaltungsakt verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, wenn er etwas Sittenwidriges anordnet, sondern auch dann, wenn er etwas erlaubt, was wegen Verstoßes gegen die Sittenwidrigkeit nicht erlaubnisfähig ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2010, L 22 R 1181/10, juris Rn. 81 m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer muss dies erst Recht für die Fälle gelten, in denen ein sittenwidriges Geschehen behördlicherseits nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern – sogar noch weitergehend – durch öffentliche Mittel überhaupt erst ermöglicht werden soll.

Mit dem von ihm beabsichtigten Gründungsvorhaben „TZ.“ will der Kläger über das Internet gewerbsmäßig und gegen Entgelt den Zugang zu – teilweise in Eigenproduktion hergestellter – Erotik- und Pornografie-Darbietungen unterschiedlichster Kategorien eröffnen. Damit ist sein Vorhaben – unstreitig – der Erotik- und Pornografie-Branche zuzuordnen. Als solches verstößt es gegen die guten Sitten.

Vorliegend kann offen bleiben, ob sich die Sittenwidrigkeit daraus ableiten lässt, dass die in den vom Kläger per Internet angebotenen Erotik- und Pornografie-Darbietungen und damit einem breiten Publikum zur Schau gestellten Darstellerinnen und Darstellern eine in ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz <GG>) missachtende objekthafte Rolle zugewiesen ist. Es wäre zwar durchaus denkbar, darauf abzustellen, dass diese Darstellerinnen und Darsteller wie der sexuellen Stimulierung dienende Sachen zur entgeltlichen Betrachtung dargeboten und jedem – durch die Anonymität des Internets im Verborgenen bleibenden – Zuschauer als bloße Anregungsobjekte zur Befriedigung sexueller Interessen angeboten werden (vgl. zur Sittenwidrigkeit von Peep-Shows: BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1981, 1 C 232/79, juris Rn. 21). Ob diese Art der Darbietung sexueller Handlungen tatsächlich mit der Verfassungsentscheidung für die Menschenwürde unvereinbar ist, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach Auffassung der Kammer sind solche Darbietungen ungeachtet der genannten Wertentscheidung des Grundgesetzes sittenwidrig.“

 

Über die Berufung hat das LSG Hessen noch nicht entschieden. Lesenswert ist die Besprechung der Entscheidung bei juris (Albrecht, jurisPR-ITR 4/2013 Anm. 6).

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Wenn der Postmann zwei Mal Klingelt…

2 Dez

Dem Postmann darf man kein Hausverbot erteilen, AG Gummersbach, Urt. v. 12.04.2013 – 11 C 495/12, bestätigt durch LG Köln, Urt. v. 16.10.2013 – 9 S 123/13 – Adventskalender (2)

„Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks O in X, die Beklagte befördert gewerbsmäßig Briefsendungen.

Mit Schreiben vom 20.11.2011 sprach der Kläger gegenüber der Beklagten ein Hausverbot aus. Da die Beklagte das Verbot missachtete, erinnerte der Kläger mit Schreiben vom 25.11.2011 an das Hausverbot. Zugleich forderte er die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte verweigerte eine solche Erklärung und stellte weiter Post zu. Am 29.05.2012 erstattete der Kläger deshalb Strafanzeige gegen die Beklagte, auch sprach sein jetziger Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 31.07.2012 ein weiteres Hausverbot aus. Auch daran hielt die Beklagte sich nicht. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Durch die Postzustellungen trotz des Hausverbots sei sein Eigentumsrecht verletzt worden, es bestehe insoweit auch Wiederholungsgefahr.

Dazu das AG:

„Dem Kläger steht hinsichtlich seiner Forderung kein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Zwar kann nach dieser Bestimmung der Eigentümer auf Unterlassung klagen, wenn sein Eigentum beeinträchtigt wird, und kann es eine Beeinträchtigung darstellen, wenn ein Grundstück entgegen einem erteilten Hausverbot betreten wird. Die vorliegende Klage hat aber keinen Erfolg, weil die Rechtsausübung unzulässig ist.

Wenn der berechtigte kein schutzwürdiges Interesse verfolgt oder überwiegende Belange der Gegenpartei entgegenstehen, kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein. Es kommt dabei nicht auf eine Pflichtwidrigkeit oder ein Verschulden an, sondern allein auf eine objektive Interessenabwägung im Einzelfall. Eine Unzulässigkeit in diesem Sinne ist u. a. dann gegeben, wenn der Berechtigte kein sachliches und dauerndes Eigeninteresse verfolgt, sondern die Rechtsausübung nur dazu dient, einen rechtsfremden oder unlauteren Zweck zu erreichen (vgl. Jauernig/Mansel, BGB, 14. Aufl. 2011, § 242 Rn. 37 u. 38 m. w. N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Es ist unstreitig, dass es bei den Zustellungen durch die Beklagte zu keinen Beeinträchtigungen des Eigentums des Klägers gekommen ist, die über die Missachtung des Hausverbots hinausgegangen wären. Der Kläger hat auch nicht ansatzweise begründet, warum die Beklagte ihm keine Post zustellen soll, d. h. die Voraussetzungen für ein schutzwürdiges Interesse sind nicht dargetan worden. Dass der Kläger möglicherweise keine G-Amtspost erhalten will, verdient keinen gerichtlichen Schutz. Zumindest stünden einem solchen Interesse überwiegende schutzwürdige Belange der Beklagten entgegen. Diese beruhen auf den Verpflichtungen eines gewerbsmäßigen Zustellers, wie sie sich im Einzelnen aus der erteilten Lizenz und den Bestimmungen des Postgesetzes ergeben.

Ferner das LG:

„Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner näheren Begründung, dass dem Kläger nicht bereits deshalb ein Verbotsrecht gegen Zustellungen durch die Beklagte zusteht, weil ihm die Inhalte oder die Absender der ihm zugestellten Briefsendungen nicht genehm sind. Aber auch unter Berücksichtigung des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mitgeteilten Motivs für die begehrte Unterlassung ist der Kläger zur Duldung der Zustellungen durch die Beklagte verpflichtet. Diesbezüglich ist vorgetragen worden, mit dem Verbot der Zustellung bzw. dem erteilten Hausverbot beabsichtige der Kläger, seiner Missbilligung über die nach seiner Ansicht stark verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter der Beklagten Ausdruck zu verleihen.

Unabhängig von der hier nicht zu klärenden Frage, ob ein solcher Boykott zur Erreichung des von dem Kläger erstrebten Ziels überhaupt ein taugliches Mittel ist, so steht dieser doch keinesfalls im Schutzbereich des klägerischen Eigentums. Die auf § 1004 BGB fußenden Abwehr- bzw. Beseitigungsansprüche dienen der Durchsetzung der aus dem Eigentum fließenden Rechte, nicht aber der Verwirklichung sozialpolitischer Vorstellungen.“

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Der Tritt ins Gesäß als betriebliche Tätigkeit

1 Dez

Der Tritt ins Gesäß der unterstellten Mitarbeiterin gehört auch dann nicht zur betrieblichen Tätigkeit einer Vorgesetzten, wenn er mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung geschieht, LAG Düsseldorf BB 1998, 1694 – Adventskalender (1)

„Am 05.03.1997 war die Kl. in der Spätschicht eingesetzt und arbeitete mit der Maschinenführerin, der Zeugin T., und einer weiteren Verpackerin an der Maschine 12. An der benachbarten Maschine arbeiteten die Kolleginnen K. und S. Etwa gegen 16:30 Uhr hielt sich auch die Beklagte, zu diesem Zeitpunkt Vorgesetzte in dem Bereich, bei K. und S. auf und scherzte mit ihnen. Die Kl. wandte sich zu der Gruppe, drehte sich dann wieder um zu ihrer Maschine und bückte sich dort nach einer unter dem Förderband stehenden Kiste. Ob sie dann von der Beklagten, die – wie die anderen Arbeiterinnen – Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen trug, einen Tritt ins Gesäß erhielt, ist streitig. Die Kl. wandte sich anschließend weinend an die Zeugin T., die sich für sie verwandte. Später setzte sie ihre Arbeit bis zum Schichtende (22:00 Uhr) fort. Danach fuhr sie gemeinsam mit der Kollegin S. nach Hause. Dabei sprach sie weder das Geschehen um 16:30 Uhr an, noch klagte sie über Schmerzen.

Am 06.03.1997 suchte die Kl. gegen 8:00 Uhr einen Arzt auf, der sie ins Krankenhaus einwies. Dort stellte die chirurgische Ambulanz bei der Kl. einen Steißbeinbruch fest.“

(…)

Nach Aufforderung der Berufsgenossenschaft vom 23.04.1997 unterzeichnete die Bekl. einen auf den 25.04.1997 datierten Zeugenfragebogen. Der Bogen enthält u.a. folgende Fragen:

3. Bei welcher Gelegenheit und in welcher Weise ereignete sich der Unfall (genaue Schilderung des Unfallhergangs!)? Wenn Sie nicht Augenzeuge waren, bitte das wiedergeben, was Ihnen über den Unfall bekannt geworden ist. 4. Worauf ist der Unfall nach Ihrer Ansicht zurückzuführen?

Als Antwort zu 3. ist in dem Bogen eingetragen: Wir alberten während der Arbeit herum. Hierbei trat ich Frau F. ins Gesäß, was jedoch keine Absicht war.

Als Antwort zu 4. ist eingetragen: Blödsinn.“

Dazu das LAG:

„Der Tritt ins Gesäß des Untergebenen oder Arbeitskollegen gehört nicht zu den betrieblichen Tätigkeiten i.S. von § 105 Abs. 1 SGB VII. Zwar mag gelegentlich im Arbeitsleben die Äußerung, daß man den NN mal in den Hintern treten müßte, zum saloppen Umgangston gehören. Der Sprecher will durch die plastische Ausdrucksweise seine Meinung kundtun, dass die durch einen solchen Tritt geförderte Vorwärtsbewegung des/der Betroffenen auch arbeitsleistungsmäßig wünschenswert wäre. Gleichwohl zweifelt niemand daran, dass nach geltendem Arbeitsrecht weder ein Vorgesetzter noch eine Vorgesetzte berechtigt sind, durch Handgreiflichkeiten oder den ominösen Tritt einen untergebenen Mitarbeiter zu disziplinieren.

Es mag sein, dass eine bei der Arbeit durch Herumalbern verursachte Verletzung der betrieblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Was den Streitfall betrifft, war es hingegen so, dass die Klägerin an dem Gescherze nicht beteiligt wurde, vielmehr in einem Moment, als sie sich der Arbeit gewidmet hatte, den Tritt erhielt. Der Beklagten kann danach auch keine Fehleinschätzung der Situation zugute gehalten werden. Der Tritt hatte nichts mit der Arbeitsverrichtung i.w.S. zu tun.“

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