Quiki, das Schwein

4 Dez

Zur Haltung eines Hausschweines, AG Köpenick NZM 2001, 892 – Adventskalender (4)

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der bekl. Mieterin, das Halten eines Schweins in der streitgegenständlichen Wohnung zu unterlassen. Die Klage hatte keinen Erfolg.

„Die Kl. hat keinen Anspruch gem. § 550 BGB gegen die Bekl., die Haltung des Schweins „Quiki” bzw. „Schnitzel” in der gemieteten Wohnung zu unterlassen. Die Bekl. gebraucht die Wohnung nicht dadurch vertragswidrig, dass sie das Schwein hält. Dem steht nicht entgegen, dass die Bekl. das Tier ohne die erforderliche Zustimmung nach Nr. 7 I Nr. e der Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag hält. Denn die Kl. darf sich nicht auf das Fehlen der Zustimmung berufen. Sie handelt insoweit rechtsmissbräuchlich nach §242 BGB, da sie verpflichtet ist, die Zustimmung zur Haltung des Schweins zu erteilen (…). Nach Nr. 7 II der Vertragsbedingungen darf sie die Zustimmung zur Tierhaltung nur verweigern, wenn von dem Tier Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn sowie Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass von dem Schwein weder Belästigungen noch Beeinträchtigungen ausgehen. (…)

Unerheblich ist, ob das Treppenhaus bis April 2000 nach Schwein gestunken hat. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass es auch in Zukunft stinken wird, da die Bekl. mittlerweile seit zwei Monaten in der Lage ist, das Schwein ohne weitere Belästigungen zu halten. Schließlich besteht auch nicht deshalb ein Unterlassungsanspruch, weil ein Schwein nach Auffassung der Kl. „generell nicht in eine Wohnung gehört”. Denn nach dem Mietvertrag darf die Kl. die Zustimmung zur Tierhaltung nur dann verweigern, wenn Beeinträchtigungen und Belästigungen von einem Tier zu erwarten sind. Der Vertrag sieht darüber hinaus kein Recht vor, die Zustimmung deshalb zu verweigern, weil eine Tierhaltung in der Wohnung aus Sicht der Kl. nicht sinnvoll ist. (…)“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

„In Süddeutschland gibt es kein Dorf ohne als Hexen verrufene Frauen“

3 Dez

Zur Verbreitung von Hexenglauben, LG Mannheim NJW 1979, 504 – Adventskalender (3)

Der Vorsitzende Richter Dr. Wolf Wimmer am LG Mannheim, aus dessen Feder das vorliegende Urteil stammt, ist ein Wiederholungstäter. 1997 schenkte er uns die Perle zur Glaubwürdigkeit des Pfälzers  (s. Türchen Nr. 4 Adventskalender 2012) und 1993 eine Studie der Marktpreise von Teufelsaustreibungen (s. Türchen Nr. 18 Adventskalender 2012). In der vorliegenden älteren Entscheidung konnte Dr. Wimmer wieder als Experte glänzen. Denn neben einschlägigen Aufsätzen (Parapsychologie, Wissenschaft und Rechtsordnung, NJW 1979, 587), verfasste er mit Otto Prokop das Buch “Der moderne Okkultismus” (1976).

„Die Privatkl. wirft der Privatbekl. Beleidigung, Verleumdung und vorsätzliche Körperverletzung vor, weil diese sie als „Hexe” und „Hure” bezeichnet und ihr mit einem Glaskrug blutende Verletzungen am Kopf zugefügt habe. Durch den angefochtenen Beschluß hat das AG das Privatklageverfahren gem. § 383 II StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Beschwerde der Privatkl. hiergegen hatte Erfolg.

Der Erstrichter hat Beweis erhoben durch Vernehmung zweier Zeuginnen, die im wesentlichen das Vorbringen der Privatkl. bestätigt haben. Gleichwohl erscheint der Sachverhalt noch nicht soweit aufgeklärt, daß schon jetzt die Feststellung geringer Schuld bei der Privatbekl. getroffen werden kann, die § 383 II StPO erfordert. Fest steht lediglich, daß der Hexenaberglaube Ursache der unstreitig erfolgten Auseinandersetzungen gewesen ist. Unklar ist jedoch, ob die Privatbekl. subjektiv Anlaß zu solchem Wähnen haben konnte. Sie behauptet zwar, die Privatkl. habe ihr über einen „Hodcha” (Hexenbanner) 4 Zaubersprüche (musca) besorgt, um eine gewisse Kälte ihres Ehemannes zu beseitigen. Die Privatkl. bestreitet dies jedoch; ihrzufolge habe die Privatbekl. sie (die gar nicht an Hexen glaube) grundlos als Hexe verschrien.

In letzterem Falle aber wäre eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld schon von der Motivation der Täterin her nicht gerechtfertigt. Zweifellos ist der Hexenglaube im nahen Orient der Gegenwart außerordentlich weit verbreitet (Kriss und Kriss-­Heinrich, Volksglaube im Bereich des Islam II, S. 12 ff.). Doch steht es auch hierzulande kaum besser. Nach der letzten einschlägigen Umfrage (1973) glauben 2% der Einwohner der Bundesrepublik fest an „Hexen” und weitere 9% halten Hexerei für möglich; in Süddeutschland gibt es sachverständigen Schätzungen zufolge kein Dorf ohne als Hexen verrufene Frauen (Schäfer, Der kriminelle Aberglaube in der Gegenwart, S. 36; Prokop, Medizinischer Okkultismus, 3. Aufl., S. 9). Es besteht also kein Grund, die gleichen abergläubischen Vorstellungen „weit hinten in der Türkei” anders und milder zu beurteilen. Wie der Prozeßbevollmächtigte der Privatkl. mit Recht ausführt, ist die Verdächtigung als „Hexe” auch für eine türkische Gastarbeiterin eine schwerwiegende Rufbeeinträchtigung, die sie in den Augen ihrer abergläubischen engeren Umwelt allmählich zur Verfemten und Geächteten macht, ständiger Feindschaft und Verfolgung aussetzt und schließlich nicht selten schweren Mißhandlungen oder gar Tötung zum Opfer fallen läßt, wenn nicht rechtzeitig und wirksam abschreckend gegen die Verleumdung vorgegangen wird (vgl. Schäfer, S. 30 ff.; grundlegend Kruse, Hexen unter uns?, passim).

Derartige Fälle, in denen Unschuldigen grundlos ein so schwerer Vorwurf angehängt wird einer „Hexe” trauen Abergläubische alles Schlechte und Böse, alle Unsittlichkeiten und Schandtaten zu ­, erfordern zum Schutz der Betroffenen notfalls nachhaltige Ahndung durch Strafgerichtsurteile (Auhofer, Aberglaube und Hexenwahn heute, S. 151 ff.; einhellige Meinung der Okkultkriminalistik, vgl. neuestens Schöck, Hexenglaube in der Gegenwart, S. 286 ff. m.w. Nachw.). Eine Einstellung des von der verleumdeten und mißhandelten „Hexe” angestrengten Privatklageverfahrens wegen Geringfügigkeit würde deshalb in vielen Fällen der Sachlage nicht gerecht, da hier schon angesichts der verschuldeten Auswirkungen der Tat keinesfalls von „erheblich unter dem Durchschnitt liegender Schuld” (…) gesprochen werden kann. Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmesituationen, etwa wenn die der „Hexerei” Bezichtigte selbst die „schwarze Magie” ausübt, dürfte ein Bagatellfall vorliegen, der die Anwendung des § 383 II StPO begründet erscheinen läßt.

Da jedoch die bisherigen Ermittlungen für eine solche Feststellung nicht ausreichen, waren der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Akten dem AG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzugeben. Für das weitere Verfahren wird zu beachten sein, daß nach Sachlage eine restlose Aufklärung nur durch eine Hauptverhandlung zu erreichen sein wird, zu der, nebst Parteien und Augenzeugen, auch ein Sachverständiger für türkische Volkskunde geladen wird.“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

Richterlich bestätigt: Maria gebar Jesus

2 Dez

Das Aufstellen einer Madonnastatue im Treppenhaus führt nicht zu einer Mietminderung, AG Münster NJW 2004, 1334 – Adventskalender (2)

Wie auch in den letzten beiden Jahren veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Der Ehemann, der Liebhaber und die Selbstjustiz

1 Dez

Ein Schmerzensgeldanspruch des Liebhabers gegen den gehörnten und prügelnden Ehemann kann wegen Mitverschulden vollständig entfallen, LG Paderborn NJW 1990, 260 – Adventskalender (1)

„Am 28.8.1988 nachts zwischen 2.00 und 3.00 Uhr hielten sich der Kläger und die Ehefrau des Beklagten in der Ehewohnung des Beklagten und seiner Frau auf. Der Beklagte, der sich unerlaubt von seiner Arbeitsstelle entfernt und nach Hause begeben hatte, stellte kurz vor 3.00 Uhr fest, daß die Schlafzimmertür von innen verschlossen war. Er brach diese auf und traf im Schlafzimmer seine Ehefrau mit dem Kläger an. Inwieweit diese bekleidet waren, ist streitig. Der Beklagte verprügelte daraufhin den Kläger derart, daß sich dieser anschließend bis zum 5.9.1988 in stationärer Krankenhausbehandlung begab und insgesamt 6 Wochen arbeitsunfähig war. (…)

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe die Stirn gehabt, nicht etwa nur mit der Ehefrau des Beklagten fremdzugehen, sondern hierzu auch noch in das „Allerheiligste“ einer bestehenden Ehe einzudringen. Wenn er sich unter solchen Umständen den Zorn des Beklagten zuziehe und von ihm eine gehörige Tracht Prügel einstecken müsse, so rechtfertige dieses jedenfalls nicht die Bewilligung eines Schmerzensgeldes.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den Schmerzengeldanspruch weiter. Das Amtsgericht habe mehr unter Verwendung moralisch ethischer als juristischer Begriffe einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers verneint. Es sei dabei zudem von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

Dazu das LG:

„(…) Hierfür besteht kein Rechtfertigungsgrund, insbesondere nicht der der Notwehr nach § 227 BGB. Zwar geht die Kammer davon aus, daß der Beklagte seine Ehefrau und den Kläger nicht oder nur spärlich bekleidet im Ehebett vorgefunden hat, nachdem er die Schlafzimmertür aufgebrochen hatte, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird. Aber auch in Anbetracht des Umstandes, daß damit der sogenannte räumlichgegenständliche Bereich der Ehe verletzt worden ist, wogegen sich der Beklagte mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen könnte, berechtigte dieses ihn nicht, seinerseits den Kläger körperlich anzugreifen, um auf diese Weise Selbstjustiz zu üben.(…)

Das überwiegende Mitverschulden des Klägers ergibt sich daraus, daß dieser den tätlichen Angriff des Beklagten dadurch in erheblichem Maße selbst verursacht hat, daß er — wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat — nicht nur mit der Ehefrau des Beklagten fremdging, sondern dies auch noch im ehelichen Schlafzimmer des Beklagten geschah. (…)

Das Verhalten des Beklagten stellte eine ungeheure Provokation des Klägers dar. Zwar ist die Ehe als solche nicht gewaltsam schützbar und der Beklagte letztlich auch nicht davor zu schützen, daß seine Ehefrau durch die Beziehung zu einem anderen Partner aus der Ehe herausdrängt. Die Abwendung vom Ehegatten, die auf einer freien Willensentscheidung beruht, muß von diesem letzten Endes hingenommen werden. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob sich der Ehebruch an irgendeinem anderen Ort oder im Schlafzimmer der Ehewohnung vollzieht. Denn es offenbart ein besonderes Maß an Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit gegenüber dem Beklagten, wenn sich dessen Ehefrau und der Kläger — wie geschehen — zu diesem Zwecke in die Ehewohnung begaben. Dort schlief nicht nur der 12-jährige Sohn des Beklagten und seiner Frau, sondern dieses Verhalten geschah auch unter Ausnutzung des Umstandes, daß der Beklagte im 24-Stunden-Schichtdienst auf seiner Arbeitsstelle zu sein hatte, und im Vertrauen darauf, daß er schon aus diesem Grunde nicht am Ort des Geschehens werde erscheinen können. Der Argumentation der Berufungsbegründung, daß der Kläger nicht damit zu rechnen brauchte, daß der ihm als pflichtbewußte Arbeitnehmer bekannte Beklagte seine Arbeitsstelle verlassen würde, und daß gerade deshalb das Mitverschulden des Klägers nicht sehr hoch sei, vermag die Kammer daher nicht zu folgen. Vielmehr mußte dem Beklagte, als er den Kläger dennoch in flagranti stellte, schlagartig klar werden, wie berechnend dieser auch die Arbeitsbedingungen des Beklagten schamlos und in nicht zu überbietender Dreistigkeit ausnutzte. Das gilt umso mehr, als dem Beklagten schon seit einiger Zeit der Verdacht ehelicher Untreue seiner Frau gekommen war, der jedoch bis dahin immer wieder zerstreut werden konnte. Dies alles mußte sich auch der Kläger sagen; er hatte in dieser Situation mit aufflammendem Zorn des Beklagten und einem daraus resultierenden körperlichen Angriff zu rechnen. (…)

Schließlich steht der Verneinung eines Schmerzensgeldanspruches auch nicht der Gedanke entgegen, daß hiermit eine von der Rechtsordnung nicht zugestandene Selbstjustiz legalisiert würde. Das ist nicht der Fall. Das Verhalten des Beklagten bleibt rechtswidrig. Ein Freibrief für Ehemänner, in vergleichbaren Situationen auf die Liebhaber ihrer Ehefrauen einschlagen zu können, kann in dieser Entscheidung schon deshalb nicht gesehen werden, weil bei Verletzungen des Kontrahenten nicht nur ein Schmerzensgeldanspruch im Raume steht, sondern auch Ansprüche auf materiellen Schadensersatz, wie z.B. für Arzt- und Krankenhauskosten. (…)“

Wie auch in den letzten beiden Jahren veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Remonstration? – Ja, aber richtig!

10 Nov

Die Klausur ist abgeholt und man ist von der Note – nun ja, negativ überrascht. Die Kommilitonen haben bessere Noten, die Begründung unverständlich und unfair. Was nun? Zunächst sollte man die Remonstration nicht überhastet und aufgewühlt verfassen, sondern lieber erst einmal eine Nacht darüber schlafen. Die eigentlich wichtigsten Hinweise fasst Professor Dr. Barbara Dauner-Lieb für unsere Leser so zusammen:

„Korrekturen und Bewertung genau lesen und selbstkritisch reflektieren! Verbleibende Zweifel höflich und fundiert formulieren. Und: Aus Fehlern lernen!“

1. Inhalt

Wichtig ist also, sich mit seiner Arbeit und den Korrekturbemerkungen intensiv auseinander zu setzen und zu überlegen, ob die Kritik des Korrektors berechtigt ist. Eine Remonstration lohnt im Grunde nur, wenn dies nicht der Fall ist, d.h. wenn unberechtigte Kritik vorliegt. Wenn Fehler in der Korrektur nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind, würden wir empfehlen, Nachweise, weshalb die eigenen Ausführungen richtig sind, beizufügen (Urteile, Kommentare, Aufsätze usw.). Setzt man sich ernsthaft mit der Arbeit und der Kritik hieran auseinander, führt an einer Auseinandersetzung mit dem Schrifttum und der Rechtsprechung ohnehin kein Weg vorbei.

Außerdem sollte man auch (soweit angeboten) unbedingt die Besprechung der Klausur besuchen und die Lösungsskizze (falls vorhanden) durchsehen. Beachten sollte man bei der Lektüre auch, dass sich nicht jede Randbemerkung des Korrektors auf die Note auswirkt. Manchmal handelt es sich dabei lediglich um einen (gutgemeinten) Kommentar.

2. Form & Frist

Zunächst ist die Remonstrationsfrist zu beachten, die sie je nach Grund- oder Hauptstudium unterscheiden kann. In Köln gilt gemäß § 23 I StudPrO (für Klausuren im Schwerpunkt gilt abweichend Abs. 2):

(1) Gegen die Bewertung einer Einzelleistung kann innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des Ergebnisses durch das Prüfungsamt und der Möglichkeit der Einsichtnahme in die oder Abholung der Arbeit schriftlich und mit Begründung bei der Prüferin oder dem Prüfer remonstriert werden. (2) Wird das Ergebnis einer Leistung während der vorlesungsfreien Zeit bekanntgegeben, so beginnt die Frist an dem ersten Vorlesungstag des folgenden Semesters. (3) Sollte das Ergebnis erst in der nächsten Vorlesungszeit bekannt gegeben werden, so ist Fristbeginn diese Bekanntgabe bzw. der erste Tag der Einsichtnahme, sofern dieser zeitlich nach der Bekanntgabe liegt. (…)

Eine Klausurremonstration hat, außer dass sie schriftlich mit einer Begründung eingereicht wird keine vorgeschriebene Form. Wichtig ist (wie immer), sich sprachlich korrekt und präzise auszudrücken und alle Kritikpunkte bezüglich der Bewertung einzeln und verständlich vorzubringen.

3. Was nicht in eine Remonstration gehört

Zu beachten ist für die Remonstration, dass allein sachliche Gründe zählen. Die persönliche Situation oder Auswirkungen einer schlechten Note auf den Prüfling sind irrelevant und können schon aus Fairness den übrigen Kommilitonen nicht berücksichtigt werden. Entsprechende Ausführungen sollte man sich deshalb sparen. Gleiches gilt für das Hinterfragen des Sinns oder der Absichten des Klausurerstellers.

4. Fazit

Beachtet man die genannten Punkte und kommt zur Überzeugung, dass die Arbeit nicht korrekt bewertet wurde, braucht man sich nicht scheuen, eine Remonstration zu verfassen. Auch Korrektoren sind nur Menschen und machen Fehler. Ist die Remonstration begründet, kann und wird der Prüfer kein Problem damit haben, dies auch so anzuerkennen. In jedem Fall wird die nochmalige Auseinandersetzung mit dem Lernstoff einen positiven Lerneffekt haben.

Zum Weiterlesen:

Tonio Gas – Die Remonstration gegen die Bewertung von Klausuren und Hausarbeiten – und wie man sie (nicht) schreiben sollte (JuS-Magazin 6/2004, S. 24ff.).  Ein empfehlenswerter Leitfaden von Prof. Dr. Erb, Universität Mainz findet sich hier. Ein Formulierungsbeispiel wird auf der Seite der LMU München angeboten.

Seminar zu verfassungs- und völkerrechtlichen Aspekten des Sports an (Veranstaltungshinweis)

22 Jan
Prof. Dr. Bernhard Kempen, Direktor des Instituts für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität zu Köln und RLG Dr. Jan F. Orth, LL.M. bieten für das SS 2014 ein höchst interessantes Seminar zu verfassungs- und völkerrechtlichen Aspekten des Sports an. Das Seminar wird als Tagesblockseminar am 23.05.2014 in der Universität zu Köln veranstaltet. Anmelden kann man sich mit Themenwunsch und Kurzlebenslauf via e-Mail bei Herrn Dr. Orth (jan.orth@uni-koeln.de) bis zum 31.01.2014. Alle weiteren Infos (insbesondere die Themen) finden sich hier.

Frohe Weihnachten

25 Dez

Diesmal kein Fensterchen vom Adventskalender, aber wir wollten unseren Lesern Frohe Weihnachten wünschen. Wir hoffen, dass der Kalender auch dieses Jahr gefiel und sammeln fleissig neue Urteile fürs nächste Jahr!

Gackernde Hühner als Kaufanreiz für Hausfrauen

24 Dez

U.a. zum Unterschied zwischen „Konversationsgegacker“ und „Legegegacker“, BGH GRUR 1961, 544 – Adventskalender (24)

„Die Parteien sind Hersteller von Teigwaren, und zwar sowohl von gewöhnlichen Eierteigwaren, die unter Verwendung von Trockenei hergestellt werden, als auch von Eierteigwaren, für die ausschließlich Frischei verwendet wird. Der Preisunterschied ist beträchtlich. Für ihre gewöhnlichen Eierteigwaren wirbt die Kl. seit 1956 im Rundfunk regelmäßig in der Weise, dass sei ihren Werbetext mit einem Hühnergegacker beginnen oder nach den ersten Textworten ein solches anklingen lässt. Die Bekl. beanstandete diese Werbung, weil durch das dabei verwendete Hühnergegacker der unzutreffende Eindruck erweckt werde, die angepriesenen gewöhnlichen Eierteigwaren seinen aus Frischei hergestellt. Dies erfülle den Tatbestand der Irreführung gem. § 3 UWG. Sie forderte von der Klägerin Unterlassung und Anerkennung der Unterlassungspflicht. Dies lehnte die Klägerin ab, und beantragte, festzustellen, dass die Bekl. nicht berechtigt ist, die Rundfunkwerbung der Beklagten deswegen zu beanstanden, weil die Kl. dabei das Gegacker von Hühnern verwendet.

Dazu der BGH:

„(…) a) Das BerG. prüft zunächst, ob die Verwendung von Hühnergegacker schlechthin, d. h. in jeder möglichen lautlichen Gestaltung bei Hörern der Werbesendungen der Kl. die Verstellung auslöst, es seien bei der Herstellung der Teigwaren Frischeier verwendet worden. Das BerG. bejaht diese Frage. Seine Auffassung begründet es im wesentlichen wie folgt: Da erfahrungsgemäß die Hühner, insbesondere nach dem Legen eines Eies, gackerten und das Eierlegen der den Menschen am Huhn am meisten interessierende Vorgang sei, denke der Hörer beim Gackern in der Werbesendung sogleich ans Eierlegen. Jedenfalls gelte das für Hörer, die mit dem Landleben bzw. mit Hühnern einigermaßen vertraut seien, mindestens aber für einen nicht unerheblichen Teil dieser Hörer. Bei den dem Landleben ferner stehenden Hörern möge zwar, so führt das BerG. weiter aus, angesichts der kurzen Zeitdauer des Gegackers von zwei bis drei Sekunden nicht schon beim ersten Hören der Sendung mehr als der Eindruck entstehen, dass für die angepriesene Ware Eier vom Huhn verwendet würden. Nach öfterem Hören der Sendung werde sich aber auch bei solchen Hörern die Gedankenverbindung zum ebengelegten Ei einstellen. Der Meinung des LG, der Hörer sage sich nur ganz allgemein, das Gegacker sei vom Huhn wie das Schnattern von Gänsen oder Enten sei, könne nicht beigepflichtet werden. Bei einem erheblichen Teil der Teigwaren kaufenden Rundfunkhörer bringe vielmehr, so stellt das BerG. insoweit abschließend fest, das Gegacker der Henne die Gedankenverbindung zum soeben gelegten Ei, d.h. zum Frischei mit sich. Die Verbindung der Frischeivorstellung mit den angepriesenen Teigwaren führe nun aber, so ist in der Begründung des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, den Hörer zur Annahme, dass in den angepriesenen Teigwaren Frischei verwendet werde. Zwar sei nicht auszuschließen, dass Hörer auch an die Möglichkeit dächten, dass das Frischei aufbewahrt und evtl. auch einem Fabrikationsprozess unterworfen und dann in der Form des so gewonnenen Eierzeugnisses in den Teigwaren verwendet werde. Diese Möglichkeit sei jedoch, jedenfalls beim flüchtigen Hörer, fernliegend. Mit ihr sei daher, so meint das BerG., im allgemeinen nicht zu rechnen.

Die Zuziehung von Sachverständigen hielt das BerG. nicht für veranlasst. Die Richter des Senats seien, so führt das BerG. aus, in der Lage, sich aus eigener Kenntnis ein Urteil zu bilden, zumal sie selbst zugleich auch zum Abnehmerkreis für Eierteigwaren gehörten, solche auch schon wiederholt eingekauft hätten. Auch seien alle Richter des Senats mit ländlich?kleinstädtischen Verhältnissen vertraut.

b) In einer anschließenden Hilfsbegründung geht das BerG. auf die vom LG aufgeworfene Frage ein, ob die besondere lautliche Gestaltung des in den Rundfunksendungen der Kl. wiedergegebenen Gegackers eine andere Beurteilung rechtfertigt. Das BerG. unterscheidet dabei mit dem LG zwischen „Konversationsgegacker“ und „Legegegacker“. Es sei, so führt das BerG. hierzu aus, gerichtsbekannt, dass nach der Überzeugung zahlreicher ländlicher und kleinstädtischer mit Hühnern vertrauter Personen die Hühner nach dem ,Legen eines Eies in einer besonders charakteristischen Weise gackerten („Legegegacker“). Ein solches Gegacker komme vor allem im betonten Hervorheben eines der ersten Gackertöne zum Ausdruck. Wenn aber, so legt das BerG. dar, dieser besondere Tonfall in dem Werbegegacker der Sendungen der Kl. aufklinge, werde bei dem geschilderten Personenkreis die Vorstellung des typischen Legegegackers erweckt, die ihrerseits wieder die Vorstellung des Frischeies hervorrufe.

Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vorgespielten und von ihm auf Tonband aufgenommenen Sendungen stellt das BerG. fest, dass der für ein „Legegegacker“ typische Tonfall in den Werbesendungen der KI. aufgeklungen ist. Nach der Feststellung des BerG. ist dieser Tonfall schwächer in der von der Kl. zunächst vorgeführten Aufnahme, die mit dem LG als „sozusagen typisiertes Gegacker“ bezeichnet werden könne; deutlicher und nicht mehr „typisiert“ dagegen, auch um etwa eine Sekunde länger dauernd, in der letzten der von der Kl. vorgeführten Aufnahmen. Es sei jedoch anzunehmen, so wird in der Begründung des angefochtenen Urteils weiter ausgeführt, dass auch bei dem mehr typisierten Gegacker das Legegegacker wegen seiner charakteristischen („triumphierenden ? verkündenden“) Form, das die Aufmerksamkeit stark auf sich ziehe, mehr oder minder bewusst vom Hörer herausgehört werde. Es stehe dabei fest, dass es sich tatsächlich um ein „Legegegacker“ handele. Entgegen der Annahme des LG hält es das BerG. dabei für unerheblich, ob das Gegacker von einem Tierstimmenimitator stammt. Auch ein Imitator sei in der Lage, den typischen Tonfall des Legegegackers nachzuahmen. (…)

Entgegen der Meinung der Revision sind hier jedoch keine besonderen Gesichtspunkte ersichtlich, die die Einholung eines sogenannten demoskopischen Gutachtens oder die Hinzuziehung eines Sachver- ständigen bei der Beurteilung der Verkehrsauffassung aus Rechtsgründen erforderlich gemacht hät- ten. Der Revision kann insbesondere nicht zugegeben werden, daß das BerG zur Einholung sachkun- digen Rates verpflichtet gewesen wäre, weil in erster Linie Hausfrauen als Abnehmer in Frage kom- men. Da es sich bei Eierteigwaren um einen Gegenstand des täglichen Bedarfs der Allgemeinheit und nicht etwa um einen auf die besonderen Bedürfnisse und Wünsche von Frauen ausgerichteten Spezi- alartikel und bei der Beurteilung von Hühnergegacker um einen Vorgang des täglichen Lebens han- delt, kann dem BerG nicht allein deshalb die Fähigkeit, sich aus eigener Sachkunde und Lebenserfah- rung ein selbständiges Urteil über die Vorstellung der Abnehmer zu bilden, abgesprochen werden, weil Eierteigwaren – ebenso wie auch die meisten sonstigen Gegenstände des täglichen Bedarfs – meist von der Hausfrau gekauft werden. Daß das LG die Verkehrsauffassung anders gewertet hat, bietet keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung, zumal das BerG seine Meinungsbildung eingehend und rechtlich bedenkenfrei begründet hat. Überdies hat das LG im Gegensatz zum BerG ersichtlich auch nicht hinreichend beachtet, daß schon die Irreführung eines nicht unbeträchtlichen Teils der Ab- nehmerschaft genügt. (…)“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

„körperlichen Reize“ verursachen Brand

23 Dez

Kein unentschuldbares Fehlverhalten des Ehemannes bei Brand wegen Ablenkung durch die Ehefrau, OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 621 – Adventskalender (23)

„Der Kläger wohnt mit seiner Lebensgefährtin, mit der er inzwischen verheiratet ist, in einem in offener Bauweise errichteten Einfamilienhaus. Die Schlafräume des Hauses befinden sich im Obergeschoß, das offene Wohnzimmer und die ebenfalls offene Küche befinden sich im Erdgeschoß.
Am 1. Weihnachtsfeiertag 1997 entzündete der Kläger nach dem Aufstehen zunächst im Wohnzimmer die Kerzen des aus echtem Tannengrün gebundenen Adventskranzes, der auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunststofftischdecke gedeckten Wohnzimmertisch stand. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstückskaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde. Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischenzeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr mußte nicht mehr eingreifen, da es dem Kläger bis zu ihrem Eintreffen gelang, den Brand selbst zu löschen.

Dazu das OLG:

„Es steht nicht fest, daß der Kläger den Versicherungsfall zumindest grob fahrlässig im Sinne des § 61 VVG herbeigeführt hat.

Der Kläger hat den Versicherungsfall zwar durch sein Verhalten herbeigeführt, denn er hat den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der versicherten Gefahr deutlich unterschritten, indem er den Adventskranz, der zum Zeitpunkt des Schadensfalls bereits 4 Wochen alt und ausgetrocknet war, über längere Zeit unbeaufsichtigt hat brennen lassen. Auch ein Außerachtlassen eines Adventskranzes für die Dauer von bis zu einer halben Stunde stellt sich objektiv bereits als grob fahrlässig dar. (…)

Mit der Feststellung des danach zu bejahenden objektiv groben Pflichtverstoßes geht im Rahmen des § 61 VVG aber nicht zwangsläufig die Feststellung eines in subjektiver Hinsicht gleich schwerwiegenden Schuldvorwurfs einher. Vielmehr muß selbständig festgestellt werden, daß dem Versicherungsnehmer ein unentschuldbares Fehlverhalten auch persönlich vorzuwerfen ist, also in subjektiver Hinsicht ein gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit erheblich gesteigertes Verschulden vorgelegen hat, das als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (…). Sache des für sämtliche Voraussetzungen des § 61 WG darlegungs- und beweispflichtigen Versicherers ist es, die naheliegenden Möglichkeiten, die das Verhalten des Versicherungsnehmers in einem milderen Licht erscheinen lassen, zu widerlegen (…). Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
Sie hat die Einlassung des Klägers, er habe sich nur kurz ins Schlafzimmer begeben wollen, um seine Lebensgefährtin zu wecken, nicht entkräften können. Unwidersprochen ist das Landgericht davon ausgegangen, daß der Kläger nach dem Betreten des Schlafzimmers aufgrund der „körperlichen Reize“ seiner Lebensgefährtin nicht mehr an den brennenden Adventskranz gedacht habe. Für die Darstellung des Klägers, von seiner Lebensgefährtin ungeplant abgelenkt worden zu sein, spricht im übrigen, daß er unstreitig den Frühstückskaffee bereits zubereitet hatte, als er sich in das Schlafzimmer begab. Sein Verhalten erscheint danach zwar fahrlässig, aber – unabhängig davon ob der Aufenthalt im Schlafzimmer 15 oder bis zu 60 Minuten dauerte – nicht in einem Ausmaß schuldhaft, welches als unverzeihlich und damit als vorwerfbar grob fahrlässig einzustufen wäre (…). In diesem Zusammenhang berücksichtigt der Senat, daß es sich bei dem Brennenlassen der Kerzen auf leicht entflammbarer Unterlage nicht um eine für den Kläger alltägliche, sich ständig wiederholende und deshalb routinemäßig beherrschte Gefahrensituation handelte. Die durch das unbeaufsichtigte Brennenlassen von Adventskranz- oder Weihnachtsbaumkerzen entstehende besondere Gefahrensituation ergibt sich vielmehr nur in der Weihnachtszeit. Es erscheint deshalb in subjektiver Hinsicht nicht als unverzeihliches Fehlverhalten, daß der Kläger sich der von dem Adventskranz ausgehenden Gefahr während seines nach der Ablenkung durch seine Lebensgefährtin ungeplant verlängerten Aufenthalts im Schlafzimmer zeitweilig nicht mehr bewußt war. (…)“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Der Richter macht bloß das Urteil

22 Dez

Der Zeuge hat zwar keine Sachkunde, hat aber etwas gesehen. Der Sachverständige hat zwar nichts gesehen, hat aber Sachkunde. Der Richter hingegen macht bloß das Urteil, AG Köln, Urt. v. 22.02.1991, 226 C 498/90 – Adventskalender (22)

„Die Parteien streiten sich um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 28. 04.1990, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherung dem Grunde nach alleine einzustehen hatte. Es ging im Rechtsstreit um den merkantilen Minderwert eines Fahrzeugs (= der Wert, den ein Fahrzeug aufgrund des Unfalls bei einem späteren Verkauf weniger erzielt).

Der Kläger klagte aufgrund eines Gutachtens seines Sachverständigen 500 DM ein. Die verklagte Haftpflichtversicherung war jedoch der Ansicht, gestützt auf ihren Sachverständigen, dem Kläger stünden nur 250 DM zu. Diese wurden dem Kläger gezahlt.

Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 250 DM nebst 4% Zinsen seit Zustellung zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Dazu das AG:

„Die Klage ist teilweise begründet.

Bei dem Unfall war das Fahrzeug des Klägers brandneu. Es handelt sich um einen Fiesta mit 1097 Kubikzentimeter und 37 Kilowatt, der im Unfallzeitpunkt nur 1834 Kilometer gefahren war. Die Reparaturkosten betrugen unstreitig 1.483,12 DM. Beide Sachverständige haben, obwohl von verschiedenen Parteien beauftragt, ihr Gutachten „nach bestem Wissen und Gewissen” erstattet. Demgemäß kommen sie zu völlig entgegen gesetzten Ergebnissen. Deshalb sieht sich das Gericht genötigt, das beschworene beste Gewissen der Sachverständigen als Kriterium der Wahrheitsfindung vorsorglich außer Betracht zu lassen.
Ein Zeuge ist nämlich nicht schon deshalb glaubwürdiger, weil er als Zeuge der Wahrheitspflicht unterliegt, weil er den Betroffenen angezeigt hat. Ansonsten müßte er ja selbst verurteilt werden, wenn der Betroffene ihn zuerst angezeigt hätte (so zutreffend und mit überraschend gesundem Menschenverstand OLG Bremen NZV 91, 41) (…) Insofern ergibt die gründliche Auswertung der beiden Gutachten, daß der von der IHK öffentlich bestellte und von der beklagten Versicherung beauftragte Sachverständige prima facie weitaus ausführlicher zum Minderwert Stellung genommen hat. Sein Gutachten vom 08.11.1990 umfaßt 34 Zeilen, die auf 2 Seiten verteilt sind. Das geschieht ersichtlich nach dem Motto: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen” (Goethe a.a.O.).
(…) Im Ringen um einen gerechten Ausgleich, kommt er aber nur auf einen Minderwert von 250 DM. Das ergibt 7,35 DM pro Zeile. Demgegenüber ist der Sachverständige des Klägers Diplom-Ingenieur. Sein Gutachten umfaßt (einschließlich der Schlußversicherung) nur 9 Zeilen, die zu einem Minderwert von 500 DM führen. Das sind 55,55 DM pro Zeile. Also mehr als das Quadrat von 7,35 DM.

Eine solche Auswertung der beiden Gutachten könnte sich aber natürlich den Vorwurf zuziehen, zu oberflächlich zu sein. Maßgebend kann nämlich nicht das äußere Erscheinungsbild sein, sondern nur der Gehalt. Insofern ist das Gutachten des Sachverständigen des Klägers nach tiefer Überprüfung gehaltvoller. Er bringt nämlich in einer Zeile genau 90 Anschläge unter, während der Sachverständige der Beklagten in sehr unterschiedlich langen Zeilen insgesamt nur 1200 Anschläge unterzubringen vermochte. Daraus folgt, daß das Gutachten des Sachverständigen des Klägers eine größere spezifische Dichte aufweist. Hätte der Sachverständige der Beklagten genau so konzentriert geschrieben, dann hätte er nur 13 1/3 Zeilen benötigt. Damit schrumpft aber der Zeilenvorsprung des Sachverständigen der Beklagten von 277,77% auf einen Anschlagvorsprung von nur noch 33,33% zusammen.

Auch bezüglich des errechneten Minderwertes schrumpft die Differenz relativ ganz erheblich. Insofern ergibt die mathematische Auswertung, daß beim Sachverständigen der Beklagten 20 5/6 Pfennige auf einen Anschlag entfallen und beim Sachverständigen des Klägers 55 5/9 Pfennige. Das sind nur noch 2 2/3 mal soviel. Im übrigen unterscheiden sich die beiden Gutachten, die beide zutreffend auf die Pflicht abstellen, den Schaden zu offenbaren (vgl. dazu schon AG Köln DAR 86,123) im fachlichen Kern nicht im geringsten, – wenn man davon absieht, daß der Sachverständige des Klägers sein Gutachten „unparteiisch” erstattet hat, während der Sachverständige der Beklagten ausdrücklich betont, daß er sich in „ernsthaften Nebenforderungen” nach einem Minderwert „nicht widersetzen” konnte, obwohl er sich ersichtlich ernsthaft bemüht hat. Dem Gericht, das zur gütlichen und Frieden stiftenden Beilegung des Rechtsstreits kraft Amtes berufen ist (§ 279 Abs. l ZPO), bleibt daher nichts anderes übrig, als im Wege der freien Schadensschätzung (§ 287 ZPO) den Minderwert selbst festzulegen.

Berufsjuristen sind ebensowenig im Stande, sich auf eine praktikable pauschalierte Minderwert-Ermittlung zu einigen, wie die Solidargemeinschaft der Versicherer. Deshalb stehen hier nur die mathematischen Methoden zur Verfügung, ein Mittel zu ziehen (…)

Bleibt nur noch zu entscheiden, ob das harmonische, geometrische oder arithmetische Mittel gezogen werden muß. Das harmonische Mittel besteht aus dem doppelten Produkt zweier Werte geteilt durch ihre Summe und ergibt hier 333,333333333 DM. Das geometrische Mittel besteht aus der Wurzel des Produktes der beiden Zahlen und ergibt hier 250 x Wurzel aus 2, das sind ungefähr, aber leider nicht exakt 353,55339050 DM. Das arithmetische Mittel hingegen besteht aus der Hälfte der Summe beider Zahlen und macht hier präzise 375 DM aus. Für die Rechtsfindung muß das geometrische Mittel schon deshalb ausscheiden, weil dann eine unmögliche, weil nicht vollstreckbare Entscheidung herauskäme, wie leicht nachzurechnen ist. 250 DM X Wurzel aus 2 minus gezahlter 250 DM ergäben als zuzusprechenden Klageanspruch nach Adam Riese noch 250 X (Wurzel aus 2 minus 1) DM.

Die Kostenentscheidung müßte dann lauten:

Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Beklagte zu 100 X (Wurzel aus 2 minus 1)% und der Kläger zu 100 X (2 minus Wurzel aus 2)%. Damit wären aber die Bürovorsteher der Rechtsanwälte völlig überfordert. Würde man hingegen das harmonische Mittel anwenden, dann bekäme der Kläger 333,33 DM minus 250 DM = 83,33 DM und die Kostenentscheidung würde lauten: Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3. Das sieht schon besser aus. Eine solche Entscheidung hätte aber den ersichtlichen Nachteil, daß die unterschiedliche Gewichtung der beiden Gutachten nicht im geringsten ausgeglichen würde, weil der Kläger doppelt so viel an Kosten zu tragen hätte wie die Beklagte, obwohl sein Gutachter ihm doppelt soviel Minderwert zugebilligt hat, wie der der Beklagten.

Es bleibt daher nichts anderes übrig, als das arithmetische Mittel zu ziehen, das hier ersichtlich den Vorzug der größten Genauigkeit und Gerechtigkeit für sich hat. Damit ist hier ein konkreter Minderwert von (500 + 250 =) 750 DM geteilt durch 2 = 375 DM nachgewiesen. Darauf sind bereits 250 DM gezahlt, so daß zugunsten des Klägers noch 125 DM verbleiben (…)

Wie man an der Kostenentscheidung ablesen kann und wie sich durch die Kostenberechnung noch erweisen wird, ist dieses Ergebnis auch höchst gerecht („summum jus”, cicero, de officiis I, 1033; ebenso Terent in Heautonti-morumenos IV 5, 48: Jus summum saepe summa est malitia”). Denn jede Partei hat als gerechten Lohn weniger gewonnen als zeronnen. Ohne Berücksichtigung der Fotokopien, die ja bekanntlich das Hobby mancher Rechtspfleger sind, stehen den gewonnenen 125 DM, 130,38 DM gegenüber, die jede Partei als des Wettkampfes Lohn zu tragen hat (…)

Gleichwohl seien die Rechtsschutzversicherer, wie die Haftpflichtversicherer nebst deren jeweiligen Anwälten in meinem Sprengel zur Vermeidung künftiger Überraschungsentscheidungen fürsorglich schon jetzt im Sinne von § 278 Abs. 3 ZPO vorgewarnt (vgl. dazu insgesamt: „Judex non calculat”; auf deutsch: „ein Richter zählt nichts” oder: „Quisqileas non curat praetor”; auf besonderen Antrag kann auch für den 2. Satz eine Übersetzung geliefert werden, wobei allerdings vorsichtshalber darauf hinzuweisen ist, daß Quisqiliae nach Georges lateinisch-deutschem Wörterbuch, Hannover plus Leipzig, 1902, Spalte 2.149 in des Wortes ursprünglichster Bedeutung nichts anderes sind als „Auswurf”. Weil das Gericht künftig bei Prozessen dieser Güte sein Verfahren „nach billigem Ermessen” bestimmen kann, bestehen keine rechtlichen Bedenken, wenn die Prozeßbevollmächtigten ab 1. April ein Exemplar dieses Urteils in der ersten mündlichen Verhandlung als Simile präsentieren, und die Prozedur zu vereinfachen. Noch einfacher wäre es natürlich, wenn solche Prozesse künftig gar nicht erst mehr stattfänden, weil die Parteien sich nach dem Grundsatz Halbe-Halbe außergerichtlich geeinigt haben. Der Casus beweist nämlich zu wiederholten Male die verschiedenen Rollen, die den an der Urteilsfindung beteiligten Personen durch das Gesetz zugewiesen sind:

Der Zeuge hat zwar keine Sachkunde, hat aber etwas gesehen. Der Sachverständige hat zwar nichts gesehen, hat aber Sachkunde. Der Richter hingegen macht bloß das Urteil. (…)“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

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