(K)ein Freibrief auf den Liebhaber der Ehefrau einzuschlagen

21 Dez

Trifft ein Ehemann im Schlafzimmer der Ehewohnung seine Ehefrau in flagranti mit einem Dritten an und greift er daraufhin in aufflammendem Zorn den Liebhaber der Ehefrau tätlich an und verletzt ihn, so kann das Mitverschulden des Verletzten im Einzelfall so hoch zu bewerten sein, dass ein Schmerzensgeldanspruch nicht besteht – LG Paderborn NJW 1990, 260 – Adventskalender (21)

„Am 28. 8. 1988 nachts zwischen 2.00 und 3.00 Uhr hielten sich der Kl. und die Ehefrau des Bekl. in der Ehewohnung des Bekl. und seiner Frau auf. Der Bekl., der sich unerlaubt von seiner Arbeitsstelle entfernt und nach Hause begeben hatte, stellte kurz vor 3.00 Uhr fest, daß die Schlafzimmertür von innen verschlossen war. Er brach diese auf und traf im Schlafzimmer seine Ehefrau mit dem Kl. an. Inwieweit diese bekleidet waren, ist streitig. Der Bekl. verprügelte daraufhin den Kl. derart, daß sich dieser anschließend bis zum 15. 9. 1988 in stationäre Krankenhausbehandlung begab und insgesamt sechs Wochen arbeitsunfähig war. Neben diversen Prellungen zog er sich vier Rißplatzwunden im Bereich des linken Ellenbogengelenkes und eine Wadenbeinköpfchenfraktur mit geringer Verschiebung der Bruchfragmente zu. Der Kl., der das Bestehen ehewidriger Beziehungen zur Ehefrau des Bekl. bis zu diesem Zeitpunkt bestreitet, hat wegen dieses Vorfalles die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verlangt. Dieses hat er unter Berücksichtigung einer Mithaftung von allenfalls 1/3 mit mindestens 1000 DM beziffert. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Dazu das LG:

„(…) Das AG hat einen Schmerzensgeldanspruch des Kl. (§ 823 i. V. mit § 847 BGB) zu Recht verneint. Zwar hat der Bekl. den Kl. rechtswidrig und schuldhaft verletzt (1). Den Kl. trifft hieran jedoch ein überwiegendes Mitverschulden (2). Dieses Mitverschulden überwiegt so sehr, daß es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Schmerzensgeldanspruches vorliegend zum völligen Ausschluß des Anspruches führt, § 254 BGB (3).

1. Daß der Bekl. den Kl. körperlich verletzt hat, ist unter den Parteien außer Streit.
a) Hierfür besteht kein Rechtfertigungsgrund, insbesondere nicht der der Notwehr nach § 227 BGB. Zwar geht die Kammer davon aus, daß der Bekl. seine Ehefrau und den Kl. nicht oder nur spärlich bekleidet im Ehebett vorgefunden hat, nachdem er die Schlafzimmertür aufgebrochen hatte, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird. Aber auch in Anbetracht des Umstandes, daß damit der sogenannte räumlichgegenständliche Bereich der Ehe verletzt worden ist, wogegen sich der Bekl. mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen könnte, berechtigte dieses ihn nicht, seinerseits den Kl. körperlich anzugreifen, um auf diese Weise Selbstjustiz zu üben. Denn die Ehe als solche ist mit Gewalt nicht zu schützen (vgl. OLG Köln, NJW 1975, 2344). Der körperliche Angriff des Bekl. diente zudem weder dem Zweck, einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen, noch war er hierzu geeignet.
b) Das Verhalten des Bekl. war auch schuldhaft. Er hat vorsätzlich gehandelt; seine Verschuldensfähigkeit war im Zeitpunkt der Tat nicht aufgehoben. Die Kammer glaubt dem Bekl. zwar, daß er infolge einer allgemeinen Erregung und sich entladendem Zorn momentan unvernünftig handelte, als er seinen Verdacht des Ehebruchs so unmittelbar vor Augen bestätigt fand; hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß diese Erregung in ihrem Ausmaß zu einer solchen Bewußtseinsstörung führte, daß die freie Willensentscheidung ausgeschlossen war, sind jedoch nicht ersichtlich.
2. Das überwiegende Mitverschulden des Kl. ergibt sich daraus, daß dieser den tätlichen Angriff des Bekl. dadurch in erheblichem Maße selbst verursacht hat, daß er – wie das AG zu Recht ausgeführt hat – nicht nur mit der Ehefrau des Bekl. fremdging, sondern dies auch noch im ehelichen Schlafzimmer des Bekl. geschah. Dieser Sachverhalt steht aufgrund des Inhalts der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme zur Gewißheit der Kammer fest.
a) Allerdings hat die Ehefrau des Bekl. als Zeugin die Darstellung des Kl. bestätigt, daß sie nicht unbekleidet im Bett gelegen hätten, sondern sich zunächst im Flur der Wohnung aufgehalten hätten, um Konzertkarten zu übergeben. Sie hätten sich dann, als sie den Bekl. heimkommen hörten, nur in der Absicht ins Schlafzimmer begeben, dem Kl. ein unbemerktes Verlassen der Wohnung durch das dortige Fenster zu ermöglichen. Die Kammer ist indessen von der Unrichtigkeit dieser Aussage überzeugt, obwohl die Zeugin ihre Aussage beeidet hat. Hierfür sind im wesentlichen folgende Gründe maßgebend:

aa) Es ist zunächst bereits wenig glaubhaft, daß die Zeugin mit dem Kl. bis zu diesem Zeitpunkt noch kein intimes Verhältnis gehabt haben will. Dagegen spricht nicht allein der Umstand, daß sie sich zu nächtlicher Stunde in Abwesenheit des Bekl. mit dem Kl. in der Wohnung aufhielt, sondern die gesamte Vorgeschichte. Die Zeugin, die jetzt mit dem Kl. zusammenlebt, hat selbst zwei Übernachtungen des Kl. bei ihr in der Wohnung eingeräumt. Darüber hinaus hat der im selben Hause wohnende Zeuge L bekundet, daß nach seiner Meinung der Kl. des öfteren in der Wohnung übernachtet habe. Dieses ist in Anbetracht der weiteren noch darzulegenden Umstände von erheblichem Gewicht, auch wenn diese Einschätzung des Zeugen nur eine – allerdings sehr naheliegende – Schlußfolgerung aus dem Umstand ist, daß der Wagen des Kl. häufiger morgens vor der Tür stand. Immerhin kommt noch hinzu, daß der Zeuge L weiter bekundet hat, er habe öfter gesehen, daß der Kl. das Haus vorne verlassen habe und dann über die Terrasse hinten wieder hereingekommen sei. Der Zeuge L ist glaubwürdig … Weiter kommt hinzu, daß die geschilderten Wahrnehmungen des Zeugen L unterstützt werden durch die unstreitige Tatsache, daß die Ehefrau des Bekl. gemeinsam mit dem Kl. einen Urlaub in Spanien verbracht hat. Daß es sich unter all diesen Umständen bis zum Tage des der Klage zugrundeliegenden Vorfalles um eine rein freundschaftliche Beziehung gehandelt haben soll, nimmt die Kammer der Zeugin nicht ab. Die in sich schlüssige, anschauliche, gefühlsbetonte und insoweit zugleich psychologisch stimmige Schilderung des Bekl. in seiner schriftlichen Einlassung im Strafverfahren (Gegenstand des Urkundsbeweises) wirkt demgegenüber weitaus überzeugender.

(…) Die Kammer kann insbesondere nachvollziehen, daß ungeachtet des schon vorher gehegten Verdachts des Bekl., den er gegenüber seiner Frau hinsichtlich ihres Umganges mit dem Kl. hatte, er dennoch nicht darauf gefaßt war, die beiden im ehelichen Schlafzimmer seiner Wohnung im Bett anzutreffen, und daß er unter diesen Umständen in einem Ausbruch spontanen Zornes den Kl. tätlich angriff.

(…) a) Das Verhalten des Kl. stellte eine ungeheure Provokation des Bekl. dar. Zwar ist die Ehe als solche nicht gewaltsam schützbar und der Bekl. letztlich auch nicht davor zu schützen, daß seine Ehefrau durch die Beziehung zu einem anderen Partner aus der Ehe herausdrängt. Die Abwendung vom Ehegatten, die auf einer freien Willensentscheidung beruht, muß von diesem letzten Endes hingenommen werden. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob sich der Ehebruch an irgendeinem anderen Ort oder im Schlafzimmer der Ehewohnung vollzieht. Denn es offenbart ein besonderes Maß an Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit gegenüber dem Bekl., wenn sich dessen Ehefrau und der Kl. – wie geschehen – zu diesem Zwecke in die Ehewohnung begaben. Dort schlief nicht nur der 12jährige Sohn des Bekl. und seiner Frau, sondern dieses Verhalten geschah auch unter Ausnutzung des Umstandes, daß der Bekl. im 24-Stunden-Schichtdienst auf seiner Arbeitsstelle zu sein hatte, und im Vertrauen darauf, daß er schon aus diesem Grunde nicht am Ort des Geschehens werde erscheinen können. Der Argumentation der Berufungsbegründung, daß der Kl. nicht damit zu rechnen brauchte, daß der ihm als pflichtbewußter Arbeitnehmer bekannte Bekl. seine Arbeitsstelle verlassen würde, und daß gerade deshalb das Mitverschulden des Kl. nicht sehr hoch sei, vermag die Kammer daher nicht zu folgen. Vielmehr mußte dem Bekl., als er den Kl. dennoch in flagranti stellte, schlagartig klar werden, wie berechnend dieser auch die Arbeitsbedingungen des Bekl. schamlos und in nicht zu überbietender Dreistigkeit ausnutzte. Das gilt um so mehr, als dem Bekl. schon seit einiger Zeit der Verdacht ehelicher Untreue seiner Frau gekommen war, der jedoch bis dahin immer wieder zerstreut werden konnte. Dies alles mußte sich auch der Kl. sagen; er hatte in dieser Situation mit aufflammendem Zorn des Bekl. und einem daraus resultierenden körperlichen Angriff zu rechnen (…).

3. (…) b) Eine besondere Genugtuung kann der Kl. danach vom Bekl. schlechterdings nicht verlangen. Der in § 847 BGB enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Billigkeit soll zu einer Austauschgerechtigkeit im Einzelfall führen. Danach kann der Kl. bei einer solch schwerwiegenden Beleidigung und Kränkung des Bekl., wie sie hier durch sein Verhalten zum Ausdruck kommt, jedenfalls kein Schmerzensgeld neben eventuell bestehenden Ansprüchen auf Ersatz von Sachschaden verlangen. Dies würde auch dem Rechtsempfinden der Bevölkerung widersprechen. Der Schmerzensgeldanspruch dient grundsätzlich nicht dem Zweck, demjenigen, der in eine fremde Ehe eindringt, hierbei im ehelichen Schlafzimmer in flagranti gestellt wird und sich dann einem nach den Umständen zu erwartenden körperlichen Angriff des Ehemannes ausgesetzt sieht, hierfür noch eine Genugtuung in Form eines Schmerzensgeldes zu verschaffen, die hierin immer auch gesehen würde.

c) Auch die daneben zu berücksichtigende Ausgleichsfunktion gebietet vorliegend nicht die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes. Insoweit verkennt die Kammer nicht, daß die dem Kl. vom Bekl. beigebrachten Verletzungen und die von ihm erlittenen Schmerzen schon von einigem Gewicht waren. Bei stationärer Krankenhausbehandlung von einer Woche und insgesamt sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit handelt es sich nicht um Bagatellen und doch schon um mehr als nur “eine gehörige Tracht Prügel”. Dabei kann es dahinstehen, ob dem Kl. diese Verletzungen nur mit Fäusten oder unter Verwendung einer aus dem Türrahmen gelösten Latte beigebracht worden sind, was die Kammer nicht sicher festzustellen vermag. Andererseits hat der Kl. aber keine bleibenden Schäden erlitten. Dann würde der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldanspruches allerdings ein solches Gewicht zufallen, daß auch unter Berücksichtigung der Provokation ein Schmerzensgeld nicht mehr versagt werden könnte. Da dies jedoch nicht der Fall ist, die Wadenbeinköpfchenfraktur im übrigen nicht einmal eine Gipsruhigstellung erforderte, und Schmerzen und Heilungsverlauf andererseits auch noch nicht eine ungewöhnlich lange Dauer erreicht haben, ist die Kammer der Auffassung, daß der Ausgleichsgedanke vorliegend noch in den Hintergrund tritt.

d) Schließlich steht der Verneinung eines Schmerzensgeldanspruches auch nicht der Gedanke entgegen, daß hiermit eine von der Rechtsordnung nicht zugestandene Selbstjustiz legalisiert würde. Das ist nicht der Fall. Das Verhalten des Bekl. bleibt rechtswidrig. Ein Freibrief für Ehemänner, in vergleichbaren Situationen auf die Liebhaber ihrer Ehefrauen einschlagen zu können, kann in dieser Entscheidung schon deshalb nicht gesehen werden, weil bei Verletzungen des Kontrahenten nicht nur ein Schmerzensgeldanspruch im Raume steht, sondern auch Ansprüche auf materiellen Schadensersatz, wie z. B. für Arzt- und Krankenhauskosten. Insoweit kommt zumindest eine Mithaftung durchaus in Betracht, worüber vorliegend aber nicht zu entscheiden war. Ferner hat der Täter stets mit einem Strafverfahren wegen Körperverletzung zu rechnen. Auch wenn dieses Verfahren gegen den Bekl. im vorliegenden Falle letzten Endes gem. § 153 II StPO eingestellt worden ist – wobei der Bekl. aber immerhin seine eigenen notwendigen Auslagen voll und die des im Strafverfahren als Nebenkl. zugelassenen Kl. zur Hälfte zu tragen hatte! -, so ist dieses doch eine Einzelfallentscheidung, die alle wesentlichen Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigen mußte. Dies gilt ebenso für die hier vorgenommene Abwägung nach §§ 847, 254 BGB.“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Des Mandanten teure Rache

20 Dez

AG Brilon NJW-RR 1993, 1016 – Adventskalender (20)

„Der kl. Rechtsanwalt hatte eine titulierte Kostenforderung nebst Zinsen gegen den Bekl. in Höhe von insgesamt 1114 DM. Diesen Betrag hat der Bekl. am 8. 2. 1993 auf das Konto des Kl. bei der Spar- und Darlehenskasse in O. überwiesen. Der Bekl. hat jedoch keine Einzelüberweisung in einer Gesamthöhe von 1114 DM vorgenommen, sondern 1114 Einzelüberweisungen zu je 1 DM getätigt. Der Kl. mußte am Tag nach der Buchung 557 Kontoauszüge von seiner Bank abholen, da auf einem Auszug lediglich zwei Buchungen von 1 DM enthalten waren. Für die betreffenden Einzelüberweisungen mußte der Kl. 556,50 DM Buchungsgebühren bezahlen. Er begehrt mit seiner Klage Schadensersatz. (…)

Dazu das AG:

„Der Bekl. ist verpflichtet, die dem Kl. entstandenen Kosten, verursacht durch Einzelüberweisungen von jeweils 1 DM, zu zahlen, da insoweit der Tatbestand der vorsätzlichen Schädigung nach Überzeugung des Gerichts erfüllt ist.“

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Götz von Berlichingen reloaded

19 Dez

Aus den Anfängen der Rechtsprechung zum Götz-Zitat, LG Baden-Baden, Urt. v. 19.12.1955, Ps 7/55 – Adventskalender (19)

„(…) Sagt einer zum anderen ganz deutlich und barsch:
„Leck mich am Arsch!“
benimmt er gar nicht sacht sich
und es trifft ihn die Schuld nach StGB § 185.
Wird erwidert, der Arsch stinket nach üblen Düften
und er hänge hinaus ihn zum Lüften,
trifft zu hier ganz einzig
Strafgesetzbuch § 199.
So etwas ist unanständig und nicht fein,
trotzdem kommt es in Versform in die Gründe rein. (…)

Wenn eine Beleidigung gleich auf der Stelle
erwidert wird mit des Mundwerks Schnelle,
dann kann es der Richter den beiden gewähren,
kann beide Beleidiger für straffrei erklären.
So tat’s mit Recht das Amtsgericht,
und so die Strafkammer auch spricht:

Das Wort des Götz von Berlichingen
ist keines von den feinen Dingen,
wenn man dies wechselseitig sagt,
am besten niemand sich beklagt!

Wer stets vom Recht das Rechte dächte
und sich nicht rächte,
dächte rechte.

Die Kostenlast dabei ergibt sich:
StPO-vierdreiundsiebzig.

Bestätigt durch OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.04.1956, 2 Ss 27/56 (NJW 1990, 2009). Sie dazu auch Beaumont, NJW 1990, 1969. Zuletzt zur strafrechtlichen „Götz“-Problematik AG Ehingen/Donau NStZ-RR 2010, 143 (Nr. 21 des Adentskalenders 2012).

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Der komatöse Wellensittich

18 Dez

Zur Rettung eines Wellensittichs ist die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h nicht gerechtfertigt, OLG Düsseldorf NStZ 1990, 396 – Adventskalender (18)

„Der Betroffene hat auf der Autobahn die zulässige Geschwindigkeit überschritten. Er hat dies eingeräumt, sich jedoch dahin eingelassen, daß sie gerechtfertigt gewesen sei, weil er eine Frau mit ihrem im Koma liegenden Wellensittich möglichst schnell zu einem Tierarzt habe fahren wollen.

Das AG hat gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 450 DM festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Dazu das OLG:

„Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. §§ 41 II Nr. 7, 49 III Nr. 4 StVO, 24 StVG. Das Urteil enthält zwar keine Feststellungen zur Durchführung der Radarmessung. Dies ist hier jedoch entbehrlich, da der Betroffene glaubhaft geständig ist, die Geschwindigkeit in der von der Polizei gemessenen Höhe überschritten zu haben; ein glaubhaftes Geständnis bedarf keiner weiteren Überprüfung (Lit.).
Der Betroffene wollte zwar nach seiner unwiderlegten Einlassung einen im Koma liegenden Wellensittich retten. Die Geschwindigkeitsüberschreitung war deshalb jedoch nicht wegen Notstands gem. § 16 OWiG gerechtfertigt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß bei Abwägung der widerstreitenden Interessen das geschützt Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. In diese Erwägungen sind auch die Rangordnungen der betroffenen Rechtsgüter einzubeziehen. Steht z.B. – wie hier – die Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit die Gefahr für Leib und Leben von Menschen auf dem Spiel, so tritt demgegenüber die Rettung eines Tieres grundsätzlich zurück. Der Beweggrund, ein erkranktes Tier möglichst rasch zu behandeln zu lassen, rechtfertigt daher die Verletzung von Sicherheitsvorschriften im Straßenverkehr, zu denen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen gehören, regelmäßig nicht (Lit.). Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 54 km/h war nicht wegen Rettung eines Wellensittischs gerechtfertigt.
Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß der Betroffene schon zur Tatzeit der Auffassung war, in Fällen vorliegender Art sei eine Geschwindigkeitsüberschreitung gerechtfertigt. Dieser Verbotsirrtum führt jedoch zu keiner anderen Beurteilung seiner Schuld. Die Fahrlässigkeitsschuld setzt zwar, wie die Schuld bei der Vorsatztat, das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit oder potentielles Unrechtsbewußtsein voraus (Lit.). Der Fahrlässigkeitstäter darf auch, was sein potentielles Unrechtsbewußtsein anbelangt, nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß er nur fahrlässig handelt; was ihm bei vorsätzlichem Verhalten in der Form eines vermeidbaren oder unvermeidbaren Verbotsirrtums zugute käme, muß auch im Falle bloß fahrlässigen Verhaltens entlastend wirken, so da unvermeidbarer Verbotsirrtum die Ahndung bewußt oder unbewußt, fahrlässiges Handeln ausschließt (Lit.). Hier liegt jedoch kein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor, weil der Betroffene bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte wissen können, daß die möglichst rasche Behandlung eines erkrankten Tieres Geschwindigkeitsüberschreitungen regelmäßig nicht rechtfertigt.“

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Im Namen des Volckes

17 Dez

„Wenn ein hund in nachbaurs garten scheyßt, so darff sich diser des erwern“, AG Berlin Schöneberg NJW 1990, 1972 – Adventskalender (17)

„IM NAMEN DES VOLCKES
ich verkuendt, in dem rechtsstreyt, wo die parteyen sind, A M, 1000 Berlin, als verfuegungsclagerin, als procuratores sie sich die advocati B., 1000 Berlin, gewinn, gegen C…. 1000 Berlin, der verfuegungsbeclagten, streytent mit den advocati D . . . 1000 Berlin, den unverzagten: als inhaber der abtheylung 16 am Schoeneberger Ambtsgericht, krafft meines ambtes und meiner pflicht, auff die muendlich verhandlung vom 14ten Juley des 1989ten A. D., fuer recht ich folgendes erseh:

Unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 26. 6. 1989 wird der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung von 400 DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Eyn kurtzweylig spil von zwo fraw’n
die sich vor gericht thun haun
und dorch merer hauffen coth
kament in die hoechste noth

Wer auff dem lande oder in der stadt
eynen hund zu halten hat,
der sey wol darauff bedacht,
daß das thier keyn unru macht,
wer aber hierzu nit bereyt,
der hat nur groz schad und leyt.

Erzelen will ich lu drumb von zwo frawen,
die dorch eynen ungezognen hund,
zestritent warn zestund,
daß Ir dran kunnet wol erschawen,
wie obgemelte ler wuerckt um,
in eynem feyn exempulum.

Die parteyen wonent als mieter in eym hauß,
die clagerin under der beclagten,
mit zween nachbaurten gaerten,
zu den furet eyn terassen naus,
die gaerten geschiedent dorch eyn kleyn zaun,
die terrassen gemeysam genuczet von den frawn.

Die clag’rin eynen hund sich haelt,
der bar der czwenge diser weld,
nit wissend, was ist meyn und deyn,
kert in den garten der beclagten eyn,
uber den zaun und die terassen,
wie es im grad wol thett passen.

Das thier duencket zu haben eyn kunstsinn,
gleychsam als sey esJoseph Beuys,
jedtags schaffend etwan neus,
pfercht es seyne merdrums hin,
braun, groz und voller dufft gar schoen,
hat die nachbaurin eyn denckmal ste’n.

Doch uber kunst seyt alter zeytt,
die weld, die stet im widerstreyt,
die beclagte hier nun voll verdruß,
empfuendet dis als aergernuß;
und eynen hoehern zaun – anstat des alten – sie setzen laeßt
der theylet garten und terassenpodest.

Die parteyen lerer sind,
und lerer habent immer recht,
wenn aber zween irer andrer meynung sind,
so geht das leyder schlecht,
drumb suchent sie die weysheyt bey gericht,
auff daß es eyn gut urtheyl ticht.

Denn wer uber alles entscheyden thett,
von den er keyn ahnung hett,
der ist grad der richtig man,
der dise sach entscheyden kann.
und wer im staate hat ein ambt,
der hat dazu auch den verstandt.

Die clagerin eyligst undersaget haben will,
– von ires hundes unthat sie schweygt fein still -,
daß die beclagte ein‘ zaun zyhen lasst,
der nit irem willen paßt,
und das gericht dorch beschluß zestund,
das begehrt‘ verbot thett kund.

Die beclagte hett dem widerseyt,
die clagerin will, daß der beschluß so bleybt,
die beclagte antraegt, disen wieder zu cassirn und die clage abzuschmiern.

In behuf des weytern parteygeczaenck
man den blick in die acten lenk.

Und das gericht alhier spricht,
die clagerin enhat den anspruch nicht.

Die beclagte zwar mit fuersatz stoeret,
den besitz, der auch der clagerin gehoeret,
an der terassen und dem zaun,
so daß die beclagte nach acht sechs eyns BGB muß in abbaun,
ganz gleych ob’s zerecht oder unrecht geschicht,
auch mit erlaubnuß des vermieters darf man enstoeren nicht.

Jedoch in acht funf neun BGB es heyßt,
wenn ein hund in nachbaurs garten scheyßt,
so darff sich diser des erwern,
denn dis thett in im besitze stoer’n,
und darff der mittel wuerckung nuczen,
die im in dem besitz thun schutzen.

Die beclagte also eynen zaun darff zyhen lan,
uber den der hund nit springen kann.
und dabey den alten abbaun,
damit der neu erstellte zaun,
nit alleyn auf irem grundstueck steh,
und ir eyn stueck besitz abgeh.

Die clag’rin sprach nun zur beclagten keck:
„Kümmere Dich um Deinen eigenen Dreck!“
Jedoch sind des boesen hunds merdrums,
die fruechte ires eigentums,
und g’hoern nach neun funf drei des BGB,
dem, dem das eygen an dem hund zusteh.

Auch wenn die clagerin dise nit will haben,
zudem sich deroselben derelinquiret,
indes die beclagte die unthat fotographiret,
dise weret sich solcher gaben,
so daß weder eigen noch besitz,
die beclagt‘ sich hier ersitz.

Und die moral des spils nun werd kund,
wer sich haltet eynen hund,
der muß in gar wol erziehn,
und auch reychlich gassi gehn,
dann wird das thier verrichten seyn geschefft,
wo es nit den andren nachbaurn trefft.

Der costenausspruch folgt, ich meyn’s
aus der ZPO neun eyns,
und damit die beclagt‘ in kann auch executiern,
thu ich aus der ZPO 708 nummero 6 und 711 satz 1 citieren,
dieses urtheyl ward geticht,
von Richter Rittner bei Schoenebergens Ambtsgericht.

Berolina, 14 um Julii A:D: MCMLXXXIX

Rittner
manu propria
iudex apud praeturam Schoenebergensis

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Die terroristische „Dackel”-Vereinigung

16 Dez

Zum Vorliegen des Tatbestandes des § 129a StGB bei einem Dackelangriff, AG Offenbach a.M. NJOZ 2005, 185 – Adventskalender (16)

„Der Kl. begehrt von der Bekl. Schadenersatz und Schmerzensgeld. Hierzu trägt er vor, von den drei Rauhhaardackeln der Bekl. gebissen worden zu sein. Die Bekl. wendet ein, eine Tierhalterhaftung scheide aus, weil der Kl. einen der Dackel zuvor getreten habe, so dass sich die anderen Tiere, die Tochter und Enkelin der getretenen Tiermutter seien, im Wege der „Nothilfe” veranlasst gesehen hätten, ihrer Dackelverwandten zu helfen. Mit Beschluss vom 22. 4. 2002 hat das Gericht auf Folgendes hingewiesen:

I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass dieses absolut ätzende ‚Horrorverfahren‘ bereits seit mehr als 1½ Jahren das AG beschäftigt und sämtliche Dimensionen eines amtsgerichtlichen Verfahrens sprengt; der Umfang von bisher 240 Seiten übersteigt schon ein normales OLG-Verfahren; die Parteien reichen ständig neue Schriftsätze ein, insoweit steht es inzwischen 16:11 für den Kl. Dadurch wird dem Gericht jede Möglichkeit einer endgültigen, zeitaufwendigen Durcharbeit dieser entsetzlichen Akte und für die Absetzung einer Entscheidung genommen.

Da die Sache nun wahrlich exzessiv ausgeschrieben ist, wird höflich darum gebeten, von weiteren Schriftsätzen Abstand zu nehmen, mit Ausnahme von konstruktiven Vergleichsvorschlägen, die allein noch sinnvoll wären. (…)”

Dazu das AG:

„Die Bekl. haftet als Tierhalterin gem. § 833 BGB auf Schmerzensgeld in der zuerkannten Höhe, weil zwischen den Parteien nicht ernsthaft im Streit ist, dass einer der Rauhhaardackel der Bekl. den Kl. gebissen hat. Das Gericht lässt es hier ausdrücklich offen, ob die drei Rauhhaardackel möglicherweise als Mittäter entsprechend § 830 BGB, § 25 II StGB gemäß vorgefasstem Beißentschluss gemeinschaftlich gehandelt haben, dies ist jedenfalls nicht streitentscheidend. So scheidet jeweils eine terroristische „Dackel”-Vereinigung gem. § 129aStGB aus, weil keine der genannten Katalogstraftaten verwirklicht ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass die Dackel insgesamt eine Großfamilie bilden, immerhin handelt es sich um Mutter, Tochter und Enkelin, es besteht also durchaus eine enge verwandtschaftliche Beziehung, der Solidarisierungseffekt ist groß. Das Gericht vermochte aber nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, dass Dackeltochter und Dackelenkelin im Wege der Dackel-„Nothilfe” ihrer angeblich angegriffenen Dackelmutter bzw. -oma zu Hilfe kommen wollten, um diese vor den von der Bekl. behaupteten Tritten des Kl. mit beschuhtem Fuß zu schützen. Insoweit konnte auch kein – zwingend erforderlicher – Verteidigungswille bei den beiden jüngeren Dackeln festgestellt werden. Auch für Sippenhaftgedanken bzw. Blutrache haben sich keine genügenden Anhaltspunkte ergeben. Insgesamt hat die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass hier eine Provokation seitens des Kl. vorlag. Die vernommenen Zeugen haben teilweise den eigenen Vortrag der Bekl. so nicht bestätigt, teilweise haben sie auch nur auf Grund von Belllauten das Geschehen mitbekommen, sind also analog bei Verkehrsunfällen als so genannte „Knallzeugen” zu qualifizieren, wobei ein gewisses Entgegenkommen der „Hausgemeinschaft” nicht zu verkennen war, der Bekl. „zu helfen”.

Durch das erfolgte Beißen des Kl. durch Dackel hat sich die typische Tiergefahr realisiert. Das Gericht hat bereits im Termin auf die einschlägige Rspr. hingewiesen, dass in Fällen dieser Art jedenfalls immer die Tierhalterhaftung eingreift, wobei hier ein Mitverschulden oder eine Mitverursachung auf Seiten des Kl. nicht festgestellt ist. Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Gericht die im Aufnahmebericht des Stadtkrankenhauses Offenbach attestierten Verletzungen zu Grunde gelegt. Diese sind allerdings nur als äußerst geringfügig anzusehen, sie hatten jedenfalls keine Folgen, sie bewegen sich im Bereich von Bagatellen, so wie dieser gesamte Prozess ja auch, was der Gesetzgeber in § 495a ZPO niedergelegt hat. Die oberflächlichen drei Schürfbisswunden rechtfertigen auch unter Einbeziehung der einschlägigen Schmerzensgeldtabelle von Hacks/Ring/Böhm jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM. Hierbei ist auch festzustellen, dass die vom Kl. behauptete Arbeitsunfähigkeit von einer Woche nicht substanziiert nachgewiesen worden ist. Das Gericht hatte dem Kl. in der Ladungsverfügung aufgegeben, hierüber ein Attest vorzulegen, was er nicht getan hat. Des Weiteren verblieben gewisse Ungereimtheiten auf Grund der Behauptung der Bekl. und der hierzu vernommenen Zeugen, der Kl. sei durchaus in der Lage gewesen, Fahrrad zu fahren. All dies rechtfertigt jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als 500 DM im Hinblick auf § 847 BGB unter Abwägung sämtlicher Umstände. (…)

Ergänzend wird wegen dieses spektakulären, für die deutsche Rechtsentwicklung bedeutenden Rechtsstreits, auf die Darstellung in der Offenbach-Post vom 13. 2. 1997 Bezug genommen.

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

„Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst!“

15 Dez

Zur Wirksamkeit der Mahnung in Versform, LG Frankfurt NJW 1982, 650 – Adventskalender (15)

„Maklerlohn begehrt der Kläger
mit der Begründung, daß nach reger
Tätigkeit er dem Beklagten
Räume nachgewiesen, die behagten.
Nach Abschluß eines Mietvertrages
habe er seine Rechnung eines Tages
dem Beklagten übersandt;
der habe darauf nichts eingewandt.
Bezahlt jedoch habe der Beklagte nicht.
Deshalb habe er an ihn ein Schreiben gericht‘.
Darin heißt es unter anderem wörtlich
(und das ist für die Entscheidung erheblich):
“Das Mahnen, Herr, ist eine schwere Kunst!
Sie werden’s oft am eigenen Leib verspüren.
Man will das Geld, doch will man auch die Gunst
des werten Kunden nicht verlieren.
Allein der Stand der Kasse zwingt uns doch,
ein kurz‘ Gesuch bei Ihnen einzureichen:
Sie möchten uns, wenn möglich heute noch,
die unten aufgeführte Schuld begleichen.“
Da der Beklagte nicht zur Sitzung erschien,
wurde auf Antrag des Klägers gegen ihn
dieses Versäumnisurteil erlassen.
Fraglich war nur, wie der Tenor zu fassen.
Der Zinsen wegen! Ist zum Eintritt des Verzug‘
der Wortlaut obigen Schreibens deutlich genug?
Oder kommt eine Mahnung nicht in Betracht,
wenn ein Gläubiger den Anspruch in Versen geltend macht?
Die Kammer jedenfalls stört sich nicht dran
und meint, nicht auf die Form, den Inhalt kommt’s an.
Eine Mahnung bedarf nach ständiger Rechtsprechung
weder bestimmter Androhung noch Fristsetzung.
Doch muß der Gläubiger dem Schuldner sagen,
das Ausbleiben der Leistung werde Folgen haben.
Das geschah hier! Trotz vordergründiger Heiterkeit
fehlt dem Schreiben nicht die nötige Ernstlichkeit.
Denn der Beklagte konnte dem Schreiben entnehmen,
er müsse sich endlich zur Zahlung bequemen,
der Kläger sei – nach so langer Zeit –
zu weiterem Warten nicht mehr bereit.
Folglich kann der Kläger Zinsen verlangen,
die mit dem Zugang des Briefs zu laufen anfangen.
Der Zinsausspruch im Tenor ist also richtig.
Dies darzulegen erschien der Kammer wichtig.
Wegen der Entscheidung über die Zinsen
wird auf § § 284, 286, 288 BGB verwiesen.
Vollstreckbarkeit, Kosten beruhen auf ZPO –
Paragraphen 91, 708 Nummer Zwo.

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Die Klägerin liebt Schweinebraten

14 Dez

Oldenburger Schweinemastprozeß, AG Oldenburg SchlHA 1987, 115 – Adventskalender (14)

Tatbestand:

Die Klägerin liebt Schweinebraten –
besonders, wenn er billig ist -,
drum hat der Onkel ihr geraten:
„Kauf dieses süße Ferkelchen
von mir für hundert Märkelchen –
wenn das nicht superbillig ist! –
ich mäste es im Koben hier
und du ersetzt das Schrotgeld mir!“
Der Freund, befragt, hält’s auch für billig
und einen guten Tip fürwahr,
und ohne Murren zahlt er willig
zweihundert Mark gleich schon in bar.
Das Ferkelchen bleibt lange klein,
will garnicht gerne schlachtreif sein,
statt nur vier Monat, wie gedacht,
benötigte es beinahe acht.
Ums Schrotgeld nun für diesen Braten
ist man sich in die Haar‘ geraten.
Für’s Angebot, das sie gemacht,
hat sie der Onkel ausgelacht:
„Noch zwanzig Mark, das reicht nicht aus,
dann bleibt das Schwein bei mir im Haus.
Ich werd es für mich selber schlachten
und in die Tiefkühltruh‘ verfrachten!“
so spricht der Onkel, der besagte,
im Rechtsstreit nunmehr der Beklagte.
Gesagt, getan, das fette Schwein,
passt grad noch in die Truhe rein!
Die Klägerin, nun voller Groll,
beantragt: Der Beklagte soll
ihr gutes Geld ihr wieder geben,
nachdem das Schwein nicht mehr am Leben!
Doch der Beklagte wendet ein:
„Die Klag‘ wird abzuweisen sein.
Den Preis hat mir der Freund entrichtet
und ihm allein bin ich verpflichtet,
und außerdem rechne ich auf
mit meinem Schaden aus dem Kauf!
Viel Arbeit und der Schlachterlohn,
das kost‘ zweihundert Märker schon.“
Von allen Zeugen, die gekommen
hat das Gericht nur drei vernommen.
Sie wussten alle gut Bescheid
und dienten der Gerechtigkeit.

Entscheidungsgründe:

Lang dacht‘ ich nach und angespannt
und hab‘ alsdann für Recht erkannt:
Zur Hälfte ist wohl grade eben
dem Klagantrag hier stattzugeben

Die Klägerin war mit dabei
bei Schweinekauf und -mästerei,
die Geldhingabe nur allein
kann doch wohl nicht entscheidend sein.
Es muss ihr unbenommen bleiben
das Geld nun wieder einzutreiben (§ 428 BGB).
Sie hat ja auch ein Recht darauf,
weil er erfolglos blieb, der Kauf (§ 812 BGB).
Doch dem Beklagten umgekehrt
ist es mit Recht dann nicht verwehrt,
zu rechnen auf mit dem Verluste,
den er dabei hinnehmen musste:
denn Fleischbeschau und Schlachterkosten
das sind ja wohl die beiden Posten,
die eigentlich und immerhin
bezahlen müsst die Klägerin.
Hätt‘ die Vertragspflicht sie gewahrt
dann hätte er das Geld gespart.
Weil keine hat gewonn‘ von beiden
drum haben – das ist einzusehn –
sie beide auch gleich stark zu leiden
und für die Kosten einzustehn.
An das Gericht zahlt jeder zwar
die Hälfte nur von den Gebühren,
doch seinem Anwalt – das ist zu spüren –
zahlt jeder selbst das volle Honorar (§ 92 ZPO).
So wurde aus dem Ferkelchen
für ach nur hundert Märkelchen
– so billig sollt es sein –
ein furchtbar teures Schwein!
Und die Moral von der Geschicht:
Um Kleinigkeiten streit‘ man nicht,
zieh‘ jedenfalls nicht vors Gericht!
Das gilt nicht nur in diesem Fall,
das gilt beinahe überall.
Sonst kann Gerechtigkeit auf Erden
ganz unerfreulich teuer werden!

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Die mangelhafte Matratze

13 Dez

Wann der Vortrag des Klägers ans Lächerliche grenzt, AG Köln, Urt. v. 04.03.2009, 143 C 393/07 – Adventskalender (13)

„Die Parteien streiten um Mängelansprüche aus dem Kauf einer neuen Matratze.

Am 09.08.2006 erwarb der Kläger bei der Beklagten, nachdem er und seine Frau zunächst dort Probe gelegen hatten, eine Matratze L. Deluxe in der Größe 150 x 200 cm mit Haltegriffen und zwei verschiedenen Härtegraden, nämlich den Härtegrad 2 und den Härtegrad 3. Die Seite mit dem Härtegrad 2 war für die Ehefrau des Klägers, die Seite mit dem Härtegrad 3 für den Kläger selbst bestimmt. Auf den Kaufpreis von 679,00 € leistete der Kläger am selben Tag eine Anzahlung in Höhe von 79,00 €. Die Matratze wurde am 15.08.2006 geliefert, mangels der vereinbarten Haltegriffe jedoch ausgetauscht und am 08.12.2006 erneut angeliefert. (…)

Der Kläger hat behauptet, die Matratze sei zu hart, weil die quer gespannten Nähte hart wie Drahtseile sind und in den Körper schneiden. Außerdem sei es ein Mangel, dass die Matratze mit zwei unterschiedlichen Stärken/Härten geliefert worden sei. Schließlich sei sie nicht für das Lattenrost geeignet, weil diese Matratze ein Lattenrost mit mindestens 28 Latten erfordert. (…)

Dazu das AG:

„Die Klage ist vollständig unbegründet, weil der Kläger mangels Vorliegen eines Sachmangels nicht vom Kaufvertrag zurücktreten konnte.

1)Soweit der Kläger behauptet, dass die Lieferung einer Matratze mit 2 unterschiedlichen Härtegraden einen Sachmangel darstellt, grenzt dieser Vortrag ans Lächerliche, weil er einen entsprechenden Kaufvertrag über die Lieferung einer solchen in zwei 2 Härtegrade aufgeteilten Matratze ausdrücklich abgeschlossen hat.

2)Auch der Vortrag, dass die Matratze einen Mangel habe, weil sie für den bei ihm zu Hause befindlichen Lattenrost nicht geeignet war, geht vollständig an der Sache vorbei. Es kann keinen Mangel einer Matratze darstellen, welchen Lattenrost der Kläger unter diese Matratze zu legen pflegt.

3)Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, nämlich nach dem Gutachten des Sachverständigen T., dem sich das Gericht mangels eigener Sachkenntnis anschließt, weißt die Matratze jedoch auch keine überdurchschnittlich harten Nähte auf (vgl. § 243 Absatz 1 BGB), so dass das subjektive Empfinden des Klägers ihm möglicherweise ein komfortables Schlafen verwehrt, ein Mangel der Matratze selbst jedoch nicht vorliegt.
Die Klage war daher abzuweisen. (…)“

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Eine Kuh am Wegesrand

12 Dez

Aus der Sammlung „Urteile in Reimform“, AG Northeim NJW 1996, 1144 – Adventskalender (12)

Der Kläger fing die Kuh des Beklagten ein. Dabei wurde sein PKW beschädigt. Den Schaden möchte er auf Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag vom Beklagten erlangen.

Aus den Gründen:

„Wie man es auch dreht und windet,
die Klage, sie ist nicht begründet.
Zwar hat der Kl., wie man sieht,
sich redlich um die Kuh bemüht.
Nun ist jedoch in dem Geschehen
nicht zu erkennen und zu sehen,
was der Jurist Geschäfte nennt,
die ohne Auftrag man auch kennt,
wenn sie geführt von fremder Hand,
Gefahr zu bannen, die bekannt (§§ 677, 680 BGB).
Der Tatbestand lässt deutlich werden,
man macht sich selber oft Beschwerden.
Eine Kuh am Wegesrand,
wiederkäuend sich vergnügend,
sonntäglichen Frieden liebend,
wird vom Kl. hier verkannt.
Wo ist die Gefahr ersichtlich,
die der Kl. hier gerichtlich
festzustellen sich bemüht?
Ach, es ist ein altes Lied!
Die Polizei war informiert,
nur kurzfristig nicht orientiert,
sie hätte aber unumwunden
die Kuh am Wegesrand gefunden,
und Rat gewusst, wie man das Tier
befrieden kann im Felde hier.
Warum nun PKW und Kette,
warum des Schiebens große Müh?
Dabei gibt es doch ganz nette
Transportgeräte für das Vieh.
Die Kuh, vielleicht mit Namen Liese,
träumte noch von jener Wiese,
wo sie der Kl. aufgespürt,
nun fremdem Hofe zugeführt.
„So geht mein Herr nicht mit mir um“
macht deutlich sie dem Publikum,
das nun auf Landwirt K’ses Hofe
versammelt ist mit Knecht und Zofe.
Sie ist verschreckt, geschockt, verstört
und reagiert, sie ist empört.
Nur deshalb regt sich Kopf und Klaue,
die Kuh hat Angst, dass man sie haue.
Denn alles, was bisher geschehen,
es war nicht gut, es war nicht schön.
Wer kennt die Psyche einer Kuh,
wenn sie aus sonntäglicher Ruh’
auf einen fremden Hof gebracht,
ja, wer kennt da des Rindviehs Macht.
Sie spürte, wie die fremden Stimmen
in ihr Kuhgemüt eindringen,
sie fürchtete nur um ihr Leben,
dies muss man doch der Kuh vergeben!
Deshalb die Tritte und das Weh
am frischpolierten PeKaWe.
Der Kl. hätte nichts verbockt,
hätt’ er die Kuh dort angepflockt,
am Wegesrand, am Wiesenrain,
des Nachmittags im Sonnenschein.
Sein PKW in altem Glanz
wär’ nicht verbeult, er wäre ganz.
Der Kläger hat, wie’s oft passiert,
ein wenig überreagiert.
Er hat sich sicher gut bedacht,
als er die Kuh ins Dorf gebracht.
Doch tat ihm dieses gar nichts nützen,
er bleibt jetzt auf dem Schaden sitzen
und muss, das bleibt auch ohne Fragen,
für diesen Fall die Kosten tragen (§ 91 ZPO).
Der Kosten wegen, wie sich’s frommt,
vorläufig die Vollstreckung kommt,
wenn der Bekl. seine Kosten
zusammenstellt als off’ne Posten.
Auch wenn’s den Kl. nicht ergötzt,
geschrieben steht dies im Gesetz (§ 708 Nr. 11 ZPO).“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

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