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Radbruch’sche Formel im Straßenverkehr?

3 Dez

Gerade am Kölner Neumarkt gesehen:

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Und dank Express wissen wir jetzt, was in so einer Situation zu tun ist: „Man darf über Rot fahren oder laufen, wenn nach einer «angemessenen Wartezeit» von einem Defekt der Ampel ausgegangen werden muss und man sich vorsichtig an den Kreuzungsbereich herantastet“, wird eine Polizeisprecherin zitiert.

Neulich in der Boulevardpresse: Von Hundemördern und Schlägern

2 Dez

Solingen kann aufatmen: Ein psychisch kranker Mann (Bild-Terminologie „Fettklops“), der dort sein Unwesen trieb, hat sich der Polizei gestellt.
Er hatte mehrere Menschen tätlich angegriffen, eine 86jährige Seniorin zusammengeschlagen und sogar noch zugetreten, als diese am Boden lag. Zudem „kidnappte“ er den Hundewelpen „Bella“ und hängte ihn an einem Baum auf, sodass der Hund verstarb.
Ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags an der Seniorin wurde eingeleitet.

Die Boulevardpresse gewichtet den Unrechtsgehalt der Taten ersichtlich anders: Vom „Hunde-Killer“ („Welpe ermordet“) ist die Rede (vgl. hier, hier). Die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung an einer 86jährigen Seniorin wird da zur Nebensache und – wenn überhaupt – in einem Nebensatz erwähnt.

„Neulich in…“ beschäftigt sich mit Beiträgen aus den Boulevardmedien und erscheint in loser Folge.
Bereits erschienen:
Neulich in der BILD (I)

OWi-Anzeige gegen den Papst

25 Nov

Der Kölner Express titelt „Nicht angeschnallt: Anzeige gegen Papst“. Ein Mann aus Dortmund erstattete Anzeige, weil der Papst während seines Deutschlandbesuchs – u.a. in Freiburg – unangeschnallt auf dem Papamobil unterwegs war. Als Zeugen wurden übrigens Dr. Robert Zollitsch und Winfried Kretschmann benannt.
(Über die Gurtpflicht wurde um 1977 heftig gestritten. Ein Überblick zur Grundrechtsproblemtik findet sich z.B. bei Streicher, NJW 1977, 282).

Bierbikes, die 2.: Erlaubnispflichtige Sondernutzung

23 Nov

Im Blog wurden die sog. Bierbikes und die damit einhergehenden rechtlichen Probleme bereits dargestellt (hier); nun hat das OVG Münster entschieden, vgl. Pressemitteilung. Der Betrieb von Bierbikes und Partybikes auf öffentlichen Straßen ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung (a.A. Lund, DVBl 2011, 339 abrufbar aus dem Uninetz). Für die mündliche Examensprüfung in nächster Zeit sicherlich ein Favorit.

Einstellung des Guttenberg-Verfahrens – Darf die Staatsanwaltschaft das?

23 Nov

Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hof gegen Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde gemäß §153a Abs. 1 StPO eingestellt, obwohl 23 Verstoße gegen § 106 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke) festgestellt wurden (Der Verdacht auf Untreue oder Betrug wurde nicht bestätigt). Jedoch hat Guttenberg gem. § 153a Abs.1 Nr 2., 1.Alt. StPO einen Geldbetrag zugunsten der deutschen Kinderkrebshilfe geleistet (siehe auch hier, hier, hier und hier).

Schluss. Aus. Vorbei. Es wird keine Hauptverhandlung gegen ihn geben!

(Bild.de)

1. Stimmt das? Liegen die Voraussetzungen des § 153a StPO vor?

Grundsätzlich ist die Staatanwaltschaft bei Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte: 152 Abs. 2 StPO) verpflichtet zu ermitteln (Legalitätsprinzip). Kommt es zum hinreichenden Tatverdacht, wird Klage erhoben (§ 170 Abs. 1 StPO). Andernfalls wird das Verfahren nach § 170 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt. Daneben kann die Staatsnawaltanschaft, nach pflichtgemäßen Ermessen, unter bestimmten Voraussetzungen das Verfahren nach den §§ 153ff. StPO einstellen (Opportunitätsprinzip). Eine Möglichkeit bietet die Verfahrenseinstellung bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen nach § 153a Abs. 1 StPO. Folgende Voraussetzungen müssten vorliegen:

a) keine vorherige Klagerhebung (sonst Abs. 2): hier (+)

b) hinreichender Tatverdacht hinsichtlich eines Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB): hier (+), s.o.

c) keine entgegenstehende Schwere der Schuld: hier hat die StA großen Spielraum, daher Bejahung vertretbar.

d) Geeignetheit der Auflagen das öffentliche Interesse zu beseitigen: hier str. (vertretbare Lösung auf juraexamen.info)

e) Zustimmung des Gerichts: hier AG Hof (+)

f) Zustimmung des Beschuldigten (kein Schuldeingetändnis!): hier (+)

Wenn die Voraussetzungen vorliegen und der Beschuldigte die angeordnete Auflage erfüllt, so kann die Tat als Vergehen nicht mehr verfolgt werden gem. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO (beschränkter Strafklageverbrauch). Guttenberg hat laut StA Hof die Zahlung getätigt und damit konnte sie das Verfahren nach § 153a Abs. 1 S. 1 StPO endgültig einstellen.

2. Ist eine Hauptverhandlung nicht mehr möglich?

Theoretisch ist die Wiederaufnahme des Verfahrens möglich, wenn die selbe Tat ein Verbrechen darstellen sollte (arg. § 153a Abs. 1 S. 5 StPO). Deswegen spricht man auch von beschränktem Strafklageverbrauch. Ein Vebrechen liegt im vorliegenden Fall sicherlich nicht vor (ein gewerbsmäßiger Bandenbetrug nach § 263 Abs. 5 StGB scheidet eindeutig aus).

3. Welche anderen Möglichkeiten hatte die Staatsanwaltschaft?

Nach § 170 Abs. 2 StPO konnte wegen des hinreichenden Tatverdachts (s.o.) nicht eingestellt werden. Ob mangelnde Geringfügkeit und fehelndes öffentliches Interesse nach § 153 StPO bejaht werden kann, ist fraglich (dabei ist zu beachten, dass bei Vorliegen von öff. Interesse nur § 153a StPO zur Anwendung kommt). Die Voraussetzungen der §§ 153b ff. StPO liegen ebenfalls nicht vor. Damit hatte die StA Hof als Alternative nur noch die Klageerhebung nach § 170 Abs. 1 StPO.

Zur Kritik an § 153a StPO siehe Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 14 Rn. 14.

Diskriminierung durch Sprache: „Döner-Morde“

17 Nov

Als ich am letzten Sonntag einen längeren Artikel über die sogenannten Döner-Morde gelesen habe, war ich etwas irritiert. Dort waren Fotos aller Opfer mit Namen, Geburts- und Todesdatum sowie Berufsangaben abgedruckt. Irritiert war ich deshalb, weil ich gedacht hatte, alle Opfer wären Dönerbuden-Wirte gewesen. Tatsächlich waren dies aber nur zwei, die anderen waren Kioskbesitzer, Blumenhändler usw. − von Döner keine Spur. Aber acht von ihnen waren gebürtige Türken, einer Grieche. Nun spricht mir ein Artikel von Stefan Kuzmany auf Spiegel-Online („Deutsche und Döner“) aus der Seele: die Verwendung des Begriffs „Döner-Morde“ ist nicht nur irreführend, sondern darüber hinaus diskriminierend.

Kuzmany zufolge wurden alle Opfer „zum Döner gemacht“, das heißt auf herablassende Weise über einen Kamm geschoren. Außerdem wird durch den Begriff das Klischee der Ausländerkriminalität befeuert: wenn eine Vielzahl von Dönerbuden-Besitzern getötet wird, sieht das nach organisierter Kriminalität (Schutzgelderpressung o.ä.) aus − mich erinnert die Terminologie an die „Pizza-Connection“, einen amerikanischen Drogenhändlerring. Laut Interviews mit Angehörigen (z.B. gestern in den Tagesthemen) haben sich ihnen gegenüber wohl auch Vertreter der Polizei entsprechend geäußert, nämlich dass die Opfer vermutlich in die organisierte Kriminalität verstrickt gewesen seien − was die Angehörigen dabei fühlten, kann man sich denken. Daneben sei der Begriff, so Kuzmany, auch mit einer Ausgrenzung von Einwanderen verbunden: den deutschen Zeitungsleser „grusele“ es zwar, wenn er in der Zeitung von der Mordserie lese, aber für ihn sei die Sache doch „schön weit weg“, er selbst sei ja nicht in Gefahr. Bleibt zu hoffen, dass nicht zuletzt der Artikel Kuzmanys zu etwas mehr sprachlicher Sensibilität beiträgt.

Heckler & Koch – Libyen, ein Exportverbot und G36-Sturmgewehre in den Händen des Gaddafi-Regimes?

14 Nov

Wie man den aktuellen Nachrichten entnehmen konnte, wurden G36-Sturmgewehre, die normalerweise von der Bundeswehr eingesetzt werden und von dem weltweit bekannten Waffenproduzenten „Heckler & Koch“ stammen, von Gaddafi-Anhängern und Regimesympathisanten genutzt.  Ein zunächst verhängtes Waffenembargo (Exportverbot von Waffen in dieses Land) gegen Libyen aus dem Jahr 1986 hob die EU zwar im Oktober 2004 wieder auf. Aufgrund der sich zuspitzenden Lage im Februar und März 2011 und der Attackierung von Regime-Gegnern im Rahmen des eintretenden Bürgerkrieges, der sich an die Revolutionsbewegungen in Ägypten und Tunesien anschloss, wurde jedoch erneut ein Waffenembargo gegen Libyen etabliert.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat nach Bekanntwerden des Sachverhalts die Ermittlungen gegen den Waffenproduzenten eingeleitet. Heckler & Koch beruft sich darauf, dass die Gewehre und Munition aus einer von den deutschen Behörden genehmigten, 2003 an die ägyptische Regierung adressierte Lieferung stammen, die 608 Gewehre und 500.000 Projektile umfasste. Einem offiziellen Schreiben an den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages lässt sich entnehmen, dass Heckler & Koch selbst den Sachverhalt durch Experten vor Ort klären und keine Zweifel an der Integrität des Konzerns und der deutschen Exportkontrolle aufkommen lassen will. Ob es hierbei darum geht, die Reputation des „Rüstungs-Riesen“ zu wahren oder ob tatsächlich kein Verstoß gegen das Waffenembargo und etwaige einschlägige Gesetze vorliegt, werden die Ermittlungen noch zeigen. Trotz der Tatsache, dass es sich um ein eher exotisches Thema handelt, möchte ich auf Fundstellen in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Embargos hinweisen.

In BGH NStZ-RR 2003, 55 ging es um einen Flüchtling aus dem Irak, der anderen in Deutschland ansässigen Landsleuten bei der finanziellen Unterstützung der im Irak verbliebenen Verwandten half, indem er Geld an seinen Bruder im Irak überwies und dieser das Geld nach Abzug einer Provision an die Verwandten weiterleitete. BGHSt 41, 127 befasst sich mit der Strafbarkeit der Beförderung von Privatpersonen im Busverkehr von Deutschland nach Serbien Montenegro während des UN-Embargos. Eine Vielzahl weiterer Fälle lassen sich auf hrr-strafrecht.de finden. Auch, wenn es sich um teils exotische Vorschriften handelt, mit denen der Rechtsstudent während seines Studiums nie in Berührung kommen wird, werden auch hier Grundkenntnisse des Strafrechts gefordert.

Im Übrigen steht Heckler & Koch aktuell im Verdacht, den Drogenkrieg in Mexiko mit Waffenlieferungen geschürt zu haben. Wie n-tv berichtet, haben rund 300 Beamte des Landeskriminalamtes Büros des Waffenherstellers am Firmensitz in Oberndorf durchsucht.

Ein kurioser Fall – Einbruch in Grevenbroich

12 Nov

Recht kurios mutet folgender Sachverhalt an, der sich am Dienstag gegen 13 Uhr in der Schillerstraße in Grevenbroich ereignete: Eine Einbrecherin brach ein Kellerfenster auf und kletterte in das Haus. Dort sammelte sie Kosmetikartikel, Nahrungsmittel und Spirituosen, die sie für den Abtransport bereit stellte. Auch Kleingeld soll der 42-jährigen Frau „zum Opfer gefallen sein“. Während die Bewohner des Hauses zunächst abwesend waren, kamen die Kinder der Familie in der Folgezeit nach Hause. Davon ließ sich die Einbrecherin jedoch nicht irritieren, verzehrte Brötchen mit Mortadella, Tomaten, Leberwurst, Zwiebeln, Croissants und komplettierte das Mahl mit ein paar Gläsern Sekt. Auch ein Ansprechen seitens der Kinder und der darauf folgende Anruf bei der Polizei konnten die Frau nicht davon abhalten, sich in den Garten des Hauses zu begeben und Würstchen zu grillen. Als die Polizei schließlich eintraf und die Frau festnahm, erzählte diese, dass sie eigentlich mit der Bahn nach Köln fahren wollte, dann aber aufgrund ihres Appetits in Grevenbroich einen „Zwischenstopp“ eingelegt hätte. Die 42-jährige Frau erwartet nun ein Strafverfahren.

Zum 11.11.11: Kurioser Kostümraub

11 Nov

Ein seltsamer Kostümraub beschäftigt das Bonner Landgericht: Zwei Räuber hatten es keinesfalls auf Handy oder Geldbörse abgesehen, sondern auf die Karnevalskostüme ihrer Opfer. Beute: Ein Modell „Eisbär“ im Wert von 40€ und ein Kuhkostüm für 80€.
Die ganze Story gibts hier, hier und hier.

Was ist eigentlich Bettwäsche?

10 Nov

Rechtsanwalt Sebastian Dosch berichtet in seinem Blog „kLAWtext“ von einer rechtlichen Auseinandersetzung des Inhabers der Marke „Ohne dich ist alles doof“ gegen einen Konkurrenten, der Bettwäsche mit dem Spruch „Mit dir ist alles toll“ und sehr ähnlichem Aussehen vertreibt. Das dort zitierte Urteil enthält eine Antwort auf die in der Überschrift gestellte Frage, die − seien wir doch mal ehrlich − einigen von uns sicher schon lange unter den Nägel gebrannt hat.

Danach bildet „nach dem Sprachverständnis des Senates der von der Klägerin verwandte Begriff „Bettwäsche“ den Oberbegriff für alle Textilien (…), die beim Beziehen einer Bettstatt verwendet werden, also vor allem Kissenbezüge und Bettbezüge (für das Deckbett) sowie des Weiteren Laken(…).“

Achso!