Die Frage ist berechtigt, denn es heißt, man dürfe am Feiertag-Wochenende nicht tanzen! Ostern, und insbesondere der Karfreitag gilt als Tag der Trauer, und somit der Stille. An diesem Tag wird an Jesus Tod am Kreuz auf dem Hügel Golgatha vor den Toren Jerusalems gedacht. Dafür gibt es sogar eine gesetzliche Grundlage. Im Art. 140 GG wird auf die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 verwiesen, die damit Bestandteil des Grundgesetzes sind. Der hier zu beachtende Art. 139, lautet:
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
Die Meinungen, ob dieses Tanzverbot noch zeitgemäß ist, sind gespalten. Es wird sogar über eine mögliche Abschaffung des Verbots diskutiert. Für die einen sollten die sich nach Ruhe sehnenden Christen einfach dafür Urlaub nehmen, die Religionsfreiheit würde ein solches Verbot nicht rechtfertigen, da es für die Atheisten eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit darstelle. Für anderen sollte dieser Tag respektiert werden, Christentum sei immerhin in Deutschland die Hauptreligion. Mehrere Petitionen für die Abschaffung des Verbots sind sogar im Internet zu finden.
Das BVerfG gibt in seiner Entscheidung von 2009 (1 BvR 2857/07 und 1 BvR 2858/07) zur Ladenöffnung an Adventssonntagen eine lesenswerte Erläuterung zum Art. 139 WRV:
„Art. 139 WRV hat nach seiner Entstehungsgeschichte, seiner systemischen Verankerung in den Kirchenartikeln und seinen Regelungszwecken neben seiner weltlich-sozialen auch eine religiös-christliche Bedeutung. Er sichert mit seinem Schutz eine wesentliche Grundlage für die Rekreationsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben und ist damit auch Garant für die Wahrnehmung von Grundrechten, die der Persönlichkeitsentfaltung dienen. Er erweist sich so als verfassungsverankertes Grundelement sozialen Zusammenlebens und staatlicher Ordnung und ist als Konnexgarantie zu verschiedenen Grundrechten zu begreifen. Die Gewährleistung von Tagen der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung ist darauf ausgerichtet, den Grundrechtschutz – auch im Sinne eines Grundrechtsvoraussetzungsschutzes – zu stärken und konkretisiert insofern die aus den jeweils einschlägigen Grundrechten folgenden staatlichen Schutzpflichten (vgl. Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 2. Aufl. 2006, S. 63 f., 70).
Schon die Entstehungsgeschichte der Vorschrift lässt die Verknüpfung der tradierten religiösen und sozialen Aspekte des Sonn- und Feiertagsschutzes zutage treten. Bei der Einbringung in der Weimarer Nationalversammlung hob der Berichterstatter, der Abgeordnete Mausbach (Zentrumspartei), hervor, die Bestimmung schütze die „öffentliche Sitte“ und die christliche Tradition und Religionsausübung. Die großen geschichtlichen Bestandteile der Kultusausübung enthielten aber auch wertvolle Freiheitsrechte für die Einzelnen; und gerade diese Seite der Sonntagsruhe, die „Schonung der Freiheit“ und der „sozialen Gleichwertigkeit aller Klassen“, sei darin angesprochen (vgl. Heilfron, Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919, 6. Band, 1920, S. 4007). Der Religionsbezug des Art. 139 WRV wird bestätigt durch seine Stellung im Grundrechtsteil der Weimarer Reichsverfassung unter der Abschnittsüberschrift „Religion und Religionsgesellschaften“. Die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz war letztlich ein Kompromiss, bei dessen Findung der überkommene Gewährleistungsgehalt des Art. 139 WRV nicht mehr zur Debatte stand. Damit setzte sich im Ergebnis die motivische Allianz zwischen religions- und arbeitsverfassungspolitischen Bestrebungen fort, die schon das Zustandekommen des Art. 139 WRV bestimmt hatte (vgl. Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 139 WRV Rn. 9 f.).“
Ob dies auch für das Tanzverbot in gleichem Maße anwendbar ist, ist umstritten. Die Gerichte bestätigen bis heute das Tanzverbot, wie z.B. das VG Gießen (Beschluss vom 05.04.2012 – 4 L 745/12.GI):
„Auch wenn dem Tanz gesellschaftlich verschiedene Funktionen zuzubilligen sind, überwiegt doch typischerweise eine ausgelassene, freudige Grundeinstellung (…). Diese Grundeinstellung ist typischerweise mit dem ernsten Charakter des Karfreitags (…) nicht in Einklang zu bringen.“
Andererseits finden immer wieder Abschaffungsinitiativen statt. Im Saarland wurde ein Antrag zur Aufhebung des Verbots von den Koalitionsfraktionen der CDU und SPD mit der Begründung abgelehnt, dass 82% der Saarländer Mitglieder einer der großen christlichen Kirchen sind. Auf die Rechtfertigung eines solchen Verbots wurde aber nicht eingegangen. 2012 wurden Eilanträge der Piratenpartei vor dem BVerfG als unzulässig verworfen.
Bemerkenswert ist auch, dass die Durchsetzung des Verbots von Land zu Land unterschiedlich ist! Das Bundesland Bremen zum Beispiel hat sein Feiertagsgesetz zuletzt geändert, so dass das bisher ab 4 Uhr geltende Tanzverbot, jetzt erst ab 6 Uhr gilt. In Bayern ist es nur noch an 6 Tagen im Jahr ganztägig verboten organisiert zu tanzen (früher 8).
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