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Der tranige „loup de mer“

22 Dez

Die abgelenkten Köche, AG Gießen NJW-RR 1988, 44 – Adventskalender (22)

„Der Kl. betreibt ein italienisches Speiselokal gehobener Klasse. Zu den Gästen gehörten am Abend des 18. 3. 1987 der Bekl. und ein mit ihm befreundetes Ehepaar – zwei Doktoren und eine Diplom-Biologin, was für den weiteren Verlauf des Abends nicht ohne Bedeutung war. Um den Hunger langsam in ein Sättigungsgefühl zu verwandeln, bestellte man die verschiedensten Speisen und Getränke. Sie alle fanden – trotz eines interessanten Fußballänderspiels der italienischen Nationalmannschaft – das Wohlgefallen des Gaumens der Gäste, mit Ausnahme eines Fisches. Der Fisch sollte nach der Speisekarte den Namen “loup de mer” (gemeint: Seewolf) tragen, 650 Gramm wiegen und 48 DM kosten. Er war von dem Bekl. bestellt worden, als Portion aber – auch nach der Karte – für zwei Personen gedacht. Dementsprechend sollte der Seewolf unter Aufteilung des Anschaffungspreises dem Eiweißhaushalt des Bekl. und eines seiner Begleiter dienen. Zubereitet, dekoriert und serviert fand der Fisch zunächst das Wohlwollen seiner Verzehrer. Es wurde probiert und geschmeckt, wieviel aber, ob nur ein wenig oder bis zu den Gräten, ist streitig. Während dessen, die Gründe hierfür sind noch nicht erforscht, wandelte sich das einstige Gefallen der Genießer in ein Mißfallen. Dieses war dann so groß, daß der Wirt noch heute auf seinen Lohn für diesen Teil der Zeche wartet. Der Kl. behauptet, der servierte und völlig verzehrte Fisch habe zu den 650 Gramm schweren Seewölfen gehört und fein geschmeckt. Für gesundheitliche Beschwerden des Bekl. und seiner Begleiter könne er jener nicht verantwortlich sein. Allerdings habe der Hunger des Bestellers in keinem Verhältnis zur Größe der Portion gestanden. Sie sei ihm viel zu klein gewesen. Der Bekl. behauptet, mit Hilfe des Sachverstandes der anwesenden Diplom-Biologin habe man den Fisch als magere Brasse von allenfalls 300 Gramm enttarnt. Sie habe zudem tranig geschmeckt, wahrscheinlich deshalb, weil das Küchenpersonal das Länderspiel der italienischen Nationalmannschaft mitverfolgt habe. Bei allen Mitgenießern habe der tranige Geschmack zu einer lästigen Diarrhoe (gemeint: Durchfall) geführt. Letztlich habe er allenfalls die Hälfte des Preises zu zahlen, da für ihn nur die Hälfte der Portion bestimmt gewesen sei und er zum Verzehr der anderen Hälfte seinen Begleiter nicht eingeladen habe. Die weiteren Details der Fischmahlzeit und ihrer unerfreulichen Folgen kann man ergänzend aus den gewechselten Schriftsätzen nebst den beigefügten Materialien, insgesamt aus dem Bemühen von vier mit dieser Sache befaßten Rechtsanwälten entnehmen.

Das AG hat dem Kl. antragsgemäß 48 DM zugesprochen.

Aus den Gründen:

Der Bekl. ist trotz der von ihm geschilderten Umstände, Folgen und Meinungen verpflichtet, den Fisch, ob Brasse oder Seewolf, zu bezahlen ( § 433 II BGB).

Da die Größe und das Gewicht eines Fisches sowie seine Artzugehörigkeit gerade sachkundigen Tischgenossen bereits bei dessen Anblick auffällt, nicht selten sogar nur vor dem Verzehr und nicht mehr im nachhinein festgestellt werden kann, erhält der Genuß auch nur eines Teils der Mahlzeit nicht nur für die Ernährung, sondern auch in rechtlicher Hinsicht Bedeutung. Erkennt der Genießer nämlich in dem servierten, vermeintlichen Seewolf eine kleine magere Brasse und läßt er sich diese statt des Seewolfes schmecken, wenn auch nur ein wenig, so ist ihm die magere Brasse soviel Wert wie ein schwerer Seewolf und hat hierfür zu bezahlen. Dies alles ergibt sich aus § 460 BGB.

Hat der Genießer jedoch die magere Brasse in Unkenntnis ihres geringen Gewichts und der Tatsache, daß es sich um keinen Seewolf gehandelt hat, verzehrt oder damit begonnen, so verlangt die Kunst der Führung eines Zivilprozesses eine genaue Erklärung dafür, wieso diese ins Auge fallenden Umstände erst erfaßt wurden, als sich herausstellte, daß der Fisch für den Gaumen seiner Besteller kein Genuß war.

Der tranige Geschmack, welcher Beanstandung fand, ist ebenfalls nicht geeignet, die Bezahlung in berechtigter Weise zu verweigern. Dieser ist in gewisser Weise nämlich jedem Fisch eigen, weshalb ihn manche mögen, andere aber nicht. Auch gibt es Richtungen in der Kochkunst, für die es wichtig ist, den Eigengeschmack eines Fisches (tranig) bei der Zubereitung zu erhalten, nicht aber zu beseitigen oder aber zu verdecken. Ganz unverständlich ist jedoch, weshalb der tranige Geschmack nur deshalb vorhanden gewesen sein soll, weil das Küchenpersonal ein Fußballänderspiel ihrer Nationalmannschaft mitverfolgt hat. Dies hätte näher erklärt werden müssen. Nicht besser zu verstehen ist es, warum der tranige Geschmack eines Fisches umgehend zum Auftreten einer Diarrhoe führen kann oder mußte. Auch hier hätte es einer genauer Erforschung von Ursache und Wirkung und eine Mitteilung des Ergebnisses bedurft.

Letztlich hat der Bekl. als Besteller auch den gesamten Preis der für zwei Personen gedachten Fischportion zu zahlen. Daß er sich diese mit einem seiner Tischgenossen teilen und sich jener hieran finanziell beteiligen wollte, ist für den Kl. und seine Ansprüche ohne Bedeutung. Selbst wenn der Fisch von den beiden gemeinsam bestellt worden wäre, könnte der Kl. die gesamte Summe von dem Bekl. verlangen und brauchte sich nicht auf eine dem verzehrten Anteil entsprechende Kostenteilung verweisen zu lassen (§§ 420, 426 BGB).“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

Schon Goethe durfte straflos schimpfen

21 Dez

Knigge-Tipps vom schwäbischen Amtsrichter, AG Ehingen/Donau NStZ-RR 2010, 143 – Adventskalender (21)

„Der Angeschuldigte betreibt in Ehingen ein Taxi-Unternehmen. Am 28.01.2009 um 13:10 Uhr bestellte … telefonisch von ihrer Wohnanschrift D. … in Ehingen aus ein Taxi auf 13:30 Uhr. Sie wollte am E. Bahnhof um 13:45 Uhr einen Zug nach Blaustein erreichen. Das Taxi traf verspätet ein. … erreichte ihren Zug nicht. Sie forderte daraufhin den Taxi-Fahrer auf, sie für den Preis der Stadtfahrt nach B. zu fahren. Der Fahrer erklärte, dies müsse der Chef entscheiden. Daraufhin telefonierte … mit dem Angeschuldigten und verlangte, ohne Aufpreis nach Blaustein gefahren zu werden. Der Angeschuldigte soll darauf geantwortet haben: „Leck mich am Arsch“.

II. Der bekannte Ausspruch „Leck mich am bzw. im Arsch“ hat seinen literarischen Ursprung bei Johann Wolfgang von Goethe im Schauspiel „Götz von Berlichingen“. Daher wird er häufig mit dem Euphemismus „Götz-Zitat“ umschrieben. Auch Wolfgang Amadeus Mozart betitelte eines seiner Lieder mit „Leck mich im Arsch“ (Köchelverzeichnis Nr. 231).

„Leck mich am Arsch“ hat vielfältige Bedeutungen und Deutungsmöglichkeiten:

„Die Aussage reicht je nach Bildungsstand, Gepflogenheit, Herkunft, Landsmannschaft, Geschmack oder äußerem Anlass von der Ehrenkränkung und Beschimpfung über eine Verfluchung oder über Gefühlsausbrüche bei Schmerz, Freude oder Rührung bis hin zu einem Segensspruch.“

Es gibt Gerichte, die in der Aussage „Leck mich am Arsch“ eine strafbare Beleidigung gesehen haben, so beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Tiergarten (Berliner Zeitung, 14.09.1995) und das Amtsgericht Weiden.

Dieser Auffassung schließt sich das Amtsgericht Ehingen jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht an.

III. Im vorliegenden Fall ist der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB nicht erfüllt.

Unter Beleidigung versteht man einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. In dem oben unter Nr. 1 geschilderten Sachverhalt hat der Angeschuldigte die … nicht in ihrer Ehre herabgesetzt. Im schwäbischen Sprachraum wird „Leck mich am Arsch“ alltäglich verwendet. Es handelt sich zwar um einen derben Ausspruch. Eine Herabwertung der Ehre des Gesprächspartners ist damit aber noch nicht verbunden. Thaddäus Troll (Preisend mit viel schönen Reden, S. 214, Hamburg 1972) legt dar, dass das Götz-Zitat im Schwäbischen den folgenden sozialadäquaten Zwecken dient:

1. ein Gespräch anzuknüpfen,

2. eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen,

3. einem Gespräch eine andere Wendung zu geben,

4. ein Gespräch endgültig abzubrechen,

5. eine Überraschung zu vermelden,

6. um der Freunde über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben außerhalb des Ländles Ausdruck zu geben,

7. um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen.

Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung von Thaddäus Troll an. Im vorliegenden Fall standen die Aspekte Nr. 4 und 7 im Vordergrund. Der Angeschuldigte wollte auf die Forderung von … nicht eingehen und das Gespräch beenden. Strafbares Handeln des Angeschuldigten liegt nicht vor. Das Gericht lehnt den Erlass eines Strafbefehls aus rechtlichen Gründen ab.“

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Er kam vom Stern Sirius

20 Dez

Zur Vernichtung des alten und die Beschaffung eines neuen Körpers, BGHSt 32, 38 – Adventskalender (20)

„Im Jahre 1973 oder 1974 lernte der Angeklagte in einer Diskothek die 1951 geborene Zeugin H… T… kennen, die „damals noch eine unselbständige und komplexbeladene junge Frau“ war. Sie entwickelte zu dem vier Jahre älteren Angeklagten eine intensive Freundschaft, in der sexuelle Kontakte unwesentlich blieben. Gegenstand der Beziehung waren hauptsächlich Diskussionen über Psychologie und Philosophie, die bei Treffen im Abstand von einigen Monaten und bei häufigeren, manchmal mehrere Stunden dauernden Telefongesprächen geführt wurden. Im Laufe der Zeit wurde der Angeklagte zum Lehrer und Berater der Zeugin in allen Lebensfragen. Er war immer für sie da. Sie vertraute und glaubte ihm blindlings.

Im Verlaufe ihrer zahlreichen philosophischen Gespräche ließ der Angeklagte die Zeugin wissen, er sei ein Bewohner des Sterns Sirius. Die Sirianer seien eine Rasse, die philosophisch auf einer weit höheren Stufe stehen, als die Menschen. Er sei mit dem Auftrag auf die Erde gesandt worden, dafür zu sorgen, daß einige wertvolle Menschen, darunter die Zeugin, nach dem völligen Zerfall ihrer Körper mit ihrer Seele auf einem anderen Planeten oder dem Sirius weiterleben könnten. Damit sie das Ziel erreiche, bedürfe die Zeugin allerdings einer geistigen und philosophischen Weiterentwicklung.

Als der Angeklagte erkannte, daß ihm die Zeugin vollen Glauben schenkte, beschloß er, sich unter Ausnutzung dieses Vertrauens auf ihre Kosten zu bereichern. Er legte der Zeugin dar, sie könne die Fähigkeit, nach ihrem Tode auf einem anderen Himmelskörper weiterzuleben, dadurch erlangen, daß sich der ihm bekannte Mönch U… für einige Zeit in totale Meditation versetze. Dadurch werde es ihrem Körper möglich, während des Schlafes mehrere Ebenen zu durchlaufen und dabei eine geistige Entwicklung durchzumachen. Dafür müßten allerdings an das Kloster, in dem der Mönch lebe, 30.000 DM gezahlt werden. Die Zeugin glaubte dem Angeklagten. Da sie nicht genügend Geld besaß, beschaffte sie sich die geforderte Summe durch einen Bankkredit. Der Angeklagte verbrauchte das Geld für sich.

Sooft sich die Zeugin in den folgenden Monaten nach den Bemühungen des U… erkundigte, vertröstete sie der Angeklagte. Später erklärte er ihr, der Mönch habe sich bei seinen Versuchen in große Gefahr begeben, gleichwohl aber keinen Erfolg erzielt, weil ihr Bewußtsein eine starke Sperre gegen die geistige Weiterentwicklung aufbaue. Der Grund dafür liege im Körper der Zeugin; die Blockade könne nur durch die Vernichtung des alten und die Beschaffung eines neuen Körpers beseitigt werden.

Als der Angeklagte bemerkte, daß die Zeugin von der Richtigkeit seiner Erklärungen noch immer völlig überzeugt war, faßte er den Plan, aus ihrem Vertrauen weiteren finanziellen Nutzen zu ziehen. Der Angeklagte spiegelte ihr vor, in einem roten Raum am Genfer See stehe für sie ein neuer Körper bereit, in dem sie sich als Künstlerin wiederfinden werde, wenn sie sich von ihrem alten Körper trenne. Auch in ihrem neuen Leben benötige sie jedoch Geld. Es lasse sich dadurch beschaffen, daß sie eine Lebensversicherung über 250.000 DM (bei Unfalltod 500.000 DM) abschließe, ihn unwiderruflich als Bezugsberechtigten bestimme und durch einen vorgetäuschten Unfall aus ihrem „jetzigen Leben“ scheide. Nach Auszahlung werde er ihr die Versicherungssumme überbringen. Die Zeugin schloß einen Versicherungsvertrag entsprechend den Vorschlägen des Angeklagten ab. Der Versicherungsschutz begann ab 1. Dezember 1979. Die monatliche Versicherungsprämie belief sich auf 587,50 DM. Dem Angeklagten händigte die Zeugin 4.000 DM in bar aus, weil sie, wie er ihr sagte, nach dem Erwachen am Genfer See das Geld, das er ihr sofort überbringen werde, als „Startkapital“ benötige. Die Auszahlung der Versicherungssumme könne sich verzögern. Ihr „jetziges Leben“ sollte die Zeugin nach einem ersten Plan des Angeklagten durch einen vorgetäuschten Autounfall, nach einem späteren Plan dadurch beenden, daß sie sich in eine Badewanne setzt und einen eingeschalteten Fön in das Badewasser fallen läßt. Auf Verlangen und nach den Anweisungen des Angeklagten versuchte die Zeugin, diesen Plan am 1. Januar 1980 in ihrer Wohnung in W… zu realisieren, nachdem sie zuvor, einer Anregung des Angeklagten folgend, einige Dinge getan hatte, die darauf hindeuten sollten, daß sie ungewollt mitten aus dem Leben gerissen worden sei. Der tödliche Stromstoß blieb jedoch aus. Aus „technischen Gründen“ verspürte die Zeugin nur ein Kribbeln am Körper, als sie den Fön eintauchte. Der Angeklagte, der sich in B aufhielt, war überrascht, als die Zeugin seinen Kontrollanruf entgegennahm. Etwa 3 Stunden lang gab er ihr in etwa zehn Telefongesprächen Anweisungen zur Fortführung des Versuchs, aus dem Leben zu scheiden. Dann nahm er von weiteren Bemühungen Abstand, weil er sie für aussichtslos hielt.“

Amüsante Besprechung von Rath auf LTO.de, lesenswerte juristische Auswertung bei Kubiciel, JA 2007, 729.

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Märchenmootcourt „Rotkäppchen“ an der Uni Köln

19 Dez
ELSA Köln hat auch dieses Jahr ein Märchenmootcourt veranstaltet.
Datum: 19.12.12
Uhrzeit: 19:00
Ort: Hörsaal A2, Hörsaalgebäude

Bericht aus der Märchenwald-Rundschau vom 3. Dezember 2012

„Held oder Verbrecher?

Am 19.12. beginnt vor der großen  Strafkammer des Amtsgerichts Märchenwald der Prozess in einem der mysteriösesten Fälle der letzten Jahre.

Mitte November wurde Herr W. mit lebensgefährlichen Verletzungen im Bauchraum  ins Krankenhaus eingeliefert. Ihm war mit einem Messer der Bauch aufgeschlitzt, anschließend mit Steinen gefüllt und wieder zugenäht worden.  Die Ermittlungen  ergaben, dass die Tat von Herrn J. im Haus von Rotkäppchens Großmutter begangen wurde.

Es konnte aber bisher noch kein Motiv ermittelt werden, da J. bisher jede Aussage verweigert hat. Es ist zu hoffen, dass die Verhandlung näheres ergibt.
Auch die Aussagen von Rotkäppchen und ihrer Großmutter geben Anlass für Unklarheiten, die noch in der Verhandlung erörtert werden müssen. Diese bezichtigen den Herrn W., gewaltsam in das Haus eingedrungen zu sein und sie gefangen gehalten zu haben.

Es ist zu hoffen, dass aufgeklärt wird, wer nun tatsächlich der Täter und wer das Opfer ist.“

Weitere Infos hier und hier.

Mord ist kein Arbeitsunfall

19 Dez

Kein Unfallversicherungsschutz bei Ermordung auf einem Arbeitsweg durch Familienangehörigen aus familiären Gründen, LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 22.11.2011, L 2 U 5633/10 – Adventskalender (19)

„Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach der Ermordung ihres Ehemannes durch den gemeinsamen Sohn.

Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann Salvatore C. haben 2 Pizzerien betrieben. In der Pizzeria C. war S. seit 01.02.1999 als Koch und Bürokraft geringfügig beschäftigt und bei der Beklagten als Arbeitnehmer gemeldet. Er arbeitete wöchentlich 54 Stunden und erhielt einen Bruttolohn von 360,00 EUR, netto 286,11 Euro.

Am 22.07.2009 fuhr S. entsprechend der vorherigen Absprache gemeinsam mit seinem Sohn, Maurizio C. in dessen Wagen gegen 10:00 Uhr zum Steuerberatungsbüro des Beschäftigungsbetriebs. Auf der Rückfahrt fuhr der Sohn zunächst auf dem Heimweg Richtung St., bog dann aber in das Industriegebiet Rot-M. ab, fuhr die Industriestraße lang und bog dann von dieser nach rechts in die G. Straße, eine Sackgasse, ab. Dort brachte er das Fahrzeug unter Vortäuschung einer Fahrzeugpanne zum Stehen. Er stieg aus dem Fahrzeug aus und lockte seinen Vater unter einem Vorwand nach hinten zum Kofferraum. In diesem Moment ergriff M. entsprechend seinem am Vortag gefassten Plan einen mitgebrachten Zimmermannshammer und schlug mit der Spitze mindestens achtmal auf den Kopf seines Vaters ein, um ihn zu töten. Dieser trug schwere, jedoch nicht tödliche Verletzungen davon und versuchte zu fliehen. M. holte daraufhin aus dem Kofferraum einen planmäßig mitgebrachten Benzinkanister, übergoss seinen Vater mit dem Kraftstoff und zündete ihn schließlich an. Er beobachtete zunächst seinen brennenden Vater und verließ ruhig den Schauplatz der Tat, nachdem Zeugen auf das Geschehen aufmerksam wurden. Später stellte er sich auf dem Polizeirevier W.. Der Vater erlag am selben Tag seinen schwersten Verbrennungen. M. wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 12.03.2010 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Klägerin bezieht deswegen Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz. Sie hat die Pizzeria C. am 04.08.2009 abgemeldet.

Wegen dieses Vorfalls beantragte die Klägerin am 06.08.2009 zunächst telefonisch und am 10.08.2009 schriftlich die Gewährung einer Witwenrente. Die Beklagte zog die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 06.10.2009 ab. Das Ereignis vom 22.07.2009 stelle keinen Arbeitsunfall dar. Versicherungsschutz sei nicht gegeben, weil der Überfall auf dem Betriebsweg nach den Unterlagen der Staatsanwaltschaft ausschließlich auf einer persönlichen Feindschaft der Beteiligten beruhe. Der ursächliche Zusammenhang mit dem Betrieb sei damit entfallen. Daher habe sich der Versicherte zum Ereigniszeitpunkt nicht mehr bei einer versicherten Tätigkeit befunden.

(…)

Das SG hat im angefochtenen Urteil die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen ein Überfall als Arbeitsunfall anzusehen ist, zutreffend benannt und ausgeführt, dass es hierfür wesentlich auf die Beweggründe des Angreifers bei der Tat ankommt und sich der innere Zusammenhang zwischen dem Überfall als Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit verliert, wenn die Beweggründe des Angreifers dem persönlichen Bereich der Beteiligten zuzurechnen sind. Sodann hat es ausführlich, schlüssig und überzeugend anhand der Angaben des M., der Aussagen der Zeugen sowie der strafrechtlichen Ermittlungen anhand der staatsanwaltlichen Ermittlungsakten und der Strafakten herausgearbeitet, dass dies bei dem am Vortag vorbereiteten Mord des Sohnes an seinem Vater der Fall gewesen ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung an, sieht deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht Neues enthält. Dazu, dass besondere Verhältnisse bei Zurücklegen des Weges eine gewichtige Rolle gespielt haben sollen, hat bereits das SG ausgeführt, dass der Sohn des Versicherten als naher Verwandter zu jedem Zeitpunkt und bei jeder Gelegenheit die Möglichkeit gehabt hätte, seinen Vater zu töten. Ergänzend ist hierzu nochmals darauf hinzuweisen, dass der 38-jährige Sohn nach dem Scheitern seiner Ehe zur Tatzeit seit ca. einem halben Jahr wieder in der Wohnung seiner Eltern wohnte und schon auf Grund der räumlichen Nähe sich viele andere Gelegenheiten zur Ermordung des Vaters ergeben hätten. Dass er die Fahrt zum Steuerberater hierzu genutzt hat, vermag keinen inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit als (eventuell formal) angestellter Koch und Bürokraft zu begründen, sondern geschah nur gelegentlich.“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

Der Teufel kommt nachts…

18 Dez

Kann in einer freien Marktwirtschaft eine Vereinbarung über eine Teufelsaustreibung zu freien Preisen erlaubt sein?, LG Mannheim NJW 1993, 1488 – Adventskalender (18)

Der Vorsitzende Richter Dr. Wolf Wimmer am LG Mannheim, aus dessen Feder das vorliegende Urteil stammt, ist ein Wiederholungstäter. 1997 schenkte er uns die Perle zur Glaubwürdigkeit des Pfälzers  (s. Türchen Nr. 4). In der Entscheidung von 1993 konnte Dr. Wimmer jedoch auch als Experte glänzen. Denn neben einschlägigen Aufsätzen (Parapsychologie, Wissenschaft und Rechtsordnung, NJW 1979, 587), verfasste er mit Otto Prokop das Buch „Der moderne Okkultismus“ (1976). Die Teufelsaustreiberin von Mannheim kam also sehr gelegen. Aufgrund der kurzweiligen Art, findet sich hier ausnahmsweise das kaum gekürzte Urteil wieder.

„Zum Sachverhalt:

Am 2. Weihnachtsfeiertag 1990 hielt sich die Angekl. in M auf. In der Nähe des Wasserturms sprach sie die dort ihr schwerbehindertes Kind ausführende A an und erbot sich, ihr für 30 DM die Karten zu legen. Frau A, die regelmäßig zur Wahrsagerin geht, weil sie “in ihren Problemen klarer in die Zukunft sehen möchte”, nahm das Angebot an. Da die Cafes überfüllt waren, begab man sich zur nahegelegenen Wohnung der Frau A, um mehr Ruhe zu haben. Im Wohnzimmer legte die Angekl. dann Frau A in der üblichen Weise die Karten und las ihr auch aus der Hand, wofür sie 50 DM erhielt. Die Angekl., die sehr intelligent ist und gewandt auftritt, gedachte nun, die von ihr sogleich erkannte Naivität und Leichtgläubigkeit der Kundin weiter finanziell auszubeuten, und machte dieser mit düsterer Miene vor, über ihr liege ein Fluch; um Genaueres feststellen zu können, benötige sie ein rohes Ei. Bestürzt holte Frau A ein frisches Ei aus der Küche. Die Angekl. wickelte nun das Ei in ein mitgeführtes Handtuch, murmelte einige Beschwörungsformeln darüber und drückte das Handtuch zusammen, so daß das Ei zerbrach, zeigte dann in dem wieder aufgewickelten Handtuch den entstandenen Brei vor und wies auf eine schwärzliche Stelle im Dotter: das sei der Teufel, der nachts kommen könne und deshalb unbedingt ausgetrieben werden müsse, verkündete sie der angstbebenden Frau. Auf deren beklommene Frage, wie denn dieser Teufel auszutreiben sei, erwiderte die Angekl., sie benötige dazu von ihr 5000 DM oder Geschirr, Bettwäsche oder Schmuck in diesem Wert, um dies zusammen mit dem “Wesen im Ei” um Mitternacht zu begraben. Auf den Einwand der Frau A, so viel Geld habe sie nicht zu Hause, erklärte die Angekl., sie werde dann eben in einigen Tagen wieder kommen und das Geld, das Frau A zwischenzeitlich auf der Bank besorgen solle, abholen; als “Anzahlung” ließ sie sich 150 DM geben und lieh sich noch die Lederjacke der Frau A “als Pfand”, bevor sie verschwand. Als die Angekl. ihre Absicht, Frau A die 5000 DM abzuluchsen, am 28.12.1990 verwirklichen wollte und dieser telefonisch ihren erneuten Besuch ankündigte, bekam Frau A es mit der Angst zu tun, nachdem ihr zwischenzeitlich Zweifel an den Behauptungen der Angekl. gekommen waren. Sie rief deshalb bei der Polizei an und bat um Rat und Hilfe. Daraufhin begaben sich die Polizeibeamten I und K in die Wohnung von Frau A und instruierten sie, sie solle die Angekl. “hinhalten”, während sie selbst im Raum nebenan das Gespräch mit anhören würden. Gegen 20.00 Uhr erschien die Angekl. tatsächlich. In der Erwartung, nunmehr die 5000 DM kassieren zu können, gab sie Frau A Anzahlung und Lederjacke zurück und verlangte “die 5000 DM für den Teufel”, nachdem sie zuvor noch unter Kreuzschlagen angebliches Weihwasser aus einem Fläschchen verspritzt hatte. Nachdem Frau A schließlich die verlangte Geldübergabe ablehnte, erklärte die Angekl. in der Hoffnung, bei einem weiteren Treffen das Geld doch noch zu bekommen, Frau A solle sich “die Sache nochmal gut überlegen”, und wollte die Wohnung verlassen, wurde jedoch noch an Ort und Stelle von den beiden Polizeibeamten, die im Zimmer nebenan durch einen Türspalt zugehört hatten, festgenommen. Die Angekl. wußte und weiß, daß ihr Gerede vom “Teufel” und ihr “Ei-Test” Hokuspokus ist und sie niemandem den “Teufel austreiben“ kann. Das AG hat die Angekl. vom Vorwurf des versuchten Betruges freigesprochen.

Aus den Gründen:

(…)

III. Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung der Angekl., soweit ihr gefolgt werden konnte, den Bekundungen der Zeugen A, POM I und POM K, dem Bundeszentralregisterauszug für die Angekl. und dem Urteil des AG Gießen, das zur früheren Betrugstat der Angekl. ergangen ist.

Die Angekl. hat, nach erstmaliger Einlassung bei der Polizei und späterer beim AG, in der Berufungshauptverhandlung zunächst Angaben zu Sache verweigert, dann aber hierzu doch noch Aussagen gemacht. Sie gibt zu, der Zeugin A in deren Wohnung für freiwillig gegebene 50 DM wahrgesagt zu haben, bestreitet jedoch, daß außerdem von Geld o. ä. für eine Teufelsaustreibung die Rede gewesen sei („Teufel – was ist das? Ich kann niemand den Teufel austreiben“); nie habe sie in der beschriebenen Weise ein Ei zerdrückt, die Zeugin sei wohl “nicht richtig im Kopf”, so was zu erzählen. Beim zweiten Besuch in der Wohnung A habe sie lediglich die geliehene Lederjacke zurückbringen wollen und hierbei etwas Weihwasser verspritzt, “zum Segen”.

Die Angekl. wird jedoch der ihr vorgeworfenen Tat überführt durch die übereinstimmenden und glaubhaften Bekundungen der genannten Zeugen. Die Zeugin A hat in sehr spontaner Art ihre Erlebnisse mit der Angekl. geschildert und sich ihrer Leichtgläubigkeit nicht geschämt; ganz offen hat sie bekannt, von der Existenz gewisser übersinnlicher Phänomene, die gemeinhin als törichter Aberglaube belächelt zu werden pflegen, wie Hellsehen, Weissagen und anderer “unerklärlicher Dinge“, überzeugt zu sein („da ist was dran”). Keineswegs ist diese Zeugin “nicht richtig im Kopf”, wie die Angekl. glauben machen möchte. Der Kammer imponierte sie vielmehr als zwar einfache, aber psychisch völlig gesunde Frau, die wie viele andere als “Alleinstehende” mit einem behinderten Kind an entsprechenden Problemen trägt, sich aber dennoch ihre Lebenstüchtigkeit bewahrt hat und auch im Zeugenstand ersichtlich nicht nur aussagetüchtig, sondern auch vom Streben nach Wahrhaftigkeit geprägt erschien. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß ihre Bekundungen erkennbar von keiner Belastungstendenz getragen waren. Im Gegenteil suchte sie die Angekl. möglichst zu schonen – durchaus verstehbar aus ihrem Glauben an die Fähigkeiten von Wahrsagerinnen. So betonte sie immer wieder, wie nett die Angekl. zu ihr gewesen sei und wie sehr sie, die Zeugin, mit ihren Weissagungen aus Hand und Karten zufrieden gewesen sei.

Im übrigen wird der Teil der Bekundungen der Zeugin, dem zufolge die Angekl. noch bei ihrem zweiten Besuch 5000 DM haben wollte, zumindest von dem Zeugen POM I bestätigt, der das im Nebenzimmer versteckt ebenfalls gehört hat. Das läßt sich nicht einfach hinwegeskamotieren, wie dies die Verteidigung offensichtlich gerne möchte. Daß der im selben Zimmer anwesende Zeuge POM K sich daran nicht erinnern kann, erscheint durchaus verständlich, denn allzugut waren angesichts der nur einen schmalen Spalt offenen Tür die akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten der Polizeibeamten nicht – sie konnten beide jeweils nur Gesprächsfetzen auffangen. Der Zeuge I hat diesen Teil des Gesprächs aber gehört und dies bereits in seinem Protokoll vom 15. 2. 1991 festgehalten. Schlußendlich wird die Angekl. auch durch den Inhalt der Aussage der A überführt. Bei der von dieser geschilderten Demonstration mit dem rohen Ei handelt es sich nämlich um einen der Okkultkriminalistik seit langem bekannten Modus operandi krimineller Wahrsager, Hexenbanner und Teufelsaustreiber (vgl. Kruse, Hexen unter uns?, S. 112 f.). Der Trick nützt den alten Aberglauben aus, demzufolge der gelegentlich im Eidotter anzutreffende schwarze Fleck („Hahnentritt”) als “Spirifankerl” d. h. Teufelchen angesehen wird (vgl. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube in der Gegenwart, Nrn. 156, 386, 755). Das aber konnte die – ersichtlich in Volkskunde keineswegs belesene – Zeugin A beim besten Willen nicht erfinden, das hat sie tatsächlich erlebt. Entsprechend psychologisch stimmig erscheint es, daß sie beim Anblick des zerbrochenen Eis zutiefst erschrocken war. Es ist also eine altbekannte Masche betrügerischer Okkulttäter, die hier berichtet wurde, und nun wird auch klar, warum die Angekl. gerade dieses Detail in der Aussage der Zeugin so vehement ableugnet: weil es nämlich ihre betrügerische Absicht verrät. Ersichtlich sollte der alte Hexen- und Teufelsbannertrick die abergläubische Zeugin zum Glauben an einen “Teufel” im Haus beirren, um diesen dann entgeltlich wieder “austreiben” zu können. Die Angekl. ist sonach trotz ihres Leugnens im Sinne der Anklage entlarvt.

IV. Die Angekl. hat deshalb den objektiven und subjektiven Tatbestand des versuchten Betrugs erfüllt. Sie hat in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, versucht, das Vermögen einer anderen dadurch zu beschädigen, daß sie durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Irrtumerregte, Vergehen, strafbar nach §§ 263I, II, 22, 23 StGB.

a) Durch die mit dem “Ei-Beweis” untermauerte falsche Behauptung, im Haus sei ein “Teufel”, der von ihr mit 5000 DM ausgetrieben werden könne, hat die Angekl. die Zeugin A in den Irrtum versetzt, dem sei tatsächlich so. Dabei wußte die Angekl., daß sie der Zeugin eine Komödie vorspielte und daß sie keine Teufel austreiben kann. Mittels dieser Täuschung wollte sie die Zeugin dazu bewegen, ihr 5000 DM auszuzahlen, und sie um diesen Betrag schädigen.

b) Auf das Geld hatte die Angekl. keinen Anspruch. Der Einwand der Verteidigung, in einer freien Marktwirtschaft wie hierzulande müsse auch eine Vereinbarung über eine Teufelsaustreibung zu freien Preisen erlaubt sein, geht fehl, denn ein Vertragsverhältnis konnte im vorliegenden Fall gem. § 306 BGB von vornherein gar nicht zustande kommen, weil die von der Angekl. versprochene Leistung objektiv unmöglich ist. Es ist nämlich offenkundig, d. h. es wird von keinem verständigen Menschen bezweifelt, daß niemand “Teufel austreiben“ kann (vgl. Haag, Teufelsglaube, m. w. Nachw.). Okkulte Behauptungen dieser Art bewegen sich “außerhalb der allgemein geltenden Erfahrungssätze und wissenschaftlichen Erkenntnisse und damit auch außerhalb der auf den Naturgesetzen beruhenden Regeln menschlichen Zusammenlebens” (Prokop-Wimmer, Der moderne Okkultismus, 2. Aufl. (1987), S. 270 m. w. Nachw.). Derartige angebliche Fähigkeiten und Erscheinungen sind “lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstellung oder dem Wahne angehörig; sie können, als nicht in der wissenschaftlichen Erkenntnis und Erfahrung des Lebens begründet, vom Richter nicht als Quelle realer Wirkungen anerkannt werden … Wie tatsächlich, so sind sie auch rechtlich indifferent, sie fallen aus dem Kreise kausaler Veranstaltungen ganz hinaus” (RGSt 33. 322 f. – Teufelsbeschwörung). Dabei ist es gleichgültig, nach welchen “Regeln” eine “Teufelsaustreibung” erfolgen soll, ob nach dem sog. Rituale Romanum der katholischen Kirche oder nach den Zeremonien von “Zauberbüchern” („6. und 7. Buch Moses”, vgl. RGSt 33, 321). Vereinbarungen, in denen Leistungen dieser Art versprochen werden, sind nach dem Grundsatz “Impossibilium nulla obligatio” nichtig (Dig. 50, 17, 185; OLG Düsseldorf, NJW 1953, 1553 – astrologisches Horoskop; LG Kassel, NJW 1985, 1642 – Liebeszauber auf parapsychologischer Grundlage).

Der Angekl. stand also ein Anspruch auf die begehrten 5000 DM gar nicht zu, dieser von ihr erstrebte Vermögensvorteil wäre rechtswidrig gewesen. Das war ihr, wenn auch laienhaft, bewußt, denn sie hat wie gesagt eingeräumt, daß sie “niemandem den Teufel austreiben kann”.

c) Die Tat ist allerdings im Versuchsstadium steckengeblieben, da es nicht zur Auszahlung der 5000 DM-Summe gekommen ist. Straflosigkeit gem. § 24I StGB kommt nicht in Betracht, da die Angekl., wie dargelegt, die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben hat. Sie hat zwar die ihr beim ersten Besuch übergebene “Anzahlung” und die “ausgeliehene” Lederjacke zurückgegeben, aber ersichtlich nur, weil sie nunmehr die gesamten 5000 DM entgegenzunehmen gedachte. Und selbst dann noch, als die Zeugin A endgültig die Zahlung ablehnte, gab die Angekl. ihre Absicht, das Geld doch noch zu erhalten, nicht auf, wie ihre Aufforderung an Frau A zeigt, diese solle sich die Sache nochmal gut überlegen.

d) Entgegen der Auffassung der StA ist aber auch keine Vollendung durch die Herausgabe der 150 DM beim ersten Besuch eingetreten. Denn nicht auf diesen geringen Betrag, sondern auf den erst beim zweiten Besuch winkenden “großen Batzen”, die 5000 DM, hatte es die Angekl. abgesehen; die 150 DM sollten nach ihrer vorgefaßten Absicht nur als Mittel dienen, die Zeugin A bis auf weiteres bei der Stange zu halten.

Nach allem ist die Angekl. wegen eines Vergehens des versuchten Betrugs zu bestrafen. Das zuvor erfolgte Kartenlegen und Handlesen ist nach der Aufhebung des sog. Gaukeleiparagraphen strafrechtlich nicht mehr erfaßbar, obschon auch hier Betrug denkbar ist. Im allgemeinen ist jedoch anzunehmen, daß bei den insoweit üblichen sehr geringen “Honoraren” schon die “Täter” selbst davon ausgehen, daß die Kunden hier keine echten Leistungen erwarten, vielmehr – jedenfalls vorwiegend – nur jahrmarktähnliche Unterhaltung kaufen wollen, so daß schon die notwendige Täuschungsabsicht entfällt. Im übrigen sind Kartenlegen und Handlesen in vorliegendem Fall nicht Gegenstand der Anklage.

V. 1. Für die Strafzumessung war gem. § 46 StGB zunächst zu beachten, daß die Angekl. schon einmal wegen Betrugs mit Freiheitsstrafe bestraft worden ist und überdies zur Zeit der Begehung der vorliegenden neuen Tat noch unter Bewährung stand. In Übereinstimmung mit der Auffassung der StA konnte es deshalb nicht mehr mit einer Geldstrafe sein Bewenden haben, vielmehr kam nur noch eine Freiheitsstrafe in Frage.

Bei der Bemessung der Freiheitsstrafe war als straferschwerend außer der erwähnten einschlägigen Vorstrafe zunächst die Hartnäckigkeit zu werten, mit der die Angekl. an das Geld ihres Opfers heranzukommen suchte. Die dazu angewandten Schliche zeigen, daß die Angekl. mit den Tricks gewerbsmäßiger betrügerischer Gaukler durchaus vertraut ist. Strafschärfend muß auch ins Gewicht fallen, daß die Angekl. auf eine Geldsumme aus war, die für die erkennbar bedürftige Zeugin A, die ebenfalls von Sozialhilfe lebt, sehr hoch war, was auf eine einigermaßen kaltherzige Gesinnung schließen läßt, die wiederum typisch für unechte (betrügerische) Okkulttäter ist (vgl. die Fälle bei Prokop, Medizinischer Okkultismus. Paramedizin, 4. Aufl. (1977), S. 295 ff.).

Unerfreulich wirkte an sich auch die Art, wie die Angekl. Frau A als “nicht richtig im Kopf” hinzustellen versuchte, d. h. also ihr Opfer noch nachträglich zu verhöhnen schien. Doch darf dies als Teil des Einlassungsverhaltens der Angekl. hier nicht gewertet werden, ebensowenig wie das Fehlen eines Geständnisses. Mildernd war jedoch zu berücksichtigen, daß die übergroße Leichtgläubigkeit des Opfers die Angekl. in Versuchung geführt haben mag, in diesem Fall mühelos einen größeren Coup zu landen. Strafmildernd war es auch zu werten, daß es vorliegend beim bloßen Versuch geblieben ist, so daß dem Opfer letztlich größerer Schaden erspart blieb (§§ 23II, 49II StGB).

Nach Abwägung aller für und gegen die Angekl. sprechenden Umstände erschienen der Kammer sechs Monate Freiheitsstrafe als schuldangemessen, ausreichend, aber auch als notwendig, um die Angekl. von weiteren Delikten dieser Art abzuhalten.

2. Die Kammer hat diese Strafe gem. § 56I StGB nochmals zur Bewährung ausgesetzt, allerdings nicht ohne Bedenken, die auch von der StA geteilt werden, die zutreffend auf die generell ungünstige Prognose bei Täter/innen der vorliegenden Art verwiesen hat (Schäfer, Der Okkulttäter, S. 262 f.). Schließlich hat die Angekl. auch eine laufende Bewährung gebrochen. Diese Strafe ist jedoch inzwischen erlassen, allerdings wohl nur, weil die neuerliche Tat nicht bekannt geworden war. Dazu liegt die Vortat immerhin nahezu drei Jahre zurück, was wiederum prognostisch nicht ungünstig erscheint. Doch meint die Kammer, in vorliegendem Fall durch die Gestaltung von Auflagen zusätzliche Voraussetzungen dafür schaffen zu können, daß die Kriminalprognose schon allein hierdurch zum Positiven beeinflußt wird. Ausgehend von der Einlassung der Angekl., derzufolge diese sich ein Zubrot durch Jahrmarktswahrsagerei zu verdienen pflegt, das bei dem üblichen Zuschnitt sicherlich nicht unter monatlichen 600 bis 1000 DM liegt, hat sie als Bewährungsauflage festgesetzt, 21/2 Jahre lang jeden Monat 100 DM an eine gemeinnützige Einrichtung für Kinder in Not zu überweisen, bis zur Hälfte des von ihr hier durch Betrug erstrebten Betrages. Auf diese Weise wird während eines überwiegenden Teils der Bewährungszeit in ihr immer wieder die Erinnerung an ihr vorliegendes Delinquieren wachgerufen und so ein ihr Hemmungsvermögen fördernder psychischer Effekt erzielt, so daß auch hierdurch die Rückfallgefahr gemindert wird.

So gesehen dürften die besonderen Umstände geschaffen sein, die erforderlich sind, um trotz Vorliegens eines Bewährungsbruchs dennoch eine günstige Sozialprognose zu gewähleisten (vgl. die bei Dreher-Tröndle, StGB, 45. Aufl., § 56Rdnr. 6 b zit. Rspr.).

VI. Nach allem war der Berufung der StA stattzugeben und unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wie geschehen zu erkennen.“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

Gewinnspiel nicht vergessen!

17 Dez

Weihnachten steht (jetzt wirklich fast) vor der Tür, und da sollen auch unsere Leser nicht leer ausgehen! Deshalb verlosen wir unter allen, die unsere Facebook-Seite bis zum 24.12.2012 „liken“ fünfmal jeweils ein Buch aus dem Kohlhammer-Verlag (s. Bücherliste). Die Gewinner werden nach Weihnachten benachrichtigt.

Wenn der Richter schläft

17 Dez

Wer den Richter nicht weckt, hat die Revision nicht verdient, BVerwG NJW 2001, 2898 – Adventskalender (17)

Welche Konsequenzen es geben kann, wenn der Anwalt schläft, hat uns der BGH in Türchen Nr. 5 erklärt. Bei einem Richter scheint die Rechtsprechung in der Bewertung großzügiger zu sein…

„Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss derjenige, der sich darauf beruft, das Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf die wesentlichen Vorgänge in der Verhandlung ausschließen. Dabei sind der Zeitpunkt, die Dauer und die Einzelheiten des Verhaltens des Richters genau anzugeben. Weiterhin hat die Besetzungsrüge darzulegen, was während dieser Zeit in der mündlichen Verhandlung geschehen ist, welche für die Entscheidung wichtigen Vorgänge der Richter während seines „Einnickens” nicht habe erfassen können.

Die Darlegungen der Beschwerde genügen den vorgenannten Anforderungen nicht. Die Beklagtenvertreterin trägt insoweit vor: „Der ehrenamtliche Richter H. war unfähig der Verhandlung zu folgen, weil er über einen längeren Zeitraum ununterbrochen die Augen geschlossen hatte und – wie durch seine Körperhaltung, nämlich Senken des Kopfes auf die Brust und ruhiges tiefes Atmen sowie ‚Hochschrecken‘ – zum Ausdruck kam, offensichtlich geschlafen hat.” Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat sie auf einen Vermerk des ihr zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsreferendars Bezug genommen, der an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hatte und in seinem Vermerk anmerkt, „dass während nahezu der gesamten Verhandlung der ehrenamtliche Richter einnickte. Er schien der Verhandlung nicht zu folgen”.

Aus diesen mitgeteilten Beobachtungen, die weder hinsichtlich der Dauer des behaupteten Einnickens bestimmt sind noch sich inhaltlich decken und die vom Klägervertreter, der ebenfalls an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, nicht bestätigt werden, lässt sich aber, selbst wenn sie zuträfen, noch nicht sicher darauf schließen, dass der bezeichnete Richter tatsächlich über einen längeren Zeitraum geschlafen hat und der mündlichen Verhandlung nicht folgen konnte. Das Schließen der Augen über weite Strecken der Verhandlung und das Senken des Kopfes auf die Brust beweist allein nicht, dass der Richter schläft. Denn diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen werden. Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend” ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung. Derartige Beweisanzeichen hat die Beschwerde nicht in ausreichendem Maße vorgetragen. Ruhiges tiefes Atmen kann ebenfalls ein Anzeichen geistiger Entspannung oder Konzentration sein, insbesondere dann, wenn es für andere nicht hörbar erfolgt, denn gerade dies kann da-rauf schließen lassen, dass der Richter den Atmungsvorgang bewusst kontrolliert und nicht schläft. Auch das „Hochschrecken” des Richters hat die Beschwerde nicht näher geschildert, vor allem nicht dargelegt, dass er nach dem „Hochschrecken” einen geistig desorientierten Eindruck gemacht habe. „Hochschrecken” allein kann auch darauf schließen lassen, dass es sich lediglich um einen die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigenden Sekundenschlaf gehandelt hat.

Desweiteren lässt es die Beschwerde an jeglichen Darlegungen dazu fehlen, was konkret in der Phase, in der der ehrenamtliche Richter geschlafen haben soll, in der mündlichen Verhandlung geschehen ist. Wie aus dem Vermerk des Referendars ersichtlich, war die mündliche Verhandlung in mehrere Abschnitte gegliedert, nämlich Vortrag des Sach- und Streitstandes durch den Berichterstatter, Vergleichsgespräch des Vorsitzenden mit den Parteien und schließlich Verhandlung der Beteiligten zur Sache. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll, dass die von 12.48 Uhr bis 14.21 Uhr dauernde Verhandlung um 13.35 Uhr durch eine elfminütige Pause unterbrochen wurde, in der sich der Senat zu einer kurzen Zwischenberatung zurückzog. Auf welche dieser Abschnitte der mündlichen Verhandlung sich das behauptete Einnicken des ehrenamtlichen Richters bezogen haben soll, wird von der Beschwerde nicht dargelegt. Ihre Angabe, dies habe sich auf einen längeren Zeitraum bezogen, ist demnach bei weitem zu unbestimmt, um aus ihr ableiten zu können, der ehrenamtliche Richter sei bei wesentlichen Vorgängen in der mündlichen Verhandlung geistig abwesend gewesen.

Ganz offensichtlich hatte die Beklagtenvertreterin – wie sich daraus ergibt, dass sie das angebliche Schlafen des ehrenamtlichen Richters während der fast zweistündigen Verhandlung nicht zur Sprache gebracht oder beanstandet hat – auch selbst während der mündlichen Verhandlung nicht den sicheren Eindruck einer ins Gewicht fallenden geistigen Abwesenheit des ehrenamtlichen Richters. Denn es kann ihr nicht unterstellt werden, dass sie unter Verstoß gegen ihre dienstlichen Pflichten gegenüber ihrem Dienstherrn und unter Verletzung der gebotenen Verfahrensfairness einen solchen Eindruck, wenn sie sich ihrer Sache sicher gewesen wäre, nicht sogleich dem Vorsitzenden Richter mitgeteilt und um Abhilfe gebeten hätte, um sich mit diesem treu- und pflichtwidrigen Verhalten einen absoluten Revisionsgrund für den Fall des Unterliegens zu sichern.“

Es handelt sich dabei um die ständige Rechtsprechung des BVerwG zum potentiell schlafendem Richter: NVwZ-RR 2004, 325, NJW 2006, 2648, Beschl. v. 19.7.2007, 5 B 84/06.

Zuletzt hatte der BFH mit ähnlichem Fall zu tun (Beschl. v. 16.6.2009, X B 202/08):

„Der Kläger rügt, das FG sei nicht vorschriftsmäßig i.S. von § 119 Abs. 1 Nr. 1 FGO besetzt gewesen, weil davon auszugehen sei, dass ein ehrenamtlicher Richter von der gesamten Verhandlung nichts mitbekommen habe. Bereits zu Beginn der Verhandlung sei dieser Richter in tiefen Schlaf gefallen gewesen. Er habe bereits zu Anfang der mündlichen Verhandlung während des gesamten Sachvortrags geschlafen, sei allerdings erwacht, als der Prozessbevollmächtigte mit etwas lauterer Stimme dazu Stellung genommen und sich ein Gespräch entwickelt habe, um bereits nach wenigen Minuten erneut zu „ent“schlafen. Der Vorgang des Einschlafens habe sich laufend jeweils für die Dauer von ca. fünf bis zehn Minuten wiederholt, während der Zustand des Wachseins jeweils weniger als fünf Minuten angedauert habe. Dem Richter sei der Kopf auf die Brust gefallen, er sei körperlich auch zusammengesackt, habe sich nach dem Aufwachen ruckartig aufgerichtet, schamhaft mit ausdruckslosem verschlafenen Gesicht geradeaus geblickt, ohne sich mit dem Kopf dem Geschehen zuzuwenden.“

Nicht genug für den BFH, u.A. haben „der Vertreter des Finanzamts und eine im Sitzungssaal anwesende Finanzbeamtin (…) nicht bemerkt, dass einer der ehrenamtlichen Richter geschlafen habe.“

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Gerichtsbekannte Variationen der Beischlafsausführung

16 Dez

Der praktisch denkende Amtsrichter, AG Mönchengladbach NJW 1995, 884 – Adventskalender (16)

„Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Lebensgefährtin eine Urlaubsreise nach Menorca, Hotel L C, für die Zeit vom 15. bis 29. August 1990 zum Preis von 3.078,– DM gebucht. Geschuldet war die Unterbringung in einem Doppelzimmer mit Doppelbett. Der Kläger trägt vor, nach der Ankunft habe er feststellen müssen, daß es in dem ihm zugewiesenen Zimmer kein Doppelbett gegeben habe, sondern zwei separate Einzelbetten, die nicht miteinander verbunden gewesen seien. Bereits in der ersten Nacht habe er feststellen müssen, daß er hierdurch in seinen Schlaf- und Beischlafgewohnheiten empfindlich beeinträchtigt worden sei. Ein friedliches und harmonisches Einschlaf- und Beischlaferlebnis sei während der gesamten 14-tägigen Urlaubszeit nicht zustandegekommen, weil die Einzelbetten, die zudem noch auf rutschigen Fliesen gestanden hätten, bei jeder kleinsten Bewegung mittig auseinandergegangen seien. Ein harmonischer Intimverkehr sei deshalb nahezu völlig verhindert worden.

Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 20 % des Reisepreises. Der erhoffte Erholungswert, die Entspannung und die ersehnte Harmonie mit seiner Lebensgefährtin sei erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies habe bei ihm und bei seiner Lebensgefährtin zu Verdrossenheit, Unzufriedenheit und auch Ärger geführt. Der Erholungswert habe darunter erheblich gelitten.“

„Der Beklagten ist zuzugeben, daß hier leicht der Eindruck entstehen könnte, die Klage sei nicht ernst gemeint. Die Zivilprozeßordnung sieht allerdings einen derartigen Fall nicht vor, so daß es hierfür auch keine gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen gibt. (…)

Der Kläger hat nicht näher dargelegt, welche besonderen Beischlafgewohnheiten er hat, die festverbundene Doppelbetten voraussetzen. Dieser Punkt brauchte allerdings nicht aufgeklärt werden, denn es kommt hier nicht auf spezielle Gewohnheiten des Klägers an, sondern darauf, ob die Betten für einen durchschnittlichen Reisenden ungeeignet sind. Dies ist nicht der Fall. Dem Gericht sind mehrere allgemein bekannte und übliche Variationen der Ausführung des Beischlafs bekannt, die auf einem einzelnen Bett ausgeübt werden können, und zwar durchaus zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Es ist also ganz und gar nicht so, daß der Kläger seinen Urlaub ganz ohne das von ihm besonders angestrebte Intimleben hatte verbringen müssen.

Aber selbst wenn man dem Kläger seine bestimmten Beischlafpraktiken zugesteht, die ein festverbundenes Doppelbett voraussetzen, liegt kein Reisemangel vor, denn der Mangel wäre mit wenigen Handgriffen selbst zu beseitigen gewesen. Wenn ein Mangel nämlich leicht abgestellt werden kann, dann ist dies auch dem Reisenden selbst zuzumuten mit der Folge, daß sich der Reisepreis nicht mindert und daß auch Schadensersatzansprüche nicht bestehen.

Der Kläger hat ein Foto der Betten vorgelegt. Auf diesem Foto ist zu erkennen, daß die Matratzen auf einem stabilen Rahmen liegen, der offensichtlich aus Metall ist. Es hätte nur weniger Handgriffe bedurft und wäre in wenigen Minuten zu erledigen gewesen, die beiden Metallrahmen durch eine feste Schnur miteinander zu verbinden. Es mag nun sein, daß der Kläger etwas derartiges nicht dabei hatte. Eine Schnur ist aber für wenig Geld schnell zu besorgen. Bis zur Beschaffung dieser Schnur hätte sich der Kläger beispielsweise seines Hosengürtels bedienen können, denn dieser wurde in seiner ursprünglichen Funktion in dem Augenblick sicher nicht benötigt.“

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Der Mensch ist nichts besseres als ein geselliges Tier

15 Dez

Ich trinke Jägermeister. Weshalb? Mir fehlt der Scheibenkleister!, AG Köln NJW 1986, 1266 – Adventskalender (15)

Ein Klassiker (Bierkutschen-Urteil) unter den Urteilen anderer Art. Trotz einiger besorgter Stimmen („Befürchtet werden muß, daß es zu einer Welle von satirisch abgefaßten oder mit Sarkasmus überfrachteten Urteilen kommt, auch solchen, die nicht aus den Hochburgen des Karnevals oder des Faschings stammen.“, Putzo, NJW 1987, 1426), sollte es nicht den Niedergang der deutschen Rechtskultur einläuten. Hier sollen nur einige Ausschnitte des Kölner Urteils wiedergegeben werden, es empfieht sich jedoch das Werk in voller Länge zu geniessen.

„Die Bekl. haftet aber als Halterin des Pferdeteiles des Fuhrwerkes (§ 833 BGB). Das Pferd, rechtlich für sich betrachtet, ist nämlich ein Haustier, auch wenn es am Straßenverkehr teilnimmt und nicht zu Hause wohnt. Zu den Haustieren zählen nämlich alle die Tiere, die jemand „in seiner Wirtschaft“ hält (…insoweit genießt lediglich die Biene einen rechtlichen Sonderstatus, weil sie sich der Verfügungsgewalt des Imkermeisters entziehen kann, um Soldatenpferde zu stechen: RGZ 158, 388). Das schließt die Haftung der Bekl. aber nicht aus, weil die Pferde ihr nicht „zum Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt“ dienen (§ 833 S. 2 BGB). Wie der Angestellte der Bekl. Z bekundet hat, dienen sie nämlich lediglich der Reklame, indem sie leere Bierfässer herumfahren, was dem Umsatz nicht gerade förderlich ist. Die Pferde der Bekl. sind daher rechtlich ein liebenswerter Luxus, der wie vieles andere zum Kölner Lokalkolorit gehört.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat auch eines der beiden Pferde mit einem der 8 Hufe das Auto der Kl. getreten. Damit hat sich die von dem Gesetz verlangte typische Tiergefahr verwirklicht. Daß sich auch Menschen ab und zu so verhalten (vgl. dazu das Holzweg-Urteil des erkennenen Gerichts vom 4. 12. 1981 – 266 C 284/81 – Brigitte Nr. 18 v. 29. 4. 1982 sowie Expreß v. 7. 4. 1982) ist unerheblich, weil es hier auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens ankommt. Unberechenbar ist aber alles, auf das man sich leider nicht verlassen kann.

Deshalb bedurfte es auch keiner Aufklärung, ob das Pferd gegen das Auto getreten hat, weil es als Angehöriger einer Minderheit im Straßenverkehr eine Aversion gegen Blech entwickelt hat oder weil es in seiner Einsamkeit sein Herz mit schönem Klang erfreuen wollte oder ob es seinen Huf als Warnblinklicht betätigt hat, damit es mit dem liegengebliebenen Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte (§ 15 I StVO).

Auch wenn man nicht der heute weit verbreiteten Rechtsansicht huldigt, Tiere seien bessere Menschen (vgl. dazu schon Aristoteles, Politeia I, 2, wonach der Mensch nichts besseres ist als ein geselliges Tier), wäre es von dem Kutscher natürlich zu verlangen gewesen, die Pferde, anstatt sie „herrenlos“ allein im Regen stehen zu lassen, wenn schon nicht aus Gründen des „ethischen Tierschutzes“ (…), so doch wenigstens zur Beaufsichtigung (§ 833 S. 2 BGB) und um ausreichend auf sie einwirken zu können (§ 28 I 2 StVO), mit in die Postschänke hineinzunehmen. Das wäre angesichts der Kölner Verhältnisse im allgemeinen wie auch für Pferde, die den Namen einer Kölner Brauerei tragen, durchaus nichts Ungewöhnliches oder Unzumutbares gewesen. Hat doch schon einmal eine Dame, die allerdings den Namen eines Konkurrenzunternehmens der Bekl. trug, dafür gesorgt, daß 2 Pferde in einem Hause die Treppe hinauf getrappelt sind, um vom Dachboden aus einen besseren Überblick über die offenbar schon damals wenig übersichtlichen Kölner Verkehrsverhältnisse zu gewinnen (vgl. dazu Henßen-Wrede, Volk am ewigen Strom, 2. Bd., Sang und Sage am Rhein, Essen, 1935, Nr. 62 „Richmodis von der Aducht“). So weit hätte der Kutscher der Bekl. die Pferde nicht einmal laufen lassen müssen. Es hätte genügt, wenn er die Pferde mit an die Theke genommen hätte, wo sie sich als echte Kölsche Brauereipferde sicherlich wohler gefühlt hätten als draußen im Regen. Auch die Wirtin hätte sicher nichts dagegen gehabt. Denn die Rechtsregel „Der Gast geht solange zur Theke, bis er bricht“, hat bis jetzt, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung auf Pferde noch keine Anwendung gefunden.

Unter diesen Umständen konnte es offenbleiben, ob der Kutscher der Bekl. in der Postschänke tatsächlich „eine Tasse Kaffee“ getrunken hat, „weil es so kalt war“ und ob er dadurch arbeitsrechtlich gegen seinen Auftrag verstoßen hat, in jeder Lage für die Bekl. Reklame zu machen und den Umsatz zu fördern. Die Werbe-Slogans der Bekl. lauten eben, soweit das Gericht sie aufmerksam verfolgt hat, gerade nicht:

Malzbier ist besser als Schäksbier.

Zwischen Leber und Milz paßt immer noch ein Pilz

oder gar:

Ich trinke Jägermeister. Weshalb? Mir fehlt der Scheibenkleister!

Der Werbespruch der Bekl. zielt vielmehr schon vom Wortlaut her imperativ darauf ab, daß ein Mensch namens „Bester“ ihr Gebräu trinken soll. In diesem Zusammenhang hat das Gericht es allerdings noch nie recht verstanden, warum die Bekl. ihre Werbung auf den Familiennamen „Bester“ beschränkt, von dem im 1104 Seiten umfassenden Telefonbuch für Köln nur 4 Männer, aber keine einzige Frau verzeichnet sind (vgl. Telefonbuch 11 der DBP, 1984, S. 93, 2. Spalte von rechts). Insgesamt jedenfalls könnte die Bekl. mit einer gewissen Berechtigung ihrem Kutscher entgegenhalten, daß „dasjenige Bier, das nicht getrunken wird, seinen Beruf verfehlt“ (Abgeordneter Alexander Meyer am 21. 1. 1880 bei der Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Steuer vom Vertriebe geistiger Getränke).“

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