Der Mensch ist nichts besseres als ein geselliges Tier

15 Dez

Ich trinke Jägermeister. Weshalb? Mir fehlt der Scheibenkleister!, AG Köln NJW 1986, 1266 – Adventskalender (15)

Ein Klassiker (Bierkutschen-Urteil) unter den Urteilen anderer Art. Trotz einiger besorgter Stimmen („Befürchtet werden muß, daß es zu einer Welle von satirisch abgefaßten oder mit Sarkasmus überfrachteten Urteilen kommt, auch solchen, die nicht aus den Hochburgen des Karnevals oder des Faschings stammen.“, Putzo, NJW 1987, 1426), sollte es nicht den Niedergang der deutschen Rechtskultur einläuten. Hier sollen nur einige Ausschnitte des Kölner Urteils wiedergegeben werden, es empfieht sich jedoch das Werk in voller Länge zu geniessen.

„Die Bekl. haftet aber als Halterin des Pferdeteiles des Fuhrwerkes (§ 833 BGB). Das Pferd, rechtlich für sich betrachtet, ist nämlich ein Haustier, auch wenn es am Straßenverkehr teilnimmt und nicht zu Hause wohnt. Zu den Haustieren zählen nämlich alle die Tiere, die jemand „in seiner Wirtschaft“ hält (…insoweit genießt lediglich die Biene einen rechtlichen Sonderstatus, weil sie sich der Verfügungsgewalt des Imkermeisters entziehen kann, um Soldatenpferde zu stechen: RGZ 158, 388). Das schließt die Haftung der Bekl. aber nicht aus, weil die Pferde ihr nicht „zum Berufe, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt“ dienen (§ 833 S. 2 BGB). Wie der Angestellte der Bekl. Z bekundet hat, dienen sie nämlich lediglich der Reklame, indem sie leere Bierfässer herumfahren, was dem Umsatz nicht gerade förderlich ist. Die Pferde der Bekl. sind daher rechtlich ein liebenswerter Luxus, der wie vieles andere zum Kölner Lokalkolorit gehört.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat auch eines der beiden Pferde mit einem der 8 Hufe das Auto der Kl. getreten. Damit hat sich die von dem Gesetz verlangte typische Tiergefahr verwirklicht. Daß sich auch Menschen ab und zu so verhalten (vgl. dazu das Holzweg-Urteil des erkennenen Gerichts vom 4. 12. 1981 – 266 C 284/81 – Brigitte Nr. 18 v. 29. 4. 1982 sowie Expreß v. 7. 4. 1982) ist unerheblich, weil es hier auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens ankommt. Unberechenbar ist aber alles, auf das man sich leider nicht verlassen kann.

Deshalb bedurfte es auch keiner Aufklärung, ob das Pferd gegen das Auto getreten hat, weil es als Angehöriger einer Minderheit im Straßenverkehr eine Aversion gegen Blech entwickelt hat oder weil es in seiner Einsamkeit sein Herz mit schönem Klang erfreuen wollte oder ob es seinen Huf als Warnblinklicht betätigt hat, damit es mit dem liegengebliebenen Fahrzeug rechtzeitig als stehendes Hindernis erkannt werden konnte (§ 15 I StVO).

Auch wenn man nicht der heute weit verbreiteten Rechtsansicht huldigt, Tiere seien bessere Menschen (vgl. dazu schon Aristoteles, Politeia I, 2, wonach der Mensch nichts besseres ist als ein geselliges Tier), wäre es von dem Kutscher natürlich zu verlangen gewesen, die Pferde, anstatt sie „herrenlos“ allein im Regen stehen zu lassen, wenn schon nicht aus Gründen des „ethischen Tierschutzes“ (…), so doch wenigstens zur Beaufsichtigung (§ 833 S. 2 BGB) und um ausreichend auf sie einwirken zu können (§ 28 I 2 StVO), mit in die Postschänke hineinzunehmen. Das wäre angesichts der Kölner Verhältnisse im allgemeinen wie auch für Pferde, die den Namen einer Kölner Brauerei tragen, durchaus nichts Ungewöhnliches oder Unzumutbares gewesen. Hat doch schon einmal eine Dame, die allerdings den Namen eines Konkurrenzunternehmens der Bekl. trug, dafür gesorgt, daß 2 Pferde in einem Hause die Treppe hinauf getrappelt sind, um vom Dachboden aus einen besseren Überblick über die offenbar schon damals wenig übersichtlichen Kölner Verkehrsverhältnisse zu gewinnen (vgl. dazu Henßen-Wrede, Volk am ewigen Strom, 2. Bd., Sang und Sage am Rhein, Essen, 1935, Nr. 62 „Richmodis von der Aducht“). So weit hätte der Kutscher der Bekl. die Pferde nicht einmal laufen lassen müssen. Es hätte genügt, wenn er die Pferde mit an die Theke genommen hätte, wo sie sich als echte Kölsche Brauereipferde sicherlich wohler gefühlt hätten als draußen im Regen. Auch die Wirtin hätte sicher nichts dagegen gehabt. Denn die Rechtsregel „Der Gast geht solange zur Theke, bis er bricht“, hat bis jetzt, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung auf Pferde noch keine Anwendung gefunden.

Unter diesen Umständen konnte es offenbleiben, ob der Kutscher der Bekl. in der Postschänke tatsächlich „eine Tasse Kaffee“ getrunken hat, „weil es so kalt war“ und ob er dadurch arbeitsrechtlich gegen seinen Auftrag verstoßen hat, in jeder Lage für die Bekl. Reklame zu machen und den Umsatz zu fördern. Die Werbe-Slogans der Bekl. lauten eben, soweit das Gericht sie aufmerksam verfolgt hat, gerade nicht:

Malzbier ist besser als Schäksbier.

Zwischen Leber und Milz paßt immer noch ein Pilz

oder gar:

Ich trinke Jägermeister. Weshalb? Mir fehlt der Scheibenkleister!

Der Werbespruch der Bekl. zielt vielmehr schon vom Wortlaut her imperativ darauf ab, daß ein Mensch namens „Bester“ ihr Gebräu trinken soll. In diesem Zusammenhang hat das Gericht es allerdings noch nie recht verstanden, warum die Bekl. ihre Werbung auf den Familiennamen „Bester“ beschränkt, von dem im 1104 Seiten umfassenden Telefonbuch für Köln nur 4 Männer, aber keine einzige Frau verzeichnet sind (vgl. Telefonbuch 11 der DBP, 1984, S. 93, 2. Spalte von rechts). Insgesamt jedenfalls könnte die Bekl. mit einer gewissen Berechtigung ihrem Kutscher entgegenhalten, daß „dasjenige Bier, das nicht getrunken wird, seinen Beruf verfehlt“ (Abgeordneter Alexander Meyer am 21. 1. 1880 bei der Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Steuer vom Vertriebe geistiger Getränke).“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

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