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Menschenrechte in Russland

25 Apr

Vortrag: Die aktuelle Rechtsentwicklung in Russland, Vortrag von Dr. Anton Burkov, Universität Jekaterinburg

Do., 02. Mai 2013, 19.00 Uhr im Lew Kopelew Forum, Neumarkt 18a, Köln

Einführung: Prof. Dr. Caroline von Gall, Institut für Ostrecht der Universität zu Köln
Moderation: Maria Birger, Lew Kopelew Forum-Beirat

Dr. Anton Burkov, Jg. 1976, ist Rechtsanwalt mit Spezialgebiet Menschenrechte. Er hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Fälle gegen Russland vertreten und streitet gegenwärtig vor dem russischen Verfassungsgericht über das Wahlgesetz. 1999 absolvierte er die Staatliche Juristische Hochschule im Ural, 2002 war er Stipendiat an der Columbia University, USA; 2004 an der University of Essex, UK. Promoviert hat er 2005 an der Staatlichen Universität in Tumen/Russland und 2009 an der Universität Cambridge. Heute ist er Leiter des Instituts für Europäisches und Vergleichendes Recht an der Geisteswissenschaftlichen Universität in Jekaterinburg, Direktor des Menschenrechtsprogramms „I’ve Got Rights“, Leiter des Russlandbüros von Management Systems International Inc. USA und juristischer Berater der NGO „Sutajnik“/Jekaterinburg. Dr. Burkov ist Autor von zahlreichen Artikeln und Büchern zum europäischen und russischen Menschenrechtsschutz.

Veranstaltung in russischer Sprache mit der Übersetzung von Nadja Simon

KC Rebell im LG Wuppertal – „Zukünftig will das Gericht auch die Drehbücher lesen“ (Bild)

18 Apr

Einer Quelle nach hätte das Gericht keine Kenntnis vom Songtext gehabt. Eine andere sagt, er wäre zur Abnahme vorgelegen. Um dieses Lied geht es: „Anhörung“ (Video/Text) des Rapper KC Rebell. Der im Video wegen schweren Raubs vorbestrafte Angeklagte wird vom Richter belehrt und sagt aus! Frauen („Meine Ex ist ‘ne Fotze“), Homosexuelle („Ich nehme kein Hintereingang, wenn es auch vorne geht“) und schließlich die Justiz („Fick den Richter“) werden beleidigt.

KC Rebell bzw. die Produzenten haben es irgendwie geschafft, eine Genehmigung für den Dreh zu bekommen. Und da fragt man sich: Wenn man davon ausgeht, dass der Text dem Gericht tatsächlich unbekannt war, warum wurde er genehmigt? Die Gerichte üben bei der Erteilung solcher Genehmigungen ihr Hausrecht aus, und haben einen bestimmten Spielraum.

Gegenüber der Bild zeigte FDP-Sprecher Dirk Wedel sich entsetzt: „Es muss sichergestellt werden, dass sich das nicht wiederholt“. Auch NRW-Justizminister Thomas Kutschaty fordert mehr Kontrolle, auf jeden Fall die vorherige Kenntnisnahme des Drehbuchs oder Skriptes.

Schön und gut. Aber hatten wir nicht schon mal dieses Thema? Vor fast drei Jahren kam das OLG Köln mit einem ähnlichen Problem in die Schlagzeilen. Der Rapper Xatar hatte 2007 ebenfalls eine Genehmigung für Dreharbeiten im OLG zu seinem Lied „§ 31“ bekommen (Video), das sich um den Aufklärungsgehilfen im BtMG handelt. „(…) für Anwalt und Richter ich hab nichts zu berichten, denn nur Gott kann mich richten“, heisst es dort unter anderem.

Fehler wiederholen sich. In Gerichtsälen werden doch nicht ständig Videos gedreht, so dass man vielleicht ein Auge zudrücken könnte, und die Fehleinschätzung einfach einräumt. Gerade weil man mit solchen Genehmigungen sehr sparsam umgeht, sollte man besonders vorsichtig sein, und sich zumindest den Inhalt des in Betracht kommenden Videos zeigen lassen. Natürlich kann man auch nicht immer die ganze Tragweite eines Liedes nur aus dessen Text entnehmen, so dass eine regelmäßige Kontrolle der Dreharbeiten vor Ort auch wünschenswert wäre. Allerdings ist die Aussage, das Gericht hätte keine Kenntnis von dem Drehbuch gehabt, nur der Ausdruck eines grob fahrlässigen Verhaltens.

Erniedrigungen zum Semesteranfang: strafbar?

12 Apr

Das Sommersemester an der Uni Köln hat diese Woche begonnen. Für Erstsemestler bedeutet dies einen neuen Lebensabschnitt. Ab dem zweiten Semester fühlt man sich schon sicherer und kann es nicht lassen, ab und zu einem „Kleinen“ zu zeigen, wie unerfahren er noch ist. Ganz neu eben.

In Frankreich gehört es schon lange zur Tradition, insbesondere im elitären Hochschulmilieu, die neuen Jahrgänge mit einer Reihe von „Prüfungen“ zu begrüßen. Wer „dazu“ gehören will, muss da durch! Dabei kann es sich um harmlose Spielchen handeln, aber auch hin bis zu Beleidigungen, Körperverletzungen, Erpressungen. Einige aktuelle Beispiele aus dem vergangenen Oktober:

  • Militärschule Saint-Cyr: nächtliches Überqueren eines Weihers bei „Ausfall“ der Lichtanlage: ein Toter
  • Universität Poitiers: Studenten bedroht und gezwungen, nackt und vorher beschmutzt, den Kopf in einen Behälter mit ekelhaftem Inhalt zu halten
  • Universität Lille: Vergewaltigung (Vorliegen eines Einverständnisses des Opfers noch ungeklärt)

Um dieser Tendenz entgegenzuwirken wurde diese Art von Misshandlungen besonders pönalisiert. 1998 wurden Artikel 225-16-1 ff. in das französische Strafgesetzbuch eingefügt. Art. 225-16.1 Code Pénal lautet:

Hors les cas de violences, de menaces ou d’atteintes sexuelles, le fait pour une personne d’amener autrui, contre son gré ou non, à subir ou à commettre des actes humiliants ou dégradants lors de manifestations ou de réunions liées aux milieux scolaire et socio-éducatif est puni de six mois d’emprisonnement et de 7 500 euros d’amende.

Auf Deutsch etwa:

Soweit es sich nicht um die Fälle von Gewalttätigkeiten, Drohungen oder sexuellen Übergriffen handelt, wird derjenige, der einen anderen, gegen dessen Willen oder nicht, dazu veranlasst, sich bei Veranstaltungen oder Versammlungen in schulischen oder sozio-pädagogischen Kreisen erniedrigenden oder entwürdigenden Handlungen zu unterziehen oder diese zu begehen, mit sechs Monaten Gefängnis und 7.500 € Geldstrafe bestraft.

Eigentlich waren solche Handlungen schon seit dem 20. Oktober 1928 offiziell verboten, zumindest in den Schulen und Universitäten. Die Schul- bzw. Hochschuldirektoren wurden, mit Verweis auf ihre disziplinären Plichten damit beauftragt, für die Einhaltung dieses Verbots zu sorgen.

1994 wurde aber festgestellt, dass trotz dieses Verbots immer noch ein Viertel der Studenten (etwa 100.000 pro Jahr) misshandelt wurden.

Die Pönalisierung dieses Verhaltens sollte somit einen weiteren Schritt zur Vermeidung dieser Rituale darstellen. Mehr als eine symbolische Bedeutung ist aber der Vorschrift kaum zu entnehmen. Kommt es tatsächlich zu Gewalttätigkeiten, Drohungen oder sexuellen Übergriffen, so ist der Anwendungsbereich der Norm nicht eröffnet. Normtauglich sind lediglich „erniedrigende und entwürdigende Handlungen“. Was darunter zu verstehen ist bis heute noch unsicher. Die Tathandlung des „Veranlassens“ wird auch nicht näher definiert. Ist ein „Veranlassen“ weniger als eine „Verleitung“? Reicht die Schaffung einer Tatgelegenheit aus? Die Rechtsprechung liefert darauf keine Antworten, da die Norm in der Praxis kaum eine Rolle spielt.

Ebenfalls anzumerken ist die Tatsache, dass sich die Vorschrift auf das „schulische oder sozialpädagogische“ Milieu beschränkt. Es mag sein, dass diese Tradition ihren Ursprung in diesen Kreisen findet, heutzutage ist aber diese Praxis auch in anderen Bereichen präsent (vor allem das Militär, Bsp. aus Deutschland: BVerwG NJW 2001, 2343).

In Deutschland wird das Problem der Mutprobe vor allem bei der objektiven Zurechnung im Rahmen der Selbstgefährdung des Opfers diskutiert, wobei dies in Frankreich für diesen Tatbestand gerade irrelevant ist.

Gericht und Verteidigung – Konflikte in der Hauptverhandlung

10 Apr

Hörsaal A2 im Hörsaalgebäude (Uni Köln), 16. April 2013, 19.00 Uhr

Für die nächste Diskussionsveranstaltung des Vereins zur Förderung des ISS zum Thema „Gericht und Verteidigung – Konflikte in der Hauptverhandlung“ sind als Referenten der ehemalige Vorsitzender Richter des Staatsschutzsenates am OLG Düsseldorf, Ottmar Breidling, und Strafverteidiger Prof. Norbert Gatzweiler eingeladen (zum Thema schon beide Referenten in StraFo 2010, 397 ff.).

Neue Ermittlungen zu NS-Verbrechen: drei Fragen

8 Apr

Die Bild titelt: ERMITTLER KENNEN NAMEN UND ADRESSEN – 20 Fahnder jagen 50 KZ-Aufseher. Kommt also noch der letzte große Prozess zu NS-Verbrechen?

Möglich ist es, da nicht nur in Ludwigsburg, sondern auch in diversen Staatsanwaltschaften zu NS-Verbrechen ermittelt wird, z.B. gegen J. Kalymon in München, oder J. Breyer in Weiden i.d. Oberpfalz. Bei der regen Berichterstattung der letzen Tage sind drei Kernfragen jedoch einwenig untergegangen.

1. neue Rechtslage?

Auch wenn seit dem Demjanjuk-Verfahren in der Presse immer wieder von „juristischem Novum“ (SZ Magazin, 23.4.2010, S. 15) die Rede ist, hätte man aus rechtlicher Sicht gegen Wachmänner aus Vernichtungs- und Konzentrationslagern auch früher ermitteln können. Subsumiert man den Sachverhalt eines Vernichtungslagers, liegen alle Voraussetzungen der Beihilfe vor: rechtswidrige Haupttat und eine Hilfeleistung, die für den Taterfolg förderlich ist. Alleine die Anwesenheit der Wachmänner im Lager, ermöglichte den Tatausführenden das tägliche Morden, was st. Rspr. des BGH ist (vgl. nur NStZ 1995, 490). Die Teilnahme des Lagerpersonals wurde entsprechend in Verfahren zu Sobibor (LG Hagen, 1966) oder Majdanek (LG Düsseldorf, 1981) treffend als funktionelle Mitwirkung bezeichnet:

„In den einzelnen Fällen haben die jeweils damit befassten Angeklagten durch ihre funktionelle Mitwirkung zusammen mit anderen SS-Angehörigen die Tötungen ursächlich ermöglicht. Keiner von ihnen war dabei überflüssig; alle waren auf dem Platz, auf den sie gestellt waren, notwendig, um als tatnahe Mitwirkende des betreffenden Geschehens das Funktionieren der „Mordmaschinerie“ zu gewährleisten. Jeder einzelne war zwar wie alle Angehörige des Kommandanturstabes, um bei dem Bild zu bleiben, nur „ein Rad im Getriebe“ des Lagers; die Auswechselbarkeit eines solchen „Rades“, d.h. die denkbare Ersetzung eines Angeklagten durch einen anderen SS-Angehörigen (…), vermag an der gegebenen Kausalkette aber nichts zu ändern.“ – LG Düsseldorf vom 30.06.1981, 8 Ks 1/75

Interessanter ist also die Frage, warum erst jetzt gegen diese „kleineren“ Teilnehmer von NS-Verbrechen ermittelt wird. Eine der Antworten ist die Ausgangslage nach dem Krieg, die typisch ist für Länder nach einen totalitären und verbrecherischen System. Bei konsequenter Anwendung des Strafrechts hätte die deutsche Justiz gegen tausende von Männern und Frauen ermitteln müssen, die Ende der 50er ansonsten nicht vorbestraft und in der Gesellschaft integriert waren…(siehe dazu das Schlussplädoyer von Cornelius Nester im Demjanjuk-Verfahren).

2. weitere Tätergruppen?

Neben Wachmännern in Vernichtungs- und Konzentrationslagern, kommen auch Mitglieder aller Einheiten (Einsatzgruppen, Waffen-SS, Ordnungspolizei, Wehrmacht, etc.) in Betracht, die bei Erschießungen oder Gaswageneinsätzen z.B. als Absperrposten eingesetzt worden sind. Bisher wurden gegen solche Personen nicht systematisch ermittelt, obwohl sie in vielen Verfahren als Belastungszeugen fungierten. Ebenfalls ist eine Ermittlung bei Teilnahmen an sog. „Ghetto-Liquidierungen“ und Zugtransporten in die Todeslager möglich, wenn Kenntnis über das weitere Schicksal der Opfer nachgewiesen werden kann.

3. viele Verfahren?

50 Verfahren nur für Auschwitz? Wohl kaum. Neben Sachverhaltsfragen (Wurden Menschen in KZ’s genau so systematisch wie in Vernichtungslagern getötet?) und materiell-rechtlichen Problemen, die sowohl Ermittlungen, als auch Prozess verlangsamen, oder gar stoppen könnten (bsp. doppelter Gehilfenvorsatz, eventuelle Mordmerkmale, Überprüfung eines sog. Befehlsnotstandes), kommen noch rein praktische dazu. Die Beschuldigten sind potentiell verhandlungsunfähig, ja sogar das hohe Alter an sich kann in einem solchen Fall ein Verfahrenshindernis sein (BGHSt. 49, 189). Schließlich ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten anzufordern, was das Verfahren deutlich verlangsamt.

Fazit

Auch wenn es heute (leider) nicht 20 Fahnder sind, so ist die neuste Aktivität der Ludwigsburger Behörde erfreulich. Als Providurium, Übergangslösung für ein vermeintlich schnell zu lösendes Problem eingerichtet, hat die „Zentrale Stelle“, obwohl keine Staatsanwaltschaft, durch ihre Ermittlungsarbeit für Achtungserfolge gesorgt. Schon immer schwamm man gegen den Strom, früher gegen die Gesellschaft, die die Verbrechen vergessen wollte, heute gegen die übrige Justiz, die den Sinn von NS-Verfahren immer häufiger bezweifelt. Ohne ihre Ermittlungsergebnisse in Form von Vernehmungen, Gutachten und Vemerken wäre die historische Erfassung von NS- und Kriegsverbrechen in ihrer Form nie möglich gewesen.

Zum weiterlesen: Umansky, Geschichtsschreiber wider Willen? Einblick in die Quellen der „Außerordentlichen Staatlichen Kommission“ und der „Zentralen Stelle“, in: Nußberger/von Gall, Bewusstes Erinnern und bewusstes Vergessen, Tübingen 2011, S. 347ff.

Aprilscherz = Kündigungsgrund?

1 Apr

Nein, aber je übertriebener der Scherz desto besser. So zumindest der österreichische Oberste Gerichtshof, der sich mit dieser Frage 1976 beschäftige (VersR 1981, 743). Der Mitarbeiter einer Versicherungsfirma schickte zwei Telegramme an die österreichische Vertretung der Firma mit folgendem Inhalt:

„… versicherte Yacht (…) beschädigt durch treibenden Baumstumpf, manövrierunfähig herumtreibend, dadurch verursachend Kollisionen von mehreren kleineren Booten: Diese Anballung von Booten trieb in den Hafendamm der Reichsbrücke und verursachte Brüche und teilweise Aufstauung der bereits durch Schneeschmelze hochwasserführenden Donau. Zwei zur Rettung im Einsatz befindliche Hubschrauber stießen in der Verwirrung zusammen. Brennende Ölstäbe auf steigendem Hochwasser, das tiefgelegene Gebiet rasch überflutet und Schäden an Liegenschaften, Vieh, Flughafen X. und Anbaufläche im allgemeinen verursacht; Ölraffinerie S. gefährdet, Straßen-, Schienen und Flußtransport durch Überflutung und Feuer zum Erliegen gebracht. Allgemeine Rauchwolken und Energieausfall haben Flughafen außer Betrieb gesetzt – laut letzten polizeilichen Weisungen muß Agentur vor 12 Uhr mittag Ihre Zeit evakuiert werden. Erbitte klare Instruktionen dringend per Fernschreiben, bevor sämtliche Verbindungen unterbrochen sind.“

„Ansteigendes Hochwasser haben die Trümmer über die Brücke geschwemmt und dadurch die Stauwirkung beseitigt. W. normalisiert sich raschest. Hauptsorge, daß Kommunisten, welche die brennende Plastikmasse im Durchmesser von 60 Fuß gesichtet haben, rasen in Richtung Schwarzmeer-Raffinerien auf Überflutungsboje mit 15 Fuß Durchmesser, und Auslösung von Großalarm wäre zu befürchten. Kosten schließen eingehendere Beschreibung aus, jedoch löst sich die Situation glücklicherweise von selbst. Wir erwarten von Ihnen nur mögliche Bestätigung. Dies ist ein Vormittag, den wir niemals vergessen werden…“

Zwei Wochen später wurde dem Angestellten wg. Vertrauensunwürdigkeit gekündigt. Der OGH beurteilte das Vorgehen als rechtswidrig und stellte fest, dass man als AG von einem Aprilscherz ausgehen konnte, da die „Telegramme, doch sehr starke und auch für Menschen, die mit den örtlichen Verhältnissen nicht vertraut sind, auffällige Übertreibungen“ beinhalteten.

Anders sieht es aber aus, wenn man eine abermalige Abmahnung, als abermaligen „Aprilscherz“ bezeichnet. Hier kann der AG, laut LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 14.11.2006, 1 Sa 1/06), davon ausgehen, dass der AN seine Anweisungen nicht ausführen wird und eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist.

Perlen aus der Vorlesung

26 Mär

Aus der Vorlesung von Frau Prof. Dauner-Lieb:

Professor in der Vorlesungspause zu einem Studierenden: „Ich bin ein wenig gekränkt, dass Sie in meiner Vorlesung schlafen und auch noch schnarchen.“

Antwort des Studierenden: „Bitte nehmen Sie das doch nicht persönlich, das mache ich in den anderen Vorlesungen auch.“

Bodennebel in der Anfängerklausur: „Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises könnte sich aus Anfechtung gemäß § 123 ergeben, dies setzt einen wirksamen Kaufvertrag voraus.“

Klarstellung unerwünscht: Pjöngjang, Washington und der Erstschlag

20 Mär

Gastbeitrag von Dr. Björn Schiffbauer

Nordkorea beherrschte wieder einmal die Schlagzeilen der Weltnachrichten. Es begann an einem Donnerstag Anfang März. Der Zeitpunkt könnte mit Bedacht gewählt worden sein, denn die Welt blickte noch nicht auf die Papstwahl, sondern war für düstere Nachrichten empfänglich. Eine dieser Nachrichten am 7. März 2013 war: Pjöngjang hat den USA einen atomaren Erstschlag angedroht. „Solange die USA einen Atomkrieg anstreben, haben unsere revolutionären Streitkräfte das Recht auf einen präventiven Atomschlag“, wird eine Sprecherin des nordkoreanischen Außenministeriums von der Nachrichtenagentur KCNA zitiert. Offenbar zur Stützung dieser Drohung sprach das Regime Presseberichten zufolge einen Tag später die Kündigung eines Nichtangriffspaktes mit Südkorea aus. (Es ist allerdings unklar, ob damit die wichtige Waffenstillstandsvereinbarung zur Beendigung des Korea-Krieges von 1953 oder – wahrscheinlicher – ein weniger prominentes Abkommen aus dem Jahr 1991 gemeint war.) Zudem kappte der Norden Kommunikationslinien mit dem Süden und forciert nun nach eigenen Angaben den Ausbau seines Atomprogramms umso dringlicher. All diese Gebärden fallen in eine Zeit, in welcher der UN-Sicherheitsrat seine Sanktionen gegen den kommunistischen Staat verschärft hat. Dies mag der politische Grund für solches Säbelrasseln sein; ob Nordkorea allerdings tatsächlich das Potential für einen Atomschlag besitzt, ist nach derzeitigem Kenntnisstand zweifelhaft. Gleichwohl hat dessen unverblümte Androhung weltweit für Unruhe gesorgt.

Südkorea zeigt sich zwar nach außen hin unbeeindruckt; an lautes Gepolter aus Pjöngjang hat man sich längst gewöhnt. Die ungewöhnliche Schärfe der Drohung indes dürfte man registriert haben, die Alarmbereitschaft im Süden ist wohl kaum gesunken. Auch die USA geben sich offiziell gelassen, werden aber dennoch ihr Raketenabwehrsystem an der gesamten Westküste mit nicht geringem Aufwand verstärken. Nordkorea, so scheint es, darf sich wohl doch ein wenig ernstgenommen fühlen.

Unabhängig von alldem ruft die vordergründig politische Polemik Nordkoreas in einem größeren Kontext aber vor allem das Völkerrecht auf den Plan. Immerhin wird ausdrücklich „das Recht auf einen präventiven Atomschlag“ beansprucht! Dem Wortlaut dieser staatlich zurechenbaren Äußerung ist zu entnehmen, dass Nordkorea glaubt, sich innerhalb der Grenzen völkerrechtlich legaler Gewaltanwendung zu bewegen, wenn es mit Atomwaffen gegen die USA vorgeht, ohne dass das Land selbst bereits Opfer eines bewaffneten Angriffs geworden wäre. Dies verlangt nach einer genaueren Betrachtung. Denn das Völkerrecht ist eine Rechtsmaterie, die sich ständig im Fluss befindet und durch von Rechtsüberzeugung getragener Staatenpraxis bestätigt, verändert und erweitert werden kann. Dies ist das Prinzip von Völkergewohnheitsrecht. Doch auch völkerrechtliche Verträge wie etwa die UN-Charta werden durch spätere Staatenpraxis in ihrer Auslegung häufig konkretisiert. Zu beidem könnte Nordkorea – womöglich ungewollt – durch seine jüngste Rhetorik beigetragen haben.

Die Erklärung des Außenministeriums liest sich vereinfacht so: „Wir dürfen die USA mit Atomwaffen angreifen, bevor sie das gleiche mit uns tun.“ Obwohl schlagzeilenträchtig, ist der nukleare Zusammenhang hier eher zweitrangig. Denn die Frage, ob Nordkorea „präventiv“ gegen die USA Gewalt anwenden darf, hat grundsätzlich nichts mit der Art und Beschaffenheit der eingesetzten Waffen zu tun. Zweifellos sind Atomwaffen das größte von Menschen geschaffene Übel; die ganze Welt könnte durch die Kraft der existierenden Nuklearsprengsätze pulverisiert werden. Jedoch stellte der Internationale Gerichtshof bereits 1996 in seinem Gutachten zur Legalität der Anwendung von Atomwaffen fest, dass deren Einsatz im Falle von Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta nicht prinzipiell untersagt ist. Vielmehr unterliegt die Form der Gewaltanwendung immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zumindest wenn die Existenz eines Staates bedroht ist, könnten deshalb auch Atomwaffen zum Einsatz kommen. Ob dies auch im Falle Nordkoreas in Frage käme, darf stark bezweifelt werden. Die Erklärung des Außenministeriums impliziert dies allerdings, immerhin bemüht sie einen drohenden „Atomkrieg“. Einen solchen horribile dictu unterstellt, dürften wohl auch Atomwaffen zur Verteidigung eingesetzt werden.

Doch zurück zum zwischenstaatlichen Selbstverteidigungsrecht. Darf Nordkorea einer kolportierten amerikanischen Gewalthandlung mit eigener Gewalt zuvorkommen? Die völkerrechtliche Antwort auf diese Frage verbirgt sich im umstrittenen Institut der sogenannten „vorbeugenden Selbstverteidigung“. Seinen Ursprung hat dieses in einer anderen Zeit, gleichwohl aber an einem bekannten Ort: den USA. Im Jahre 1837 kam es zwischen dem noch jungen amerikanischen Staat und der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien zu einem gewaltsamen Zwischenfall auf dem Niagara-Fluss. Das Dampfschiff „Caroline“ wurde von britischen Truppen in Brand gesteckt und in den Niagara-Fällen versenkt, weil sich US-amerikanische Aufständische im Begriff befunden haben sollen, die damals britische Provinz Oberkanada anzugreifen. Die diplomatische Aufarbeitung dieses Vorfalls brachte eine nach dem US-Außenminister Daniel Webster benannte Formel hervor, nach der vorbeugende Gewaltanwendung legal ist im Falle einer „necessity of self-defense, instant, overwhelming, leaving no choice of means, and no moment for deliberation“. Dieses Zitat hat Zeitwenden und Kriege überlebt. Noch heute wird es in Verbindung mit dem Selbstverteidigungsrecht aus Artikel 51 der UN-Charta wiedergegeben. Die heute herrschende Meinung im Völkerrecht erkennt demnach ein Recht zu vorbeugender Selbstverteidigung an, wenn ein Angriff zeitlich unmittelbar bevorsteht oder aber es höchst wahrscheinlich ist, dass ein Angriff in jedem Moment stattfinden kann. Einfach ausgedrückt: Ein Angriffsobjekt muss nicht auf eine Verletzung warten, sondern darf den Auslöser eines ansonsten eintretenden Schadens gewaltsam beseitigen, wenn andere Mittel nicht in Betracht kommen.

Doch was bedeutet dies für Nordkorea? Wenn das Land von den Waffen der USA anvisiert wird, dürfen die Generäle um Kim Jong Un zuschlagen. Danach sieht es aber zur Zeit nicht aus. Obwohl die USA gemeinsam mit Südkorea regelmäßig Seemanöver an der koreanischen Halbinsel vollziehen, gibt es keine Anzeichen dafür, dass die USA – zumal in Eigenregie – Nordkorea attackieren würden. Dagegen spricht allein die in diesem Fall recht gute Kooperation mit den übrigen Vetomächten im UN-Sicherheitsrat, die man im Falle eines Alleingangs aufs Spiel setzen würde. Der Sicherheitsrat selbst dürfte hier eher das Zünglein an der Waage spielen: Bleiben seine Sanktionen weiterhin wirkungslos, könnte er zu noch härteren Mitteln greifen. Kapitel VII der UN-Charta ermächtigt ihn nämlich, eine Resolution zu erlassen, die zu einem gewaltsamen Eingreifen in Nordkorea ermächtigt. Käme es dazu, stünde zweifellos fest, dass Nordkorea mit einem Eingreifen fremder Staaten zu rechnen hat. Doch hätte es dann kein Selbstverteidigungsrecht, weil Resolutionen des Sicherheitsrats stets Vorrang haben.

Was auch kommen mag, die sachlichen Voraussetzungen für einen völkerrechtskonformen Erstschlag Nordkoreas liegen in diesen Tagen nicht vor. Da aber die Erklärung Nordkoreas dennoch rechtlich relevant ist und mit der herrschenden Meinung im Völkerrecht übereinstimmt, wird diese dadurch bestärkt. Denn, wie oben erwähnt, ist dies beachtliche Staatenpraxis für die Entwicklung (oder Festigung) einzelner völkerrechtlicher Institute.

Nun lohnt es sich, noch einen Schritt weiter zu denken. Denn nach der gegenwärtigen Tatsachenlage könnte das Pendel des vorbeugenden Selbstverteidigungsrechts nämlich in Richtung USA hinüberschwingen. Nimmt man die Erklärung Nordkoreas ernst, so ist deren Staatsführung jederzeit willens und bereit, einen (atomaren) Schlag gegen die USA einzuleiten. Ein solcher wäre eine völkerrechtswidrige Gewaltanwendung, nämlich ein klassischer bewaffneter Angriff nach Artikel 51 der UN-Charta. In diesem Fall stünde den USA das Recht auf vorbeugende Selbstverteidigung unter den eben genannten Voraussetzungen zu. Die USA müssten also nachweisen, dass Nordkorea (entgegen bisheriger Erkenntnisse) das Potential für einen solchen Angriff besitzt und tatsächlich hinreichend konkretisierte Vorbereitungen getroffen hat, die nur in einen Angriff münden können. Die bisherige Kriegsrhetorik genügt für eine solche Annahme freilich nicht. Spannender würde es allerdings, wenn Nordkorea tatsächlich sein Atomprogramm nennenswert und schlagkräftig fortentwickelt sowie seine Feindseligkeit nach Außen unmissverständlich (etwa durch Abbruch bedeutsamer diplomatischer Beziehungen und sämtlicher Verhandlungen mit Drittstaaten) zum Ausdruck bringt. Käme es dazu, müsste die Sachlage wohl insgesamt noch einmal neu bewertet werden. Jedenfalls wäre ein amerikanischer Schlag (nur!) als letzter Ausweg rechtmäßig und dann gerade kein – völkerrechtswidriger – „preemptive strike“ gegen eine bloß potentielle Gefahr, wie man ihn aus den Doktrinen des Ex-Präsidenten Bush jun. kennt.

Nicht nur für Völkerrechtler wäre eine Reaktion der USA mit Spannung zu erwarten. Denn zwischen legaler vorbeugender Selbstverteidigung bei einem unmittelbar bevorstehenden Angriff und illegaler Gewalt gegen eine nur potentielle Gefahr besteht eine völkerrechtliche Grauzone, die durch Staatenpraxis einen entsprechenden Anstrich erfahren könnte. Entschließen sich die USA nämlich für ein gewaltsames Vorgehen gegen Nordkorea, ohne dass dessen Generäle die letzten Angriffsvorbereitungen getroffen hätten, würden sie dies gewiss mit dem besonderen Gefährdungs- und Schadenspotential von Atomwaffen begründen. In einem solchen Fall könnte das bisher gültige vorbeugende Selbstverteidigungsrecht nachhaltig ausgedehnt werden, indem die Legalität einer Intervention zusätzlich an dem Ausmaß des sonst zu erwartenden Schadens bemessen wird. Die anschließende Reaktion der Staatenwelt wird dann über die Rechtsentwicklung entscheiden. Zu befürchten ist allerdings, dass dies unter dem Eindruck – rechtswidriger, aber womöglich nuklearer – Vergeltungsschläge Nordkoreas geschehen könnte. Sogar die Völkerrechtler würden auf eine solche Rechtsklarstellung gerne verzichten.

Dr. Björn Schiffbauer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Claus Kreß LL.M. (Cambridge) am Institute for International Peace and Security Law der Universität zu Köln. Seine 2012 erschienene Dissertation trägt den Titel „Vorbeugende Selbstverteidigung im Völkerrecht“.

Umfrage: Sind Wirtschaftswissenschaften eine sinnvolle Ergänzung für das Jurastudium?

6 Mär

Für viele Juristen sind BWL- und VWL-Kenntnisse im Berufsalltag hilfreich. Diese werden jedoch oft durch Weiterbildung oder „on the job“ erworben. Was meinen die Blog-Leser:

Unter Juristen

5 Mär

Worin besteht eigentlich der Unterschied zwischen einem Syndikus und einem Justitiar? Handelt es sich bei den Grundlagenfächern um die Vermittlung wesentlicher Rechtskenntnisse aus den wichtigsten Gesetzen? Und haben Juristen mit der Methodenlehre ein eigenes didaktisches Vorgehen entwickelt, um juristisches Wissen zu vermitteln? Als Nicht-Juristin an der rechtswissenschaftlichen Fakultät lerne ich seit einem halben Jahr eine neue Sprache, um mich im Gespräch mit Juristen nicht sofort nach zwei Sätzen als Nicht-Juristin zu „outen“.

Gelungene Kommunikation lebt ja zunächst von dem gleichen Verständnis wichtiger Kernbegriffe. Dieses ist konstituierend, damit Kommunikation auf der Sachebene überhaupt funktionieren kann. In der interdisziplinären Zusammenarbeit bringen beide Seiten dabei ihr spezifisches Vokabular mit. Manchmal meint man auch, man spräche von derselben Sache – jeder Gesprächspartner durchdenkt den Begriff aber aus einem anderen Blickwinkel. Ein Beispiel:

Eine Juristin fragte mich im Zusammenhang mit Finanzierungsarten, ob eine Anleihe nicht das Gleiche sei wie ein Darlehen. Im ersten Moment war ich perplex, wie sie auf so eine Idee überhaupt kommen konnte. Die beiden Instrumente unterscheiden sich betriebswirtschaftlich dahingehend, als dass eine Anleihe mit einem Kapitalmarktinstrument, ein Darlehen im allgemeinen Sprachgebrauch mit einem Kredit gleichgesetzt wird. Beim Blick ins BGB wurde mir jedoch einiges klarer. In §488 (1) heißt es: „Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten.“ Nach dieser juristischen Definition ginge eine Anleihe tatsächlich als Darlehen durch. Der rechtliche Begriff reicht jedoch deutlich weiter als die bankgeschäftliche Bezeichnung, so dass ein Betriebswirt nie von einer Anleihe als Darlehen sprechen würde.

Auf der Beziehungsebene kann interdisziplinäre Kommunikation dann besonderes bereichernd sein, wenn man die gegenseitigen Erfahrungen nutzt, um voneinander zu lernen. Sozialisiert durch ein Studium an der WiSo-Fakultät der Uni Köln sowie die daran anschließende Tätigkeit in einem DAX-Konzern ist mein eigenes Denken und Handeln bisher von Wirtschaftlichkeit und Ergebnisorientierung geprägt worden. Nun lerne ich die Freude an der Diskussion und am Austausch von rhetorisch ausgefeilten Argumenten kennen. Sicherlich hängt dies im Allgemeinen auch mit der wissenschaftlichen Arbeit zusammen, aber im Besonderen eben auch mit der juristischen Arbeits- und Denkweise. „Ich plädiere für diesen oder jenen Standpunkt.“ Oder aber: „In diesem Punkt muss ich dir vehement wiedersprechen.“ Dies sind Formulierungen, die mich immer an ein für Juristen typisches Arbeitsfeld, nämlich an Gerichtsverhandlungen, denken lassen. Ab und zu wird dann dem Gesprächspartner ein wenig Wasser oder wahlweise Essig in den Wein gegossen – und damit zum Ausdruck gebracht, dass man das Gegenargument nun wohl oder übel schlucken muss, ob es einem schmeckt oder nicht.

Die Bedeutsamkeit interdisziplinärer Kommunikation und die Entwicklung eines Verständnisses füreinander empfinde ich als bereichernd. Gerade Rechts- und Wirtschaftswissenschaften weisen ja auch inhaltlich viele Schnittstellen auf, an denen man viel voneinander lernen kann.

Also erst einmal Vokabeln… und sich mit der Denk- und Arbeitsweise des jeweils anderen vertraut machen. Lohnt sich das denn überhaupt? (Als Ökonomin sei mir diese Frage gestattet.) Ich glaube ja, denn durch das Erlernen einer neuen Fachsprache, die logische Strukturierung von Argumenten sowie deren rhetorisch brillante „Verpackung“ öffnen sich mir auf Sach- und auf Beziehungsebene ganz neue Kommunikationsmöglichkeiten.

So mag vielleicht der ein oder andere Jurist auch Freude daran haben, sich mit den folgenden Fragestellungen auseinanderzusetzten: Was ist der Unterschied zwischen Cash Flow und Cash Cow? Handelt es sich bei Output und Outcome tatsächlich um ökonomische Begriffe? Und haben Wirtschaftswissenschaftler außer Effizienz und Effektivität eigentlich noch etwas anderes zu bieten? Ich plädiere für ein fachübergreifendes Lernen! Und hoffe, dass mir dabei nicht zu viel Wasser in den Wein geschüttet wird…