Archiv | Dezember, 2013

Lebenslanger Freitrunk für ehemaligen Arbeitnehmer

5 Dez

Gewährung des brauereitypischen Freitrunks nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, LAG Hamm, Urt. v. 28.04.1999 – 14 (6) Sa 43/99 – Adventskalender (5)

„Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem in den vorzeitigen Ruhestand getretenen Kläger weiterhin den brauereitypischen Freitrunk zu gewähren.

Der am 01.05.1938 geborene Kläger war bis zum 01.04.1995 bei der Beklagten im Außendienst beschäftigt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte durch einen Auflösungsvertrag, welcher seinerseits die Konzernbetriebsvereinbarung vom 14.06.1993 über die „Auflösung von Arbeitsverhältnissen im Alter vor 60“ zum Gegenstand hat. Ziffer 7 dieser Betriebsvereinbarung regelt, daß die ausgeschiedenen Arbeitnehmer bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres monatlich den Freitrunk nach dem einschlägigen Manteltarifvertrag beanspruchen können. Danach, so die Betriebsvereinbarung, stehen den ehemaligen Mitarbeitern 20 Liter Bier monatlich als Freitrunk zu.

 Tatsächlich erhielt der Kläger nach seinem Ausscheiden von der Beklagten den in der Konzernbetriebsvereinbarung zugesagten Freitrunk. Dabei konnte er zwischen den in der K. im Rahmen eines gemeinsamen Betriebes produzierten Biersorten und -marken (u.a. Kronen Pilsener. Kronen Export. Hövels, Stifts Pils und Thier Pils) wählen. Auch konnte ein Malztrunk als alkoholfreies Getränk bezogen werden.

Die Beklagte geriet im Laufe des Jahres 1996 in erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten. Sie verkaufte sämtliche Gesellschaftsanteile an die Dortmunder Aktienbrauerei AG mit Wirkung zum 01.10.1996. Die neuen Anteilseigner entschieden, die traditionelle Braustätte der Beklagten aufzugeben und das nach wie vor unter dem Namen der Beklagten vertriebene Bier von einer externen Brauerei herstellen zu lassen. Hierüber wurde mit der Dortmunder Aktienbrauerei AG ein Lohnbrau- und Abfüllvertrag geschlossen. Die eigene Brautätigkeit stellte die Beklagte mit Ablauf des Jahres 1996 ein. (…)

 Bereits durch eine Vereinbarung vom 04.12.1996 hatte der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) in Köln die Erfüllung der laufenden Renten aus dem betrieblichen Versorgungssystem der Beklagten übernommen. Hierauf wurde der Kläger, der zum 01.05.1998 das 60. Lebensjahr vollendete, mit Schreiben der Beklagten vom 06.01.1998 hingewiesen und ihm zugleich angekündigt, daß sie zum vorgenannten Datum die bisherige Freitrunkgewährung einstellen werde. Für die Belieferung des Freitrunks im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung sei sie nicht mehr zuständig. (…)

Mit seiner am 15.05.1998 vor dem Arbeitsgericht Dortmund erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Weitergewährung des Freitrunks, nunmehr in Höhe von 20 Liter monatlich, in Anspruch genommen.

Dabei hat er betont, daß die Beklagte ihm gegenüber eine vertragliche Verpflichtung auf Gewährung von Freitrunk eingegangen sei. Dem könne die Beklagte sich nicht einfach unter Hinweis auf ihre schwierige wirtschaftliche Lage entziehen. Auch lägen nicht die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Denn nach wie vor vertreibe die Beklagte Bier, welches als Hersteller die … in Dortmund ausweise. Der Umstand, daß die Beklagte nunmehr offenbar einen Subunternehmer mit der Herstellung beauftragt habe, ändere an ihrer Produzentenstellung nichts.

Dazu das LAG:

„Anders als das Arbeitsgericht ist die Berufungskammer zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte die für die Betriebsrentner maßgebliche Freitrunkregelung auch nach der Stilllegung des Braubetriebes einzuhalten hat. (…)

Nach Auffassung der Berufungskammer handelte es sich bei dem traditionellen im Braugewerbe üblichen Frei- oder Haustrunk um ein Deputat ähnlich wie den im Steinkohlenbergbau üblichen Hausbrand (vgl. BAG, Urteil vom 02.12.1986 in AP Nr. 9 zu § 611 BGB Deputat). Dabei geht es um eine am persönlichen Bedarf des Arbeitnehmers ausgerichtete Teilhabe am Produktionsergebnis. Der Zweck der Teilhabe am Produktionsergebnis ist aber ebenso wie im Steinkohlenbergbau auch im Brauereigewerbe weitgehend durch den Gedanken der Vor- und Fürsorge abgelöst worden. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Freitrunk keineswegs nur denjenigen Mitarbeitern zusteht, welche unmittelbar mit der Bierproduktion befasst sind. So hatte auch der Kläger als Außendienstmitarbeiter keinen unmittelbaren Bezug zur Produktion der Beklagten und der übrigen im Verbund stehenden Brauereien.

(…) Jeder Mitarbeiter im Brauereiwesen, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang er mit der Bierproduktion zu tun hat, hat Anspruch auf den tariflichen Freitrunk. So stellte auch die Beklagte nicht in Frage, daß ihre aktiven Mitarbeiter, die gar nicht mehr mit der Herstellung von Bier befasst sind, nach wie vor den tariflichen Freitrunkanspruch haben. Sie selbst bezeichnet sich immer noch als Brauerei und tritt als Herstellerin der Marke „…“ am Markt auf, obwohl sie gar nicht mehr in der Lage ist, selbst Bier zu brauen.“

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Liebeszauber für 1.000 Euro

4 Dez

Die Vereinbarung der Durchführung eines Liebeszaubers ist auf eine offensichtlich objektiv unmögliche Leistung gerichtet, AG München, Urt. v. 30.10.2006 – 212 C 25151/05 – Adventskalender (4)

„Die Beklagte verlangt Rückzahlung der Vergütung, die sie für die Ausführung eines Liebeszaubers an die Beklagte bezahlt hat.

Die Beklagte bezeichnet sich selbst als Hexe. Die Beklagte vereinbarte mit der Klägerin einen Liebeszauber auszuführen, mit dessen Hilfe der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin zu dieser zurückkehren sollte. Hierfür hat die Klägerin mindestens € 1.000,– an die Beklagte bezahlt. Die Beklagte hat ein entsprechendes Ritual durchgeführt. Insoweit wird auf die Ausführungen des Schriftsatzes der Beklagtenpartei vom 15.12.2005 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, sie habe insgesamt für den Liebeszauber einen Vorschuss von € 150,– sowie weiter € 1.500,– bezahlt. Von diesen € 1.500,– werden jedoch nur mehr 1.000,– geltend gemacht.

Die Beklagte habe ihr im Hinblick auf den Liebeszauber Erfolg garantiert.

(…)

Die Beklagte behauptet, sie habe keinen Erfolg garantiert, sondern nur die Durchführung eines entsprechenden Rituals versprochen. Sie habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass ein solches Ritual nicht immer wirke. Die Beklagte ist jedoch der Ansicht, dass sie grundsätzlich über Hexenkräfte verfüge und ein solcher Liebeszauber als Mittel der Paarzusammenführung geeignet ist.

Die Beklagte behauptet weiterhin, die erste Zahlung von € 150,– sei kein Vorschuss, sondern Vergütung für eine telefonisch durchgeführte Beratung auf der Grundlage von Kartenlegen, Kabbala u.ä..

Die Beklagte hat weiterhin die Einholung einer Auskunft des Erzbischöflichen Ordinariats München beantragt zum Beweis, dass es parapsychologische Phänomene sowie Wunder gibt.“

Dazu das AG:

„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung zunächst in Höhe von € 1.000,– aus §§ 346 Abs. 1, 326, 275 Abs. 1 BGB.

Die Vereinbarung der Durchführung eines Liebeszaubers ist auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Es ist offenkundig (§ 291 ZPO) und bedarf keiner weiteren Beweisaufnahme, dass ein Ritual, wie es von der Beklagten geschildert wurde, nicht geeignet ist mittels Hexenkräften einen Menschen aus der Ferne zu beeinflussen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beklagte Erfolg versprochen hat oder nicht. Jedenfalls hat die Beklagte einen potentiell wirksamen Zauber vereinbart, nicht nur das Abbrennen von Kerzen, Anfertigen von Puppen zu bestimmten Zeitpunkten etc.. Ein solcher zumindest potentiell wirksamer Zauber ist aber gerade objektiv unmöglich, denn er kann weder von der Beklagten noch von sonst irgendjemand mit Anspruch auf Wirksamkeit ausgeführt werden. Selbst wenn der ehemalige Lebensgefährte zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit dem von der Beklagten durchgeführten Ritual zur Klägerin zurückgekehrt wäre, hätte der Zauber der Beklagten darauf keinen Einfluss gehabt. Es wäre auch in diesem Fall bei der vorliegenden rechtlichen Beurteilung geblieben.

Die Klägerin hat einen weiteren Anspruch auf Rückzahlung Höhe von € 150,– aus §§. 346 Abs. 1, 326, 275 Abs. 1 BGB

Es kann dabei als wahr unterstellt werden, dass diese € 150,–seitens der Klägerin für eine auf der Grundlage von Kartenlegen und Kabbala erfolgte telefonische Beratung bezahlt wurden, wie es die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat. Auch dieser Vertrag ist auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet, denn es ist offenkundig, dass weder Kartenlegen noch die Zahlenmystik der Kabbala noch sonstige parapsychologische Erkenntnisquellen geeignet sind, reelle Anhaltspunkte für eine Beratung zu finden.

Der Beweisantrag der Beklagten auf Einholung einer Auskunft des Erzbischöflichen Ordinariats war abzulehnen. Dass die Verträge auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet waren, ist offenkundig (§ 291 ZPO). Daneben ist die Ansicht des Erzbischöflichen Ordinariats München zu Glaubensfragen, wie der, ob es Wunder gibt für den vorliegenden Fall völlig irrelevant.

Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist auch nicht ausgeschlossen.

Der Rückforderungsanspruch ergibt sich aus §§ 346, 326, 275 BGB, nicht aus Bereicherungsrecht, so dass eine direkte Anwendung des § 817 Satz 2 BGB bereits aus diesem Grund ausscheidet.

Zwar ist der Gedanke richtig, dass ein auf einen solchen Liebeszauber gerichteter Vertrag wegen unzulässiger Beeinflussung des freien Willens einer Person sittenwidrig wäre nach § 138 BGB. Jedoch würde dies die Möglichkeit eines solchen Liebeszaubers voraussetzen, da nur dann ein objektiver Gesetzes- und Sittenverstoß vorliegen würde (…).

Das Urteil wurde vom LG München bestätigt (30 S 10495/06). Die Gerichte beschäftigten sich auch mit Hexen, die Teufelsaustreibungen durchführen. Siehe dazu das Türchen Nr. 18 vom letzten Jahr.

Wie auch im letzten Jahr veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Erotik-Live-TV-Magazin auf Staatskosten

3 Dez

Ein erwerbsfähiger Leistungsempfänger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen für die Gründung eines Erotik-Live-TV-Magazins im Internet, mit dem Erotik- und Pornografiedarstellungen angeboten werden, SG Darmstadt, Urt. v. 26.09.2012, S 17 AS 416/10 – Adventskalender (3)

Die Beteiligten streiten um Eingliederungsleistungen für Selbständige nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).

(…)

Ausweislich eines dem Beklagten vorgelegten Businessplanes vom 12. Oktober 2008 beabsichtigt der Kläger den Betrieb eines Erotik-Live-TV-Magazins als so genanntes WebTV („TZ.“), dessen Konzept er wie folgt darstellt:

– Live-Reportagen auf Messen und Veranstaltungen rund um das Thema Erotik, wie z.B. auf der „ZU.“ oder auf Erotikmessen im gesamten Bundesgebiet;

– Reportagen/Berichte über verschiedene erotische Themengebiete wie z.B. FKK-Clubs, Begleitservice, Swingerclubs, erotische Fotoausstellungen, Modellagenturen im Bereich Erotik etc.;

– Interviews auf diversen Veranstaltungen und auch im Produktionsstudio;

– Berichte über Dessous-Partys und Verkaufsshows über verschiedene Produktgruppen wie z.B. Dildos, Kleidung, Accessoires etc.;

– Erotisches Monatshoroskop für alle zwölf Tierkreiszeichen;

 

 (…)
 
Das Jobcenter lehnte das Vorhaben mangels wirtschaftlicher tragfähig ab. 
Mit anderer Argumentation bestätigte das SG die Entscheidung:

„Bei jedem Erlass eines Verwaltungsaktes und damit auch bei Ermessensentscheidungen ist übergeordnet stets die Grenze der Sittenwidrigkeit zu beachten. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, der gegen die guten Sitten verstößt, nichtig und mithin unwirksam (§ 39 Abs. 3 SGB X), auch wenn der Fehler nicht offenkundig ist. Dies entspricht dem allgemeinen Gedanken des § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Wann ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, bestimmt sich nach der herrschenden Rechts- und Sozialmoral (vgl. Roos, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 40 Rn. 16 m.w.N.). Gemessen an dieser Moral würde eine Förderung des vom Kläger beabsichtigten Gründungsvorhabens „TZ.“ in der von ihm konzipierten Form gegen die guten Sitten verstoßen.

 Ein Verwaltungsakt verstößt nicht nur gegen die guten Sitten, wenn er etwas Sittenwidriges anordnet, sondern auch dann, wenn er etwas erlaubt, was wegen Verstoßes gegen die Sittenwidrigkeit nicht erlaubnisfähig ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juli 2010, L 22 R 1181/10, juris Rn. 81 m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer muss dies erst Recht für die Fälle gelten, in denen ein sittenwidriges Geschehen behördlicherseits nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern – sogar noch weitergehend – durch öffentliche Mittel überhaupt erst ermöglicht werden soll.

Mit dem von ihm beabsichtigten Gründungsvorhaben „TZ.“ will der Kläger über das Internet gewerbsmäßig und gegen Entgelt den Zugang zu – teilweise in Eigenproduktion hergestellter – Erotik- und Pornografie-Darbietungen unterschiedlichster Kategorien eröffnen. Damit ist sein Vorhaben – unstreitig – der Erotik- und Pornografie-Branche zuzuordnen. Als solches verstößt es gegen die guten Sitten.

Vorliegend kann offen bleiben, ob sich die Sittenwidrigkeit daraus ableiten lässt, dass die in den vom Kläger per Internet angebotenen Erotik- und Pornografie-Darbietungen und damit einem breiten Publikum zur Schau gestellten Darstellerinnen und Darstellern eine in ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz <GG>) missachtende objekthafte Rolle zugewiesen ist. Es wäre zwar durchaus denkbar, darauf abzustellen, dass diese Darstellerinnen und Darsteller wie der sexuellen Stimulierung dienende Sachen zur entgeltlichen Betrachtung dargeboten und jedem – durch die Anonymität des Internets im Verborgenen bleibenden – Zuschauer als bloße Anregungsobjekte zur Befriedigung sexueller Interessen angeboten werden (vgl. zur Sittenwidrigkeit von Peep-Shows: BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1981, 1 C 232/79, juris Rn. 21). Ob diese Art der Darbietung sexueller Handlungen tatsächlich mit der Verfassungsentscheidung für die Menschenwürde unvereinbar ist, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Denn nach Auffassung der Kammer sind solche Darbietungen ungeachtet der genannten Wertentscheidung des Grundgesetzes sittenwidrig.“

 

Über die Berufung hat das LSG Hessen noch nicht entschieden. Lesenswert ist die Besprechung der Entscheidung bei juris (Albrecht, jurisPR-ITR 4/2013 Anm. 6).

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Wenn der Postmann zwei Mal Klingelt…

2 Dez

Dem Postmann darf man kein Hausverbot erteilen, AG Gummersbach, Urt. v. 12.04.2013 – 11 C 495/12, bestätigt durch LG Köln, Urt. v. 16.10.2013 – 9 S 123/13 – Adventskalender (2)

„Der Kläger ist Eigentümer des Hausgrundstücks O in X, die Beklagte befördert gewerbsmäßig Briefsendungen.

Mit Schreiben vom 20.11.2011 sprach der Kläger gegenüber der Beklagten ein Hausverbot aus. Da die Beklagte das Verbot missachtete, erinnerte der Kläger mit Schreiben vom 25.11.2011 an das Hausverbot. Zugleich forderte er die Beklagte auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Die Beklagte verweigerte eine solche Erklärung und stellte weiter Post zu. Am 29.05.2012 erstattete der Kläger deshalb Strafanzeige gegen die Beklagte, auch sprach sein jetziger Prozessbevollmächtigter mit Schreiben vom 31.07.2012 ein weiteres Hausverbot aus. Auch daran hielt die Beklagte sich nicht. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein durchsetzbarer Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Durch die Postzustellungen trotz des Hausverbots sei sein Eigentumsrecht verletzt worden, es bestehe insoweit auch Wiederholungsgefahr.

Dazu das AG:

„Dem Kläger steht hinsichtlich seiner Forderung kein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Zwar kann nach dieser Bestimmung der Eigentümer auf Unterlassung klagen, wenn sein Eigentum beeinträchtigt wird, und kann es eine Beeinträchtigung darstellen, wenn ein Grundstück entgegen einem erteilten Hausverbot betreten wird. Die vorliegende Klage hat aber keinen Erfolg, weil die Rechtsausübung unzulässig ist.

Wenn der berechtigte kein schutzwürdiges Interesse verfolgt oder überwiegende Belange der Gegenpartei entgegenstehen, kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein. Es kommt dabei nicht auf eine Pflichtwidrigkeit oder ein Verschulden an, sondern allein auf eine objektive Interessenabwägung im Einzelfall. Eine Unzulässigkeit in diesem Sinne ist u. a. dann gegeben, wenn der Berechtigte kein sachliches und dauerndes Eigeninteresse verfolgt, sondern die Rechtsausübung nur dazu dient, einen rechtsfremden oder unlauteren Zweck zu erreichen (vgl. Jauernig/Mansel, BGB, 14. Aufl. 2011, § 242 Rn. 37 u. 38 m. w. N.). Ein solcher Fall ist hier gegeben.

Es ist unstreitig, dass es bei den Zustellungen durch die Beklagte zu keinen Beeinträchtigungen des Eigentums des Klägers gekommen ist, die über die Missachtung des Hausverbots hinausgegangen wären. Der Kläger hat auch nicht ansatzweise begründet, warum die Beklagte ihm keine Post zustellen soll, d. h. die Voraussetzungen für ein schutzwürdiges Interesse sind nicht dargetan worden. Dass der Kläger möglicherweise keine G-Amtspost erhalten will, verdient keinen gerichtlichen Schutz. Zumindest stünden einem solchen Interesse überwiegende schutzwürdige Belange der Beklagten entgegen. Diese beruhen auf den Verpflichtungen eines gewerbsmäßigen Zustellers, wie sie sich im Einzelnen aus der erteilten Lizenz und den Bestimmungen des Postgesetzes ergeben.

Ferner das LG:

„Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner näheren Begründung, dass dem Kläger nicht bereits deshalb ein Verbotsrecht gegen Zustellungen durch die Beklagte zusteht, weil ihm die Inhalte oder die Absender der ihm zugestellten Briefsendungen nicht genehm sind. Aber auch unter Berücksichtigung des vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mitgeteilten Motivs für die begehrte Unterlassung ist der Kläger zur Duldung der Zustellungen durch die Beklagte verpflichtet. Diesbezüglich ist vorgetragen worden, mit dem Verbot der Zustellung bzw. dem erteilten Hausverbot beabsichtige der Kläger, seiner Missbilligung über die nach seiner Ansicht stark verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter der Beklagten Ausdruck zu verleihen.

Unabhängig von der hier nicht zu klärenden Frage, ob ein solcher Boykott zur Erreichung des von dem Kläger erstrebten Ziels überhaupt ein taugliches Mittel ist, so steht dieser doch keinesfalls im Schutzbereich des klägerischen Eigentums. Die auf § 1004 BGB fußenden Abwehr- bzw. Beseitigungsansprüche dienen der Durchsetzung der aus dem Eigentum fließenden Rechte, nicht aber der Verwirklichung sozialpolitischer Vorstellungen.“

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Der Tritt ins Gesäß als betriebliche Tätigkeit

1 Dez

Der Tritt ins Gesäß der unterstellten Mitarbeiterin gehört auch dann nicht zur betrieblichen Tätigkeit einer Vorgesetzten, wenn er mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung geschieht, LAG Düsseldorf BB 1998, 1694 – Adventskalender (1)

„Am 05.03.1997 war die Kl. in der Spätschicht eingesetzt und arbeitete mit der Maschinenführerin, der Zeugin T., und einer weiteren Verpackerin an der Maschine 12. An der benachbarten Maschine arbeiteten die Kolleginnen K. und S. Etwa gegen 16:30 Uhr hielt sich auch die Beklagte, zu diesem Zeitpunkt Vorgesetzte in dem Bereich, bei K. und S. auf und scherzte mit ihnen. Die Kl. wandte sich zu der Gruppe, drehte sich dann wieder um zu ihrer Maschine und bückte sich dort nach einer unter dem Förderband stehenden Kiste. Ob sie dann von der Beklagten, die – wie die anderen Arbeiterinnen – Sicherheitsschuhe mit Stahlkappen trug, einen Tritt ins Gesäß erhielt, ist streitig. Die Kl. wandte sich anschließend weinend an die Zeugin T., die sich für sie verwandte. Später setzte sie ihre Arbeit bis zum Schichtende (22:00 Uhr) fort. Danach fuhr sie gemeinsam mit der Kollegin S. nach Hause. Dabei sprach sie weder das Geschehen um 16:30 Uhr an, noch klagte sie über Schmerzen.

Am 06.03.1997 suchte die Kl. gegen 8:00 Uhr einen Arzt auf, der sie ins Krankenhaus einwies. Dort stellte die chirurgische Ambulanz bei der Kl. einen Steißbeinbruch fest.“

(…)

Nach Aufforderung der Berufsgenossenschaft vom 23.04.1997 unterzeichnete die Bekl. einen auf den 25.04.1997 datierten Zeugenfragebogen. Der Bogen enthält u.a. folgende Fragen:

3. Bei welcher Gelegenheit und in welcher Weise ereignete sich der Unfall (genaue Schilderung des Unfallhergangs!)? Wenn Sie nicht Augenzeuge waren, bitte das wiedergeben, was Ihnen über den Unfall bekannt geworden ist. 4. Worauf ist der Unfall nach Ihrer Ansicht zurückzuführen?

Als Antwort zu 3. ist in dem Bogen eingetragen: Wir alberten während der Arbeit herum. Hierbei trat ich Frau F. ins Gesäß, was jedoch keine Absicht war.

Als Antwort zu 4. ist eingetragen: Blödsinn.“

Dazu das LAG:

„Der Tritt ins Gesäß des Untergebenen oder Arbeitskollegen gehört nicht zu den betrieblichen Tätigkeiten i.S. von § 105 Abs. 1 SGB VII. Zwar mag gelegentlich im Arbeitsleben die Äußerung, daß man den NN mal in den Hintern treten müßte, zum saloppen Umgangston gehören. Der Sprecher will durch die plastische Ausdrucksweise seine Meinung kundtun, dass die durch einen solchen Tritt geförderte Vorwärtsbewegung des/der Betroffenen auch arbeitsleistungsmäßig wünschenswert wäre. Gleichwohl zweifelt niemand daran, dass nach geltendem Arbeitsrecht weder ein Vorgesetzter noch eine Vorgesetzte berechtigt sind, durch Handgreiflichkeiten oder den ominösen Tritt einen untergebenen Mitarbeiter zu disziplinieren.

Es mag sein, dass eine bei der Arbeit durch Herumalbern verursachte Verletzung der betrieblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Was den Streitfall betrifft, war es hingegen so, dass die Klägerin an dem Gescherze nicht beteiligt wurde, vielmehr in einem Moment, als sie sich der Arbeit gewidmet hatte, den Tritt erhielt. Der Beklagten kann danach auch keine Fehleinschätzung der Situation zugute gehalten werden. Der Tritt hatte nichts mit der Arbeitsverrichtung i.w.S. zu tun.“

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