Wenn der Anwalt schläft… BGHSt VersR 1970, 441 – Adventskalender (5)
Zum Wiedereinsetzungseintrag eines Anwalts:
„Nach Darstellung des Beklagten ist sein Prozeßbevollmächtigter Rechtsanwalt S. etwa 50 Minuten vor Fristablauf, während er mit dem Durchlesen und Korrigieren der Berufungsbegründung beschäftigt war, in seinem Büro am Schreibtisch eingeschlafen und erst 1/4 Stunde nach Fristablauf wieder aufgewacht.
Darin kann kein unabwendbarer Zufall gesehen werden. Wer einen „langen, arbeitsreichen Tag“ hinter sich hat, muß gegen 23 Uhr damit rechnen, auch gegen seinen Willen einzuschlafen. Im übrigen ist auch nicht glaubhaft gemacht, daß der Anwalt, bevor er vom Schlaf übermannt wurde, nicht irgendwelche Ermüdungserscheinungen an sich verspürt haben sollte, wie sie erfahrungsgemäß dem ungewollten Einschlafen voranzugehen pflegen. Wenn er sich aber müde fühlte, so war er dadurch gewarnt, und mußte in geeigneter Weise der Gefahr des Einschlafens entgegenwirken.
Die Entscheidung BGH MDR 1967, 585 betraf einen anders gelagerten Fall; dort handelte es sich um Herz- und Kreislaufstörungen des Anwalts. Der vorliegende Sachverhalt ist vielmehr vergleichbar mit dem Fall, daß ein Verkehrsteilnehmer während der Fahrt am Steuer seines Autos einschläft und dadurch einen Unfall verursacht. Er wird sich in aller Regel schwerlich damit entschuldigen können, er sei völlig unvermutet und unvorhersehbar vom Schlaf übermannt worden (vgl. RGSt 60, 29…).“
In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.
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