Vorsicht bei diesen Zeugen!

4 Dez

Zur Glaubwürdigkeit eines Pfälzers als Zeuge, LG Mannheim NJW 1997, 1995 – Adventskalender (4)

Dies sind jedoch nicht die einzigen Bedenken, die man gegen den Zeugen … haben muß. Er gab sich zwar betont zurückhaltend, schien bei jeder Frage sorgfältig seine Antwort zu überlegen und vermied es geradezu betont, Belastungstendenzen gegen den Angekl. hervortreten zu lassen, indem er in nebensächlichen Einzelheiten Konzilianz ja geradezu Elastizität demonstrierte, im entscheidenden Punkt, der – für ihn vorteilhaften – angeblichen mündlichen Genehmigung des beantragten Urlaubs aber stur blieb wie ein Panzer. Man darf sich hier aber nicht täuschen lassen. Es handelt sich hier um eine Erscheinung, die speziell für den vorderpfälzischen Raum typisch und häufig ist, allerdings bedarf es spezieller landes- und volkskundlicher Erfahrung, um das zu erkennen – Stammesfremde vermögen das zumeist nur, wenn sie seit längerem in unserer Region heimisch sind. Es sind Menschen von, wie man meinen könnte, heiterer Gemütsart und jovialen Umgangsformen, dabei jedoch mit einer geradezu extremen Antriebsarmut, deren chronischer Unfleiß sich naturgemäß erschwerend auf ihr berufliches Fortkommen auswirkt. Da sie jedoch auf ein gewisses träges Wohlleben nicht verzichten können – sie müßten ja dann hart arbeiten -, versuchen sie sich „durchzuwursteln“ und bei jeder Gelegenheit durch irgendwelche Tricks Pekuniäres für sich herauszuschlagen. Wehe jedoch, wenn man ihnen dann etwas streitig machen will! Dann tun sie alles, um das einmal Erlangte nicht wieder herausgeben zu müssen, und scheuen auch nicht davor zurück, notfalls jemanden „in die Pfanne zu hauen“, und dies mit dem freundlichsten Gesicht. Es spricht einiges dafür, daß auch der Zeuge … mit dieser Lebenseinstellung bisher „über die Runden gekommen ist“. Mit Sicherheit hat er nur zeitweise richtig gearbeitet. Angeblich will er nach dem Hinauswurf durch den Angekl. weitere Arbeitsstellen innegehabt haben, war jedoch auf Nachfrage nicht in der Lage, auch nur eine zu nennen!
Und wenn man sieht, daß der Zeuge schon jetzt im Alter von noch nicht einmal 50 Jahren ernsthaft seine Frühberentung ansteuert, dann bestätigt dies nur den gehabten Eindruck. Daß er auch den Angekl. angelogen hat, als er ihm weiszumachen versuchte, er brauche den begehrten Urlaub, weil seine Erbtante aus Amerika komme, bedarf keiner näheren Erörterung – auf nähere Nachfrage konnte er nicht einmal angeben, wo diese angebliche Tante in Amerika wohnt. Auf einen solchen Zeugen, noch dazu als einzigem Beweismittel, kann verständlicherweise eine Verurteilung nicht aufgebaut werden.“

Enstprechende Vorbehalte gab es auch hisichtlich der Glaubwürdigkeit von

1. Ehefrauen (OLG Neustadt VRS 28 (1965), 30)

2. Wilddieben (RG HRR 1935, Nr. 615)

3. Türken (OLG Karlsruhe VRS 56 (1979), 359)

4. Fussgängern und Radfahrern bei der Beurteilung der Geschwindigkeit eines KFZ (KG VRS 8 (1955), 298)

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

3 Antworten zu “Vorsicht bei diesen Zeugen!”

  1. Gerfried Braune 4. Dezember 2012 um 16:30 #

    Im Saarland sind Pfälzer als Zeugen ohnehin bar jeder Glaubwürdigkeit 😉

    • Andrej Umansky 5. Dezember 2012 um 20:57 #

      😀

Trackbacks/Pingbacks

  1. Wunder kommen aber in der Regel nur in Lourdes vor « WissMit.com - 14. Dezember 2012

    […] Nachruf zum Urheber der Urteils, Herbert Rosendorfer, bei Heussen, NJW 2012, 3142. Zur Glaubwürdigkeit von Zeugen siehe auch Türchen Nr. 4. […]

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