Jeder Autofahrer hat sich sicherlich schon einmal bei der Fahrt zur Tankstelle und einem entsprechenden Preisvergleich gefragt, ob die Preisbildung „rechtmäßig“ verläuft. Auch aktuell hat das Bundeskartellamt aufgrund der derzeit hohen Preise Untersuchungen vorgenommen, die jedoch keine kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen erkennen lassen. Im Juli 2009 lagen dem Bundeskartellamt jedoch Hinweise vor, dass mindestens drei große Tankstellenbetreiber Telefongespräche über aktuelle Preisstände an ihren Tankstellen führen. Nun mag der Laie dies selbstverständlich für zweifelhaft einstufen und das Verhalten als verwerflich erachten. Interessanter hingegen ist die Frage nach der kartellrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Informationsaustauschs. Gemäß § 1 GWB bzw Art. 101 AEUV sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Auch der Informationasustausch als abgestimmte Verhaltensweise ist nach ständiger Rechtsprechung hierunter zu fassen.
Problematisch an dem Phänomen der Preisabsprache zwischen Tankstellenbetreibern ist, dass hier bereits grundsätzlich eine höhere Markttransparenz gegeben ist als in anderen Branchen. So besteht die Möglichkeit, die aktuellen Preis von Wettbewerbern in der Umgebung über die Preis-Monolithen zu erfahren. Auch das Internet beziehungsweise Apps für Mobiltelefone vereinfachen die Recherche aktueller Preise. Dass die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse keinen Kartellrechtsverstoß darstellen, erscheint unproblematisch. Die Informationen sind schließlich öffentlich zugänglich und haben keinen konkreten Adressaten. Es handelt sich um echte öffentliche Informationen, zu denen alle Wettbewerber und Kunden gleichermaßen leicht Zugang haben.
Wie sieht es aber nun mit Telefonaten zwischen Tankstellenbetreibern als Wettbewerber aus? Muss hier eine Kartellrechtswidrigkeit der Handlung ausscheiden, da die Daten de facto ohnehin öffentlich verfügbar sind? Die Leitlinien zur Anwendbarkeit des Artikels 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gehen davon aus, dass selbst im Falle der grundsätzlich öffentlichen Verfügbarkeit der Informationen ein Kartellrechtsverstoß im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV vorliegen kann, wenn dadurch die Ungewissheit auf dem Markt über künftige Entwicklungen verringert wird. Die Telefonate gewähren den beteiligten Mineralölgesellschaften den Vorteil, ihre Reaktionsmöglichkeiten im Hinblick auf Preisentwicklungen zu beschleunigen und eine Verhaltenskoordinierung mit geringeren Mitteln zu erzielen. Zudem können auch Tendenzen bezüglich künftiger Preisplanungen ausgetauscht werden, die unter normalen Umständen für den Kunden und andere Wettbewerber nicht ersichtlich wären. Die Kommision vertrtitt die Auffassung, dass es sich in diesem Fall nicht um echte öffentliche Informationen handle, weil beträchtliche Zeit- und Transportkosten aufgebracht werden müssten, um dieselben Informationen auf andere Art und Weise zu erhalten. Zudem schaffe der Informationsaustausch ein Klima gegenseitiger Sicherheit über die Preispolitik der Wettbewerber, wodurch ein Kollusionsergebnis begünstigt wird.
Im Ergebnis ist damit jedenfalls festzuhalten, dass es einer Einzelfallbetrachtung bedarf und dass nur der Umstand, dass bestimmte Informationen öffentlich zugänglich sind, nicht ohne weiteres einn Kartellrechtsverstoß im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausschließt. Eine geringfügige Zusatzinformation beispielsweise kann ausreichend sein, um ein kartellrechtswidriges Kollusionsergebnis zu erzielen.
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