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Ö-Recht-Basics: Teil II – Die Verhältnismäßigkeit

3 Dez

Jeder kennt sie, doch vielen Studenten gelingt gerade in den ersten Semestern die saubere Prüfung nicht. Dabei kann die Verhältnismäßigkeit einen wesentlichen Schwerpunkt der öffentlich-rechtlichen Klausur bilden, sodass ein sicheres Vorgehen im Rahmen dieser Prüfung von Vorteil ist.

I. Herleitung
Die Herleitung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zwar umstritten, es reicht jedoch grundsätzlich der Hinweis hierauf und die kurze Nennung der Ansichten, da es im Ergebnis unstreitig ist, dass sie zu prüfen ist. Zum Teil wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus spezialgesetzlich geregelten Fällen wie § 2 PolG NRW oder § 15 OGB NRW hergeleitet. Andere ziehen diesen Gedanken aus der Wirkung der Grundrechte. Vorzugswürdig nach meiner Ansicht erscheint es jedoch, das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 III GG herzuleiten.
II. Grundüberlegung
Zu hinterfragen ist zunächst, zwischen welchen Faktoren überhaupt eine Verhältnismäßigkeit bestehen muss. Oftmals wird es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln, die durch ein bestimmtes Mittel charakterisiert ist und auf die Erreichung eines erstrebten Zweckes gerichtet ist.
III. Zweck 
Zunächst ist daher isoliert zu hinterfragen, welchen Zweck die öffentliche Hand mit ihrer Vorgehensweise verfolgt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass dem Gesetzgeber bei de Zwecksetzung ein gewisser Entscheidungsspielraum zugute kommt, sodass der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichtes beschränkt ist.
III. Mittel
Anschließend ist das Mittel zur Erreichung des erstrebten Zweckes näher zu betrachten und zu benennen. Dabei kann die öffentliche Hand auf eine Vielzahl von Mitteln zurückgreifen (Verwaltungsakt, Gesetz, schlichtes Verwaltungshandeln,…), die jedoch anhand des konkret zu betrachtenden Einzelfalls individualisiert werden müssen.
IV. Verhältnismäßigkeit 
Im Rahmen der anschließenden Prüfung ist nun das Verhältnis von Zweck und Mittel anhand des konkreten Falls zu erörtern.

1. Geeignetheit
Das Mittel ist zur Erreichung des erstrebten Zweckes geeignet, sofern es zumindest der Förderung des anvisierten Ziels dienen kann. Es muss eine generelle Tauglichkeit des Mittels vorliegen, die Wahrscheinlichkeit der Zweckerreichung zu erhöhen. Dem Gesetzgeber wird in diesem Zusammenhang ein Recht auf prognostischen Irrtum eingeräumt, was dem weiten Entscheidungsspielraum bei der Zwecksetzung entspricht, sodass die Geeignetheit nur bei offensichtlicher Untauglichkeit zu verneinen ist.

2. Erforderlichkeit

Ferner muss das gewählte Mittel auch erforderlich sein, den konkreten Zweck zu erreichen. Erforderlich ist das Mittel dann, wenn es von mehreren gleich geeigneten Mittel den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten belastet. Man spricht insofern auch von einem Interventionsminimum, dass die öffentliche Hand als Maßstab berücksichtigen soll. Ziel ist es, der öffentlichen Gewalt die Pflicht aufzuerlegen, bei der Wahl des Mittels behutsam und bedacht vorzugehen und den Betroffenen nicht über das notwendige Maß hinaus zu belasten.

3. Angemessenheit

Schließlich mündet die Prüfung in der Beurteilung der Beurteilung der Angemessenheit des Mittels im Hinblick auf den erstrebten Zweck. Das eingesetzte Mittel darf nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen. Besonders wichtig ist auch hier, konkret am Fall zu argumentieren und die Umstände des Einzelfalls hinreichend in der Argumentation zu berücksichtigen. Ziel ist es, eine Berücksichtigung der Interessen und Rechte (z.B. auch Grundrechte) des Betroffenen zu gewährleisten.

V. ACHTUNG: „Verhältnismäßigkeit“ bei gebundenen Entscheidungen?
Sind die Voraussetzungen eines bestimmten Tatbestands gegeben, so ergibt sich bei gebundenen Entscheidungen die Rechtsfolge in der Regel aus der einschlägigen Vorschrift. So sieht beispielsweise § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG NRW  vor, dass die Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes  zu untersagen ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, insbesondere dem Trunke ergeben ist oder befürchten läßt, daß er Unerfahrene, Leichtsinnige oder Willensschwache ausbeuten wird oder dem Alkoholmißbrauch, verbotenem Glücksspiel, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit Vorschub leisten wird oder die Vorschriften des Gesundheits- oder Lebensmittelrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird,
Im Einzelfall kann und muss hiervon jedoch eine Ausnahme gemacht werden, wenn die einschlägige Vorschrift nur eine typisierende Betrachtung zugrunde legt und nicht allen im konkreten Einzelfall bestehenden Gegebenheiten gerecht wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht und ist vor allem dann zu erwägen, wenn das Gesetz selbst ergreifbare Minusmaßnahmen vorsieht.
§ 5 GastG NRW selbst sieht die Möglichkeit vor, dem Gaststättengewerbebetreiber nachträglich Auflagen aufzuerlegen, sodass im Einzelfall die Erteilung von Auflagen der Rücknahme der Erlaubnis aus gründen der Verhältnismäßigkeit vorzuziehen ist.

Zivilrecht Basics: Teil II – Gefälligkeitsverhältnisse

28 Nov

Jeder hat sich vermutlich schon einmal gefragt, ob er möglicherweise voreilig einem Freund oder auch flüchtigen Bekannten einen „Gefallen“ versprochen hat, ohne sich vorher über etwaige rechtliche Konsequenzen Gedanken gemacht zu haben. Der folgende Beitrag soll daher die wesentlichen Grundgedanken kurz erläutern.

I. Definition

Unter einer Gefälligkeit versteht man grundsätzlich jede fremdnützige Tätigkeit – beispielsweise das Leihen oder Aufbewahren einer Sache oder die Erbringung einer Tätigkeit -, die unabhängig von einer Gegenleistung erfolgt. Unterschieden werden muss zwischen Gefälligkeitsverträgen, Gefälligkeitsverhältnissen im rechtsgeschäftlichen Bereich und Gefälligkeiten des alltäglichen Lebens.

II. Gefälligkeitsverträge

Das Gesetz selbst sieht einige Gefälligkeitsverträge vor. In §§ 516 ff BGB ist beispielsweise die Schenkung zu verorten, bei der eine unentgeltliche Zuwendung erfolgt. Auch die Verwahrung gemäß §§ 688 ff BGB, die Leihe gemäß §§ 598 ff BGB und der Auftrag gemäß § 662 BGB stellen typische Gefälligkeitsverträge dar. Viele (aber nicht alle) dieser Gefälligkeitsverträge haben gemein, dass dem Tätigen eine Haftungsprivilegierung zukommt, nach der er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haftet, vgl §§ 521, 599, 690 BGB.

Das Vorliegen eines solchen Gefälligkeitsvertrags orientiert sich am Vorhandensein eines entsprechenden Rechtsbindungswillens, über den auch die Abgrenzung zu den anderen Gefälligkeitsverhältnissen erfolgt. Der Rechtsbindungswille ist aus Sicht des verobjektivierten Empfängerhorizontes zu beurteilen, vgl. §§ 133, 157 BGB. Um einen Gefälligkeitsvertrag im Sinne der §§ 516 ff, 598 ff, 662, 688 ff BGB annehmen zu können, bedarf es eines eindeutigen hierauf gerichteten Bindungswillens, der zugleich entsprechende Primär- und Sekundärpflichten begründet.

III. Gefälligkeitsverhältnisse im rechtsgeschäftlichen Bereich

Anders als Gefälligkeitsverträge sind Gefälligkeitsverhältnisse im rechtgeschäftlichen Bereich nicht ausdrücklich gesetzlich normiert. Gleichwohl werden sie nach der h.M. aus § 311 II Nr.3 BGB hergeleitet. Im Gegensatz zu Gefälligkeitsverträgen muss hier nur ein abgeschwächter Rechtsbindungswille vorliegen, der nach vorzugswürdiger Ansicht allenfalls Sekundärpflichten begründen kann.

IV. Gefälligkeitsverhältnisse des alltäglichen Lebens

Schließlich und ebenfalls nicht gesetzlich normiert sind auch noch Gefälligkeitsverhältnisse des alltäglichen Lebens zu erwähnen. Diese Verhältnisse begründen aufgrund des nichtvorhandenen Rechtsbindungswillens weder Primär- noch Sekundärpflichten, sodass allenfalls eine Haftung aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB in Betracht kommt.

V. Abgrenzung

Wie bereits erörtert, ist das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens und dessen Beurteilung für die Abgrenzung der verschiedenen Gefälligkeitsarten von entscheidender Bedeutung. Hilfsweise haben sich in der Rechtsprechung einige Kriterien herausgebildet, die als Indizien herangezogen werden. Vor allem das wirtschaftliche Interesse des Begünstigten an der Gefälligkeit, der Wert einer etwaigen anvertrauten Sache aber auch die Dauer und Art der Gefälligkeit und die damit verbundenen Risiken beziehungsweise deren Erkennbarkeit.

VI. Anwendbarkeit der §§ 521, 599, 690 BGB analog auf die Haftung aus unerlaubter Handlung?

Immer wieder gerne auch Teil einer Klausur ist die Frage, ob die Haftungsprivilegierungen der §§ 521, 599, 690 ff BGB auf die Haftung aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB Anwendung finden kann.

Im Rahmen der Gefälligkeitsverträge geht die h.M. von einer Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierungen aus, da diese sonst unterlaufen werden würden.

Bei Gefälligkeitsverhältnissen im rechtsgeschäftlichen Bereich und Gefälligkeitsverhältnissen des alltäglichen Lebens ist dies hingegen umstritten. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist eine analoge Anwendung jedoch abzulehnen. Zum einen verfügen nicht alle Gefälligkeitsverträge über eine Haftungsprivilegierung, sodass bei anderen Gefälligkeitsverhältnissen erst recht keine analoge Anwendung erfolgen kann. Zum anderen ist dem Deliktsrecht das Äquivalenzinteresse fremd. Die Haftungsprivilegierung stellt daher kein notwendiges Äquivalent zur Unentgeltlichkeit der Handlung dar, sodass im Ergebnis die Vorschriften der §§ 276 ff BGB Anwendung finden.

„Zivilrecht Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Zivilrechts verschaffen soll.

Einheitspackung bei Zigaretten – Tabakkonzern verklagt Regierung

24 Nov

Die Zeitung „Handelsblatt“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 22.11.2011, dass der bekannte Tabak-Konzern Philip Morris International eine milliardenschwere Schadensersatzklage gegen Australien erheben will. Hintergrund dieses Vorhabens ist die Tatsache, dass das Land erst eine Woche zuvor ein Gesetz beschlossen hatte, nach dem den Konzernen die freie Gestaltung der Zigarettenschachteln untersagt und Einheitspackungen eingeführt werden sollen. Die Rede ist von olivgrünen Hüllen, die mit großen Warnhinweisen und abschreckenden Bildern versehen werden sollen. Zur Unterscheidbarkeit der einzelnen Marken soll lediglich ein einfacher Schriftzug dienen.

Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass die EU-Kommission über ähnliche Vorhaben nachdenkt, empfiehlt es sich im Hinblick auf die Vorbereitung für das Staatsexamen,  bisherige Tendenzen des Europäischen Gerichtshofs  zu verinnerlichen. Beispielsweise sollte beachtet werden, dass im europäischen Raum die Richtlinie 2003/33/EG existiert, die der Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen dienen soll und zu beachten sein könnte. Zudem empfehle ich auch die Lektüre des aufbereiteten Falles „Tabakwerbeverbot“ (Wollenschläger, Iurratio 2009, 170), den man ebenfalls im Hinblick auf das Europarecht einmal gelesen haben sollte. Dieser berücksichtigt dankenswerterweise auch bereits den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und stellt die Problematik studentenfreundlich dar.

Ö-Recht-Basics: Teil I – Der Verwaltungsakt

21 Nov

Kaum eine andere Handlungsform wird von der Verwaltung so oft genutzt wie der Verwaltungsakt. Daher ist es für die Vorbereitung auf verwaltungsrechtliche Klausuren unerlässlich, sich mit diesem Instrument näher zu beschäftigen. Der folgende Beitrag versucht einige wesentliche Aspekte ohne Anspruch auf Vollständigkeit in gebotener Kürze darzustellen.

I. Definition

Eine Legaldefinition des Begriffs „Verwaltungsakt“ lässt sich § 35 VwVfG entnehmen. Danach handelt es sich bei einem Verwaltungsakt um eine Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die eine hoheitliche Regelung beinhaltet, einen Einzelfall betrifft und Außenwirkung entfaltet.
1. Maßnahme einer Behörde
2. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
3. hoheitliche Regelung
4. Einzelfall
5. Außenwirkung
Probleme können sich unter jeder dieser Voraussetzungen ergeben.

II. Maßnahme einer Behörde

Zunächst muss es sich um eine Maßnahme einer Behörde handeln. Nach dem engen Behördenbegriff ist eine Behörde eine Stelle der Exekutive, die für den Verwaltungsträger nach außen hin tätig wird. Der weite Behördenbegriff, der auch § 1 IV VwVfG zugrunde liegt, umfasst demgegenüber jede Stelle, die Verwaltungstätigkeiten wahrnimmt.

III. Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 

Hier ist, sofern in der Prüfung nicht bereits geschehen (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Zulässigkeit der Klage vor dem Verwaltungsgericht), der Streit zu verorten, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Maßnahme (Streitigkeit) handelt. Dies richtet sich in der Regel nach der streitentscheidenden Norm. Nach der vorzugswürdigen Sonderrechtstheorie ist zu hinterfragen, ob die Vorschrift einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet (aA: Interessentheorie, Subordinationstheorie).

IV. hoheitliche Regelung

Es müsste sich auch um eine hoheitliche Regelung handeln. Die Maßnahme der Behörde muss auf Setzung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein. Durch den Begriff „hoheitlich“ wird verdeutlicht, dass es sich in Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß §§ 54 ff VwVfG um eine einseitige Regelung handelt. Diese muss ferner verbindlich und abschließend sein. Im Gegensatz zum vorläufigen Verwaltungsakt beinhalten vorbereitende Maßnahmen keine hoheitliche Regelung. Zu unterscheiden ist auch die wiederholenden Verfügung von einem Zweitbescheid. Grundsätzlich liegt eine Regelung vor, sofern ein Gebot oder Verbot durch die Behörde erfolgt.

V. Einzelfall

Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist ferner, dass die Maßnahme der Behörde einen Einzelfall regelt. Während Gesetze prinzipiell abstrakt – genrelle Bedeutung haben (abstrakt = für eine Vielzahl von Fällen; generell = für eine Vielzahl von Personen), beansprucht der Urform des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S.1 VwVfG nur konkret – individuelle Wirkung. § 35 S.2 VwVfG geht jedoch darüber hinaus und beinhaltet die Allgemeinverfügung. Ein Verwaltungsakt liegt hiernach auch vor, wenn ein konrekter Fall geregelt wird, aber eine Vielzahl von Personen betroffen sein können (konkret – generell). Man spricht in diesem Zusammenhang von adressatbezogenen Verfügungen, dinglichen Verwaltungsakten und Benutzungsregelungen.

VI. Außenwirkung

Schließlich besteht auch das Bedürfnis der Außenwirkung. Außenwirkung entfaltet die Regelung, wenn sie an einen außerhalb der Verwaltung Stehenden gerichtet ist. Der Adressat des Verwaltungsaktes muss als selbstständiges Rechtssubjekt adressiert sein.
Probleme hinsichtlich des Vorliegens der Außenwirkung ergeben sich insbesondere bei Maßnahmen gegenüber einem Beamten. Zu Bejahen ist die Außenwirkung hier, sofern die persönliche Rechtsstellung des Beamten betroffen ist und es sich um einen Statusakt handelt. Man spricht auch vom sogenannten Grundverhältnis. Sofern jedoch das Betriebsverhältnis und damit die Stellung des Beamten innerhalb der Verwaltung betroffen ist, scheidet eine Außenwirkung aus.
Aber auch bei mitwirkungsbedürftigen Maßnahmen stellt sich die Frage, ob die Mitwirkungshandlung der anderen Behörde einen Verwaltungsakt darstellt. Dies wird jedenfalls dann zu bejahen sein, sofern diese eine im Verhältnis zur ersten Behörde inkongruente Prüfung vornimmt und eine Teilregelungsbefugnis innehat.

VII. Wirksamkeit

Sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich anzunehmen. Ausnahmsweise kann jedoch auch eine Maßnahme, die alle Voraussetzungen des § 35 S.1 VwVfG erfüllt, keinen Verwaltungsakt darstellen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 II 1 Nr.4 VwGO stellt beispielsweise einen solchen Fall dar. Zwar lässt sich diese ohne weiteres unter § 35 S.1 VwVfG subsumieren. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt wird die Anordnung jedoch nicht mit der Anfechtungsklage gemäß § 113 I 1 VwGO angegriffen, sondern mit der Beschwerde, vgl §§ 144 ff VwGO. Zudem kann die Anordnung anders als ein Verwaltungsakt auch nicht in Bestandskraft erwachsen.
Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt und sprechen auch keine weiteren Einwände gegen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, muss dieser jedoch wirksam geworden sein. Zu differenzieren sind insoweit die äußere Wirksamkeit, die durch Bekanntgabe gemäß §§ 41, 43 VwVfG eintritt, und die innere Wirksamkeit, die gegeben ist, sofern der Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen entfaltet. Dass äußere und innere Wirksamkeit zeitlich auseinanderfallen können, lässt sich schon anhand de Beispiels eines bedingten Verwaltungsaktes erläutern, der zum Zeitpunkt A bekannt gegeben wird, seine Rechtswirkungen aber erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritt B entfaltet. Bei Allgemeinverfügungen sind im übrigen Besonderheiten im Rahmen der Bekanntgabe § 41 VwVfG und der Anhörung § 28 VwVfG zu beachten.

VIII. Funktionen

Abschließend soll noch kurz auf die Funktionen eingegangen werden.
Beim Verwaltungsakt handelt es sich um eine materiell-rechtliche Regelung, die in formeller Bestandskraft erwachsen kann und nur in begrenztem Umfang durch eine gewisse Fehlerempfindlichkeit geprägt ist, vgl. §§ 43, 44 VwVfG.  Regelmäßig ist er Bestandteil des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 VwVfG und bildet die Grundlage für die Verwaltungsvollstreckung, vgl § 6 VwVG. Seine prozessrechtliche Bedeutung hat jedoch aufgrund der Vielzahl der Klagemöglichkeiten abgenommen.

„Ö-Recht-Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Verwaltungsrechts verschaffen soll.

„Juristische Kuriositäten – Ein Spaziergang durch den Paragrafendschungel“

20 Nov

Gibt es im BGB einen Paragraphen, der keine Überschrift enthält? Vermutlich würde dies jeder in Zweifel ziehen. Doch es gibt Ihn: § 1588 BGB. Verwunderlich, nicht wahr. Ebenso verwunderlich mutet wohl eine Vorschrift an, die zwar nicht aufgehoben wurde, jedoch auch keinerlei Regelung mehr enthielt. Auch dieses Phänomen entspringt nicht einer unbekümmerten Fantasie. Nein. Auch die Realität der Gesetzgebung bringt Kuriositäten zum Vorschein, die stellenweise sehr abenteuerlich sind, eines nachvollziehbaren Gedankens jedoch entbehren. § 58 SGB V, der den Beitrag für Zahnersatz regelte, stellte vom 21.12.2004 bis zum 31.12.2004 eine – so möchte man es zurückhaltend formulieren – substanziell entleerte Fassade dar, war ihr in diesem Zeitraum kein Regelungsgehalt zu entnehmen.

Für die Wissenschaft vermag ein Beitrag, der sich mit solchen Aspekten des Rechts beschäftigt, wohl – ohne dem Autor damit seine Leistung in Abrede zu stellen – von minderer Bedeutung sein. Der Student, der jedoch im Paragraphendickicht umherirrt und meint, die Bürde wie Atlas zu tragen, dürfte durchaus ein gewisses Interesse an einer Ablenkung hegen. Wer daher weitere Kuriositäten des Rechts kennen lernen möchte, dem empfehle ich den Beitrag von Hamann – „Juristische Kuriositäten – Ein Spaziergang durch den Paragrafendschungel“ – in der NJW 2009, 727 ff (Link nur im Uninetz bei Beck verfügbar !).

Zivilrecht Basics: Teil I – Die Willenserklärung

18 Nov

Kaum ein anderes Element ist in der Zivilrechtslehre von ähnlicher Bedeutung wie die Willenserklärung. Umso wichtiger erscheint es daher, sich bereits frühzeitig mit den Basics dieser Materie zu befassen, um den Grundpfeiler für eine erfolgreiche Zivilrechtsklausur zu setzen. Der folgende Beitrag befasst sich folglich mit einer kurzen Darstellung der wesentlichen Merkmale und Problemkreise dieses Bereichs.

I. Definition

Bei einer Willenserklärung handelt es sich um eine nach außen gerichtete Willensäußerung, die auf die Erzielung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist, deren Erreichung in der Regel nach dem Parteiwillen auch erstrebt wird. Abzugrenzen hiervon sind geschäftsähnliche Handlungen und Realakte. Bei diesen tritt die Rechtsfolge nicht aufgrund des Parteiwillens, sondern kraft Gesetzes ein. Die Mahnung im Rahmen des § 286 I BGB stellt beispielsweise nach h.M. eine geschäftsähnliche Handlung dar, da der Verzug qua Gesetz begründet wird.

II. Bedeutung

Willenserklärungen erfolgen wie erörtert in der Regel, weil eine bestimmte Rechtsfolge erstrebt wird. Im besonderen Teil des Schuldrechts finden sich Regelungen zu einer Vielzahl unterschiedlichster Vertragstypen. Ein Vertragsabschluss basiert häufig auf zwei inhaltlich kongruenten Willenserklärungen – Angebot und Annahme §§ 145 ff BGB.

III. Angebot

Bei einem Angebot iSd § 145 BGB handelt es sich um eine wirksame Willenserklärung, die auf den Abschluss eines Vertrages – hier Kaufvertrag – gerichtet ist. Es empfiehlt sich, nach folgendem Prüfungsschema das Vorliegen eines wirksamen Angebots zu ergründen.

1. Vorliegen einer Willenserklärung

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

1. Vorliegen einer Willenserklärung

Ob einer Willenserklärung überhaupt vorliegt, hängt von einem Zusammenspiel objektiver Gegebenheiten und subjektiver Elemente ab:

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

Voraussetzung ist zunächst, dass der Antragende objektiv ein Erklärungszeichen gesetzt hat. Dies wird in der Regel bei einer Äußerung oder einem bestimmten Zeichen (z.B. Handzeichen bei einer Versteigerung) der Fall sein. Zudem muss dieses Erklärungszeichen auf den Willen hindeuten, sich rechtlich binden zu wollen. Der Erklärungsempfänger muss objektiv davon ausgehen dürfen, dass der Erklärende eine Verbindlichkeit eingehen will. Der Erklärende selbst bedarf demgegenüber zunächst des Willens, eine Handlung vorzunehmen. Dies wird nur in Ausnahmefällen – man denke an Hypnose oder auch möglicherweise Reflexhandlungen – abzulehnen sein. Fraglich ist, welche Voraussetzungen an das Erklärungsbewusstsein des Antragenden zu stellen sind. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob dem Erklärenden tatsächlich bewusst sein muss, eine rechtserhebliche Handlung vorzunehmen. Die herrschende Meinung plädiert dafür, lediglich ein potentielles Erklärungsbewusstsein zu verlangen. Demnach liegt das Erklärungsbewusstsein bereits dann vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als rechtserhebliche Handlung gedeutet wird und werden kann. Der Verkehr ist vorrangig zu schützen, sofern dem Erklärenden ein „Vorwurf“ zu machen ist. Dieser steht zudem nicht schutzlos dar, da er sich jederzeit die Anfechtung der Willenserklärung (§ 119 I 2.Alt BGB analog) in Betracht ziehen kann. Schließlich muss der Erklärende den Willen haben, das konkrete Geschäft vorzunehmen. Gegeben dem Fall, dass der Geschäftswille nicht vorliegt, steht dies der Bejahung einer Willenserklärung jedoch nicht entgegen.

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

Das bloße Vorliegen einer Willenserklärung kann jedoch keinen Vertragsabschluss begründen, sofern diese nicht wirksam ist. Wirksamkeit erlangt die Willenserklärung, wenn sie abgegeben und dem Empfänger zugegangen ist und keine Wirksamkeitshindernisse bestehen. Zu differenzieren ist hier zwischen verkörperten und nicht verkörperten Willenseklärungen und zwischen der Abgabe der Willenserklärung gegenüber An- oder Abwesenden. Die Willenserklärung ist grundsätzlich abgegeben, wenn sie willentlich so in den Rechtsverkehr in Richtung des Empfängers entäußert wurde, sodass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann. Zugegangen ist die Willenserklärung demgegenüber dann, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Umständen Kenntnis vom Hinhalt erlangen kann, § 130 I 1 BGB. Der Wirksamkeit könnte ein Widerruf des Angebots gemäß § 130 I 2 BGB entgegenstehen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser vor oder zeitgleich mit dem Angebot eingehen muss. Es kommt insofern nicht auf die Kenntnisnahme, sondern auf den tatsächlichen Zugang an. Insofern liegt auch kein Widerruf vor, wenn dieser zwar vor dem eigentlichen Angebot zur Kenntnis genommen wird, aber grundsätzlich erst später zugegangen ist. Bezüglich der Wirksamkeit der Willenserklärung ist ferner § 131 BGB zu beachten, der sich mit der Problematik befasst, dass der eigentliche Erklärungsempfänger ein beschränkt Geschäftsfähiger im Sinne der §§ 2, 106 BGB ist. Das Versterben des Erklärenden beziehungsweise das Eintreten der Geschäftsunfähigkeit nach Abgabe des Angebots steht dessen Wirksamkeit gemäß § 130 II BGB nicht entgegen.

IV. Annahme

Da es sich bei der Annahme gemäß § 147 BGB ebenfalls um eine Willenserklärung handelt, können vorstehende Erörterungen hierauf übertragen werden. Lediglich kleine Ergänzungen sind zu beachten:

1. Vorliegen einer Willenserklärung

a. Objektiv:

aa. Setzen eines Erklärungszeichens
bb. Rechtsbindungswille erkennbar

b. Subjektiv:

aa. Handlungswille
bb. Erklärungsbewusstsein
cc. Geschäftswille

2. Wirksamkeit der Willenserklärung

a. Abgabe
b. Zugang § 130 I 1 BGB
c. kein Widerruf § 130 I 2 BGB

3. Annahmefähigkeit §153 BGB

4. rechtzeitige Annahme § 147 ff BGB

5. inhaltliche Kongruenz der Willenserklärungen (Übereinstimmung)

1. Annahmefähigkeit

§ 153 BGB stellt klar, dass das Versterben des Antragenden bzw dessen zwischenzeitige Geschäftsunfähigkeit der Annahme des Angebots in der Regel nicht entgegensteht, sofern nicht ausnahmsweise der Wille des Antragenden hierfür spricht.

2. Rechtzeitigkeit der Annahme

Grundsätzlich hat die Annahme des Angebots gemäß § 147 I BGB gegenüber Anwesenden sofort zu erfolgen, gemäß § 147 II BGB gegenüber Abwesenden nach einer bestimmten Frist, in der die Annahme zu erwarten ist. Was man unter „regelmäßig“ versteht, orientiert sich nicht zuletzt an dem eingeschlagenen Kommunikationsweg (Korrespondenz der Erklärungsmittel).

3. Inhaltliche Kongruenz

Schließlich ist Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrages, dass Angebot und Annahme inhaltlich übereinstimmen. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorschriften der §§ 154, 155 BGB (Dissens) zu beachten. Wie eine empfangsbedürftige Willenserklärung zu verstehen ist – vorliegend das Angebot durch den Annehmenden-, ist gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln.

4. weitere Aspekte

Zu beachten ist auch die Vorschrift des § 151 BGB, nach der ein Zugang der Willenserklärung unter bestimmten Umständen entbehrlich sein kann. § 151 BGB bezieht sich hierbei nur auf den Zugang, nicht jedoch auf die Abgabe der Willenserklärung. Auch § 150 BGB ist im Zusammenhang mit Willenserklärungen zu berücksichtigen. Hiernach stellt eine verspätete bzw eine inhaltlich vom Angebot abweichende Annahmeerklärung ein neues Angebot dar.

V. Schweigen

Im Zusammenhang mit dem Zustandekommen von Verträgen ist auch der Gegensatz zur Willenserklärung – das Schweigen – zu beachten. Grundsätzlich geht die h.M. davon aus, dass ein Schweigen nicht zu einem Vertragsabschluss führt. Wie in nahezu jedem Bereich des Zivilrechts gibt es jedoch auch hier Ausnahmen. Zu erwähnen sind das Schweigen auf ein Kaufmännisches Bestätigungsschreiben, das Schweigen im Rahmen einer Parteivereinbarung (beredtes Schweigen oder auch Schweigen als Erklärungshandlung), normiertes Schweigen (Rechtswirkungen des Schweigens kraft Gesetzes, vgl. zB § 108 II BGB), teilweise aber auch das Schweigen im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen.

„Zivilrecht Basics“ stellt eine Betragsreihe dar, die regelmäßig einen Überblick zu grundlegenden Themen des Zivilrechts verschaffen soll.

Die Kündigungsschutzklage gemäß § 4 S.1 KSchG und das Fristversäumnis des Anwalts – AG Berlin (28 Ca 9265/11)

16 Nov

Wer sich gerne mit dem Arbeitsrecht befasst, dem dürfte http://www.hensche.de nicht unbekannt sein. Hier wurde über ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Berlin (28 Ca 9265/11) berichtet, dass sich mit der Frage zu befassen hatte, inwiefern ein Fristversäumnis durch den vertretungsberechtigten Anwalt – vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG iVm § 78 ZPO (beachte aber auch § 11 ArbGG) – bei der Erhebung einer Kündigungsschutzklage im Sinne des § 4 S. 1 KSchG dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist, vgl. auch § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG. Bei dem hier diskutierten Problem handelt es sich um ein solches, dass eigentlich jedem in der Examensvorbereitung im Bereich des Arbeitsrecht früher oder später begegnet. Daher bietet es sich aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin an, den Meinungsstand kurz darzustellen. Interessant an der Entscheidung ist, dass sich das Arbeitsgericht nicht der durch das Bundesarbeitsgericht vertretenen Auffassung anschließt.

Sofern der Arbeitnehmer die Frist des § 4 S. 1 KSchG nicht einhält (Rechtsnatur der Frist ist umstritten), ist die Klage gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG dennoch zuzulassen, sofern der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben. Dies wäre dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich das Verschulden des bevollmächtigten Anwalts nicht zurechnen lassen müsste. § 85 Abs. 2 ZPO sieht jedoch vor, dass das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleichgestellt ist.

I. eA.: § 85 Abs. 2 ZPO (+) -> § 5 Abs. 1 S.1 KSchG (-)

Insbesondere das Bundesarbeitsgericht vertritt die Ansicht, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, der sich mit dem Urteilsverfahren vor den Arbeitsgerichten befasst, zu denen auch die Kündigungsschutzklage gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG zählt, enthalte einen Verweis auf die Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO, sodass letztere Norm bereits nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG zur Anwendung gelangen müsste. Bei § 4 S. 1 KSchG handele es sich um eine prozessuale Klageerhebungsfrist, sodass § 85 Abs. 2 ZPO auch unproblematisch Anwendung finden könne. § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG stehe der Anwendung des § 85 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Um dem Interesse des Arbeitnehmers als vertretene Partei gerecht zu werden, wird in einer Vielzahl von Fällen ein Regressanspruch gegen den bevollmächtigten Anwalt bestehen.

II. aA: § 85 Abs. 2 ZPO (-) -> § 5 Abs. 1 S. 1 KSchG (+)

Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Berlin, dass sich damit Teilen der Literatur anschließt, findet § 85 Abs. 2 ZPO demgegenüber keine Anwendung. Bei § 4 S.1 KschG handele es sich nicht um eine prozessuale Klageerhebungsfrist, sondern um eine materiell-rechtliche Frist, die auf Seiten der Begründetheit zu beachten wäre. Folglich könne die prozessuale Vorschrift des § 85 Abs. 2 ZPO bereits nicht einschlägig sein. Überdies sei zu berücksichtigen, dass § 85 Abs. 2 ZPO bereits seinem Wortlaut nach ein bestehendes Prozessverhältnis voraussetze, sodass der vorliegende Fall nicht in den Anwendungsbereich fiele, da erst durch die Klageerhebung ein solches Prozessverhältnis entstehe. Dem Arbeitnehmer dürfe nicht der Zugang zu den Arbeitsgerichten verwehrt werden, da von dem Verlust seines Arbeitsplatzes oftmals die wirtschaftliche Existenz abhänge.

III. Fazit

Im ersten Staatsexamen ist grundsätzlich jede Meinung vertretbar, soweit sie schlüssig begründet wird. Vorliegend sprechen für beide Ansichten gute Argumente. Empfehlenswert erscheint es auch , sich einmal mit dem Meinungsstand zur Rechtsnatur der Frist des § 4 Abs. 1 KSchG zu befassen.

Auskunftsrecht des „Scheinvaters“ gegen die Mutter hinsichtlich des echten Vaters – BGH XII ZR 136/09

15 Nov

Der Bundesgerichtshof hatte sich vor kurzem mit der Frage zu befassen, inwieweit ein „Scheinvater“ von der Mutter (§ 1591 BGB) des Kindes Auskunft hinsichtlich des wirklichen Vaters (vgl. § 1592 BGB) verlangen kann, um etwaige Ansprüche gegen diesen wegen geleisteten Unterhalts geltend zu machen.

I. Anspruch des Kindes auf Auskunft 

Schon seit längerem ist anerkannt, dass dem Kind ein Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft hinsichtlich des echten Vaters zusteht. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung entspringt dabei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dass aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird. Der Anspruch auf Inkenntnissetzung durch die Mutter wird zudem auf § 1618a BGB (analog) in Verbindung mit § 242 BGB gestützt.

II. Anspruch des „Scheinvaters“ auf Auskunft

Durch das Urteil des Bundesgerichtshofes werden die Rechte der Mutter, insbesondere das aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG resultierende Recht auf Privat- und Intimssphäre erheblich eingeschränkt. Dennoch scheint das Gericht bei der Entscheidungsfindung von dem Gedanken der Schutzbedürftigkeit des „Scheinvaters“ geleitet worden zu sein. „Die Beklagte schulde dem Kläger nach Treu und Glauben Auskunft über die Person, die ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.“ Im vorliegenden Fall „wiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter regelmäßig nicht stärker als der ebenfalls geschützte Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgter Vaterschaftsanfechtung, vgl Art. 19 Abs. 4 GG.“

Die Anspruchsgrundlage auf Unterhaltsregress ergibt sich aus §§ 1607 Abs. 3 S. 2, 1601 ff BGB, wobei der Unterhalt auch rückwirkend für die Vergangenheit gefordert werden kann, § 1613 Abs. 2 Nr. 2a BGB. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Vaterschaft des echten Vaters gemäß § 1600 d Abs. 1 BGB festgestellt wurde oder von dessen Seite ein Anerkenntnis im Sinne des § 1594 BGB vorliegt, vgl. § 1600 d Abs. 4 BGB. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob die Feststellung in einem gesonderten Verfahren zu erfolgen hat oder ob eine inzidente Feststellung der Vaterschaft möglich ist, was von der herrschenden Meinung mittlerweile bejaht wird. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass in nächster Zeit nicht mit einer Feststellung der Vaterschaft in einem gesonderten Verfahren gerechnet werden kann und die Interessen der betroffenen Parteien, insbesondere die der Mutter und des Kindes einer inzidenten Feststellung nicht entgegenstehen.

Heckler & Koch – Libyen, ein Exportverbot und G36-Sturmgewehre in den Händen des Gaddafi-Regimes?

14 Nov

Wie man den aktuellen Nachrichten entnehmen konnte, wurden G36-Sturmgewehre, die normalerweise von der Bundeswehr eingesetzt werden und von dem weltweit bekannten Waffenproduzenten „Heckler & Koch“ stammen, von Gaddafi-Anhängern und Regimesympathisanten genutzt.  Ein zunächst verhängtes Waffenembargo (Exportverbot von Waffen in dieses Land) gegen Libyen aus dem Jahr 1986 hob die EU zwar im Oktober 2004 wieder auf. Aufgrund der sich zuspitzenden Lage im Februar und März 2011 und der Attackierung von Regime-Gegnern im Rahmen des eintretenden Bürgerkrieges, der sich an die Revolutionsbewegungen in Ägypten und Tunesien anschloss, wurde jedoch erneut ein Waffenembargo gegen Libyen etabliert.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat nach Bekanntwerden des Sachverhalts die Ermittlungen gegen den Waffenproduzenten eingeleitet. Heckler & Koch beruft sich darauf, dass die Gewehre und Munition aus einer von den deutschen Behörden genehmigten, 2003 an die ägyptische Regierung adressierte Lieferung stammen, die 608 Gewehre und 500.000 Projektile umfasste. Einem offiziellen Schreiben an den Auswärtigen Ausschuss des Bundestages lässt sich entnehmen, dass Heckler & Koch selbst den Sachverhalt durch Experten vor Ort klären und keine Zweifel an der Integrität des Konzerns und der deutschen Exportkontrolle aufkommen lassen will. Ob es hierbei darum geht, die Reputation des „Rüstungs-Riesen“ zu wahren oder ob tatsächlich kein Verstoß gegen das Waffenembargo und etwaige einschlägige Gesetze vorliegt, werden die Ermittlungen noch zeigen. Trotz der Tatsache, dass es sich um ein eher exotisches Thema handelt, möchte ich auf Fundstellen in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Embargos hinweisen.

In BGH NStZ-RR 2003, 55 ging es um einen Flüchtling aus dem Irak, der anderen in Deutschland ansässigen Landsleuten bei der finanziellen Unterstützung der im Irak verbliebenen Verwandten half, indem er Geld an seinen Bruder im Irak überwies und dieser das Geld nach Abzug einer Provision an die Verwandten weiterleitete. BGHSt 41, 127 befasst sich mit der Strafbarkeit der Beförderung von Privatpersonen im Busverkehr von Deutschland nach Serbien Montenegro während des UN-Embargos. Eine Vielzahl weiterer Fälle lassen sich auf hrr-strafrecht.de finden. Auch, wenn es sich um teils exotische Vorschriften handelt, mit denen der Rechtsstudent während seines Studiums nie in Berührung kommen wird, werden auch hier Grundkenntnisse des Strafrechts gefordert.

Im Übrigen steht Heckler & Koch aktuell im Verdacht, den Drogenkrieg in Mexiko mit Waffenlieferungen geschürt zu haben. Wie n-tv berichtet, haben rund 300 Beamte des Landeskriminalamtes Büros des Waffenherstellers am Firmensitz in Oberndorf durchsucht.

Ein kurioser Fall – Einbruch in Grevenbroich

12 Nov

Recht kurios mutet folgender Sachverhalt an, der sich am Dienstag gegen 13 Uhr in der Schillerstraße in Grevenbroich ereignete: Eine Einbrecherin brach ein Kellerfenster auf und kletterte in das Haus. Dort sammelte sie Kosmetikartikel, Nahrungsmittel und Spirituosen, die sie für den Abtransport bereit stellte. Auch Kleingeld soll der 42-jährigen Frau „zum Opfer gefallen sein“. Während die Bewohner des Hauses zunächst abwesend waren, kamen die Kinder der Familie in der Folgezeit nach Hause. Davon ließ sich die Einbrecherin jedoch nicht irritieren, verzehrte Brötchen mit Mortadella, Tomaten, Leberwurst, Zwiebeln, Croissants und komplettierte das Mahl mit ein paar Gläsern Sekt. Auch ein Ansprechen seitens der Kinder und der darauf folgende Anruf bei der Polizei konnten die Frau nicht davon abhalten, sich in den Garten des Hauses zu begeben und Würstchen zu grillen. Als die Polizei schließlich eintraf und die Frau festnahm, erzählte diese, dass sie eigentlich mit der Bahn nach Köln fahren wollte, dann aber aufgrund ihres Appetits in Grevenbroich einen „Zwischenstopp“ eingelegt hätte. Die 42-jährige Frau erwartet nun ein Strafverfahren.