Archiv | Dezember, 2014

Quiki, das Schwein

4 Dez

Zur Haltung eines Hausschweines, AG Köpenick NZM 2001, 892 – Adventskalender (4)

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der bekl. Mieterin, das Halten eines Schweins in der streitgegenständlichen Wohnung zu unterlassen. Die Klage hatte keinen Erfolg.

„Die Kl. hat keinen Anspruch gem. § 550 BGB gegen die Bekl., die Haltung des Schweins „Quiki” bzw. „Schnitzel” in der gemieteten Wohnung zu unterlassen. Die Bekl. gebraucht die Wohnung nicht dadurch vertragswidrig, dass sie das Schwein hält. Dem steht nicht entgegen, dass die Bekl. das Tier ohne die erforderliche Zustimmung nach Nr. 7 I Nr. e der Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag hält. Denn die Kl. darf sich nicht auf das Fehlen der Zustimmung berufen. Sie handelt insoweit rechtsmissbräuchlich nach §242 BGB, da sie verpflichtet ist, die Zustimmung zur Haltung des Schweins zu erteilen (…). Nach Nr. 7 II der Vertragsbedingungen darf sie die Zustimmung zur Tierhaltung nur verweigern, wenn von dem Tier Belästigungen anderer Hausbewohner und Nachbarn sowie Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass von dem Schwein weder Belästigungen noch Beeinträchtigungen ausgehen. (…)

Unerheblich ist, ob das Treppenhaus bis April 2000 nach Schwein gestunken hat. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass es auch in Zukunft stinken wird, da die Bekl. mittlerweile seit zwei Monaten in der Lage ist, das Schwein ohne weitere Belästigungen zu halten. Schließlich besteht auch nicht deshalb ein Unterlassungsanspruch, weil ein Schwein nach Auffassung der Kl. „generell nicht in eine Wohnung gehört”. Denn nach dem Mietvertrag darf die Kl. die Zustimmung zur Tierhaltung nur dann verweigern, wenn Beeinträchtigungen und Belästigungen von einem Tier zu erwarten sind. Der Vertrag sieht darüber hinaus kein Recht vor, die Zustimmung deshalb zu verweigern, weil eine Tierhaltung in der Wohnung aus Sicht der Kl. nicht sinnvoll ist. (…)“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

„In Süddeutschland gibt es kein Dorf ohne als Hexen verrufene Frauen“

3 Dez

Zur Verbreitung von Hexenglauben, LG Mannheim NJW 1979, 504 – Adventskalender (3)

Der Vorsitzende Richter Dr. Wolf Wimmer am LG Mannheim, aus dessen Feder das vorliegende Urteil stammt, ist ein Wiederholungstäter. 1997 schenkte er uns die Perle zur Glaubwürdigkeit des Pfälzers  (s. Türchen Nr. 4 Adventskalender 2012) und 1993 eine Studie der Marktpreise von Teufelsaustreibungen (s. Türchen Nr. 18 Adventskalender 2012). In der vorliegenden älteren Entscheidung konnte Dr. Wimmer wieder als Experte glänzen. Denn neben einschlägigen Aufsätzen (Parapsychologie, Wissenschaft und Rechtsordnung, NJW 1979, 587), verfasste er mit Otto Prokop das Buch “Der moderne Okkultismus” (1976).

„Die Privatkl. wirft der Privatbekl. Beleidigung, Verleumdung und vorsätzliche Körperverletzung vor, weil diese sie als „Hexe” und „Hure” bezeichnet und ihr mit einem Glaskrug blutende Verletzungen am Kopf zugefügt habe. Durch den angefochtenen Beschluß hat das AG das Privatklageverfahren gem. § 383 II StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Beschwerde der Privatkl. hiergegen hatte Erfolg.

Der Erstrichter hat Beweis erhoben durch Vernehmung zweier Zeuginnen, die im wesentlichen das Vorbringen der Privatkl. bestätigt haben. Gleichwohl erscheint der Sachverhalt noch nicht soweit aufgeklärt, daß schon jetzt die Feststellung geringer Schuld bei der Privatbekl. getroffen werden kann, die § 383 II StPO erfordert. Fest steht lediglich, daß der Hexenaberglaube Ursache der unstreitig erfolgten Auseinandersetzungen gewesen ist. Unklar ist jedoch, ob die Privatbekl. subjektiv Anlaß zu solchem Wähnen haben konnte. Sie behauptet zwar, die Privatkl. habe ihr über einen „Hodcha” (Hexenbanner) 4 Zaubersprüche (musca) besorgt, um eine gewisse Kälte ihres Ehemannes zu beseitigen. Die Privatkl. bestreitet dies jedoch; ihrzufolge habe die Privatbekl. sie (die gar nicht an Hexen glaube) grundlos als Hexe verschrien.

In letzterem Falle aber wäre eine Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld schon von der Motivation der Täterin her nicht gerechtfertigt. Zweifellos ist der Hexenglaube im nahen Orient der Gegenwart außerordentlich weit verbreitet (Kriss und Kriss-­Heinrich, Volksglaube im Bereich des Islam II, S. 12 ff.). Doch steht es auch hierzulande kaum besser. Nach der letzten einschlägigen Umfrage (1973) glauben 2% der Einwohner der Bundesrepublik fest an „Hexen” und weitere 9% halten Hexerei für möglich; in Süddeutschland gibt es sachverständigen Schätzungen zufolge kein Dorf ohne als Hexen verrufene Frauen (Schäfer, Der kriminelle Aberglaube in der Gegenwart, S. 36; Prokop, Medizinischer Okkultismus, 3. Aufl., S. 9). Es besteht also kein Grund, die gleichen abergläubischen Vorstellungen „weit hinten in der Türkei” anders und milder zu beurteilen. Wie der Prozeßbevollmächtigte der Privatkl. mit Recht ausführt, ist die Verdächtigung als „Hexe” auch für eine türkische Gastarbeiterin eine schwerwiegende Rufbeeinträchtigung, die sie in den Augen ihrer abergläubischen engeren Umwelt allmählich zur Verfemten und Geächteten macht, ständiger Feindschaft und Verfolgung aussetzt und schließlich nicht selten schweren Mißhandlungen oder gar Tötung zum Opfer fallen läßt, wenn nicht rechtzeitig und wirksam abschreckend gegen die Verleumdung vorgegangen wird (vgl. Schäfer, S. 30 ff.; grundlegend Kruse, Hexen unter uns?, passim).

Derartige Fälle, in denen Unschuldigen grundlos ein so schwerer Vorwurf angehängt wird einer „Hexe” trauen Abergläubische alles Schlechte und Böse, alle Unsittlichkeiten und Schandtaten zu ­, erfordern zum Schutz der Betroffenen notfalls nachhaltige Ahndung durch Strafgerichtsurteile (Auhofer, Aberglaube und Hexenwahn heute, S. 151 ff.; einhellige Meinung der Okkultkriminalistik, vgl. neuestens Schöck, Hexenglaube in der Gegenwart, S. 286 ff. m.w. Nachw.). Eine Einstellung des von der verleumdeten und mißhandelten „Hexe” angestrengten Privatklageverfahrens wegen Geringfügigkeit würde deshalb in vielen Fällen der Sachlage nicht gerecht, da hier schon angesichts der verschuldeten Auswirkungen der Tat keinesfalls von „erheblich unter dem Durchschnitt liegender Schuld” (…) gesprochen werden kann. Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmesituationen, etwa wenn die der „Hexerei” Bezichtigte selbst die „schwarze Magie” ausübt, dürfte ein Bagatellfall vorliegen, der die Anwendung des § 383 II StPO begründet erscheinen läßt.

Da jedoch die bisherigen Ermittlungen für eine solche Feststellung nicht ausreichen, waren der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Akten dem AG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückzugeben. Für das weitere Verfahren wird zu beachten sein, daß nach Sachlage eine restlose Aufklärung nur durch eine Hauptverhandlung zu erreichen sein wird, zu der, nebst Parteien und Augenzeugen, auch ein Sachverständiger für türkische Volkskunde geladen wird.“

In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.

Richterlich bestätigt: Maria gebar Jesus

2 Dez

Das Aufstellen einer Madonnastatue im Treppenhaus führt nicht zu einer Mietminderung, AG Münster NJW 2004, 1334 – Adventskalender (2)

Wie auch in den letzten beiden Jahren veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.

Der Ehemann, der Liebhaber und die Selbstjustiz

1 Dez

Ein Schmerzensgeldanspruch des Liebhabers gegen den gehörnten und prügelnden Ehemann kann wegen Mitverschulden vollständig entfallen, LG Paderborn NJW 1990, 260 – Adventskalender (1)

„Am 28.8.1988 nachts zwischen 2.00 und 3.00 Uhr hielten sich der Kläger und die Ehefrau des Beklagten in der Ehewohnung des Beklagten und seiner Frau auf. Der Beklagte, der sich unerlaubt von seiner Arbeitsstelle entfernt und nach Hause begeben hatte, stellte kurz vor 3.00 Uhr fest, daß die Schlafzimmertür von innen verschlossen war. Er brach diese auf und traf im Schlafzimmer seine Ehefrau mit dem Kläger an. Inwieweit diese bekleidet waren, ist streitig. Der Beklagte verprügelte daraufhin den Kläger derart, daß sich dieser anschließend bis zum 5.9.1988 in stationärer Krankenhausbehandlung begab und insgesamt 6 Wochen arbeitsunfähig war. (…)

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe die Stirn gehabt, nicht etwa nur mit der Ehefrau des Beklagten fremdzugehen, sondern hierzu auch noch in das „Allerheiligste“ einer bestehenden Ehe einzudringen. Wenn er sich unter solchen Umständen den Zorn des Beklagten zuziehe und von ihm eine gehörige Tracht Prügel einstecken müsse, so rechtfertige dieses jedenfalls nicht die Bewilligung eines Schmerzensgeldes.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den Schmerzengeldanspruch weiter. Das Amtsgericht habe mehr unter Verwendung moralisch ethischer als juristischer Begriffe einen Schmerzensgeldanspruch des Klägers verneint. Es sei dabei zudem von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

Dazu das LG:

„(…) Hierfür besteht kein Rechtfertigungsgrund, insbesondere nicht der der Notwehr nach § 227 BGB. Zwar geht die Kammer davon aus, daß der Beklagte seine Ehefrau und den Kläger nicht oder nur spärlich bekleidet im Ehebett vorgefunden hat, nachdem er die Schlafzimmertür aufgebrochen hatte, wie weiter unten noch näher ausgeführt wird. Aber auch in Anbetracht des Umstandes, daß damit der sogenannte räumlichgegenständliche Bereich der Ehe verletzt worden ist, wogegen sich der Beklagte mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen könnte, berechtigte dieses ihn nicht, seinerseits den Kläger körperlich anzugreifen, um auf diese Weise Selbstjustiz zu üben.(…)

Das überwiegende Mitverschulden des Klägers ergibt sich daraus, daß dieser den tätlichen Angriff des Beklagten dadurch in erheblichem Maße selbst verursacht hat, daß er — wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat — nicht nur mit der Ehefrau des Beklagten fremdging, sondern dies auch noch im ehelichen Schlafzimmer des Beklagten geschah. (…)

Das Verhalten des Beklagten stellte eine ungeheure Provokation des Klägers dar. Zwar ist die Ehe als solche nicht gewaltsam schützbar und der Beklagte letztlich auch nicht davor zu schützen, daß seine Ehefrau durch die Beziehung zu einem anderen Partner aus der Ehe herausdrängt. Die Abwendung vom Ehegatten, die auf einer freien Willensentscheidung beruht, muß von diesem letzten Endes hingenommen werden. Es macht aber einen erheblichen Unterschied, ob sich der Ehebruch an irgendeinem anderen Ort oder im Schlafzimmer der Ehewohnung vollzieht. Denn es offenbart ein besonderes Maß an Hemmungslosigkeit und Unverfrorenheit gegenüber dem Beklagten, wenn sich dessen Ehefrau und der Kläger — wie geschehen — zu diesem Zwecke in die Ehewohnung begaben. Dort schlief nicht nur der 12-jährige Sohn des Beklagten und seiner Frau, sondern dieses Verhalten geschah auch unter Ausnutzung des Umstandes, daß der Beklagte im 24-Stunden-Schichtdienst auf seiner Arbeitsstelle zu sein hatte, und im Vertrauen darauf, daß er schon aus diesem Grunde nicht am Ort des Geschehens werde erscheinen können. Der Argumentation der Berufungsbegründung, daß der Kläger nicht damit zu rechnen brauchte, daß der ihm als pflichtbewußte Arbeitnehmer bekannte Beklagte seine Arbeitsstelle verlassen würde, und daß gerade deshalb das Mitverschulden des Klägers nicht sehr hoch sei, vermag die Kammer daher nicht zu folgen. Vielmehr mußte dem Beklagte, als er den Kläger dennoch in flagranti stellte, schlagartig klar werden, wie berechnend dieser auch die Arbeitsbedingungen des Beklagten schamlos und in nicht zu überbietender Dreistigkeit ausnutzte. Das gilt umso mehr, als dem Beklagten schon seit einiger Zeit der Verdacht ehelicher Untreue seiner Frau gekommen war, der jedoch bis dahin immer wieder zerstreut werden konnte. Dies alles mußte sich auch der Kläger sagen; er hatte in dieser Situation mit aufflammendem Zorn des Beklagten und einem daraus resultierenden körperlichen Angriff zu rechnen. (…)

Schließlich steht der Verneinung eines Schmerzensgeldanspruches auch nicht der Gedanke entgegen, daß hiermit eine von der Rechtsordnung nicht zugestandene Selbstjustiz legalisiert würde. Das ist nicht der Fall. Das Verhalten des Beklagten bleibt rechtswidrig. Ein Freibrief für Ehemänner, in vergleichbaren Situationen auf die Liebhaber ihrer Ehefrauen einschlagen zu können, kann in dieser Entscheidung schon deshalb nicht gesehen werden, weil bei Verletzungen des Kontrahenten nicht nur ein Schmerzensgeldanspruch im Raume steht, sondern auch Ansprüche auf materiellen Schadensersatz, wie z.B. für Arzt- und Krankenhauskosten. (…)“

Wie auch in den letzten beiden Jahren veröffentlichen wir im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können – Türchen für Türchen – entdeckt werden.