Dieser alte Repetitor-Spruch beschreibt die sog. Perpetuirungstheorie im Rahmen des § 259 StGB: Durch die Verschiebung des rechtswidrig erlangten Besitzes verringert sich die Chance des Opfers der Vortat (z.B. Diebstahl), die Sache wiederzubekommen. Zudem bietet die Hehlerei oftmals erst den Anreiz zur Vortat (Wo keine Absatzmöglichkeiten, da weniger Diebstähle). Im Strafmaß schlägt sich dieser vermeintlich höhere Unrechtsgehalt jedenfalls nicht nieder.
Stein des Anstoßes
Vor einigen Tagen habe ich mir – zur Vorbereitung auf den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst im Referendariat – eine Verhandlung vor dem AG Köln angesehen. Der türkischstämmige Angeklagte hatte vor einem Kiosk in Köln-Ehrenfeld von einer unbekannten Person ein Apple iPad (weiß) zum Preis von 100€ erstanden. Die unbekannte Person habe dabei behauptet, Eigentümer des iPads zu sein. Ein Ladekabel sei nicht enthalten gewesen. Später wurde der Angeklagte von Streifenpolizisten auf das iPad angesprochen; es stellte sich heraus, dass es am Vortag aus einem KFZ entwendet wurde.
Gang der Verhandlung
Der Angeklagte erschien ohne Verteidiger. Nachdem die Anklage verlesen wurde, wollte er sich zur Sache äußern und erklärte, dass er das iPad keinesfalls gestohlen habe, nur gekauft. Er habe also „mit der ganzen Sache nichts zu tun“. Richter und Staatsanwalt erklärten daraufhin, dass ihm ja auch keinesfalls der Diebstahl, § 242 StGB, sondern eine Hehlerei, § 259 StGB, zur Last gelegt werde. Daraufhin wendete der Angeklagte ein, er habe
1. nicht gewusst, dass das iPad gestohlen ist
2. das Gerät schon gar nicht als iPad erkannt, sondern es vielmehr für einen „Mini-Fernseher“ gehalten.
3. Straßenverkäufe von Elektrogeräten seien in seinem Viertel üblich.
Wie sind diese Einlassungen zu bewerten?
Schützt Nichtwissen um die Vortat vor Strafe?
Ja. Die subjektive Seite des § 259 StGB fordert mindestens Eventualvorsatz (billigendes Inkaufnehmen) hinsichtlich der rechtswidrigen Herkunft des Tatobjekts. Im vorliegenden Fall beteuerte der Angeklagte, er habe den Verkäufer für den Eigentümer des iPad gehalten. Um zu bestimmen, ob der Täter eine rechtswidrige Herkunft des Tatobjekts billigend in Kauf genommen hat, werden die Gesamtumstände berücksichtigt: Ankauf auf der Straße, Handel mit einer unbekannten Person, fehlende Verpackung und Zubehör, und auch der geringe Preis iHv 100€ gegenüber dem Ladenpreis von weit über 400€. An dieser Stelle wird die Einlassung des Angeklagten relevant, er habe das Gerät für einen Minifernseher gehalten. Ein gebrauchter Minifernseher wäre zu dem Preis jedenfalls nicht derart billig, dass ein Verdacht der deliktischen Herkunft sich hätte aufdrängen müssen. Fraglich bleibt also, wie glaubhaft es ist, dass jemand ein iPad nicht als solches erkennt. Meine persönliche Einschätzung: Gering. Auch die Sozialüblichkeit eines Straßenhandels mit Elektrogeräten in Köln-Ehrenfeld ist mir jedenfalls nicht bekannt.
Dem Angeklagten jedenfalls halfen seine Beteuerungen nicht, er wurde zu Tagessätzen wegen Hehlerei verurteilt.
Ende der Geschichte
Als ich das Gerichtsgebäude verließ, sprach mich der nun verurteile Hehler an: Er habe mich im Zuschauerraum gesehen, ob ich die Eigentümerin des iPads sei? Wenn ja, wolle er sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Ich erwiderte vielmehr zu Ausbildungszwecken in der Verhandlung gewesen zu sein. Daraufhin beteuerte er – wenigstens eine Person solle ihm glauben – er habe – und das schwöre er „auf Alles“ – das iPad nicht gestohlen.
Ich musste tief Luft holen und versuchte ihm zu erklären, was Hehlerei überhaupt bedeutet und dass ihm keinesfalls der Diebstahl zur Last gelegt wurde. Ob er es verstanden hat, ich weiß es nicht, ich habe mich trotzdem irgendwie dazu verpflichtet gefühlt 😉
Lektüreempfehlung
Aktuelles zur subjektiven Tatseite der Hehlerei: LG Karlsruhe, JuS 2008, 174. (Zur Frage, ob der Startpreis von 1€ bei einer ebay-Auktion den Verdacht einer deliktischen Herkuft der Ware hervorrufen muss. Das LG verneint diese Frage, weil der Startpreis von 1€ bei ebay-Auktionen traditionell einen „Schaukel-Effekt“ unter den Bietern auslösen soll.)
Examensrelevanz
Die Examensrelevanz der Anschlussdelikte sollte nicht unterschätzt werden. Einen guten Überblick zur Hehlerei findet sich bei Jahn/Palm, JuS 2009, 501.
Sehr gut geschriebener Artikel, bei dem das Lesen wirklich Spaß macht.