Man(n) sollte immer zwei paar Hosen haben, SG Koblenz ArbuR 2006, 409 – Adventskalender (10)
„Der Kläger erhob Widerspruch und trug zur Begründung vor, er habe bereits an der Informationsveranstaltung am 30.08.2005 nicht teilnehmen können, weil beim Anziehen der Reißverschluss an seiner einzigen Hose verklemmt gewesen sei. Trotz mehrfacher Versuche habe sich das Problem weder lösen noch kaschieren lassen. Daraufhin habe er dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten telefonisch abgesagt. Am nächsten Tag sei es ihm gelungen, den Reißverschluss zu reparieren. Am 06.09.2005 habe dann der Reißverschluss nicht geklemmt, sondern er habe die Hose nicht mehr geschlossen. Daraufhin habe er den zuständigen Sachbearbeiter telefonisch informiert. Der Aufforderung des Sachbearbeiters, umgehend persönlich zu erscheinen, habe er nicht nachkommen können, weil es ihm unzumutbar gewesen sei, mit einer nicht zu schließenden Hose das Verwaltungsgebäude der Beklagten aufzusuchen. Aufgrund seines starken Übergewichts falle er in der Öffentlichkeit besonders auf, dies wäre durch eine offene Hose noch unterstrichen worden. Er habe damit einen wichtigen Grund gehabt, nicht zu dem Meldetermin zu erscheinen. Aufgrund seines Übergewichtes sei der Erwerb einer weiteren Hose mit erheblichen Kosten verbunden. Nach dem 06.09.2005 habe er die Hose reparieren lassen, zudem hätten ihm seine Eltern Geld für den Erwerb einer weiteren Hose zur Verfügung gestellt. Einen weiteren Meldetermin bei der Beklagten am 15.09.2005 habe er dann wahrgenommen.“
Dazu das SG Koblenz:
„Sein Vorbringen, am 06.09.2005 habe sich der Reißverschluss an seiner einzigen Hose nicht schließen lassen, so dass er seine Wohnung nicht habe verlassen können, stellt keinen wichtigen Grund im Sinne von § 31 Abs. 2 SGB II dar. Ein Leistungsempfänger nach dem SGB II ist grundsätzlich gehalten, ausreichend Kleidung vorrätig zu halten, um Termine außerhalb seiner Wohnung, seien es Beratungen bei der Beklagten oder Vorstellungstermine bei potentiellen Arbeitgebern, unverzüglich nachkommen zu können. Dies erfordert, dass die für das Verlassen der Wohnung erforderlichen Kleidungsstücke grundsätzlich mindestens in doppelter Ausfertigung vorhanden sind. Solche Kleidungsstücke können sowohl aufgrund von Schäden unerwartet unbrauchbar sein oder aufgrund der Notwendigkeit der Reinigung nicht zur Verfügung stehen. Kann der Leistungsempfänger beim Vorliegen dieser Gründe seine Wohnung nicht verlassen, ist seine Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis deutlich erschwert. Daher ist es ihm grundsätzlich im Rahmen der gewährten Regelleistung zumutbar, die erforderlichen Kleidungsstücke zumindestens in doppelter Ausfertigung zu erwerben und zur Verfügung zu halten. Zwar ist der Erwerb von Kleidungsstücken bei dem Kläger aufgrund seines Übergewichts, wovon sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck verschafft hat, mit höheren Kosten verbunden als für Leistungsempfänger, deren Gewicht nicht wesentlich überhöht ist. Trotzdem war es auch dem Kläger, der bereits vor dem 01.01.2005 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezogen hat und seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II bezieht, zumutbar, sich eine zweite Hose zu beschaffen, um Probleme, wie sie vorliegend aufgetreten sind, zu vermeiden.
Dem Kläger war es darüber hinaus auch zumutbar, den Meldetermin am 06.09.2005 trotz des defekten Reißverschlusses an seiner Hose wahrzunehmen. Der nicht schließende Reißverschluss konnte durch das Tragen entsprechender Kleidung, beispielsweise eines längeren Pullovers, einer Jacke oder eines Mantels, vor anderen Personen verborgen werden. Zudem wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, die Öffnung der Hose durch Hilfsmittel, wie z.B. eine Sicherheitsnadel, zu schließen.“
In den nächsten Wochen werden wir jeden Tag im Stile eines Adventskalenders kuriose und witzige Urteile veröffentlichen. Bekannte Klassiker und Exoten, Mietrecht und Reiserecht können Türchen für Türchen entdeckt werden.
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